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Transkript:

16 Prof. Dr. Heinz Schöch München, 14.06.2014 LMU München STELLUNGNAHME 16/1839 Alle Abg Stellungnahme zur Anhörung des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation "Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe und zur Änderung des Jugendstrafvollzugsgesetzes in Nordrhein-Westfalen" Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/5413 "Gesetz zur Regelung des Strafvollzuges in Nordrhein-Westfalen (Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - StVollzG NRW)" Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 16/4155 Fragenkatalog 1. Wie bewerten Sie die in den jeweiligen Gesetzesentwürfen getroffenen Regelungen zum Regelvollzug? Ist der Entwurf praktisch umsetzbar? Erfüllen die Justizvollzugsanstalten die erforderlichen baulichen, technischen und personellen Voraussetzungen? Wenn nein, welche Voraussetzungen müssen noch erfüllt werden (Mehrfachbelegung)? lnwieweit sollte der offene Vollzug, wie es im StVollzG des Bundes geregelt war, als Regelvollzug normiert werden? Die Regelungen beider Entwürfe enthalten überwiegend konstruktive Weiterentwicklungen des StVollzG und zeigen, dass die 2006 auf die Bundesländer übergegangene Gesetzgebungszuständigkeit nicht zu einem "Wettbewerb der Schäbigkeiten" führte, wie viele Wissenschaftler befürchtet hatten. Sie erfüllen im Wesentlichen die in der Frage angesprochenen Voraussetzungen. Bei der grundsätzlich problematischen Mehrfachbelegung verdient das im CDU-Entwurf ( 18 I 3) vorgesehene Verbot der Belegung eines Haftraumes mit mehr als 3 Personen den Vorzug.

Die 37-jährige Erfahrung mit dem StVollzG hat gezeigt, dass ein offener Regelvollzug nicht realisierbar ist. Dennoch geht der grundsätzliche Vorrang des geschlossenen Vollzugs in 13 I CDU-E zu weit. Die flexiblere Sollvorschrift in 12 RE trägt der faktischen Situation Rechnung und schafft in Verbindung mit 104 RE sachgerechte Voraussetzungen für eine weitere Förderung des offenen Vollzugs, der schon bisher in NRW einen hohen Stellenwert hatte. Das klare Bekenntnis zum alleinigen Vollzugsziel der Resozialisierung in 1 RE ist zu begrüßen. Die in 2 CDU-E angesprochene Sicherungsaufgabe sollte aber gleichwohl (wie bisher im StVollzG) als Korrektiv und weitere Aufgabe aufgenommen werden, da zahlreiche Beschränkungen der Freiheit des Gefangenen nur aus dieser zusätzlichen Aufgabe abzuleiten sind. 2 CDU-E ist jedenfalls anderen Landesgesetzen vorzuziehen, in denen die Sicherung an erster Stelle genannt wird. 2. Gibt es aus lhrer Sicht in Bezug auf den individuellen Vollzugs- und Eingliederungsplan Verbesserungsvorschläge? Wenn ja, welche? lnwieweit sollte eine gesetzliche Implementierung des Wohngruppenvollzugs erfolgen? Das Ziel eines Ausbaus des Wohngruppenvollzugs, das bisher nur beiläufig beim Vollzugsplan ( 10 I Nr. 4 RE) erwähnt wird, sollte klarer formuliert werden. Allerdings dürfte er sich im Erwachsenenvollzug nicht als dominante Vollzugsform eignen. In 8 RE fehlt die ausdrückliche Erwähnung der Unterstützung der Gefangenen bei der EuroSicherstellung ihrer Habe außerhalb der Anstalt (sachgerecht in 8 III CDU-E). Die relativ kostenaufwendige Behandlungsuntersuchung bei kurzen Freiheitsstrafen unter einem Jahr sollte noch flexibler gehandhabt werden als in 9 II RE. 9 III CDU-E regelt diese Frage pragmatischer und ist dennoch sachgerecht. 3. Sind die Weichen für einen aktivierenden Strafvollzug richtig gestellt? Ist das System Beschäftigung/berufliche und schulische Weiterbildung in dem Entwurf so ausgestaltet, dass die Gefangenen bei Entlassung eine reelle Chance auf Wiedereingliederung haben? Wie beurteilen Sie die Beibehaltung der Arbeitspflicht im Gesetzentwurf? Die Regelungen für die Beschäftigung sowie die berufliche und schulische Aus- und Weiterbildung sind sachgerecht. Die Arbeitspflicht ( 29 RE) sollte unbedingt beibehalten werden, da sie für das Erlernen und Üben

