Faktenpapier Emissionshandel: Fakten und Argumente zur Verknappung von CO2-Zertifikaten in der dritten Handelsperiode 2013 2020 ( Set Aside )



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Transkript:

Faktenpapier Emissionshandel: Fakten und Argumente zur Verknappung von CO2-Zertifikaten in der dritten Handelsperiode 2013 2020 ( Set Aside ) Hintergrundinformationen zum IHK-Jahresthema 2012 IHK-Jahresthema 2012 energie und rohstoffe für morgen Deutscher Industrie- und Handelskammertag

I. Ausgangslage: Wesentliche Neuregelungen für die dritte Handelsperiode (2013-2020) Zentrales Instrument der Europäischen Union zur Bekämpfung des Klimawandels ist der Emissionshandel. Seit 2005 werden für fossile Kraftwerke und Industrieanlagen, in denen Kohlendioxid entsteht, eine Obergrenze der jährlich zulässigen Emissionen festgelegt, für die zulässige Menge an Emissionen Zertifikate vergeben oder versteigert und der Handel mit Zertifikaten ermöglicht. Mit dem Beginn der dritten Handelsperiode (2013-2020) tritt eine grundlegende Reform des EU-Emissionshandelssystems in Kraft. Anders als in der ersten (2005-2007) und der zweiten Handelsperiode (2008-2012) werden die Rahmenbedingungen durch EU-weit einheitliche Regelungen 1 vorgegeben. Dies gilt insbesondere für das Handelsvolumen sowie die Verteilung von Zertifikaten auf die emissionshandelspflichtigen Unternehmen. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle betroffenen Unternehmen in der EU geschaffen. Die Eckpunkte des Emissionshandels in der dritten Handelsperiode im Überblick: 1. Rund 15.000 Anlagen EU-weit werden unter den Emissionshandel fallen. In Deutschland sind es voraussichtlich mindestens 2.000 Anlagen. 2 2. Emissionshandelspflichtig sind alle in Anhang 1 Teil 2 Treibhausgas- Emissionshandels-Gesetz (TEHG) genannten Anlagen mit den darin entsprechend aufgeführten Tätigkeiten. Dazu gehören die Anlagen bzw. Branchen, die bereits in 1 Richtlinie 2009/29/EG 2 Die genaue Anzahl ist zurzeit nicht bekannt. Nach Angaben der DEHSt haben 1.814 Anlagen eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die 3. Handelsperiode beantragt. Zusätzlich fallen die Anlagen, die Strom erzeugen, aber keine kostenlose Zertifikate erhalten, unter den Emissionshandel. Deren genaue Anzahl ergibt sich erst nach Auswertung aller Überwachungspläne, die von allen Anlagenbetreibern bis zum 31. Juli 2012 bei der DEHSt eingereicht werden müssen. 1

der zweiten Handelsperiode beteiligt waren, u. a. die Stromerzeugung, Stahl, Raffinerien, Kohle, Aluminium, Zement, Kalk. Neu hinzu kommen in der nächsten Handelsperiode weitere Tätigkeiten, z. B. aus den Bereichen Aluminium- und Düngemittelherstellung, Chemische Industrie, CCS (Carbon Capture and Storage, CO 2 -Abscheidung und -Speicherung) 3 und der Luftverkehr. Als weitere Gase werden Lachgas und perfluorierte Kohlenwasserstoffe in den Emissionshandel einbezogen. 3. EU-weit gilt für alle emissionshandelspflichtigen Anlagen eine Obergrenze mit einem jährlichen Reduktionspfad für die CO 2 -Emissionen (EU-Cap): in 2013 liegt die EU-Obergrenze bei 2,04 Mrd. Zertifikaten 4 ; der jährliche Reduktionspfad beträgt bis 2020 minus 1,74 % (37,5 Mio. t CO 2 ). 4. In der ersten und zweiten Handelsperiode war der Regelfall der Allokation die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten. In Deutschland müssen beispielsweise in der zweiten Handelsperiode nur rund 4 % der Zertifikate - vor allem von den Energieversorgern - ersteigert werden. In der dritten Handelsperiode ist der Regelfall die Versteigerung von Zertifikaten, ab 2013 werden es über 50 % sein. Dennoch gibt es Abstufungen und Ausnahmen: Die Stromerzeuger müssen ihre Zertifikate zu 100 % ersteigern. Die Industrie- und Wärmeproduktion beginnen bei einem Versteigerungsanteil von 20 % (2013) über 70 % (2020) bis 100% (2027). 3 Obwohl am 29. Juni 2012 der Bundesrat abschließend dem deutschen CCS-Gesetz zugestimmt hat ist es offen, ob die CCS- Technologie jemals in Deutschland angewendet wird. Zu groß erscheinen die Widerstände dagegen von Umwelt- und Bürgerinitiativen. 4 Ein Zertifikat entspricht einer Tonne CO 2 2

