Partizipative Forschungsansätze in der Biodiversitätsforschung am Beispiel urbaner Biodiversität

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Transkript:

Partizipative Forschungsansätze in der Biodiversitätsforschung am Beispiel urbaner Biodiversität Bericht zum NeFo-Workshop am 26.09.2016 in Berlin Dr. Katrin Reuter Museum für Naturkunde Berlin, Leibniz-Institut für Evolutionsund Biodiversitätsforschung Ich Katrin.reuter@mfn-berlin.de bin eine H2 Überschrift www.biodiversity.de Stand 17.10.2016

Einleitung Seit dem Jahr 2007 leben global betrachtet mehr Menschen in Städten als außerhalb von ihnen, mit steigender Tendenz. Da die Bewohnerinnen und Bewohner von Städten mit Gütern versorgt werden müssen, die nicht in den Städten selbst hergestellt werden können, haben Städte weitreichenden Einfluss auf die Biodiversität in ihrer Umgebung, aber durch eine globalisierte Weltwirtschaft auch auf weit entfernte Orte. Zu denken ist hier beispielsweise an den Anbau von Soja in Südamerika, welches für die Tierproduktion in der EU genutzt wird, aber auch an die lokalen Umgebungen von Städten, in welchen Güter produziert werden, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt verbraucht werden. Diese Art der Landnutzung und Landnutzungsänderungen wirken sich negativ auf die biologische Vielfalt aus. Gleichzeitig bieten Städte eine Vielzahl an ökologischen Nischen und Rückzugsräume für biologische Vielfalt. Städten kommt damit eine besondere Verantwortung in Bezug auf Biodiversität zu. Da in Städten eine Vielzahl an Nutzungsansprüchen hinsichtlich der Art der Flächennutzung zusammentrifft, kommt es in ihnen leicht zu Nutzungskonflikten. Auch der Schutz von biologischer Vielfalt in der Stadt muss sich diesen konkurrierenden Nutzungsansprüchen stellen. Das bedeutet, dass nicht nur mehr Wissen in Bezug auf die tatsächlich vorkommende Biodiversität in Städten benötigt wird, um sie langfristig erhalten zu können, sondern auch mehr Wissen in Bezug darauf, wie sich Biodiversitätsschutz vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessen auf relativ engem Raum umsetzen lässt. Da in Städten nicht nur die unterschiedlichen Ansprüche der Bewohnerinnen und Bewohner an den öffentlichen Raum und die Anforderungen für den Erhalt der biologischen Vielfalt konkurrieren, sondern in Städten auch viele Menschen leben, die einen Beitrag zu Biodiversitätsforschung leisten können, liegt es nahe, hier partizipative Forschungsansätze einzusetzen. Darüber hinaus erlangen partizipative Forschungsansätze in der Biodiversitätsforschung zunehmend Bedeutung, etwa im Hinblick auf das Sammeln großer Datenmengen. Aus diesem Grund hat sich NeFo entschieden, urbane Biodiversität als Beispiel zu nehmen, um partizipative Ansätze in der Biodiversitätsforschung zu diskutieren. Im Zentrum des Workshops, der am 26. September 2016 stattfand, stand die Frage, inwiefern Biodiversitätsforschung von partizipativen Ansätzen profitieren kann. Der Workshoptag gliederte sich in zwei Teile und einen informellen Ausklang im Sauriersaal des Naturkundemuseums Berlin. Der Vormittag des Workshoptages war geprägt von Impulsreferaten unter der Überschrift Biodiversität in der Stadt und Biodiversitätsforschung, der Nachmittag stand unter der Überschrift Partizipative Ansätze in der und für die Biodiversitätsforschung und es wurden verschiedene Methoden und Projekte vorgestellt und diskutiert. Zudem gab es eine moderierte Abschlussdiskussion. Um partizipative Ansätze in der Stadt praktisch greifbar zu machen, gab es am zweiten Tag eine Exkursion zum Tempelhofer Feld, auf welcher ein Vertreter des Gartens Allmende-Kontor e.v. sowie eine Vertreterin des Wissenschaftsladens basis.wissen.schafft e.v. vorstellten, wie Partizipation auf dem Tempelhofer Feld in Berlin realisiert wird und auch welche Schwierigkeiten es dabei gibt. 2

