Die Anfänge des SSL: Erinnerungen und Anekdoten



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Transkript:

Die Anfänge des SSL: Erinnerungen und Anekdoten Betriebsleben und Unternehmenskultur in den 1950er Jahren KÄTHE SPRINGER STEFAN TICHY 1953/54 wurde das Stahlbetonschwellenwerk Linz (SSL) errichtet, und am 7. Juli 1954 begann die Erzeugung der Spannbetonschwellen einem völlig neuen Produkt für den Bahnoberbau; noch im selben Jahr wurden 25 000 Stück hergestellt. Die Einführung der Betonschwelle ging keineswegs ohne Widerstände und Skepsis vor sich. Vor allem mußten die künftigen Geschäftspartner und Verwender mit der Novität erst näher bekannt gemacht werden. Also gab es im Werk gerade während der ersten Jahre zahlreiche Besuche und Exkursionen, die von der Wiener Firmenzentrale des SSL eingeladen waren und vor Ort betreut wurden. Baukaufmann Stefan Tichy, von Anfang an dabei und viele Jahre kaufmännischer Leiter der Firma, erinnert sich in diesem Zusammenhang an einige Begebenheiten, die zeigen, daß bei der regen Besuchstätigkeit im noch jungen Werk nicht immer alles ganz glatt ablief, aber dank Humor und Verständnis aller Beteiligter doch meist ein Happy-End möglich war. So wurde, wie Herr Tichy erzählt, einmal aus Wien Besuch von Beamten des Verkehrsministeriums angekündigt. Betriebsleiter Eduard Harrer fuhr zum Linzer Hauptbahnhof, um die Gäste zu empfangen und zum Mittagessen in ein Restau- Bahnmeister der ÖBB auf Exkursion im Werk, 1954. rant einzuladen; anschließend sollte er sie tum aufgeklärt: Das Verkehrsministerium ins Werk begleiten. Der Zug kam fahrplanmäßig an, und eine Gruppe, offen- die Finanzbeamten bezahlten natürlich hatte kurzfristig den Besuch abgesagt, und sichtlich Besucher, stieg aus. Der Mann ihr Mittagessen selbst. Von da an hatte ihr aus dem Werk erkundigte sich, ob die Empfangschef eine deutlich gemilderte Herren aus dem Ministerium wären, und Einstellung zum Finanzamt. als sie freundlich bejahten, lud er sie, wie vorgesehen, zum Essen ein. Erst bei Tisch Ein andermal kam ein Universitätsprofessor für Straßen- und Eisenbahnbau mit stellte sich heraus, daß die Gäste nicht vom Verkehrs-, sondern vom Finanzministerium waren, die von ihrer Landes- auch eine Dame gehörte, traf kurz vor Studenten zu Besuch. Die Gruppe, zu der direktion erwartet wurden. Der Betriebsleiter wurde blaß: Wo waren die Besucher rung auf den nächsten Tag verschoben Betriebsschluß ein, sodaß die Werkfüh- aus dem Verkehrsministerium geblieben? wurde. Die Büroangestellten erhielten die Wie sollte er die Zeche der falschen Aufgabe, Nachtquartiere für die Gäste zu Gäste erklären? Schließlich wurde der Irr- besorgen, was damals man schrieb das 196

Jahr 1954 gar nicht so einfach war. Die Studenten gaben zu verstehen, daß die sie begleitende Dame die Gemahlin des Herrn Professor wäre. Mit Mühe konnte man die 20 Studenten in einem Hotel unterbringen, und für das vermeintliche Ehepaar fand sich gerade noch ein Doppelzimmer. Am nächsten Morgen zeigte sich, daß sich die Studenten einen Jux gemacht hatten: Die Dame war Studentin und hatte, wie von ihren Kollegen eingefädelt, die Nacht im Doppelbett verbracht der Professor aber höflicherweise in einem Notquartier. Er war dem Betrieb jedoch wegen dieser Zumutung nicht böse. An einem heißen Sommertag man verzeichnete über 30 Grad Celsius war Stefan Tichy während der Mittagspause allein im Büro geblieben. Zur Abkühlung hatte er seine Füße unter dem Schreibtisch in ein Schaff mit kaltem Wasser gestellt. Da standen unversehens einige Herren der Technischen Universität München in seinem Büro. Er sprang überrascht auf, wobei er auf sein Fußbad vergaß und das Schaff umwarf das Wasser ergoß sich über das Schuhwerk der Besucher. Diese lachten schallend über den nassen Empfang. Opel