eines strukturierten Tagesablaufes unverzichtbar ist und in der Regel auch das Selbstwertgefühl des Gefangenen stärkt. Wesentliche Beiträge für einen aktivierenden Strafvollzug stellen auch die Regelungen über vollzugsöffnende Maßnahmen ( 53-57 RE), die Erhöhung des Langzeitausgangs von maximal 21 auf 24 Tage ( 54 RE) sowie die Vorschläge zum Ausbau und zur Öffnung der Sozialtherapie für Nicht-Sexualstraftäter ( 13, 88 ff. RE) dar. 4. Wie bewerten Sie die in den jeweiligen Gesetzesentwürfen getroffenen Regelungen zu den Besuchszeiten und deren Einschränkungen (z.b. 25 Nr. 3 Gesetzentwurfs der Landesregierung), insbesondere die Kontaktmöglichkeiten von Kindern inhaftierter Eltern? Die Regelbesuchszeit wird auf monatlich zwei Stunden erhöht, für minderjährige Kinder inhaftierter Eltern wird diese um zwei weitere Stunden monatlich erhöht. a. Sind die Besuchszeiten den Bedürfnissen von Kindern bzw. dem Kindeswohl angemessen angepasst? b. lnwieweit wäre eine großzügigere Gestaltung der Besuchszeit für Kinder am Wochenende sinnvoll? c. Welche Anforderungen sollten an den Besuchsverlauf gestellt werden? d. lnwieweit ist wie es 7 des GE der Landesregierung aus Gründen des Opferschutzes vorsieht ein Ansprechpartner für die Belange von Kindern im Sinne eines Kinderbeauftragten notwendig? Die Besuchszeiten sind bei Berücksichtigung der personellen Grenzen des Justizvollzugs im RE sachgerecht und großzügiger als im StVollzG geregelt. Insbesondere die zusätzlichen Regelungen zu Kinderbesuchen sind zu begrüßen, da die Erhaltung der familiären Bindungen für Gefangene mit eigenen Kindern einen wesentlichen Resozialisierungsbeitrag leistet. Ein Kinderbeauftragter aus dem pädagogischen, sozialen oder psychologischen Dienst des Vollzugs könnte zur sachgerechten Gestaltung und Aufbereitung solcher Besuche beitragen. Das Kontaktverbot mit Opfern bei unerwünschten oder nachteiligen Schriftwechseln sowie Telefongesprächen ( 25 Nr. 3 StvollzG) ist dringend geboten, da unerwünschte Kontaktversuche dem Ziel einer opferbezogenen Vollzugsgestaltung entgegenstehen und die konstruktive Arbeit eines besonderen Ansprechpartners für Opferschutz und Wiedergutmachung in den Anstalten ( 7 IV RE) erheblich beeinträchtigen würden.

