Newsletter 1/13. Liebe Leserinnen, liebe Leser, sehr geehrte Damen und Herren, Dr. Knut Müller Rechtsanwalt



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Transkript:

Newsletter 1/13 Liebe Leserinnen, liebe Leser, sehr geehrte Damen und Herren, unseren aktuellen Newsletter übersenden wir Ihnen zusammen mit der Einladung für unsere Jahresveranstaltung Update Arbeitsrecht 2013. Am Donnerstag, den 27.06.2013 laden wir Sie zu Informationen über die aktuellen Entwicklungen im Arbeitsrecht ein. Auch dieses Jahr konnten wir einen Referenten des Bundesarbeitsgerichts verpflichten. Herr Dr. Mario Eylert (Vorsitzender Richter am BAG) wird die aktuellen Fragen des Kündigungsschutzes beleuchten, die er selbst als langjähriger Beisitzer im 2. Senat des BAG mitgeprägt hat. Daneben wird Herr Rechtsanwalt Felix Kratz aktuelle Entwicklungen zu den Themen Arbeitsvergütung und Arbeitszeit darstellen. Ich selbst werde Sie über Neuerungen aus dem Betriebsverfassungsrecht informieren. Gerne laden wir Sie zum Abschluss der Veranstaltung wieder zu einem Meinungsaustausch bei einem kleinen Imbiss ein. Die Veranstaltung findet im Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz in 80333 München statt. Sie können sich gerne über unsere E-Mail-Adresse buero@dkm-rechtsanwaelte.de zu der Veranstaltung anmelden. Der aktuellen Information dienen auch die in diesem Newsletter behandelten Entscheidungen, die praxisrelevante Themen zum Gegenstand haben, die so oder so Ähnlich in jedem Anstellungsverhältnis aktuell werden können. Ich hoffe, dass Sie unseren Newsletter mit Interesse verfolgen und dass wir für Sie eine interessante Auswahl von aktuellen Fragestellungen aus dem Arbeitsrecht getroffen haben. Ihr Dr. Knut Müller Rechtsanwalt Besuchen Sie unsere Kanzleiveranstaltung Update am 27.06.2013 im Künstlerhaus am Lenbachplatz in München. Um 13.30 Uhr begrüßt Sie Herr Dr. Knut Müller. Gastredner ist in diesem Jahr Herr Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht Mario Eylert. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme. Konzentriert Der Betriebsrat im Online-Zeitalter Rechte und Grenzen im Umgang mit der digitalen Welt. Das Internet hat, privat wie auch geschäftlich, stark an Bedeutung gewonnen. Das BAG hat Grundsätze zur Nutzung durch Betriebsräte entwickelt. mehr... Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit. Kommentierung einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2013. mehr... Wettbewerbstätigkeit während der Freistellung nach Aufhebungsvertrag: Herausgabe anderweitiger Vergütung. Begründung eines vergüteten Arbeitsverhältnis innerhalb einer Freistellung die ebenfalls vergütet wurde. mehr... Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am ersten Krankheitstag. Arbeitgeber dürfen auch ohne einen begründeten Verdacht bereits für den ersten Tag der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen. mehr... Allgemeine 15-Monats-Grenze für das Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei langer Krankheit. BAG Urteil vom 07.08.2012 bzgl. 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009. mehr...