Teil I: Biodiversität in der Stadt und Biodiversitätsforschung Begrüßung Der Workshop wurde von Katrin Vohland eröffnet, die den Ansatz von NeFo sowie die Entwicklung der Biodiversitätsforschung in Deutschland darstellte. Sie erläuterte das Verständnis des Biodiversitätsbegriffes von NeFo, welches sowohl die biologischen Ebenen von Genen, Arten und Ökosystemen sowie den Interaktionen zwischen ihnen als auch gesellschaftliche Aspekte wie die Entwicklung von Methoden für ihren Schutz und ihre nachhaltige Nutzung umfasst. Es wurde zudem deutlich, dass sich Biodiversitätsforschung in Deutschland als eigenes Forschungsfeld etabliert hat, was an der Anzahl großer Biodiversitätsforschungszentren wie BiK-F oder idiv, der Existenz diverser Netzwerke wie NeFo oder BION und nicht zuletzt der steigenden Anzahl an Publikationen zum Thema deutlich wird. Einführung in das Thema des Workshops In ihrem Einleitungsvortrag spannte Katrin Reuter das Themenfeld des Workshops auf. Sie stellte dar, welche Bedeutung Städte für biologische Vielfalt haben und inwiefern in Städten Nutzungskonflikte hinsichtlich der Frage der Flächennutzung auftreten können. Die Verantwortung von Städten für biologische Vielfalt ist dabei doppelter Natur einerseits spielen Städte als Treiber des Verlustes für biologische Vielfalt eine Rolle, andererseits bieten sie jedoch auch viele ökologische Nischen und Rückzugsräume für biologische Vielfalt, welche es in von industrieller Landwirtschaft geprägten Gebieten häufig nicht mehr gibt. In Städten leben viele Menschen auf relativ engem Raum zusammen, entsprechend treffen auch viele unterschiedliche Interessen in Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Raums aufeinander. Konflikte können beispielsweise bei der Frage entstehen, ob eine bestimmte Fläche als Grünfläche genutzt oder bebaut werden soll, aber auch hinsichtlich der Frage, welche Art von Grünfläche an welcher Stelle mit welcher Gestaltung und für welche Art der Nutzung entstehen oder erhalten werden soll. Partizipative Forschungsansätze stellen hier eine Möglichkeit dar, Wissen über urbane Biodiversität zu sammeln und darüber hinaus Strategien und Methoden zu entwickeln, diese Vielfalt zu fördern und zu schützen. Urbane Biodiversität Was sagt die biologische Forschung? Um den gegenwärtigen Wissenstand in Bezug auf urbane Biodiversität vorzustellen, stellte Joscha Beninde eine umfangreiche Meta-Studie vor, in welcher er und seine Kollegen untersuchten, welche Faktoren für Biodiversität in der Stadt wichtig sind. Ausgehend von der Theorie der 3

