Cornelia Helfferich Die Qualität qualitativer Daten
Cornelia Helfferich Die Qualität qualitativer Daten Manual für die Durchführung qualitativer Interviews 4. Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.. 4. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten VS Verlag für Sozialwissenschaften Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson dere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-17382-5
Inhalt Vorwort... 7 Einführung... 9 1 Allgemeine Grundlagen... 21 1.1 Der Gegenstand qualitativer Forschung und Grundprinzipien... 21 1.2 Forschungsinteresse, Fragestellung und Forschungsgegenstand... 26 1.3 Unterschiede zwischen qualitativen Interviewformen... 35 1.4 Abgrenzung zu Alltagskommunikation und Beratungsgespräch... 46 1.5 Intervieweranforderungen, Schulungsziele und -bausteine... 51 2 Übungsteil I: Erwartungen an die Erzählperson und Erzählstrategien... 55 2.1 Erwartungen an die Erzählperson... 58 2.2 Die Interviewsituation aus unterschiedlichen Perspektiven... 60 2.3 Die Erzählerperspektive: Was heißt es, zum Erzählen aufgefordert zu werden?... 65 2.4 Erzählstrategien und Erzählsignale... 72 2.5 Die Wahrheitsfrage aus Sicht der Erzählperson... 76 2.6 Theoretische Vertiefung: Das Prinzip Kommunikation... 79 2.7 Bilanz und Reflexion... 81 3 Übungsteil II: Die Interviewenden/Hörenden Fremdverstehen und Fragen in der Interviewsituation... 83 3.1 Fremdverstehen in der Interviewsituation... 84 3.2 Aktives Zuhören und der Umgang mit Pausen... 90 3.3 Die Wahrheitsfrage aus der Perspektive der Interviewenden... 95 3.4 Nonverbale Gesprächssignale... 98 3.5 Die Kunst der Frage Frageformen und Fragestile... 102 5
3.6 Theoretische Vertiefung: Das Prinzip Offenheit... 114 3.7 Bilanz und Reflexion... 117 4 Übungsteil III: Die Interaktion im Interview Dynamik und Gestaltung... 119 4.1 Nähe und Fremdheit in der Interviewsituation... 119 4.2 Theoretische Vertiefung: Das Prinzip Fremdheit und die Relativierung des eigenen Normalitätshorizonts... 130 4.3 Rollen und Rollenaushandlung... 132 4.4 Schwierige Interaktionsdynamik... 142 4.5 Exkurs: Ambivalente Strategien Sprechen und nicht sprechen wollen, hören und nicht hören wollen... 150 4.6 Karge Interviews... 153 4.7 Zwischenbilanz: Gütekriterien für qualitative Interviews und das Prinzip Reflexivität... 154 4.8 Reflexion der Interaktion in der Interpretation... 158 4.9 Bilanz und Reflexion... 159 4.10 Exkurs: Experteninterviews... 162 5 Interviewplanung und Intervieworganisation... 167 5.1 Forschungsstrategische Entscheidungen in der Interviewplanung... 167 5.2 Praktische Einzelaspekte: Die Festlegung der Stichprobe, der Zugang zu Erzählpersonen und die Ausgestaltung der Interviewsituation... 171 5.3 Konstruktion von Instrumenten der Weg zu einem Leitfaden... 178 5.4 Forschungsethik, Datenschutzbestimmungen und Einwilligungserklärung... 190 5.5 Interviewbegleitende Dokumentation... 193 6 Anhang... 195 6.1 Beispiel für eine Schulung... 195 6.2 Materialien... 198 6.3 Liste der Übungen, Übersichten und der Forschungsbeispiele... 205 6.4 Literatur... 207 6.5 Forschungsprojekte (SoFFI F.), in denen Schulungen durchgeführt wurden... 213 6
Vorwort zur dritten, überarbeiteten Auflage Das Manual für die Durchführung qualitativer Interviews hat sich in den fünf Jahren, die seit dem Erscheinen der ersten Auflage vergangen sind, bei der Vorbereitung auf qualitative Interviews und in der Lehre empirischer Forschungsmethoden bewährt. Einer der Gründe für die Brauchbarkeit des Manuals, so die Rückmeldungen, liegt darin, dass in den Übungen praktisch erfahrbar wird, was eine Haltung der Offenheit als grundlegende Anforderung aller qualitativen Forschung bedeutet. Das Tun vermittelt in besonderer und nachhaltiger Weise die Einsicht, dass um diese Haltung gerungen werden muss, weil sie den Prinzipien der Alltagskommunikation zuwiderläuft, bei der alle Teilnehmenden ganz selbstverständlich das Gehörte auf ihr eigenes, unhinterfragtes Deutungssystem beziehen und nur darauf warten, wieder von sich