Neue Klänge aus Mannheim Zum 300. Geburtstag von Johann Stamitz (1)

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Transkript:

SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Neue Klänge aus Mannheim Zum 300. Geburtstag von Johann Stamitz (1) Mit Stephan Hoffmann Sendung: 12. Juni 2017 Redaktion: Dr. Bettina Winkler Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

SWR2 Musikstunde mit Stephan Hoffmann 12. Juni 16. Juni 2017 Neue Klänge aus Mannheim Folge I: Zum 300. Geburtstag von Johann Stamitz, Folge 1 Signet Heute mit Stephan Hoffmann guten Morgen! Um Neue Klänge aus Mannheim geht es in den Musikstunden dieser Woche. Damit ist nicht die Musik unserer eigenen Zeitgenossen gemeint, sondern die Musik der Menschen um die Mitte des 18. Jahrhunderts, als die Werke von Johann Stamitz und seiner so genannten Mannheimer Schule das Publikum in hörende Verwirrung stürzten. Johann Stamitz machte Urlaub. Sein Dienstherr, der in Mannheim residierende Kurfürst Carl Theodor, hatte diesen Urlaub im Herbst 1754 genehmigt und Stamitz nutzte ihn für einen ausführlichen Paris-Besuch. Um genau zu sein: Stamitz war etwa ein Jahr unterwegs, während seiner Abwesenheit kam einer seiner Söhne zur Welt und starb in diesen Zeiten extrem hoher Kindersterblichkeit im selben Jahr auch gleich wieder Stamitz hat ihn nie gesehen. Der Urlaub eines Musikers hatte im 18. Jahrhundert natürlich nichts mit touristischen Lustbarkeiten zu tun, Arbeitsreise wäre sicher die zutreffendere Bezeichnung. Paris war damals zumindest musikalisch eine weltoffene Stadt, also genau die richtige Umgebung für einen Komponisten wie Johann Stamitz und für dessen ganz neuartigen Kompositionsstil, der so ganz anders klang als die Barockmusik, die man seit Generationen gewohnt war. Eigentlich war Barockmusik noch immer der dominierende Kompositionsstil; als Stamitz im Oktober 1754 sein erstes Pariser Konzert spielte und dirigierte, war Bach gerade mal vier Jahre tot, Händel hatte noch fünf Jahre und der wohl wichtigste französische Komponist des Spätbarock, Jean- Philippe Rameau, noch zehn Jahre zu leben. Der französische Publizist und Musikschriftsteller Romain Rolland charakterisierte das Wesen dieser neuen Musiksprache, die man später Frühklassik, Rokoko oder auch Sturm und Drang nennen sollte: Es war eine tiefgehende Revolution, welche sich im Herzen der Musik selbst vollzog. Die individuelle Seele emanzipiert sich von der Unpersönlichkeit der 2

Form...Gewiss erkennen wir die Persönlichkeit Bachs und Händels in ihren mächtigen Werken. Aber wir wissen, mit welcher Strenge sich diese Werke nach festen Gesetzen entwickelt haben... - sei es in einer Fuge oder in einer Dacapo-Arie. - Musik 1: J. S. Bach, Das Wohltemperierte Klavier II. Fuge fis-moll. Andras Schiff, Klavier. Decca 417 236-2. CD 2, Tr. 1. 3'06 - Track-Ende. Dauer: 4'39 - Dass eine Fuge wie die fis-moll-fuge aus dem zweiten Band des Wohltemperierten Klaviers eine strenge Form ist und dass sie typisch war für die Musiksprache im Barock, lässt sich gar nicht bestreiten. Dieser barocken Art zu komponieren stellt Romain Rolland die Musiksprache der Mannheimer Schule gegenüber. Die Wurzeln Beethovenscher Kunst, schreibt er, läge in den Mannheimer Symphonien, im Werk des erstaunlichen Johann Stamitz, dessen Orchestertrios aus den Jahren um 1750 ein neues Zeitalter anzeigen. Durch ihn wurde die Instrumentalmusik das geschmeidige Gewand der lebendigen Seele. -- Musik 2: Johann Stamitz, Orchestertrio c-moll op. 4, Nr. 3. 4. Satz (Prestissimo). Camerata Berolinensis. Archiv-Nr. 12-032477. Tr. 11. Dauer: 3' 47 -- Die Camerata Berolinensis mit dem letzten Satz aus Johann Stamitz' Orchestertrio c- Moll opus 4, Nummer 3. Stamitz' Konzert vom Oktober 1754, in dem, wie im Mercure de France zu lesen stand, eine symphonie nouvelle...de M. Stamitz erklang, muss ein riesiger Erfolg gewesen sein gerade weil diese Sinfonie in diesem völlig neuen Stil komponiert war. Diese Art zu komponieren nannten die Pariser Symphonie d'allemagne und als 1758 eine Druckausgabe erschien mit drei Sinfonien von Stamitz und je einer Sinfonie von Franz Xaver Richter, der wie Stamitz in Mannheim angestellt war, von Georg Christoph Wagenseil aus Wien und vom Böhmen Josef Kohout da nannte der Pariser Verleger diese Ausgabe La Melodia Germanica. 3