Somit erhalten die Industrie- und Wärmeproduktion eine kostenlose Zuteilung auf Basis von EU-einheitlichen Benchmarks (Produkt-Emissionswerten) von 80 % in 2013 auf 30 % in 2020 und schließlich 0 % in 2027. Die Unternehmen, bei denen emissionshandelsbedingt die Gefahr einer Abwanderung aus der EU besteht (Carbon Leakage), erhalten grundsätzlich eine 100 %ige kostenlose Zuteilung von Zertifikaten abhängig von der Erfüllung anspruchsvoller EU-Benchmarks. 5. Bis zum 23. Januar 2012 mussten alle Anlagen in Deutschland bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) ihre Anträge auf eine kostenlose Zuteilung stellen. Die DEHSt hat der EU-Kommission am 7. Mai 2012 eine vorläufige Liste gemeldet mit insgesamt 1.814 Anlagen inkl. der zugehörigen Menge kostenloser Zertifikate in Höhe von insgesamt 1,4 Mrd. Zertifikaten verteilt über die gesamte Handelsperiode. Rein rechnerisch ergibt sich daraus, ohne Berücksichtigung des jährlichen Reduktionspfads von minus 1,74 %, eine durchschnittliche jährliche Zuteilung von rund 175 Mio. Zertifikaten. Die EU-Kommission prüft alle die von den 27 Mitgliedstaaten (MS) übermittelten Listen und vorläufigen Zuteilungen und bestimmt, soweit erforderlich, einen sektorübergreifenden Korrekturfaktor. Sie wird dann voraussichtlich im Spätherbst 2012 allen Mitgliedstaaten die Zuteilung benennen, auf deren Grundlage diese dann die endgültigen Zuteilungsbescheide erstellen. 6. Der Luftverkehr ist seit dem 1. Januar 2012 in den EU-weiten Emissionshandel einbezogen. Dies gilt für alle Luftfahrzeugbetreiber, die im Hoheitsgebiet des Europäischen Wirtschaftsraumes (EU, Island, Norwegen und Lichtenstein) starten oder landen. 5 Von den insgesamt über 4.000 betroffenen Luftfahrzeugbetreibern aus mehr als 150 Ländern ist die DEHSt zurzeit für 442 deutsche, europäische und außereuropäische Luftfahrzeugbetreiber zuständig. 5 Um die Einbeziehung aller ausländischen Airlines in dieses europäische Emissionshandelsystem gibt es zurzeit vor allem von China und den USA große Widerstände. Offen ist, wie diese Eskalation, die sich zu einem Handelskrieg ausweiten könnte, beigelegt werden kann. 3