sprechen zu können. Mit dem Manual zu arbeiten, schult in diesem Sinne auch die Fähigkeit zu einer Kommunikation, bei der das Zuhören und das Zurückstellen der eigenen Deutungen eine zentrale Rolle spielt. Doch in dem Maß, wie diese zentrale Intention des Manuals umgesetzt werden kann, werden andere Punkte erkennbar, an denen Forschungsvorhaben in dem engen Ausschnitt aus dem gesamten Forschungsprozess, der hier abgesteckt ist, also bei der Planung und Durchführung von Interviews, in Schwierigkeiten geraten können. Probleme bereitet vor allem eine vage und ungenaue oder sogar unpassende Bestimmung des Forschungsgegenstands, wie sie nicht selten in Qualifikationsarbeiten und Forschungsexposés zu finden ist. Die Qualität der Durchführung der Interviews mag noch so gut sein wenn die Forschungsfrage diffus und schillernd ist oder wenn sie auf etwas zielt, das nicht genuin im Aufgabenbereich qualitativer Forschung bearbeitet werden kann, werden die Erträge der Forschung mager sein. Erst die präzise Bestimmung des Forschungsgegenstandes ermöglicht es, ein methodisches Vorgehen zu wählen, dass genau dazu passt und das am Forschungsgegenstand seine spezifische Stärke entfalten kann. Das ist von besonderer Relevanz, denn die Passung von Forschungsgegenstand einerseits und den gewählten qualitativen Erhebungs- und Auswertungsverfahren andererseits ist die zentrale Voraussetzung für gute Forschung. Aus diesem Grund wurde in 7
der dritten Auflage den Schwierigkeiten bei diesem Schritt im Forschungsprozess ein gesonderter Abschnitt gewidmet. Mehr Aufmerksamkeit wird in dieser dritten Auflage der Interviewgestaltung gewidmet, wenn das Forschungsinteresse auch auf Inhalte und Informationen und nicht nur auf Rekonstruktion von Sinn gerichtet ist, z.b. bei (bestimmten Formen von) Experteninterviews. Offenbar war unklar, wo inhaltsbezogene Interessen an Information ihren Platz haben und wie denn sinnvoller Weise Menschen, z.b. Experten und Expertinnen, interviewt werden, wenn deren Wissen nicht hermeneutisch gedeutet, sondern als Auskunft über spezifische Inhalte genommen werden soll. So gab es Probleme, weil Studierende den Leitfadenprozess auf Interviews mit Experten anwandten und versuchten, ihnen möglichst lange Erzählungen zu entlocken, was bei den Befragten, die an eine kurze und bündige Kommunikation gewohnt waren, Irritationen auslöste. Zwar sind die genuine Aufgabe und der Kern der qualitativen Forschung die Rekonstruktion von Sinn, gleichwohl kann ein Interesse an Information bei bestimmten Fragestellungen und Forschungskonstellationen legitim, sinnvoll und notwendig sein. Die methodologische Diskussion hat sich nicht ohne Grund weg entwickelt von der Verteidigung eines einzigen möglichen Königswegs qualitativer Forschung bzw. von der heftigen Konkurrenz der Vertreter und Vertreterinnen unterschiedlicher Königswege hin zu der Frage nach der Bedeutung einer methodologischen Positionierung in Relation zum Forschungsgegenstand, der eben auch als Information gefasst werden kann. Das heißt, inhaltsbezogene Forschungsinteressen sind nicht auszuschließen, aber es ist Klarheit darüber zu schaffen, warum das Interesse inhaltsbezogen ist und sein kann, und es ist erkenntnistheoretisch zu begründen, dass und warum das erhobene Material als Auskunft über die Inhalte genommen werden kann. Die Bedeutung inhalts- oder informationsbezogener und rekonstruktiver Interessen in der qualitativen Forschung wird nun in der dritten Auflage geklärt und insbesondere wurde ein kurzer Exkurs zur Durchführung von qualitativen Interviews mit Experten und Expertinnen eingefügt. Ein Wunsch hat sich aber bislang noch nicht erfüllt: Eine systematische Forschung zu Interviews als Kommunikationssituationen als Forschung über Forschung wurde noch nicht etabliert. Dennoch ist die qualitative Forschung als Methodologie auf dem besten Weg, sich immer genauer ihrer eigenen Grundlagen zu vergewissern. Und dieses Manual wird hoffentlich weiter einen kleinen Beitrag dazu leisten. Freiburg, April 2009 8