Caravan: der erste Firmenwagen, Oktober 1959. Einrichtungen und ein Betriebsklima, das ten unter anderem sommers ein Betriebsausflug für die Beschäftigten und ihre Fa- zwar durchaus dem patriarchalen Stil jener Zeit, aber zugleich auch dem humanen milien sowie im Dezember die gemeinsame Selbstverständnis des Hauses Hollitzer/ Weihnachts- bzw. Jahresabschlußfeier. Wertanek entsprach. Für die Belegschaft Herr Tichy erinnert sich: Für die Jahresabschlußfeier wurden von der Betriebs- gab (und gibt) es eine Betriebsküche. Milch und Tee zehn Jahre nach dem leitung Musiker und manchmal auch Krieg wertvolle Nahrungsmittel wurden Kabarettisten oder andere Kleinkünstler kostenlos abgegeben. Anläßlich ihrer Pensionierung erhalten Betriebsangehörige darauf spezialisiert war, Armbanduhren, gebucht. Einmal trat ein Zauberer auf, der bis heute eine Zuwendung der Firma. Zu Hosenträger und andere verborgene Besitztümer der Zuschauer verschwinden den identitätsstiftenden Traditionen gehör- zu Ob nun eher Humor oder Sachwissen überwog die rege Aufklärungsarbeit des SSL machte sich bezahlt: 1955 begann sich die Spannbetonschwelle unaufhaltsam durchzusetzen. Ihre Vorteile lagen auf der Hand und widerlegten ihre Kritiker. Das Werk in Linz-Wegscheid stand im zweiten Produktionsjahr, als die Österreichischen Bundesbahnen einen Jahresauftrag über 75 000 Schwellen erteilten und die Anlagen daraufhin erweitert werden mußten. Von Anfang an bemühten sich die Eigentümer des SSL um die Schaffung sozialer Besuch aus der Technischen Hochschule Graz, 1954. 197

Die Belegschaft des SSL, 1955. lassen. Dies sollte verhängnisvoll werden: Im Publikum befand sich auch der Geschäftsführer der Firma, Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Schwarz, der aus der Wiener Zentrale gekommen war, um wie jedes Jahr den in Frage kommenden Angestellten persönlich und in aller Form Kuverts mit Prämien zu überreichen. Ein geschätzter Brauch nur verlief er diesmal etwas anders. Der Zauberer suchte sich für seine Kunststücke von allen Anwesenden ausgerechnet Dr. Schwarz aus und leerte ahnungslos dessen Taschen. Dabei zog er auch die vorbereiteten Briefumschläge heraus und verlas laut die darauf stehenden Namen. Mit der feierlichen Übergabe war es natürlich vorbei. Der Geschäftsführer, dem alle sehr zugetan waren, warf den Organisatoren des Festes verärgert vor, den Zauberer entsprechend instruiert zu haben. Das stimmte nicht, doch man steckte zerknirscht den Rüffel ein zusammen mit den Kuverts und ihrem begehrten Inhalt. 198 Auch die folgende Geschichte illustriert das damalige Verhältnis von Belegschaft und Unternehmensführung: Eines Tages im Sommer 1954, kurz nach der Produktionsaufnahme, wollte ein unbekannter älterer Mann unter Umgehung der Büros die Werkshalle betreten, was ihm der Werkmeister Stefan Kunst untersagte; Fremde durften nämlich ohne Bewilligung der Zentrale nicht in den Bereich der Schwellenproduktion vorgelassen werden, und zwar wegen möglicher Werksspionage. Der Mann nannte daraufhin seinen Namen und bemerkte, er sei der Eigentümer des Betriebes und wolle die laufende Produktion besichtigen. Der Meister blieb unerschüttert: Erst müsse er überprüfen, ob es mit der Aussage des ihm Unbekannten auch seine Richtigkeit habe. Als er mit dem Eindringling ins Büro kam, fuhr allen der Schreck in die Glieder: Es war tatsächlich der Firmenchef aus Wien, der Herr Kommerzialrat persönlich, der vor verschlossenen Türen gestanden war. Man bemühte sich raschest um Aplanierung, nichts Gutes erwartend. Es kam jedoch anders als gedacht: Für die korrekte, kompromißlose Haltung erhielt der Meister von seinem Chef eine Belobigung und am nächsten Tag einen Golddukaten. Jahresabschlußfeier im Linzer Stadtkeller, Dezember 1958. Werkmeister Stefan Kunst (links) mit Conférencier.