Der Betriebsrat im Online-Zeitalter Rechte und Grenzen im Umgang mit der digitalen Welt Das Internet hat in den letzten Jahren sowohl für den Privatbereich als auch für die Arbeitswelt stark an Bedeutung gewonnen. Weder für die Kommunikation noch für die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung ist das Medium Internet aus der heutigen Zeit wegzudenken. Auch viele Betriebsräte haben für sich den Wert des Internets erkannt und möchten das Medium für die Betriebsratsarbeit nutzen. Dies hat nicht selten vor dem Arbeitsgericht geendet, sodass das BAG in den vergangenen Jahren Grundsätze entwickelt hat, inwieweit dem Betriebsrat Zugang zum Internet zu gewähren ist. Für die Internetnutzung des Betriebsrates haben sich unterschiedliche Fragestellungen herausgebildet. So ist zum einen der Zugang zum Internet selbst zu betrachten, sowohl für den Betriebsrat als Organ, als auch für das einzelne Betriebsratsmitglied. Daran anschließend stellt sich die Frage, ob auch eine eigene E-Mail-Adresse zu gewähren ist. I. Anspruch auf Internetzugang Ausgangspunkt für den Zugang zum Internet ist der Anspruch des Betriebsrats aus 40 Abs. 2 BetrVG. Nach 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Büropersonal sowie Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Zur Informationstechnik i.s. dieser Vorschrift gehört nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch das Internet (vgl. zuletzt BAG, Urt. v. 18.07.2012 7 ABR 23/11). Der Betriebsrat kann einen Internetzugang nur verlangen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Dabei obliegt dem Betriebsrat selbst die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Bei der Entscheidung hierüber muss er die betrieblichen Verhältnisse, die sich ihm stellenden Aufgaben sowie die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebers abwägen: Auf Seiten des Betriebsrates ist zu beachten, dass das BetrVG ihm eine Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben überträgt. Diese Aufgaben kann der Betriebsrat sachgerecht nur wahrnehmen, wenn er über die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Informationen verfügt. Bei der Frage, auf welchem Wege eine Informationsbeschaffung erfolgt und welche Sachmittel hierfür genutzt werden, steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Das BAG legt hierbei zugrunde, dass in Anbetracht der offenkundigen Dienlichkeit des Internets zur Aufgabenerfüllung des Betriebsrats unabhängig von konkret bevorstehenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben davon auszugehen ist, dass das Internet der Erfüllung der Aufgaben dient (BAG, Beschl. v. 20.01.2010 7 ABR 79/08). Dem gegenüber sind auf der Seite des Arbeitgebers unter anderem die Begrenzung der Kostentragungspflicht, die Gefährdung besonderer Geheimhaltungsinteressen, die Missbrauchsgefahr und das betriebsübliche bzw. das auf Arbeitgeberseite vorhandene Ausstattungsniveau zu beachten. Nicht berücksichtigungsfähig ist, ob die Zurverfügungstellung des Sachmittels Auswirkungen auf andere Betriebe des Arbeitgebers hat (BAG, Beschl. v. 14.07.2010 7 ABR 80/08). Sofern dem Betriebsrat der Internetzugang an einem einzelnen Rechner, z.b. im Betriebsratsbüro gewährt wird, kann der Betriebsrat zudem verlangen, dass ihm der Internetzugang ohne Nachvollziehbarkeit des Internetbesuchs durch Eingabe eines benutzerbezogenen Passwortes eingeräumt wird, wenn er in dieser technischen Kontrollmöglichkeit die Gefahr einer Behinderung seiner Arbeit sieht (BAG, Urt. v. 18.07.2012 7 ABR 23/11). Aus 40 Abs. 2 BetrVG ergibt sich nicht nur ein Anspruch für den Betriebsrat an sich, sondern für jedes ein- Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 2/12