Inselbiogeographie und über eine statistische Auswertung von Primärstudien untersuchten sie anhand von 27 Faktoren die Verteilung von Arten in 75 Städten weltweit. In der Studie zeigten sie, dass Größe und Korridore wichtig sind für eine möglichst hohe Artenzahl in der Stadt. Allerdings wurde auch deutlich, dass europäische Ornithologen das Bild verzerren, da es in Europa und zu dieser Tiergruppe besonders viele Studien gibt, während andere Kontinente und Taxa in den verfügbaren Studien unterrepräsentiert sind. Urbane Biodiversität und Planung Animal Aided Design Im Anschluss an den biologischen Vortrag stellte Thomas Hauck den Ansatz des Animal Aided Design vor, bei welchem Biodiversität in die Planung integriert wird. Er stellte dar, dass die Planung sich erst seit den 1960er bzw. seit den 1970er Jahren mit Natur im urbanen Raum befasst, was relativ spät ist, bedenkt man die lange Tradition des Naturschutzes. Weiterhin stellte er dar, dass ein Problem gegenwärtiger Planung eine zeitliche Lücke ist, die durch reaktive Planung entsteht; d.h. es werden zuerst Entwürfe gemacht und erst wenn diese zu weiten Teilen fertig sind, werden die zuständigen Naturschutzbehörden beteiligt. Dies sei ein Grund, weshalb Naturschutz bei Planungsvorhaben in der Stadt häufig als lästig empfunden wird. Der Ansatz des Animal Aided Design versucht, die Bedürfnisse von Tieren in die Planung zu integrieren und so einen Lebensraum für Tiere zu schaffen, in dem sie sich im urbanen Raum dauerhaft ansiedeln können. Städtebauliche Planung und Naturschutzplanung werden nicht mehr als gegensätzliche Planungsprozesse und -ziele gedacht, sondern im Sinne eines integrierten Gesamtprozesses. Um dies praktisch möglich zu machen, werden Artenportraits erstellt, die neben einer allgemeinen Charakterisierung den Nutzen der Art für den Menschen enthalten sowie eine Illustration des Lebenszyklus der Art, sodass kritische Standortfaktoren für alle Lebensphasen in die Planung integriert werden können. Illustriert wurde der Ansatz am Ende des Vortrages anhand eines Modellprojektes in München. Urbane Biodiversität und Ökosystemleistungen Der TEEB- Stadtbericht Für die Perspektive des Ökosystemleistungsansatzes stellte Ingo Kowarik den TEEB-Stadtbericht vor. Er legte dar, dass das Thema Biodiversität zwar seit den 1980er Jahren in der Stadtplanung angekommen sei, es jedoch eine Krise des Stadtnaturschutzes gibt. Auf der einen Seite stehe der traditionelle Naturschutz, welcher die Stadt als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, darunter seltene und gefährdete Arten, sieht und Natur im ihrer selbst willen schützen will. Auf der anderen Seite steht der anthropozentrisch ausgerichtete Naturschutz, welcher die Stadt zuvörderst als Lebensraum des Menschen begreift und die Vorteile der Stadtnatur für den Menschen betont. Trotz dieser Vorteile schreitet die Zerstörung städtischer Lebensräume weiter voran, da bspw. der Verdichtungsdruck steigt oder andere Interessen in konkreten Fällen höher gewichtet werden. Der 4