Was ein Zeitzeuge in diesen Anekdoten aus dem Firmenleben so launig erzählt, widerspiegelt Betriebsalltag, Atmosphäre und Führungsstil, wie sie der Aufbruchstimmung, den Kriegsnachwehen und den wirtschaftlichen wie kulturellen Strukturen der österreichischen Nachkriegsepoche entsprechen. Unternehmenskultur ist keine neue Erfindung. Während des konjunkturellen Aufschwungs der 1950er und 1960er Jahre mit seinen Vorstellungen von Aufstieg, Stabilität und langfristigen Arbeitsplatz- Perspektiven hatte sie auf ihre Art ebenso, wenn nicht mehr identitätsstiftende Funktionen als das, was heute Corporate identity heißt und als Teil von Verkaufsstrategien und Marketing bewußt kreiert wird. Zur Unternehmenskultur gehören das Verhältnis von Geschäftsführung und Belegschaft ebenso wie soziale Einrichtungen und Inszenierungen mit dem Ziel, Identifikation und Zusammengehörigkeitsgefühl langfristig zu stärken und in die produktive Tätigkeit einzubinden; zu ihr gehören aber auch Selbstdarstellungen der Mitarbeiter, Erinnerungen, Erfahrungen und Zeugnisse betrieblicher Alltagskultur. Diese belegen keine strategisch verordnete, sondern vielmehr eine gelebte Unternehmenskultur und sind zugleich ein Zeitdokument, das nicht nur die konkreten Anfänge eines Schwellenwerks in Linz illustriert, sondern bei näherer Betrachtung ein Kapitel österreichischer Arbeitsgeschichte enthüllt. Ein Tag im Stahlbeton-Schwellenwerk Linz. Seite aus einem Fotoalbum des SSL, gestaltet von Betriebsleiter Eduard Harrer, 1956. 199

Die Schwellenproduktion des SSL im Wandel der technischen Entwicklung KURT REICHART Die erste Schwelle, die 1954 das Werk in Linz verließ, war Typ 10, eine Einanker- Spannbetonschwelle ohne Verbund von 2,30 Meter Länge. Dieser Schwellentyp (eingebaute Stück: 9944) hatte ein schwaches Mittelstück, das sich unter den Schienen zu starken Blöcken erweiterte (ab Typ 10a wurde der Mittelteil der Schwelle verstärkt); er kam auf Strecken von Nebenbahnen zum Einsatz. Das Gewicht betrug ohne Befestigung 185 Kilogramm, die Bewehrung bestand aus einem Spannstahl mit 20 Millimeter Durchmesser (St 95/105), der vor dem Einbau in die Schwelle in Heißbitumen getaucht wurde. Die Gesamtvorspannung erfolgte mit 13 Tonnen (130 Kilonewton, kn). Die Schienenbefestigung bestand aus Bundschrauben und Klemmplatten. Noch im selben Jahr wurde diese Schwelle von der 10a abgelöst, deren Mittelstück, wie erwähnt, bereits stärker ausgeführt war und die ebenfalls auf Nebenstrecken zum Einsatz kam (eingebaute Stück: 10 886). Ihr Gewicht betrug ohne Befestigung 190 Kilogramm, die Bewehrung bestand aus Spannstahl von 22 Millimeter Durchmesser (St 95/105). Die Gesamtvorspannung erfolgte mit 13 Tonnen (130 kn). Beide Typen, 10 und 10a, haben sich von der Konstruktion her nicht optimal bewährt, weshalb 1954/55 eine Schwelle 200 folgte, die der heutigen schon sehr ähnlich war: der Schwellentyp 11, der erstmals als Zweianker-Spannbetonschwelle, ebenfalls ohne Verbund, produziert wurde. Diese Schwelle zeichnete sich durch eine durchgehend große Auflagefläche aus und verjüngte sich in der Mitte nur wenig. Es war der erste Typ, der in schwerbelastete Hauptgleise eingebaut wurde. Das Gewicht betrug 231 Kilogramm ohne Befestigung; verwendet wurde Spannstahl mit einem Durchmesser von 20 Millimetern (St 95/105), der mit Heißbitumen getränkt wurde. Die Gesamtvorspannung erfolgte mit 26 Tonnen (260 kn), wobei die Schwelle nach dem ersten Tag mit 80 Kilonewton teilvorgespannt und erst nach 28 Tagen, bereits auf dem Stapelplatz liegend, endvorgespannt werden konnte. Als Schienenbefestigung dienten Rippenplatten; bei dieser Befestigungsart wurden zwei Schwellenschrauben je Rippenplatte in Holzdübel, die im Schwellenkörper einbetoniert waren, eingeschraubt. (Holzdübel hatten trotz Imprägnierung eine erheblich kürzere Lebensdauer als die Betonschwelle und mußten an den eingebauten Schwellen ausgewechselt werden, was einen hohen Aufwand erforderte; ab 1965 wurde daher allgemein auf Kunststoffdübel übergegangen.) 166 856 Stück wurden bis 1957 von Typ 11 eingebaut. Die nächste Schwelle, Typ 12, stellte als Vieranker-Spannbetonschwelle mit Haarnadelbewehrung und nachträglichem Verbund eine völlige Neukonstruktion dar. Der Stahl wurde im Werk haarnadelförmig gebogen; auf der Ankerseite überkreuzten sich die Bögen. Die Schwelle war 2,30 Meter lang, und ihre Vorspannung betrug 32 Tonnen (320 kn). Erstmals wurde die gesamte Vorspannung auf dem Rollgang bereits nach 48 Stunden aufgebracht. Nach anschließendem Auspressen der Spannkanäle mit Injektionsmörtel, Montieren der Rippenplatten und Aufbringen eines kalten Bitumenanstrichs an den Stirnseiten war die Schwelle versandfertig. 1957 1964 erzeugt, wurde Typ 12 mit 686 107 eingebauten Stück zum er- Schwellentyp 11 mit Rippenplattenbefestigung am Stapelplatz, 1955.