In 2012 beträgt das EU-Cap 214,8 Mio. t CO 2 ; in den Jahren 2013 bis 2020 jeweils 210,4 Mio. t CO 2. Somit erhalten in 2012 die Luftverkehrbetreiber 85 % der Emissionszertifikate kostenlos; von 2013 bis 2020 verringert sich die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten jährlich auf 82 %. 7. Gutschriften aus den sogenannten projektbasierten Mechanismen JI (Joint Implementation 6 ) und CDM (Clean Development Mechanism 7 ) konnten bereits in der aktuellen Handelsperiode von den Anlagenbetreibern in Höhe von 22 % ihrer individuellen Zuteilungsmenge verwendet werden. In Deutschland nutzten dies die betroffenen Unternehmen von 2008-2011 zu insgesamt rund 9 %. Da Überschüsse ebenfalls in die dritte Handelsperiode übernommen werden können, erfolgt ein Transfer in Höhe von insgesamt rund 13 % der Zuteilungsmenge in die nächste Handelsperiode. 8. Die CO 2 -Zertifikate werden EU-weit an verschiedenen Börsen gehandelt, in Deutschland an der Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX) 8. Der Handelspreis für ein Zertifikat schwankt seit Längerem um 7 Euro/t. 9. Die Erlöse aus dem EU-Emissionshandel fließen fast ausschließlich den Mitgliedstaaten zu - und sind teilweise bereits fest in den öffentlichen Haushalten eingeplant. So wird beispielsweise der deutsche Energie- und Klimafonds in Höhe von 500 Mio. Euro (2012), durch die deutschen Erlöse aus dem Emissionshandel finanziert. Aus diesem sollen unter anderem Beihilfen an deutsche Unternehmen aufgrund emissionshandelsbedingter Strompreiserhöhungen finanziert werden. Geplant worden war die Ausstattung des Fonds auf Basis eines höheren Zertifikatspreises von 17 Euro/Zertifikat; mit dem aktuellen Preis entsteht für die Bundesregierung, aber auch für die anderen Mitgliedstaaten ein Finanzierungsproblem. 9 6 JI-Projekte sind gemeinsame Klima-Projekte vor allem zwischen der Europäischen Union und Industriestaaten. 7 CDM-Projekte sind internationale Projekte zwischen der EU sowie Staaten und Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern. 8 http://www.eex.com/de/ 9 Siehe hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Bundestagsfraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/8689 v. 16.02.2012). 4

II. Überlegungen zur Verknappung von Emissionshandels-Zertifikaten (Set- Aside oder Back-Loading ) Um das Funktionieren des EU-Emissionshandelssystems ist auf europäischer sowie nationaler Ebene eine politische Debatte entbrannt. Argumentiert wird vor allem mit dem Vorwurf, der derzeitig stagnierende Handelspreis von rund 7 Euro biete den emissionshandelspflichtigen Unternehmen keine Anreize für - noch mehr - Investitionen in energiesparende und klimafreundliche (CO 2 -arme) Technologien. Genauso wichtig für die Diskussion dürften aber wohl auch die mit einem niedrigen Handelspreis einhergehenden Mindereinnahmen für die Haushalte der Mitgliedstaaten sein. Nachfolgende EU-Initiativen stehen im Kontext dieser Debatte: 1. Der Europäische Rat hat im März 2007 das Ziel beschlossen, die EU-weiten Treibhausgase bis 2020 gegenüber 1990 um 20 % zu verringern; von 2005-2020 sind dies minus 14 %. Dazu soll der Emissionshandelssektor (Industrie, Energie) von 2005-2020 minus 21 % beitragen; der Nicht-Emissionshandelssektor (Gebäude, Straßenverkehr) im gleichen Zeitraum minus 10 %. 2. Für das minus 20 %-Ziel der EU galt immer, dass es auf minus 30 % verschärft werden soll aber nur unter der Bedingung, dass sich andere Industriestaaten im Rahmen internationaler Verhandlungen zu vergleichbaren CO 2 -Reduktionen verpflichten. Letztere Bedingung wird jedoch angesichts des bisherigen Scheiterns eines internationalen Klimaschutzabkommens in der politischen Debatte zunehmend aufgeweicht. 10 Mit einer Verschärfung des EU-Ziels müsste auch die Emissionshandelsrichtlinie angepasst werden, da der Emissionshandel einen größeren Beitrag leisten und die Anzahl der zur Verfügung stehenden Zertifikate verringert werden müsste. 10 Siehe hiezu die von der EU-Kommission vorgelegte Klima-Roadmap 2050 v. 08. März 2011, die dann auch vom Europäischen Parlament bestätigt wurde. 5

3. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (EP) machte im Dezember 2011 den Vorschlag, ab Beginn der dritten Handelsperiode 1,4 Mrd. Zertifikate zurückzuhalten. Offen ließen die Parlamentarier, ob diese Zertifikate endgültig stillgelegt (set-aside) oder nur temporär entzogen (back-loading) werden sollen und später wieder dem Emissionshandelssystem zufließen. Damit sollte - zumindest temporär - ein höherer Zertifikatspreis erzwungen werden. Zusätzlich forderte der Umweltausschuss, den jährlichen Reduktionsfaktor von minus 1,74 % auf minus 2,25 % zu verschärfen. Auch damit würde die jährliche o. g. EU-Obergrenze (EU-Cap) verschärft werden mit der Folge von steigenden Zertifikatspreisen. 4. Das Europäische Parlament hat am 15. März 2012 in einer nicht verbindlichen Entschließung zur Klima-Roadmap 2050 die EU-Kommission aufgefordert, noch vor Beginn der dritten Handelsperiode eine Neujustierung des Emissionshandelssystems durch eine Stilllegung von Zertifikaten vorzunehmen. Auch ein Zertifikats- Mindestpreis wurde verlangt und die EU-Kommission zur Vorlage entsprechender Rechtsakte aufgefordert. 11 5. Europa und seine Mitgliedstaaten haben sich in den UN-Klimaschutzverhandlungen dafür ausgesprochen, eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad erreichen zu wollen. Dazu müssten die Industriestaaten ihre klimarelevanten Emissionen drastisch senken. Im deutschen Energiekonzept sowie in der Klima-Roadmap 2050 der EU-Kommission sind Zielwerte von 80 bis 95 Prozent bis 2050 genannt. Es wird argumentiert, man müsse schon heute deutlich ambitioniertere Zwischenziele vorgeben, um das 2050-Ziel zu erreichen. 6. Neuerdings wird vor allem von einigen deutschen Unternehmen vorgeschlagen, mit einem niedrigeren Cap beim Emissionshandel den Schwenk zu den erneuerbaren Energien mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu erreichen. Verteuerte Zertifikate, so das Kalkül, beeinflussen die Preisgestaltung der Erzeuger fossiler Energie ohne CCS nachteilig. Der Abstand zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien wird klei- 11 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. März 2012 über einen Fahrplan für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO 2 -armen Wirtschaft bis 2050 (s. http://www.europarl.europa.eu/sides/getdoc.do?pubref=-//ep//text+ta+p7- TA-2012-0086+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE) 6

ner. Damit sinkt die EEG-Umlage. 7. Mit dieser politischen Unterstützung im Hintergrund hat sich die EU- Klimakommissarin Connie Hedegaard frühzeitig für eine Verknappung von Zertifikaten zu Beginn der dritten Handelsperiode eingesetzt. Längere Zeit war jedoch unklar, mit welchen Instrumenten bzw. rechtlichen Verfahren dies geschehen soll. Am 25. Juli 2012 hat die Europäische Kommission dann einen Vorschlag zur Änderung der Emissionshandelsrichtlinie präsentiert. Damit sollen EU-Parlament und Rat ihr über ein reguläres Gesetzgebungsverfahren die Ermächtigung erteilen, in den Zeitplan der Auktionierung (Versteigerung) von Zertifikaten einzugreifen. Sobald die EU-Kommission diese Befugnis von den Gesetzgebern erhalten hat, will sie eine temporäre Zurückhaltung von zu versteigernden Zertifikaten (back-loading) in der EU-Auktionierungsverordnung verankern. D. h. Zertifikate, die ursprünglich für die Versteigerung in den Jahren 2013-2015 zur Verfügung stehen sollten, sollen dann erst in den Jahren 2018-2020 versteigert werden können. So zumindest sieht ein grober Entwurf vor, den die EU-Kommission am 25. Juli bereits parallel veröffentlicht hat. Konkrete Angaben zur betroffenen Zertifikatemenge sind darin noch nicht enthalten; vielmehr hat die EU-Kommission dazu eine öffentliche Konsultation (Frist: 3. Oktober 2012) gestartet. Eine Änderung der Auktionierungsverordnung würde in jedem Fall im sogenannten Komitologieverfahren verhandelt, d. h. in einem Ausschuss der Mitgliedstaaten und ohne ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren mit Einbindung des Europäischen Parlaments. 12 8. Nach wie vor in der Diskussion sind auch langfristige Maßnahmen, wie beispielsweise ein höherer jährlicher Reduktionspfad oder/und eine verschärfte EU- Obergrenze. Dafür müsste aber die Emissionshandelsrichtlinie umfassender als jetzt vorgeschlagen geändert werden. 12 Die neuen Vorschläge der EU-Kommission sind hier verfügbar: http://ec.europa.eu/clima/news/articles/news_2012072501_en.htm. 7