TEEB-Stadtbericht möchte in diese Diskussion eine ökonomische Perspektive einbringen, wobei diese sowohl qualitative als auch quantitative Werte beinhaltet. Der Ansatz von TEEB ist, Werte zu erkennen und anzuerkennen, sie zu veranschaulichen und sie dann in Entscheidungen zu integrieren. Für den TEEB-Stadtbericht wurde keine eigene Forschung durchgeführt, sondern vorhandenes Wissen zum Thema in Deutschland zusammengeführt. Der Bericht verfolgt einen integrativen Ansatz und versteht unter Stadtnatur jegliche Arten von Grünflächen in der Stadt. Anhand zahlreicher Beispiele wurde dargestellt, dass Menschen biologischer Vielfalt in der Stadt eine hohe Wertschätzung entgegenbringen und dass Stadtnatur positive gesellschaftliche und ökonomische Effekte hat. Teil II: Partizipative Ansätze in der und für die Biodiversitätsforschung Transdisziplinäre Forschung Diversität und Differenz Der zweite Teil des Tages wurde eröffnet mit einem Vortrag von Ulli Vilsmaier, die den Ansatz von transdisziplinärer Forschung, ihren Mehrwert und seine Herausforderungen darstellte. Es wurde deutlich, dass es den Begriff der Transdisziplinarität bereits seit den 1970er Jahren gibt, dass die Probleme, um die es bei transdisziplinärer Forschung geht, jedoch schon älter sind. Im Hinblick auf transdisziplinäre Forschung gibt es zwei Diskursstränge: Ein Strang zielt eher auf das Verhältnis verschiedener Institutionen und Wissensformen zueinander und thematisiert Machtaspekte in Diskursen; der andere Strang zielt eher auf das Herstellen einer unity of knowledge, um Probleme integriert lösen zu können. Darüber hinaus zielt transdisziplinäre Forschung auf neue Epistemologien der Problemlösung, welche außer-akademische Sichtweisen und ein neues Problemverständnis bzw. ein vertieftes Verständnis der Problemsituation beinhalten. Ein wichtiges Merkmal transdisziplinärer Forschung ist, dass Forschung von einem Problem her gedacht wird und nicht aus einer Forschungstradition heraus entsteht. Eine der großen Herausforderungen bei transdisziplinärer Forschung ist es entsprechend, Räume zu schaffen, um überhaupt ein gemeinsames Problemverständnis unter den Beteiligten entwickeln zu können. Citizen Science Was ist Citizen Science, worin liegt ihr Mehrwert für Biodiversitätsforschung und was sind ihre Methoden? Im Anschluss an den Vortrag zu transdisziplinärer Forschung stellte Lisa Pettibone die Idee von Citizen Science vor. Während der Ansatz transdisziplinärer Forschung einen starken theoretischen Unterbau hat, kann Citizen Science mehr Praxis und Praxisbeispiele anbieten. Es wurden die Rolle 5

von Citizen Science in der Biodiversitätsforschung sowie zwei verschiedene Definitionen und Ansätze, wie Citizen Science verstanden werden kann, dargestellt. Darauf aufbauend wurde diskutiert, was sich daraus für den Ansatz und das Verständnis von Partizipation im Forschungsprozess ergibt. Darüber hinaus wurden ausgewählte Ergebnisse einer Umfrage vorgestellt, die im GEWISS-Projekt durchgeführt wurde und die sich beispielswiese mit der Frage beschäftigte, in welcher Phase des Forschungsprozesses ehrenamtlich Forschende eingebunden werden möchten oder was sie zur Beteiligung an Forschungsprozessen motiviert. Partizipatives Design Wie können verschiedene Wissensformen zusammengebracht werden? Den Abschluss dieses Blocks bildete Bianca Herlo, die den Ansatz des partizipativen Designs vorstellte. Es wurde deutlich, dass es hier insbesondere mit transdisziplinärer Forschung starke Überschneidungen gibt, da es auch hier darum geht, Nicht-Expertinnen und -Experten in Gestaltungs- und Entwicklungsprozesse einzubeziehen. Sie stellte dar, dass kollaborative Ansätze gesellschaftliche Anliegen wobei es sich hier nicht per se um Probleme handeln muss adressieren können. Partizipatives Design umfasst dabei jegliche Kontexte und Formate, in denen kollaboratives Arbeiten im Hinblick auf Design stattfindet, wobei es hier nicht nur um Dinge und Produkte geht, sondern auch um Prozesse und Fragen, um wessen Interessen es geht, wer tätig wird und wer überhaupt das Problem definiert. Der Ansatz wurde an verschiedenen praktischen Beispielen illustriert. Projektvorstellung: Stadtnatur entdecken Vor der Abschlussdiskussion wurden zwei partizipative Forschungsprojekte, welche sich mit Biodiversität in der Stadt befassen, vorgestellt. Ulrike Sturm stellte das Projekt Stadtnatur entdecken vor, welches Umweltbildungsaspekte, Citizen Science und Kommunikation mit und zwischen Bürgerinnen und Bürgern umfasst. Das Projekt beinhaltet die nutzerzentrierte Entwicklung einer App, um in Berlin Tiere, Pflanzen und Vogellaute bestimmen und die Umgebung entdecken zu können. Bürgerinnen und Bürger können die Tiere und Pflanzen jedoch nicht nur bestimmen, sondern sich aktiv in die Erweiterung der Datenbank, die der App zugrunde liegt, einbringen. Zudem wird eine Wirksamkeitsstudie durchgeführt, welche sich mit der Rolle der App beim Wissenstransfer sowie der Wahrnehmung von Stadtnatur befasst. Projektvorstellung: Füchse in der Stadt Das zweite Projekt wurde von Sophia Kimmig vorgestellt. Beim Projekt Füchse in der Stadt geht es darum, herauszufinden, wo und in welchen Lebensräumen in Berlin Füchse leben und welche 6