Die ersten Schwellen des SSL: Typen 10 16. folgreichsten Produkt jener Generation aus Linz. Die nachfolgenden Schwellen 12p, 12pu, 13, 14, 14a, b, c, 15, 16, 19 und 19a unterschieden sich nur in ihren Maßen und der Art der Schienenbefestigung voneinander, wurden jedoch weiterhin alle nach derselben Fertigungsmethode, dem DSA-(= Dyckerhoff-Spannanker-)Verfahren, erzeugt. Für schwerst beanspruchte Industriebahnen sowie Schleppbahnen und Werksgleise wurden die Typen 12p und 12pu hergestellt: 12p hatte eine einfache Befestigung aus Schwellenschrauben mit vergrößertem Kopf, die in Kunststoffdübel eingeschraubt waren und auf den Schienenfuß drückten; 12 pu wurde mit einer Universalbefestigung ausgestattet, welche die Montage sämtlicher Schienenformen einschließlich Schutzschienen zuließ. Für Gleise zweiter Ordnung (Nebenbahnen) entstand der Schwellentyp 13, wie alle bisherigen Typen 2,30 Meter lang, mit einer Bewehrung aus vier Spannstählen Delta 100 A (Durchmesser: 7 mm) sowie erstmals in Österreich einer Federschrägnagelbefestigung für die Schienen. 31 653 Stück wurden 1962 1966 eingebaut. 1964 kam der Schwellentyp 14 auf den Markt, eine bekannte und für viele Jahre bewährte Konstruktion (eingebaute Stück: 567361). Er war 2,40 Meter lang, Bewehrung und Schienenbefestigung glichen jedoch den bisherigen Typen. Für die Produktion wurde gezogener Spannstahl mit einem Durchmesser von 9,4 Millimetern, Delta 100 A von der Güte 150/170 kg/ mm 2 von Felten & Guilleaume, Bruck/ Mur (anstatt des früheren gewalzten Sigma-Stahls 135/150, 9,7 Millimeter Durchmesser, von Rheinhausen), mit einem Sondergewinde M 10 x 1,5 Millimeter, verwendet; die Gewinde wurden seit Beginn der Betonschwellenerzeugung unter hohem Rolldruck aufgewalzt. Das Gewicht der Schwelle betrug 235 Kilogramm ohne Oberbaubefestigung, die Vorspannkraft 32 Tonnen (320 kn). Untergruppen, die sich durch die verschiedenen Befestigungen voneinander unterschieden, waren: 14a mit Springblockbefestigung (eingebaute Stück: 1000); 14b mit HM- Schienenbefestigung (benannt nach den Initialen des Erfinders Dr. Hans Meier, Professor an der Technischen Universität München), diese Befestigungsart, bestehend aus Spannklemmen, die mit Schwellenschrauben auf den Schienenfuß gedrückt werden (eingebaute Stück: 1000), fand ab dem Typ 19 allgemeine Verbreitung; 14c mit Pandrolbefestigung (ersetzte die kurzlebigen Holzdübel durch stählerne, zur Isolierung mit Kunststoff überzogene Anker, an denen Federbügel als Schienenbefestigung sitzen). Eingebaute Stück der 14c : 259 454. Typ 15 wurde in den Formen der 12er als Versuchsausführung für rationellere Befestigungsarten produziert, wobei Plat- 201

ten mit Verankerungen für die Pandrolbefestigung einbetoniert wurden (eingebaute Stück: 6645). Für Gleise zweiter Ordnung entstand 1967 Typ 16 (eingebaute Stück: 759 082; erzeugt bis 1990). Er war ebenfalls mit einer Pandrolbefestigung ausgestattet und fand wegen seiner leichten Montierbarkeit großen Anklang. Seine Länge betrug 2,30 Meter, sein Gewicht 197 Kilogramm. Die Konstruktion glich der von Typ 14, der Durchmesser des Spannstahls maß jedoch 8 Millimeter, Delta 100 A 150/170, die Gesamtvorspannung erfolgte mit 26 Tonnen (260 kn). Innerhalb von 13 Jahren war damit die Typenserie 11 bis 16 entstanden, in deren Verlauf die Schwellengrundflächen mehrmals vergrößert wurden, um die Schotterpressung zu verringern; gleichzeitig wurde die Tragfähigkeit der Schwelle durch Erhöhung der Spannkraft zunächst auf 240, dann auf 320 Kilonewton (24 bzw. 32 t) gesteigert. Typ 17 (eingebaute Stück: 120) hatte dieselbe Befestigung wie die Schwelle 14, war jedoch 2,60 Meter lang; die Vorspannkraft betrug 32 Tonnen, das Gewicht 302 Kilogramm. 