Im Herbst 2012 wird die EU-Kommission einen Bericht zur Funktionsweise des EU-Emissionshandels vorlegen, der eigentlich erst für das kommende Jahr vorgesehen war. Diese Initiative ist ebenfalls der Debatte um den niedrigen CO 2 -Preis geschuldet und wird auch Punkte zu strukturellen Änderungen des Emissionshandelssystems enthalten. III. Bewertung der Überlegungen zur Verknappung von Emissionshandelszertifikaten 1. Der aktuelle Handelspreis ist vor allem durch eine zurückhaltende Nachfrage aufgrund nachfolgender Entwicklungen begründet: Die Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise in etlichen Euro-Staaten 13 dämpft das Wachstum in Europa, die emissionshandelspflichtigen Unternehmen benötigen daher weniger Zertifikate als ursprünglich kalkuliert. Aufgrund der seit 1990 um jährlich 1,4 Prozent gestiegenen Energieeffizienz im produzierenden Gewerbe 14 (s. nachfolgendes Schaubild) wurden weniger Zertifikate gebraucht. So sanken die Emissionen 2011 gegenüber 2010 bei den rund 1.640 emissionshandelspflichtigen Energie- und Industrieanlagen um rund ein Prozent - trotz gestiegener Produktion. 15 13 Die Wirtschaftsleistung in der Eurozone liegt trotz zwischenzeitlichem Aufholprozess noch immer 2 Prozent unter dem Wert vom Jahresbeginn 2008. In Deutschland war die Wirtschaft im Krisenjahr 2009 um beispiellose 5,1 % eingebrochen. 14 AG Energiebilanzen: Ausgewählte Effizienzindikatoren zur Energiebilanz Deutschland Daten für die Jahre von 1990 bis 2011 15 Siehe Pressemeldung des Umweltbundesamtes (11/2012) vom 02.04.2012. 8

Mit dem über alle Prognosen hinausgehenden Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland wird zunehmend regenerativer Strom erzeugt, für den keine Zertifikate benötigt werden (s. nachfolgendes Schaubild). Die Bundesregierung hat zudem das Ziel für die erneuerbaren Energien bis 2020 von 30 % auf 35 % angehoben. Entsprechend werden auch künftig weniger Zertifikate benötigt. Gleichzeitig ist der Ausbau der erneuerbaren Energien aber teuer: Das Volumen der EEG-Umlage beträgt für 2012 bereits 14 Mrd. Euro und wird 2013 absehbar deutlich steigen. Es entstehen erhebliche Belastungen für die Masse der deutschen Unternehmen und für die privaten Verbraucher. 16 16 BMU: Erneuerbare Energien in Zahlen. Daten: Übertragungsnetzbetreiber. 9

2. Mit einer politisch motivierten, nicht marktgetriebenen Verknappung von Zertifikaten wird das Handelssystem für alle handelspflichtigen Unternehmen und Investoren unkalkulierbar. Investitionen werden wegen der Verunsicherung im Zweifel zurückgestellt mit nachteiligen Folgen auch für den Klimaschutz. Niemand weiß, wie sich der Handelspreis gegen Ende der Handelsperiode entwickeln wird, wenn dann der Markt mit zurückgehaltenen Zertifikaten geflutet wird. Ein künstlich erhöhter Preis würde Wachstum und Beschäftigung zu einem Zeitpunkt bremsen, in dem Europa Wachstum dringender braucht denn je. 3. Preistreibende Markteingriffe sowie die mit dem Emissionshandel verursachten Strompreiserhöhungen belasten vor allem die energieintensiven Industrien mehrfach und beeinträchtigen ihre Wettbewerbsfähigkeit. Kompensationen dieser Preiserhöhungen sind im Gespräch, aber noch nicht abschließend genehmigt. Bereits jetzt sind die hohen Energie- und Rohstoffpreise aus Unternehmenssicht Geschäftsrisiko Nr. 1. 70 Prozent der Industrieunternehmen nennen dieses Risiko mehr als beispielsweise Rückschläge bei der Inlands- (47 Prozent) oder bei der Auslandsnachfrage (36 Prozent). 17 17 Vgl. DIHK-Konjunkturumfrage vom Frühsommer 2012. 10