Anpassungen sie an das Leben in der Stadt entwickelt haben. Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich, in dem sie per Foto, Video oder Email ihre Fuchssichtungen und -beobachtungen melden. Im Laufe des Projektes sollen interessierte Bürgerinnen und Bürger perspektivisch noch stärker eingebunden werden. Abschlussdiskussion: Partizipative Ansätze in der Forschung Die Abschlussdiskussion wurde von Veronika Fuest moderiert und anhand von drei Leitfragen geführt: 1) Was kann aus den Ansätzen urbaner Biodiversitätsforschung für die gesamte Breite der Biodiversitätsforschung gelernt werden? 2) Mit welchen Methoden wurden verschiedene Perspektiven und Wissensformen eingebunden und (wie) lassen sie sich übertragen? 3) Was muss passieren, damit Biodiversitätsforschung partizipativer wird? Die Diskussion fand als offene Diskussion im Plenum statt. Es wurde deutlich, dass die Ebenen der Ökosysteme und Gene bislang noch nicht Thema der urbanen Biodiversitätsforschung sind. Weiterhin wurde deutlich, dass bei urbaner Biodiversitätsforschung rein naturwissenschaftliche Aspekte nicht ausreichend sind, da beim Thema der biologischen Vielfalt in der Stadt die normative Ebene sehr stark ist. Entsprechend müsse eine Öffnung einzelwissenschaftlicher Forschung und einzelner Forschungsbereiche stattfinden, da die Fragen, die Bürgerinnen und Bürger interessieren, nicht in der Biologie oder Planung beheimatet sind. Im Hinblick auf Forschungsfragen würde der Mensch immer noch zu wenig mitgedacht, wenn es um biologische Vielfalt geht. Zudem wurde betont, dass Biodiversitätsforschung außerhalb von Städten viel von partizipativen Ansätzen lernen könne, da innerhalb von Städten das Bewusstsein für biologische Vielfalt relativ hoch sei, während dies außerhalb von Städten nicht der Fall sei. Weiterhin wurde diskutiert, inwiefern Bürgerinnen und Bürger über die Datenerhebung hinaus in Forschungsprozesse eingebunden werden können und wer sich mit welchen Interessen und Motiven an diesen Prozessen beteiligt. Es wurde deutlich, dass hier ein kritischer Blick einerseits auf die Fragen selbst und andererseits auf prozessuale Aspekte im Hinblick darauf, welche Kanäle für Beteiligung genutzt werden, welche gesellschaftlichen Bedürfnisse im Vordergrund stehen auch auf eine mögliche Unterkomplexität in Bezug auf biologische Vielfalt und Naturschutz hin und wie das Forschungsdesign gestaltet ist, notwendig ist, um die Qualität des Prozesses und der Forschung sicherzustellen. In Bezug auf eine Öffnung der Biodiversitätsforschung im Hinblick auf partizipative Methoden wurden Probleme und notwendige Änderungen des bestehenden Anreizsystems für Forschende diskutiert sowie die Förderungsdauer von Projekten und Fragen der Demokratisierung von Wissenschaft, indem beispielsweise Bürgerinnen und Bürger in wissenschaftspolitische Entscheidungen einbezogen werden. 7