zelne Betriebsratsmitglied, da eine verantwortliche Betriebsratsarbeit unter anderem voraussetzt, dass sich jedes Betriebsratsmitglied - insbesondere bei der Vorbereitung auf Betriebsratssitzungen - eigenständig und eigenverantwortlich über anstehende Betriebsratsaufgaben informieren und hierzu recherchieren kann (BAG, Beschl. v. 14.07.2010 7 ABR 80/08). II. Anspruch auf Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse Ein Anspruch auf Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse ergibt sich ebenfalls aus 40 Abs. 2 BetrVG. Die Einrichtung oder Zuweisung von E-Mail-Adressen mit bestimmten Konfigurationen zur über das unternehmensbezogen eingerichtete Intranet hinausgehenden externen Kommunikation mittels elektronischen Postwegs fällt unter den Begriff der Informations- und Kommunikationstechnik (BAG Beschl. v. 14.07.2010 7 ABR 80/08). Da es sich damit um ein Sachmittel zur Betriebsratsarbeit handelt, gelten die gleichen Grundsätze wie für die Einrichtung eines Internetzugangs, d.h. der Betriebsrat muss eine Abwägung anstellen, ob das Sachmittel für die Betriebsratsarbeit dienlich ist und keine Interessen des Arbeitgebers unangemessen beeinträchtigt. Hinsichtlich der Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse hat das BAG über die oben benannten Punkte hinaus berücksichtigt, dass angesichts des Aufgabenkatalogs des Betriebsrats und der eigenverantwortlichen Mandatswahrnahme der einzelnen Betriebsratsmitglieder vielfältige Situationen in Betracht kommen, in denen ein Betriebsratsmitglied Kontakt mit betriebs- und unternehmensexternen Personen, Stellen und Institutionen aufnehmen muss. Kommentar und Praxishinweis Das BAG räumt dem Betriebsrat bei Zugang und Nutzung des Internets eine starke Position ein. Arbeitgeber sollten deshalb bei Antragstellung des Betriebsrates auf Internetzugang und Einrichtung einer E-Mail-Adresse, insbesondere bei Betriebsüblichkeit der Internetnutzung und sofern keine Zusatzkosten entstehen, dem Antrag des Betriebsrates nachkommen und die begehrte Internetnutzung gewähren. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Kostenübernahme bei etwaiger Hinzuziehung eines Anwalts durch den Betriebsrat. Betriebsräte, denen bisher noch kein Zugang zum Internet gewährt wurde, sollten die beim Arbeitgeber bestehenden Verhältnisse zur Betriebsüblichkeit der Internetnutzung und der Kostenlast überprüfen. Sofern diesbezüglich keine überwiegenden Arbeitgeberinteressen ersichtlich sind, sollten beim Arbeitgeber der Internetzugang für jedes Betriebsratsmitglied und bei Erforderlichkeit auch die Einrichtung einer persönlichen E-Mail-Adresse beantragt werden. Katrin Adler Rechtsanwältin Zum Seitenanfang Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 3/12

Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 19.02.2013 9 AZR 461/11 Sachverhalt Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 2006 als Personalreferentin in Vollzeit beschäftigt. Nach der Geburt ihres Kindes beantragte sie Elternzeit für zwei Jahre. Die Parteien vereinbarten am 03.12.2008, die Arbeitszeit der Klägerin während der Elternzeit zunächst auf 15 Stunden pro Woche und anschließend bis zum Ende der Elternzeit auf 20 Stunden pro Woche zu verringern. Am 07.04.2010 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Elternzeit um ein weiteres Jahr unter Beibehaltung der verringerten Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich. Dies lehnte die Beklagte ab. Entscheidungsgründe Der gegen die Ablehnung der Arbeitszeitverringerung gerichteten Klage gab das Arbeitsgericht statt. Auf die Berufung der Beklagten hin wies das Landesarbeitsgericht die Klage ab. Die daraufhin eingelegte Revision hatte vor dem 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Erfolg. Die Beklagte muss die Klägerin ein weiteres Jahr in der Elternzeit mit verringerter Arbeitszeit beschäftigen. Dem Anspruch auf Verlängerung der Teilzeitregelung steht entgegen der Auffassung des BAG die Vereinbarung der Parteien vom 03.12.2008 nicht entgegen. Einvernehmliche Elternteilzeitregelungen sind nicht auf den Anspruch gemäß 15 Abs. 6 BEEG auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen. Fazit und Praxisempfehlung Die Entscheidung des BAG ist richtig, da sie sich am insoweit eindeutigen Wortlaut des 15 Abs. 6 BEEG orientiert. Nach 15 Abs. 6 BEEG kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin unter den Voraussetzungen des Abs. 7 während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen, soweit eine Einigung nach Abs. 5 nicht möglich ist. Abs. 5 sieht vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich über die Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit innerhalb von vier Wochen einigen sollen. Das bedeutet, dass im Fall der einvernehmlichen Elternteilzeitregelung das förmliche Verfahren nach Abs. 6 gar nicht erst beschritten wird und folglich die einvernehmliche Regelung auch nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen ist. Im vorliegenden Fall führt dies im Ergebnis dazu, dass es sich bei dem mit Schreiben vom 07.04.2010 geltend gemachten Teilzeitanspruch um die erstmalige Geltendmachung im Sinne des Abs. 6 handelt. Die zuvor am 03.12.2008 erzielte Einigung über die Verringerung der Arbeitszeit auf 15 bzw. 20 Stunden pro Woche bleibt im Rahmen des Abs. 6 unberücksichtigt. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen müssen generell darauf achten, dass sie den Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit form- und fristgerecht stellen. Der Antrag muss insbesondere schriftlich erfolgen und dem Arbeitgeber sieben Wochen vor Beginn der gewünschten Verringerung zugehen. Er muss zudem den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit angeben. Arbeitgeber hingegen müssen beachten, dass eine etwaige Ablehnung der Verringerung der Arbeitszeit innerhalb von vier Wochen erklärt werden muss und eine schriftliche Begründung zu enthalten hat. Werden Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 4/12