5. Wie bewerten Sie die in den jeweiligen Gesetzesentwürfen getroffenen Regelungen zum Opferschutz? lnwieweit ist die aus 115 Abs. 3 des Gesetzentwurfs der Landesregierung ersichtliche Privilegierung der Opfer von Tätern, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, Vermögensauskünfte zu erhalten, gegenüber Opfern von Tätern, die beispielsweise lediglich eine Bewährungsstrafe verbüßen, gerechtfertigt? lnwieweit hält die Figur des "gefährdeten Dritten" in 7 Abs. 1 S. 2 des GE der Landesregierung (= "mögliches künftiges Opfer", vgl. Seite 86 des GE) dem Bestimmtheitsgebot stand? Die Regelungen zur opferbezogenen Vollzugsgestaltung sind sehr zu begrüßen und insgesamt vor allem im RE vorbildlich gestaltet. Neben der zentralen Vorschrift in 7 RE gehören dazu auch die in 115 RE geregelten Auskunftsansprüche des Opfers, die Berücksichtigung der Opferbelange bei der Gestaltung des Vollzugsplans ( 10 Abs. 1 Nr. 12 und 13 RE), beim Verbot von Besuchen, Schriftwechseln und Telefongesprächen ( 25 Nr. 3 RE) und bei der Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen ( 53 Abs. 5 RE). Sie alle tragen dazu bei, die Ängste des Opfers nach der Straftat zu überwinden oder wenigstens abzubauen. Besonders wichtig ist es, dass nach 7 Abs. 4 RE für Fragen des Opferschutzes und des Tatausgleichs eine Ansprechpartnerin oder ein Ansprechpartner in den Anstalten zur Verfügung stehen sollen. Diese können auch dazu beitragen, einen beabsichtigten Ausgleich dem Opfer nicht aufzudrängen und eine Instrumentalisierung des Opfers für Zwecke der Behandlung zu vermeiden. Die Auskunftsansprüche des Opfers gem. 115 III RE stellen m. E. keine Privilegierung der Opfer von Strafgefangenen dar, sondern eine annähernde Gleichbehandlung mit Opfern von Bewährungsprobanden und zu Geldstrafe verurteilten Tätern. Diese Opfer haben nämlich die Möglichkeit, durch eigene Beobachtung und durch zivilrechtliche Vollstreckungsmaßnahmen vergleichbare Auskünfte zu erhalten, was bei Strafgefangenen wegen des gebotenen Datenschutzes ( 109 RE) nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten zu realisieren ist. Der Begriff des gefährdeten Dritten ( 7 I; 53 V RE) ist hinreichend bestimmt, da sich mögliche zukünftige Opfer in der Regel nur in seltenen Fällen (z.b. bei gefährdeten Zeugen im Bereich der organisierten Kriminalität, bei terroristischen Aktivitäten oder bei angekündigten Racheakten) identifizieren lassen. Vor dem Hintergrund der teilweise enttäuschenden Erfahrungen bei der Realisierung der Informationsrechte des Verletzten nach 406 d StPO ist es besonders zu begrüßen, dass die antragsabhängigen

Auskunftsansprüche des Opfers bezüglich der Inhaftierung und deren Beendigung, der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen, opferbezogener Weisungen und der Unterbringung im offenen Vollzug durch die Opferbeauftragten des Vollzugs vermittelt werden ( 7 V i. V. mit 115 I RE), da derartige Informationen der Strafvollstreckungsbehörde oft nicht rechtzeitig gemeldet oder von ihr nicht beachtet werden. 6. Ist die Einführung eines Schlussberichts eine sinnvolle Hilfe für die freien Träger bei Wiedereingliederung? lnwieweit sollte die Einrichtung sozialtherapeutischer Nachsorgeambulanzen in Zuständigkeit der Justiz erfolgen? Der Schlussbericht gem. 60 III RE ist eine äußerst wertvolle Hilfe für die nach der Entlassung erforderliche Resozialisierungsarbeit der sozialen Dienste der Justiz und freier Träger. Die Nachsorgeambulanzen in den sozialtherapeutischen Einrichtungen ( 90 II RE) sollten durch wohnortnahe Nachsorgeambulanzen der Justiz ergänzt werden, falls es nicht möglich ist, die im Rahmen der Führungsaufsicht existierenden Nachsorgeambulanzen des psychiatrischen Maßregelvollzugs in Anspruch zu nehmen. 7. Wie bewerten Sie die in den jeweiligen Gesetzesentwürfen getroffenen Regelungen zu den Disziplinarmaßnahmen? Die Gestaltung der Disziplinarmaßnahmen ist in den 79-82 RE differenzierter und überzeugender gelöst als in den 55, 56 CDU-E. Der RE ist stärker am verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit orientiert. Der Vorrang einer einvernehmlichen Streitbeilegung ( 79 III RE) realisiert in vorbildlicher Weise den Grundsatz der Subsidiarität von Disziplinarmaßnahmen und ist als wesentliche Neuerung sehr zu begrüßen. 8. lnwieweit sollte eine Normierung der Kontrolle der Justizvollzugsanstalten durch die Aufsicht, weitere staatliche Stellen und unabhängige Gremien erfolgen? M.E. sind die Kontrollen der Justizvollzugsbehörden durch die Aufsichtsbehörde, die Beiräte, das Petitionsrecht der Gefangenen und den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Vollzugsverwaltung ausreichend.