In einer Abschlussrunde, die von Katrin Vohland moderiert wurde, wurde die Veranstaltung insgesamt sehr gelobt und die Vorreiterrolle des Naturkundemuseums Berlin im Hinblick auf partizipative Methoden und der Frage nach dem Verhältnis von Natur und Kultur betont. Es wurde gelobt, dass mit dem Ansatz der Veranstaltung auf zusammen statt gegeneinander Arbeiten gezielt und Naturschutz nicht nur als angewandte Ökologie verstanden würde. Einige Teilnehmende hätten sich jedoch Kleingruppenarbeit und eine stärkere Diskussion, wie Forschungsergebnisse in Politik übertragen werden können sowie mehr Praxisbeispiele, gewünscht. Exkursion zum Tempelhofer Feld Zusätzlich zum Workshop wurde am 27. September 2016 eine von Lisa Pettibone organisierte Exkursion zum Tempelhofer Feld angeboten. Die Exkursion bestand aus einer Führung über den Allmende-Kontor Garten e.v., einem Fachvortrag dazu und einem Fachvortrag zur Rolle von Wissenschaftsläden in partizipativer Forschung von basis.wissen.schafft e.v. sowie Erläuterungen von Lisa Pettibone zu Citizen Science. Die beiden Fachvorträge ergänzten die Vorträge des ersten Tages und machten anschaulich, wie Partizipation funktionieren kann und wo Schwierigkeiten liegen. Zudem lieferten sie Anstoß für Diskussionen, wie partizipative Biodiversitätsforschung aussehen kann. 8

Anhang I: Programm Zeit Thema Referent_in Vormittag: Impulsreferate Biodiversität in der Stadt und Biodiversitätsforschung Begrüßung und Vorstellung des Ansatzes von NeFo Einführung ins Thema des Workshops: Aufspannen des Themenfeldes politischer Hintergrund, mögliche Nutzungs-und Wertkonflikte in der Stadt Katrin Vohland (Museum für Naturkunde Berlin) Katrin Reuter (Museum für Naturkunde Berlin 11:30 Urbane Biodiversität Was sagt die biologische Forschung? Joscha Beninde (Uni Trier) Urbane Biodiversität und Planung Animal Aided Design Urbane Biodiversität und Ökosystemleistungen Der TEEB DE-Stadtbericht Thomas Hauck (Uni Kassel) Ingo Kowarik (TU Berlin) Transdisziplinäre Forschung Diversität und Differenz Citizen Science Was ist Citizen Science, worin liegt ihr Mehrwert für Biodiversitätsforschung, was sind Methoden? Ulli Vilsmaier (Leuphana Universität Lüneburg) Lisa Pettibone (Museum für Naturkunde Berlin) 10:30-10:45 10:45-11:00 11:00-11:30-12:00 12:00-12:30 12:30- Runde für Rückfragen und Diskussion 12:45 12:45- Mittagspause 14:00 Nachmittag: Partizipative Ansätze in der und für die Biodiversitätsforschung 14:00-14:30 14:30-15:00 15:00- Partizipatives Design Wie können verschiedene Bianca Herlo 15:30 Wissensformen zusammengebracht werden? (Universität der Künste Berlin) 15:30- Kaffeepause 16:00 16:00- Projektvorstellung: Stadtnatur entdecken Ulrike Sturm 9

16:15 (Museum für Naturkunde Berlin) 16:15-16:30 Projektvorstellung Füchse in der Stadt Sophia Kimmig (Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)) 16:30-17:30 17:30-18:00 18:00-20:00 Diskussion Partizipative Ansätze in der Forschung: a) Was kann aus den Ansätzen urbaner Biodiversitätsforschung für die gesamte Breite der Biodiversitätsforschung gelernt werden? b) Mit welchen Methoden wurden verschiedene Perspektiven und Wissensformen eingebunden und (wie) lassen sie sich übertragen? c) Was muss passieren, damit Biodiversitätsforschung partizipativer wird? Zusammenfassung und Ausblick Ausklang mit Snacks im Sauriersaal Moderation: Veronika Fuest (Beraterin für Zusammenarbeit in der Wissenschaft) 10