diese Formalien nicht beachtet oder wird das Verringerungsgesuch mangels Vorliegens dringender betrieblicher Gründe zu Unrecht abgelehnt, kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit klageweise durchsetzen. Jenniver Brugger Rechtsanwältin Zum Seitenanfang Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 5/12

Wettbewerbstätigkeit während der Freistellung nach Aufhebungsvertrag: Herausgabe anderweitiger Vergütung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012 10 AZR 809/11 Sachverhalt Der beklagte Arbeitnehmer war ursprünglich bei der Klägerin als Produktionsmanager beschäftigt. Nachdem die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, schlossen die Parteien vergleichsweise eine Aufhebungsvereinbarung. Danach sollte das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2010 enden. Bis dahin sollte der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt sein. Während der Freistellung begründete der Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis bei einem Wettbewerber, in dem er ebenfalls vergütet wurde. Unter Verweis auf das auch während der Freistellung geltende Wettbewerbsverbot ( 60 HGB) verlangte die Klägerin die Herausgabe der Vergütung, die der Arbeitnehmer beim Wettbewerber erzielt hatte. Entscheidungsgründe Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Das Gericht führte zunächst aus, dass während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses das Wettbewerbsverbot des 60 Abs. 1 HGB gilt. Die Freistellung allein hebt das Wettbewerbsverbot nicht auf. Der Beklagte hat mit seiner Tätigkeit für die Wettbewerberin auch gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. Dennoch besteht kein Anspruch auf Herausgabe der Vergütung. Denn die vom Wettbewerber erhaltene Vergütung ist keine isv. 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung. Ein Geschäft setzt eine auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr voraus. Hier hat der Arbeitnehmer jedoch nach dem Vortrag der Klägerin lediglich einen Arbeitsvertrag mit dem Wettbewerber abgeschlossen. Dies ist kein Geschäft isd 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB. Auch liegt keine Vergütung isv. 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB vor. Diese umfasst allein das für einen bestimmten Geschäftsabschluss bezogene Entgelt, nicht aber das Gehalt für eine sonstige (wettbewerbswidrige) Tätigkeit. Auch sonstige Anspruchsgrundlagen ( 285 BGB; 687Abs. 2, 681Satz 2, 667 BGB) zur Herausgabe der Vergütung schloss das Bundesarbeitsgericht aus. Fazit Die Entscheidung führt auf den ersten Blick zu dem unverständlichen Ergebnis, dass der Arbeitnehmer trotz wettbewerbswidrigen Verhaltens doppelt kassiert. Das Bundesarbeitsgericht merkt insoweit jedoch zutreffend an, dass der Arbeitgeber nicht rechtlos gestellt wird. So kann er nach 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB Schadensersatz wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot geltend machen. Lediglich die Herausgabe des vom Wettbewerber gezahlten Arbeitslohns ist ausgeschlossen. Aufgrund der Schadensersatzpflicht steht jedoch gleichzeitig fest, dass die Entscheidung kein Freibrief für Arbeitnehmer ist, sich während der Freistellung wettbewerbswidrig zu betätigen. Den Grundstein für den vorliegenden Rechtsstreit hatten die Parteien mit der unbedachten Gestaltung der Aufhebungsvereinbarung gelegt. Soll eine doppelte Vergütung vermieden werden, ist im Aufhebungsver- Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 6/12

trag zu vereinbaren, dass während der Freistellung ein anderweitiger Erwerb angerechnet wird ( 615 Satz 2 BGB). Da die Vereinbarung einer solchen Anrechnungsklausel jedoch als Verzicht auf das Wettbewerbsverbot während der Freistellungsphase ausgelegt werden kann (BAG, Urt. v. 06.09.2006-5 AZR 703/05), ist auch hier Vorsicht geboten: in der Aufhebungsvereinbarung ist ausdrücklich zu regeln, dass das Wettbewerbsverbot für die Dauer der Freistellung aufrechterhalten bleibt. Die Entscheidung zeugt daher erneut, wie wichtig bei der Gestaltung von Aufhebungsverträgen auch der Blick nach links und rechts ist. Oliver Deeg Rechtsanwalt Zum Seitenanfang Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 7/12