1972 ging in Linz eine Schwelle besonderer Bauart in Produktion: die sogenannte Ohrenschwelle (Typ 14d bzw. 18a ), die mit seitlichen Anhängen im Schienenbereich die Stirnfläche der Schwelle mehr als verdoppelte sowie eine größere Auflagefläche und einen größeren Querverschiebewiderstand bot. Dieser Typ (eingebaute Stück: 8983) wog 300 Kilogramm, die Vorspannung erfolgte mit 32 Tonnen (320 kn). Die Ohrenschwelle, deren Schwellenkörper ansonsten dem Typ 14 glich, wurde in mehreren gebirgigen Probestrecken mit engen Krümmungsradien und durchgehend geschweißten Schienen eingebaut, wo sie zunächst zur erwarteten Verbesserung der Gleislage 202 Bei der HM-Schienenbefestigung sitzt die Schiene unter Zwischenschaltung einer Kunststoffzwischenlage mit dem Schienenfuß auf der Schwelle auf. Die Lage der Schiene wird durch zwei seitliche Winkelführungsplatten aus Kunststoff gesichert. Zwei Schwellenschrauben in Kunststoffdübeln drücken über je eine epsilonförmige Spannklemme den Schienenfuß gegen die Schwelle. Die von der Schiene kommenden Seitenkräfte werden über die Winkelführungsplatte auf den Schwellenkörper übertragen, ohne die Schwellenschraube auf Biegung oder Abscheren zu beanspruchen. Diese Befestigung wurde in Österreich bei den Schienentypen 14b, 19, 19a, K 1 und RS 95 eingeführt. führte. Die unbewehrten bzw. mit nur schwacher Bewehrung verstärkten Ohren waren jedoch auf Dauer der Beanspruchung nicht gewachsen und zeigten Risse; die Produktion wurde daher 1980 eingestellt. Mit der Nebenbahnschwelle 19 kam 1976 wieder eine Neuheit auf den Markt. Zur Verbesserung der Gleislage wurde die Schwellenlänge auf 2,50 Meter vergrößert, aber an der Konstruktion der Bewehrung nichts geändert und die Schwellenform nach Möglichkeit den Erfordernissen angepaßt (Gewicht: 280 kg, Vorspannung: 32 t, eingebaute Stück: 1 069 806, erzeugt bis 1991). Mit dieser Schwelle wurde, wie erwähnt, gleichzeitig der teure K-Oberbau (= Rippenplattenoberbau) abgelöst und durch die technisch ausgereiftere HM- Schienenbefestigung ersetzt, die bis heute verwendet wird. Eine Erhebung im Beton übernahm anstatt der Schwellenschraube die Aufnahme der Horizontalkräfte. 1986 folgte der für Hauptstrecken entwickelte Typ 19a, das längste (2,60 m) und schwerste Produkt (285 kg) der Serie, jedoch mit gleichbleibender Konstruktion der Bewehrung (eingebaute Stück: 1 998 331, erzeugt bis 1998). Fertigungstechnik Das Prinzip Sofortentschalung Das Stahlbetonschwellenwerk Linz (SSL) produziert seit 1954 nach dem Prinzip der Sofortentschalung. Dieses Fertigungsverfahren in Lizenz der deutschen Firma Dyckerhoff & Widmann unterscheidet sich von allen anderen Systemen dadurch, daß der verdichtete Beton nicht in der Form erhärten muß, sondern sofort entschalt wird; er bleibt zu diesem Zeitpunkt bereits formgerecht und kann sogar, ohne Eindrücke zu erleiden, begangen werden eine erfolgreiche Technik, nach der bis heute in Linz produziert wird.

Das DSA-Verfahren Die Schwellenherstellung erfolgte seit dem Schwellentyp 12 (produziert ab 1957) nach dem Prinzip der Sofortentschalung mit nachträglicher Vorspannung, dem sogenannten DSA-Verfahren (= Dyckerhoff- Spannanker-Verfahren), bei dem drei Zwillingsschalungsformen in Umlauf sind. Für die nachträglich einzubauende Spannbewehrung müssen im Betonkörper der Schwelle die Spannkanäle ausgespart werden, was durch den Einbau von Matrizen geschieht. Dabei werden auch die Kunststoffdübel für die Schwellenschrauben und die Ankerglocken für die Endverankerung der Spannbewehrung eingebaut. Die Formen werden gereinigt, mit einem Trennmittel eingesprüht und dann paarweise auf den Rütteltisch gefahren. Dort werden sie hydraulisch mit zwei Rüttelblöcken verspannt und unter dauerndem Rütteln schichtenweise durch Überfahren mit dem Verteilerwagen mit Beton gefüllt. Sind die Formen voll, wird eine Auflastbohle mit Außenrüttlern aufgesetzt, die eine zusätzliche Verdichtung des Betons, ein Abgleichen des Schwellenbodens und eine Einprägung von kassettenförmigen Vertiefungen in die Schwellenunterseite bewirkt. Nach dem Hochfahren der Auflastbohle wird ein Unterlagsblech auf die gefüllte Form gelegt und mit der Form verspannt. Dann werden die Formen maschinell vom Rütteltisch abgehoben, unter gleichzeitigem Drehen um 180 Grad seitlich abgelegt und anschließend die Matrizen für die Spannkanäle und die Halterungen der Dübel für die Schwellenschrauben entfernt. Zur Erhärtung des Betons werden die frischen Schwellen in Klimastapeln gelagert; hier erreichen sie bereits nach 30 Stunden die erforderliche Festigkeit. Zum Zeitpunkt der Vorspannung müssen die Schwellen eine Druckfestigkeit von mindestens 