4. Eine Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandels zu einem globalen Handelssystem ist sinnvoll. Je mehr Staaten sich am Emissionshandel beteiligen, desto effizienter und wirtschaftlicher kann der Handel betrieben werden, insbesondere durch eine höhere Liquidität. Voraussetzung ist, dass die großen CO 2 -Emittenten, insbesondere in Asien, Lateinamerika und den USA in ein globales Klimaschutzkonzept (Kyoto-Plus-Abkommen) spätestens ab 2013 integriert werden können. Sie dürften nur dann bereit sein, sich dem Emissionshandel zu öffnen, wenn Folge- Abkommen um ein innovatives Technologiekooperations-Konzept erweitert werden. Demgegenüber wird das europäische Handelssystem vor aller Welt unnötig diskreditiert, wenn bereits vor Handelsbeginn in das System eingegriffen werden soll. 5. Der Emissionshandel ist ein Instrument der Mengensteuerung, in dem der Handelspreis durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird, die Mengenreduzierung aber zu jeder Zeit sichergestellt ist. Der aktuelle Preis ist insoweit nicht relevant, er ist kein eigenständiges politisches Ziel des Emissionshandels. Die ökologische Steuerungsfunktion des Emissionshandels wird erfüllt. 6. Sollte eine Verknappung von Zertifikaten vorgenommen werden, die dann zu erhöhten Handelspreisen führt, muss es umgekehrt auch einen Mechanismus für die Senkung eines zu hohen Handelspreises geben. Ein Sicherheits- oder Wachstumsventil (Safety Valve) hat der DIHK schon bei Einführung des Emissionshandels gefordert. Es muss dann greifen, wenn der Handelspreis so stark ansteigt, dass er wirtschaftliches Wachstum abwürgt. 7. Die projektbezogenen Instrumente Joint Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM) wurden im Kyoto-Protokoll für den klimarelevanten Technologietransfer geschaffen. Damit werden Treibhausgase aufgrund weltweit unterschiedlicher Vermeidungskosten dort reduziert, wo dies am effizientesten und kostengünstigsten ist. Gutschriften aus diesen Projekten müssen auch für deutsche Unternehmen in voller Höhe beim Emissionshandel in der dritten Handelsperiode anrechenbar sein. Nur so werden die Länder, in denen diese Projekte durchgeführt werden, motiviert, in klimafreundliche Technologien zu investieren. 11

8. Eine Korrektur der Beschlüsse zur dritten Handelsperiode wegen weitergehender Verpflichtungen im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen steht so lange nicht an, wie andere wichtige Industrieregionen auf nennenswerte Beschränkungen des CO 2 - Ausstoßes ihrer Industrie verzichten und es deshalb auch keine multilateralen Verpflichtungen gibt. 9. Effekte des Emissionshandels auf die Zusammensetzung der Energieerzeugung müssen im Gesamtzusammenhang gesehen und bewertet werden. Zu berücksichtigen sind die Effekte auf den Energiemix in allen EU-Mitgliedstaaten, nicht nur in Deutschland mit den spezifischen Konsequenzen der Beschlüsse zur Energiewende. 10. Eine nur temporäre Zurückhaltung von Zertifikaten, wie sie nun im Rahmen der EU-Auktionsverordnung konkret geplant ist, hätte keinen klar vorhersehbaren Effekt auf die Zertifikatspreise. Sie würden sehr stark ansteigen, die Marktteilnehmer könnten zugleich aber die nach der temporären Zurückhaltung wieder höheren Mengen bereits heute einpreisen. Ausgelöst würden somit erhebliche Unsicherheiten und Irritationen bei den betroffenen Unternehmen. Berlin/Brüssel, 25. Juli 2012 Ansprechpartner: Dr. Hermann Hüwels, Dr. Armin Rockholz, Corinna Grajetzy, Dr. Sebastian Bolay 12