BAG: Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am ersten Krankheitstag Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2012, Az.: 5 AZR 886/11 Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitgeber auch ohne einen begründeten Verdacht bereits für den ersten Tag der Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen darf ( 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG). Sachverhalt Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Sie stellte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag, den ihr Vorgesetzter ablehnte. Ein weiterer Antrag der Klägerin für denselben Tag wurde ebenfalls abgelehnt. Am 30. November meldete sich die Klägerin krank. Am Folgetag erschien sie wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, in Zukunft schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ( AUB ) vorzulegen. Gegen diese Weisung hat die Klägerin geklagt. Sie war der Ansicht, dass der Arbeitgeber nur dann bereits für den ersten Tag der Erkrankung eine AUB verlangen darf, wenn ein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt. Außerdem sei im geltenden Tarifvertrag ein derartiges Recht nicht geregelt. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Entscheidung Die Revision der Klägerin hatte vor dem 5. Senat des BAG keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass die Ausübung des Rechts des Arbeitgebers aus 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon früher zu verlangen, nicht an besondere Voraussetzungen gebunden sei. Vor allem sei nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, dass dieser in der Vergangenheit eine Erkrankung vorgetäuscht hat. Eine Regelung im Tarifvertrag stehe dem nur dann entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließe. Fazit Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer nach 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG dann verpflichtet eine AUB einzureichen, wenn er länger als drei Kalendertage arbeitsunfähig ist. Gem. 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG kann der Arbeitnehmer die AUB auch schon für früher verlangen. Die streitige Frage im dem Verfahren war nunmehr, ob für die Ausübung dieses Rechts gewisse Voraussetzungen vorliegen müssen. Diese Frage war bisher nicht ausdrücklich geklärt. Jedoch wurde teilweise vertreten, dass ein konkreter Anlass bzw. begründeter Verdacht erforderlich sei, dass der Arbeitnehmer in der Vergangenheit Erkrankungen vorgetäuscht hat. Ein solcher Verdacht kann regelmäßig dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise für einen bestimmten Tag erfolglos Urlaub beantragt, und dann genau an diesem Tag krankheitsbedingt nicht zur Arbeit erscheint oder häufig an Brückentagen erkrankt. Die Richter entschieden jedoch, dass ein solcher Verdacht nicht erforderlich ist. Auch ohne Verdacht könne der Arbeitgeber auf einer früheren Vorlage der AUB bestehen. In dieser Entscheidung sei der Arbeitgeber frei. Beachtlich ist, dass dieser Entscheidung des BAG ein Sachverhalt zugrunde liegt, der gerade einen Verdacht begründet. Hierauf nimmt das Gericht jedoch keinen Bezug. Dies zeigt, worauf es dem BAG in dieser Entscheidung ankam. Das BAG führt weiter aus, dass der Arbeitgeber die Vorlage der AUB nicht bereits für den ersten Tag verlangen kann, wenn dieses Recht im geltenden Tarifvertrag ausgeschlossen ist. Dies muss jedoch ausdrücklich geschehen. Es ist allgemein anerkannt, dass die sinngemäße Wiederholung des Gesetzestextes aus 5 Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 8/12

Abs. 1 Satz 3 EFZG nicht ausreichend ist. Darin wird eine bloße Klarstellungsfunktion gesehen. Die Ausführungen können wohl auch auf den Arbeitsvertrag übertragen werden. Hierzu hat das BAG nicht Stellung genommen. Im Einzelfall kann der Arbeitgeber eine solche Anordnung ohne weiteres treffen. Sollte der Arbeitgeber jedoch eine allgemeinverbindliche Regelung für seinen Betrieb treffen wollen, so hat er gem. 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG den Betriebsrat einzubinden, sofern ein solcher existiert. Trotz allem muss sich der Arbeitgeber jedoch überlegen, ob er bereits für einen Tag Arbeitsunfähigkeit eine Bescheinigung verlangen möchte. Das kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer vorsorglich für mehr Tage krankgeschrieben wird, als er sonst gefehlt hätte. Yasin Güleç Rechtsanwalt Zum Seitenanfang Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 9/12