450 kp/cm 2 aufweisen, um die notwendigen Vorspannkräfte aufnehmen zu können. Die erhärteten Schwellen werden in Lagen von den Stapeln abgehoben, durch eine Spezialzange von den Unterlagsblechen getrennt und auf das Vorspann- und Montageband gelegt. Hier werden die haarnadelförmig gebogenen Spannstäbe eingeschoben, die Schlitzmuttern aufgedreht und die Befestigungsmittel aufgelegt. Die vier Spannstäbe der Schwellen werden gleichzeitig und gleichmäßig mit je 8 Megapond (80 kn), also insgesamt 32 Megapond (320 kn), vorgespannt und unter gleichzeitigem Andrehen der Schlitzmuttern am Schwellenende verankert. Die Spannstähle werden durch das Vorspannen um etwa 15 Millimeter gedehnt. Die Spannkanäle müssen sodann mit Injiziermörtel ausgepreßt und die Schwellen am Kreuz- und Spannkopf zum Zweck des Rostschutzes der Bewehrung mit Mörtel verschlossen werden. Schwellenproduktion des SSL 1954 2002. 203

Österreichische Bahnbetreiber Kunden des SSL Stand: September 2002 Neben Österreichs größtem Bahnbetreiber und Auftraggeber für Schwellen, den ÖBB, zählen folgende private Bahngesellschaften zu den Kunden des SSL: Graz-Köflacher Eisenbahn Ges.m.b.H. A-8020 Graz, Köflacher Gasse 35 41 Tel. +43/316/59 87-0 Fax +43/316/59 87-16 info@gke.at www.gke.at Steiermärkische Landesbahnen A-8010 Graz, Radetzkystraße 31 Postfach 893 Tel. +43/316/81 25 81-0 Fax +43/316/81 25 81-25 office@stlb.at www.stlb.at Salzburger Lokalbahn A-5020 Salzburg, Plainstraße 70 Tel. +43/662/88 84-86 61 00 Fax +43/662/44 80-61 15 salzburger.lokalbahn@salzburg-ag.at www.lokalbahn.info AG der Wiener Lokalbahnen A-1120 Wien, Eichenstraße 1 Tel. +43/1/904 44 Fax +43/1/904 44-350 office@wlb.at www.wlb.at Zillertaler Verkehrsbetriebe AG Zillertalbahn A-6200 Jenbach, Austraße 1 Tel. +43/52 44/606-0 Fax +43/52 44/606-39 office@zillertalbahn.at www.zillertalbahn.at Weitere Bahnbetreiber Stern & Hafferl Verkehrsgesellschaft m.b.h. A-4810 Gmunden, Kuferzeile 32 Tel. +43/76 12/795-200 Fax +43/76 12/795-202 sekretariat@stern-verkehr.at www.stern-verkehr.at Raab Oedenburg Ebenfurter Eisenbahn AG A-7041 Wulkaprodersdorf, Bahnhofplatz 5 Tel. +43/26 87/62 224-0 Fax +43/26 87/62 224-190 office@raaberbahn.com www.raaberbahn.com Das DSR-Verfahren In den 1980er Jahren stieg die Bedeutung des Schienenverkehrs. Die Zuggeschwindigkeiten erreichten mehr als 200 Stundenkilometer. Hochleistungsstrecken entstanden, und die größere Belastung der Schwellen erforderte deren höhere Spannkraft. Die Ansprüche an den Fahrkomfort nahmen zu, und eine bessere Gleislage wurde notwendig. Diesen Anforderungen mußte auch in der Entwicklung der Schwellen entsprochen werden. Das mittlerweile bald 40 Jahre alte DSA- Verfahren war an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gelangt. Bemühungen um Verbesserungen zeigten wenig Erfolg, sodaß die Einführung eines neuen Pro- 204 duktionsverfahrens zwingend notwendig wurde. Zur Auswahl standen Systeme aus England, Frankreich, Italien, Schweden und Deutschland. Nach eingehender Prüfung und Besichtigung verschiedener Erzeugungsstätten fiel die Wahl auf ein Verfahren im kurzen Spannbett (Kurzbett- Verfahren) mit einer Kombination von Sofortentschalung und Vorspannung mit sofortigem Verbund, wie es vom bisherigen Lizenzgeber Dywidag als DSR (= Dyckerhoff-Spannrahmen)-Verfahren entwickelt und auf dem Markt erprobt worden war. Kernstück des Kurzbett-Verfahrens sind die stählernen Spannrahmen für je sechs (2 x 3) Schwellen. In einem einzigen Arbeitsgang werden die Bewehrungsdrähte maschinell eingeschoben und vorgespannt. Danach wird der Spannrahmen gemeinsam mit der Bewehrung auf eine Gruppe von sechs Formen gesetzt; diese werden mit Beton gefüllt und gerüttelt. Anschließend wird die Betonoberfläche mit einer Blechtafel der Palette abgedeckt und nochmals gerüttelt. Spannrahmen, Formen und Palette werden als Paket gewendet und die Formen nach oben abgezogen. Der noch frische Beton bleibt als sofortentschalte Schwelle erhalten. Nun erhärtet der Beton in geschlossenen Klimakammern, die durch Stapelung mehrerer Spannrahmen und Paletten übereinander von selbst entstehen. Nach dem Erhärten des Betons werden die Drahtverankerungen vom Spannrahmen gelöst.

