Das ist gemein. Kapitel 1

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Transkript:

Kapitel 1 Das ist gemein Ich habe vier Brüder, die sich ständig über irgendwas beschweren. Wenn ich ein Problem habe und zu meiner Mutter gehe, weil ich mit ihr darüber reden will, stehen meistens schon zwei Brüder vor mir in der Schlange und jammern über etwas total Bescheuertes. Ich könnte was richtig Schlimmes haben wie zum Beispiel einen eingerissenen Nagel oder eine fehlende Socke, aber sie stehen da und verschwenden Mamas Zeit mit albernen Sachen wie Marmelade im Gesicht oder falschherum angezogenen Pullovern. Meine vier Brüder haben ihre Lieblingsprobleme, über die sie sich mindestens einmal am Tag beklagen. Mama nennt diese Probleme ihre Steckenpferde. Wenn sie damit anfangen, macht 7

Papa immer pferdeartige Geräusche und ein Geht-das-schon-wieder-los-Gesicht, aber Mama hört zu, weil sie schließlich unsere Mama ist. Marty ist der älteste Bruder, und sein Steckenpferd ist, dass ihm alles verboten wird und er genauso gut im Gefängnis sitzen könnte.»warum krieg ich kein Motorrad?«, quengelt er oft.»ich bin jetzt zehn, das ist fast schon sechzehn. Wenn ich einen Helm aufhätte, würde die Polizei überhaupt nichts merken.«

Oder er jammert:»warum krieg ich keinen großen Billardtisch in der Garage? Da stehen bloß alte Werkzeuge und ein Auto rum, nichts Wichtiges. Sobald ich ein berühmter Footballspieler bin, zahle ich den Billardtisch zurück.«manchmal kommt Papa ins Zimmer, nur damit er hört, wie Marty sich über irgendwas beschwert. Er sagt, dass Marty viel unterhaltsamer ist als jede Fernsehsendung.»Ein Billardtisch«, sagt Papa und muss lachen.»marty, mein Sohn, du bist wirklich zum Schießen.«Weil Marty das natürlich nicht gern hört, zischt er beleidigt ab. Einmal, als er nach dem Abzischen wieder zurückkam, hat Papa ihm einen Oscar aus Pappe als bestem Schauspieler überreicht. Ich heiße Timund bin der Nächste in der Reihe. Nach mir kommt mein zweiter Bruder Donnie, dessen Steckenpferd sein Haar ist. Egal, wie oft Mama es wäscht oder kämmt, immer ist irgendwas nicht richtig. 9

»Hinten steht es ab, Mama.«Und Mama streicht es hinten glatt.»jetzt aber los mit dir, Donnie.Es steht immer noch ab, Mama.Nein, tut es nicht. Du hast Haar-Halluzinationen, Donnie. Jetzt mach schon, du kommst zu spät in die Schule.Da steht aber noch ein Haar hoch. Ich seh es ganz genau. Wenn die Mädchen das sehen, krieg ich einen Spitznamen. Stachelschwein, sagen sie dann zu mir. Das wird schrecklich.«meistens holt Mama dann eine Wasserflasche und besprüht Donnies Kopf.»Besser?Glaub schon.«das passiert jeden zweiten Tag. Manchmal will Donnie auch, dass seine Haare hochstehen, weil er das für cool hält. Brüder drei und vier, Bert und HP, haben ganz neue Wörter erfunden, damit sie wirkungsvoller jammern können. Berts neues Wort heißt»kriegichn«wie in:»kriegichn Riegel Schokolade?«10

»Nicht vor dem Abendessen, Schatz«, sagt Mama.»Kriegichn Stück, nur ein Stück?Nein, Schatz. Wir essen gleich.kriegichn Tüte Chips?Ich glaube, du verstehst mich nicht, Bert. Keine Süßigkeiten oder Chips vor dem Abendessen.Kriegichn Hustenbonbon?Hustenbonbons sind auch Süßigkeiten.«11

Mama hat viel Geduld. Bei Papa ist nach zwei»kriegichn«schluss, dann wird ersauer. HP (halbe Portion) ist der Jüngste und findet es schrecklich, das Baby zu sein. Das erfundene Wort, mit dem er sich immer beschwert, ist»sisgemein«wie in:»sisgemein. Chrissys Mami hat ihm erlaubt, dass er sich eine Glatze rasiert. Jetzt sieht er aus wie mindestens fünfeinhalb.«das hat er an einem Nachmittag gesagt, nach einem halben Tag im Kindergarten.»Für Chrissy bin ich nicht verantwortlich«, sagte Mama.»Ich bin nur für dich verantwortlich. Und ich sage: keine Kopfrasur.Sisgemein«, heulte HP.»Barry hat einen Tattoo-Aufkleber wie die großen Jungs.Keinen Tattoo-Aufkleber. Darüber haben wir schon geredet.sisgemein«, nuschelte HP und dann:»und was ist mit einem Ohrring? Fast alle haben einen. Sisgemein, dass ich keinen hab.manchmal ist das Leben gemein«, sagt Mama und nimmt HP in den Arm, bis er anfängt, an 12

seinem Daumen zu lutschen. Zwei Minuten später ist er fest eingeschlafen. Manchmal redet HP im Schlaf. Ihr könnt euch denken, was er sagt Das ganze Gequengel bedeutet, dass, wenn Marty und ich mit unseren Problemen von der Schule nach Hause kommen, meistens ein kleiner Bruder auf jedem von Mamas Knien sitzt und über seine Babygeschichten jammert. Und selbst 14

wenn Wunder aller Wunder ein Knie frei ist, funktioniert Mama dann nur noch auf Auto- Nicken. Auto-Nicken ist, wenn Erwachsene nicht richtig zuhören, was ein Kind sagt; sie nicken bloß alle fünf Sekunden oder so, bis das Kind weggeht. Und so beschlossen Marty und ich, dass wir für ein Gespräch über unsere Probleme einen anderen Erwachsenen ins Auge fassen mussten. Papa war die naheliegendste Person, aber manchmal arbeitet er so lange, dass wir ihn nicht mal mehr vor dem Schlafengehen sehen. Marty meinte, dass Papa nur für einen Teil der Probleme Zeit hätte, und das sollten die von ihm sein. Ich musste mir also jemand anderen suchen. Jemanden, der ein guter Zuhörer war und viel Freizeit hatte. Ich kannte genau die richtige Person. OPA. 15

Kapitel 2 Geschichten-Opa Jedes Wochenende packt Papa uns alle in sein Auto und dann fahren wir fast fünfzig Kilometer die Küste entlang zu seinen Eltern. Unsere Großeltern wohnen in Duncade, einem Dorf am Meer, das auf einer Landzunge liegt, die wie eine Pfeilspitze aus der Steinzeit ins Meer ragt. Opa ist einer von zwei Leuchtturmwärtern in Duncade und er lebt mit unserer Oma in einer Wohnung im Erdgeschoss. Wenn ich groß bin, will ich Opas Job übernehmen und in der Leuchtturmwohnung leben. Dann hänge ich ein Schild an die Tür, auf dem steht: ZUTRITT FÜR KLEINE BRÜDER VERBOTEN.Mädchen ist der Zutritt auch verboten, nur meine Mama darf kommen und kochen und waschen und so. 16