BAG: Allgemeine 15-Monats-Grenze für das Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei langer Krankheit Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.08.2012, Az.: 9 AZR 353/01 Sachverhalt Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 01.07.2001 bis zum 31.03.2009 bei der Beklagten gegen eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von zuletzt rund 2.700 Euro als Angestellte beschäftigt. Im Jahr 2004 erkrankte sie und nahm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit für die Beklagte nicht mehr auf. Die Klägerin hatte die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 mit insgesamt fast 19.000 Euro brutto beansprucht. Die Vorinstanzen haben der Klage bezüglich der Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen stattgegeben, die Beklagte zur Zahlung von 13.403,70 Euro brutto verurteilt und die Klage hinsichtlich der Abgeltung des übergesetzlichen Mehrurlaubs abgewiesen. Entscheidung Die Revision der Beklagten hatte vor dem 9. Senat des BAG größtenteils Erfolg. Die Klägerin hat gemäß 7 Abs. 4 BUrlG nur Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3.919,95 Euro brutto. In den Jahren 2005 bis 2007 sind die nicht abdingbaren gesetzlichen Urlaubsansprüche zwar entstanden. Ihrer Abgeltung steht jedoch entgegen, dass sie vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen sind. Denn bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 22.11.2011, Az.: C-214/10, KHS/Schulte). Fazit Mit dieser Entscheidung sorgt das Bundesarbeitsgericht wieder für Rechtssicherheit, nachdem der Europäische Gerichtshof in drei vorhergehenden Entscheidungen die Dogmatik des deutschen Urlaubsrechts durcheinander gewirbelt hatte. So sah es seit der Schultz-Hoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes so aus, als könnten langjährig erkrankte Arbeitnehmer endlos Urlaub ansammeln. Nun ist klar, dass ein Arbeitnehmer zwar tatsächlich für jedes Jahr der Krankheit seinen vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch sowie seinen Zusatzurlaub als Schwerbehinderter erwirbt. Diese Ansprüche gehen aber ziemlich schnell wieder unter, nämlich zum 31. März des übernächsten Jahres. Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat somit klargestellt, dass eine allgemeine 15-Monats-Grenze für das Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei langer Krankheit gilt. Der schnellere Verfall von übergesetzlichen Ansprüchen ist allerdings auch weiterhin zulässig. Für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer ist diese Entscheidung des BAG erfreulich. Würde man den Verfall gesetzlichen Urlaubs, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden kann, generell ausschließen, würden dem Arbeitgeber aus der Arbeitsunfähigkeit erhebliche Kosten erwachsen. Da die wegen Krankheit nicht in Anspruch genommenen Urlaubsansprüche nach dem früheren Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht verfallen konnten, musste der Arbeitgeber für die gesamte Zeit der Arbeitsunfähigkeit sowohl dem wieder genesenen Arbeitnehmer als auch dessen Vertretung Urlaub gewähren. Wurde das Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 10/12

Arbeitsverhältnis mit dem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer beendet, musste der Urlaub gemäß 7 Abs. 4 BUrlG abgegolten werden. Diese wirtschaftliche Doppelbelastung steigerte die Kosten der Arbeitsunfähigkeit und schuf für viele Arbeitgeber einen zusätzlichen Anreiz für personenbedingte Kündigungen. Der intendierte Arbeitnehmerschutz wurde somit nicht selten verfehlt. Um die unbeschränkte Ansammlung von Urlaubsansprüchen zu verhindern und das damit einhergehende finanzielle Risiko zu begrenzen, hätte Arbeitgebern andernfalls zur Kündigung von langzeiterkrankten Arbeitnehmern geraten werden müssen. Zum Seitenanfang Dr. Knut Müller. Rechtsanwälte. Kanzlei für Arbeitsrecht. Newsletter 1/2013 vom 15.05.13 Seite 11/12

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