Dabei überträgt sich die Vorspannung mit sofortigem Verbund auf den Beton. Zuletzt werden die Schwellen mittels Diamantscheiben vom Spannrahmen getrennt. Im Unterschied zum DSA-Verfahren entfallen alle Verankerungsteile, damit auch das bisher erforderliche nachträgliche Verfüllen der Spannkanäle mit Zementmörtel und das Verschließen der Verankerungsöffnungen. Außerdem versteift die in der frischen Schwelle liegende Bewehrung den Betonkörper und erhöht dadurch dessen Maßhaltigkeit erheblich. Für Hochleistungsstrecken die Schwelle K 1 Das Resultat des neuen Produktionsverfahrens war 1997 die Schwelle K 1 (siehe S. 208 ff., Anm. d. Red.), die sich vom Typ 19a augenfällig durch ihre schlankere Mitte und die kräftigeren Auflagebereiche für die Schienen unterscheidet. Bei gleicher Länge von 2,60 Metern und gleicher Breite von 30 Zentimetern ist die Schwellengrundfläche größer und somit die Schotterpressung geringer, wodurch die Schwelle beständiger im Schotterbett liegt. Die schlankere Mitte wird durch gekreuzte Bewehrung ermöglicht: Anstelle der vier parallel geführten Vorspannstäbe (Durchmesser: 9,40 mm) mit Gewinden und Verankerungsteilen besitzt die K 1 acht profilierte Drähte (Durchmesser: 7,50 mm), die sich in der Schwellenmitte kreuzen und strahlenförmig zu den Schwellenenden hin verlaufen. Durch die Taille ist die K 1 in der Mitte elastischer und nimmt unvorhergesehene Lastverteilungen im Schotterbett besser auf. Die taillierte Mitte erhöht den Querverschiebewiderstand der Schwelle im frischgestopften Gleis. Die gleichmäßige im Idealfall kreisförmige Verteilung der Spanndrahtenden in den Schwellenstirnflächen minimiert die Rißgefahr in den Schwellenenden. Statt der bisher maximalen Spannkraft von 320 Kilonewton erreicht die K 1 eine Spannkraft von 450 Kilonewton, wobei ohne weiteres auch eine Höchstspannkraft von 540 Kilonewton, wie beispielsweise nach den strengeren Regeln in den USA vorgeschrieben, möglich ist. Dadurch erhöht sich die Bruch- und Rißsicherheit der Schwelle. Ins neue Jahrtausend die Rahmenschwelle RS 95 Die Suche nach einem dämpfenden Schotteroberbau, der in der Lage ist, die Lasten immer schnellerer und schwererer Züge aufzunehmen, hat 1999 zur Entwicklung der Rahmenschwelle geführt. Diese als H ausgeführten, vorgespannten Betonelemente tragen endlos verschweißte Schienen mit elastischen Befestigungen. Die Auflagerfläche im Schotterbett wird durch die beiden Längsträger um rund 50 Prozent erhöht, wodurch sich die Schotterpressung verringert. Die Längsträger erhöhen den Querverschiebewiderstand. Die elastische Basis aus Polyurethan- (PU-)Material hilft, die Dämpfungseigenschaften über die Länge des Gleises zu verteilen, und reduziert gleichzeitig den Druck auf den Schotter und die Spannungsgradienten im Schotterbett. Dadurch kann die Dichte des Schotterbetts verringert und die Spanne für den vertikalen Ausgleich von Setzungen beibehalten werden. Die durchgehende La- gerung der Schiene garantiert eine optimale Schwingungsdämpfung der Schienen. Weiche Zwischenlagen (ZW 700) im Befestigungspunkt verringern die Schwingungsübertragung von Schiene und Schwelle auf den Schotter. Die kontinuierliche Lagerung reduziert die Schallemission der Schiene. Die Rahmenschwelle RS 95 besteht aus zwei Querschwellen von je 2,50 Meter Länge und dazwischen angeordneten Längsträgern, die eine Breite von 0,95 Metern ergeben; dazu kommt ein Abstand von 0,05 Metern zwischen den Rahmenschwellen. Die RS 95 wird als Spannbeton-Bauteil nach dem Prinzip der Sofortentschalung mit Vorspannung und sofortigem Verbund in Längs- und Querrichtung hergestellt. Die Schwelle K 1 mit HM-Schienenbefestigung. Betonqualität, Spannbewehrung und HM- Schienenbefestigungen entsprechen dem Standard des bisherigen Schwellentyps K 1. 205