9. lnwieweit findet der Datenschutz in den Gesetzentwürfen der Landesregierung und der Fraktion der CDU ausreichend Berücksichtigung bzw. erfüllt nicht die durch den Datenschutz zu berücksichtigenden Aspekte? Der RE orientiert sich weitgehend an der seit 16 Jahren bewährten bereichsspezifischen Regelung für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in den 179 bis 187 StVollzG. Dieses speziellere Modell ist der Orientierung an den allgemeineren Regelungen des DSG NRW im CDU-Entwurf vorzuziehen. 10. Wie beurteilen Sie die Beibehaltung der Zehnjahresfrist vor der erstmaligen Beurlaubung lebenslänglich lnhaftierter in 54 Abs. 4 des Gesetzentwurfs der Landesregierung? Die Beibehaltung der starren 10-jährigen Beurlaubungssperre vor der erstmaligen Beurlaubung lebenslänglich Inhaftierter in 54 IV RE ist m. E. nicht gerechtfertigt, da es auch unter den Lebenslänglichen nicht wenige Gefangene mit günstiger Sozialprognose und Eignung für vollzugsöffnende Maßnahmen gibt. Die Ausnahme für den offenen Vollzug trägt dieser Tatsache in gewissem Umfang Rechnung, ist aber nicht ausreichend. Insgesamt erscheint mir die flexiblere Lösung in 13 VI CDU-E, die Ausnahmen in begründeten Einzelfällen auch im geschlossenen Vollzug zulässt, vorzugswürdig. 11. a) lnwieweit könnte die elektronische Fußfessel als geeignete Alternative zu freiheitsentziehenden Maßnahmen in Betracht gezogen werden? b) Welche Risiken birgt bzw. Vorteile bringt diese Alternative? c) Für welche Bereiche ist angesichts der Risiken für die Allgemeinheit, aber auch im Hinblick auf eine mögliche Stigmatisierung des Betroffenen die Möglichkeit der Fußfessel als taugliche Alternative in Betracht zu ziehen? Die elektronische Fußfessel sollte wegen ihrer beträchtlichen Stigmatisierungsgefahr und zahlreicher Fehlmeldungen eine Ausnahme für Täter bleiben, von denen eine hochgradige Gefahr für Leib und Leben und die sexuelle Selbstbestimmung ausgeht und die anders nicht auf die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung gebotene Entlassung mittels vollzugsöffnender Maßnahmen vorbereitet werden können.

In Betracht kommt sie auch als zeitlich begrenzte Maßnahme der Haftverschonung gem. 116 StPO oder zur Ermöglichung einer Strafrestaussetzung gem. 57 StGB, falls diese aus prognostischen Gründen sonst nicht möglich wäre. Abzulehnen ist sie für sonstige Vollzugslockerungen oder für originäre Bewährungsstrafen. 12. Aus einigen Vorschriften des GE der Landesregierung (Drs. 16/5413) ist die Schlussfolgerung naheliegend, dass letztlich die Unterbringung der Insassen (das "Wie") und auch die jeweiligen Modalitäten bzw. Handlungsspielräume in den Anstalten letztlich von den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort abhängen (z.b. 24 Abs. 1 GE Telefonate/Telekommunikationssysteme). a. Welche Mindeststandards müssten unabhängig von der Anstalts- und Vollzugsorganisation (vgl. 11 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 3 des GE der Landesregierung) bzw. den tatsächlichen Gegebenheiten gewährleistet werden? Bei der gemeinsamen Unterbringung ( 11 I Nr. 3, 14 I Nr. 3 RE) ist eine Belegung mit mehr als 3 Personen (s. 18 I CDU-E) für unzulässig zu erklären. Zum Schutz der Menschenwürde sollten außerdem Gemeinschaftshafträume ohne abgetrennte Toilette verboten werden. Pro Gefangenem ist ein Luftraum von ca. 20 cbm zu gewährleisten. b. Wie ist in diesem Zusammenhang anhand der Beispiele der 30, 31 und 87 Abs. 3 des GE der Landesregierung die Gesetzestechnik zu beurteilen, die einerseits einen Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite und zusätzlich ein Ermessen auf der Rechtsfolgenseite vorsieht? Die Kombination von unbestimmten Rechtsbegriffen (mit Beurteilungsspielraum) und Rechtsfolgeermessen ist sowohl in den erwähnten Fällen (schulische und berufliche Fortbildung nach Maßgabe der Eignung und der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze; freies Beschäftigungsverhältnis oder Selbstbeschäftigung nach Maßgabe prognostischer Eignung und vollzugsorganisatorischen Möglichkeiten) unvermeidlich, ebenso wie in vielen anderen Bereichen der Eingriffs- und Leistungsverwaltung außerhalb des Strafvollzugs. Der gerichtliche Rechtsschutz gem. 109 ff. StVollzG bietet ausreichende Möglichkeiten, gegen Ermessensfehlgebrauch oder fehlerhafte Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe vorzugehen.