Anhang II: Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Nachname Vorname Institution Kontakt Beninde Joscha Universität Trier beninde@uni-trier.de Brandt Miriam Leibniz-Institut für Zoo- und brandt@izw-berlin.de Wildtierforschung (IZW) Davis McKenna Ecologic Institute mckenna.davis@ecologic.eu Elbing Kerstin VBIO e. V. elbing@vbio.de Fuest Veronika freiberuflich contact@transforschung.de Gennrich Sascha Museum für Naturkunde sascha.gennrich@mfn-berlin.de Glatzel Anja Deutsche Gesellschaft für anja.glatzel@giz.de Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Göbel Claudia Museum für Naturkunde Berlin Claudia.Goebel@mfn-berlin.de Hauck Thomas Universität Kassel thomas.hauck@asl.uni-kassel.de E. Hokema Dorothea TU Berlin, FG dorothea.hokema@tu-berlin.de Landschaftsplanung Kimmig Sophia Leibniz-Institut für Zoo- und Kimmig@IZW-Berlin.de Wildtierforschung (IZW) Knapp Sonja Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ sonja.knapp@ufz.de Kohlmorgen Nina M.Sc Environmental Planning nina.kohlmorgen@web.de Kowarik Ingo Technische Universität Berlin kowarik@tu-berlin.de Lang Birgit Senckenberg Museum für birgit.lang@senckenberg.de Naturkunde Görlitz Lehmann Steffi Projektträger Jülich ste.lehmann@fz-juelich.de Lohner Herbert BUND Berlin lohner@bund-berlin.de Marquard Lisa BBIB - Berlin-Brandenburg lisa.marquard@ufz.de Institute of Advanced Biodiversity Research Mpinou Evangelia Archipelagos Institute of Marine l.mpinou@gmail.com Layla Conservation Pettibone Lisa Museum für Naturkunde Berlin lisa.pettibone@mfn-berlin.de Ranke Karen Deutsche UNESCO Kommission ranke@unesco.de Reuter Katrin Museum für Naturkunde Berlin Katrin.Reuter@mfn-berlin.de Richert Inga UFZ Leipzig inga.richert@posteo.de Schade Till-David NABU Till-David.Schade@NABU.de 11

Schäffler Livia Leibniz-Verbund Biodiversität livia.schaeffler@mfn-berlin.de (LVB) Schliep Rainer NeFo am MfN Berlin rainer.schliep@mfn-berlin.de Schubert Reinhard (ohne) reinhard.schubert1@gmx.de Schumann Anke Berlin-Brandenburgisches schumann@izw-berlin.de Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB) & Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) Sturm Ulrike Museum für Naturkunde Berlin Ulrike.Sturm@mfn-berlin.de Thier-Lange Rebecca Deutsches Zentrum für rebecca.thier-lange@idiv.de integrative Biodiversitätsforschung (idiv) Halle-Jena-Leipzig Tischer Karolin idiv Leipzig Karolin.Tischer@gmail.com Tscholl Martin MfN martin.tscholl@mfn-berlin.de Vilsmaier Ulli Leuphana Universität Lüneburg vilsmaier@leuphana.de Vohland Katrin Museum für Naturkunde Berlin katrin.vohland@mfn-berlin.de Warner Barbara Akademie für Raumforschung warner@arl-net.de und Landesplanung (ARL) Wetzel Florian Museum für Naturkunde florian.wetzel@mfn-berlin.de Zisenis Dr. Marcus Privat marcus.zisenis@alumni.tuberlin.de 12

IMPRESSUM Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo) ist ein Projekt gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Projekt wird maßgeblich durchgeführt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ Leipzig und dem Museum für Naturkunde Berlin (MfN). Dr. Katrin Reuter Museum für Naturkunde Berlin Invalidenstraße 43 10115 Berlin Katrin.Reuter@mfn-berlin.de www.biodiversity.de Weitere Informationen und Hinweise zum NeFo-Projekt und Team unter www.biodiversity.de. 13