Die Rahmenschwelle RS 95 die erste Eigenentwicklung des SSL. Neben der Spannbetonschwelle K 1 und der Rahmenschwelle RS 95, den modernsten Produkten zur Verlegung im Gleis, erzeugt das SSL seit 2002 auch Weichenschwellen. Bis 1990 wurden in Österreich ausschließlich Holzschwellen verwendet, erst danach erfolgte auch in diesem Bereich eine Erprobung in Beton. Positive Ergebnisse ließen die Nachfrage steigen. Die SSL-Fertigung erfolgt im Langbettverfahren. Ein Zwillingsspannbett von etwa 54 Meter Länge ermöglicht die tägliche Produktion von 108 Laufmetern Weichenschwellen. Diese sind 300 Millimeter breit, 220 Millimeter hoch und wiegen rund 165 Kilogramm pro Laufmeter. 16 Spanndrähte mit je 6,50 Millimeter Durchmesser und einer Vorspannkraft von 700 kn übernehmen die geforderten Belastungskriterien. Nach dem Erhärten des Betons wird der gesamte Schwellenstrang hydraulisch aus der Schalung gehoben und mit Diamantsägen in einzelne Schwellen geschnitten. Je nach Weichentyp gibt es zwischen 50 und 150 verschiedene Schwellen, wobei die Schwellenlänge zwischen 2,30 und 4,80 Meter Länge variiert. Der Gesamtlaufmeterbedarf je Weiche liegt zwischen 200 und 500 Laufmetern. Seit September 2002 erzeugt das SSL auch Weichenschwellen. In einem Langbett von 54 m Länge gefertigt, werden die Schwellen anschließend im Ganzen hydraulisch aus der Schalung gehoben und die entsprechenden Längen in der Trennanlage zugeschnitten. Im Bild: die ersten Weichenschwellen aus Linz, die an die ÖBB für die Baustelle Bahnhof Obernberg/Altheim, Strecke Neumarkt Simbach (OÖ), ausgeliefert wurden. Konzipiert für den Weichentyp C-500-1:12 Psch, ergaben 110 Stück verschiedene Schwellentypen einen Gesamtlaufmeterbedarf von 328,5 lfm. 206

Schwellen* H. E. WEIDINGER Da wir, wie man sagt, an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend stehen, mag es naheliegen, auch das Produkt von Schwellenwerken einem prüfenden Blick zu unterziehen und seine Eigenart zu überdenken. Bei einer solchen Betrachtung scheint jene Schwelle, welche eine Zeit von einer anderen oder einen Raum von einem anderen trennt, uns kaum Hinweise für unsere Schwellen zu bieten. Denn Schwelle im Singular die Schwelle also, die als Markierung eine Grenze hervorhebt ist von eitlem Wesen: Sie will auffallen, sie hat einen eigenen Gott, Ianus, der seinerseits durch zwei Gesichter auffällt und zugleich nach vorne wie nach hinten blickt vielleicht um Ausschau zu halten, ob auch genug Publikum da sei. Die Schwelle im Singular ist melodramatisch wie ein Schauspieler, der an die Rampe tritt und Luft holt sie will, daß auch wir ihrem Gestus folgen und ahnungsvoll innehalten, oder aber wie Barbaren über sie buchstäblich mit der Tür ins Haus fallen. Nichts von alldem kennzeichnet unsere Schwellen. Sie treten nur als Mehrzahl auf und reihen sich diszipliniert aneinander, nicht allein am Ort ihrer Herstellung, sondern ebenso am Ort ihres Gebrauchs; ihr ganzer Ehrgeiz scheint darin zu bestehen, nicht aufzufallen. Als diskrete Unterstützer üben sie sich wie gute Butler in Unauffälligkeit und in der Kunst, das Nein- oder Aber-Sagen zu vermeiden. Darum zeigt sich ihr Nutzen wie bei allem Dienenden fast immer nur dann, wenn er einmal ausbleibt: fürs fahrende Publikum ein kurzer Ruck, den die Sitzpolsterung sogleich auffängt. Deutlich mehr Unauffälligkeit wird jene Schwellen kennzeichnen, welche aus unserer neuen Erzeugung hervorgehen: noch gleichförmiger aufgrund reduzierter Toleranzen werden sie höhere Geschwindigkeiten ermöglichen, ohne daß dabei Sicherheit oder Komfort beeinträchtigt würden. Sie werden aufgrund ihrer flexiblen Herstellungsweise der technischen Weiterentwicklung kein Nein und Aber entgegensetzen und aufgrund ihrer erhöhten Belastbarkeit wesentlich länger im Gleis liegen können. So werden sie mit bewirken, daß Baustellen, welche die Erhaltung des Gleiskörpers notwendig mit sich bringt, seltener die Fahrt verzögern. Und schließlich werden sie sich als vollkommen recyclebare Produkte ohne Holpern auch in den ökologischen Kreislauf einfügen. Mögen diese neuen Schwellen sicher und ruhig zur Schwelle des neuen Jahrtausends geleiten und weit in es hineinführen. Glück auf und Bahn frei! * Rede anläßlich der Produktionsaufnahme der Schwelle K 1 am 17. Juni 1997 im Stahlbetonschwellenwerk Linz (SSL); erstmals erschienen in der Broschüre: Stahlbetonschwellenwerk Linz: Wege in die Zukunft. Linz 1997, S. 2. 207