Musik 3: Johann Stamitz, Sinfonie D-Dur op. 4, Nr. 1. 4. Satz (Prestissimo). Archiv-Nr, 336-5363. Tr. 12. Dauer: 5'10 Die Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz unter Petr Altrichter war das mit dem Finalsatz von Johann Stamitz' Sinfonie opus 4, Nr. 1, die als Melodia Germanica 1758 in Paris zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Der Erfolg beim Konzert vom Oktober 1754 war sicher auch auf Stamitz' Doppelfunktion zurück zu führen: er leitete nicht nur eine Sinfonie, er spielte auch, wie wir im Mercure de France lesen können, ein von ihm selbst komponiertes Violinkonzert. Das dürfte ihm nicht besonders schwer gefallen sein, noch vor seiner Karriere als Orchesterleiter hatte er als offenbar virtuoser Geiger von sich reden gemacht. ----------- Musik 4: Johann Stamitz, Konzert für Violine und Streichorchester C-Dur. 1. Satz (Allegro con molto). Thomas Füri, Violine. Camerata Bern, Dir: Thomas Füri. Archiv-Nr. M0477326. 01-A-007. Dauer: 6'10 ----------- Thomas Füri und die Camerata Bern waren das mit dem ersten Satz von Johann Stamitz' Konzert für Violine und Streichorchester C-Dur. Als Geiger hatte Kurfürst Carl Theodor Stamitz zunächst angestellt, und der Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung war am 26. Juni 1742 folgende Ankündigung zu entnehmen: Es wird hierdurch abermahlen den Herren Liebhabern zu wissen gemacht, dass der berühmte Virtuose Stamitz auf den 29. des Monats im Scherffschen Saal ein Concert geben, und dabey sonderlich ein von ihm Neu componiertes Concert von zweyen Chören producieren, und nach diesem abwechselsweise sich auf verschiedenen Instrumenten, als der Violin, Viola d'amore, Violoncello und Contre-Violon Solo hören lassen wird. Wem also beliebig wäre Billet 45 Kreuzer. Wir wissen nicht, was mit dem annocierten Concert von zweyen Chöre gemeint sein könnte, erstaunlich ist aber in jedem Fall Stamitz' Vielseitigkeit: in einem einzigen Konzert vier verschiedene Streichinstrumente solo zu spielen! Der Erfolg, den er mit diesem Konzert hatte, wird Stamitz sicher gefreut haben viel mehr als ein Zubrot und eine Möglichkeit zum Ausbau seiner ohnehin beträchtlichen Reputation war dieser Erfolg für Stamitz wohl nicht. Seine gut dotierte Hauptaufgabe 4

nämlich bestand darin, die Konzerte von Alexandre Jean-Joseph Le Riche de la Pouplinière zu leiten. Das war der Generalsteuerpächter im Paris jener Zeit, also ein äußerst wichtiger und einflussreicher Mann, den Stamitz schon einige Jahre zuvor kennen und schätzen gelernt hatte. Der Riche de la Pouplinière, in dessen Schloss Stamitz während seines Paris-Aufenthaltes wohnte, war nicht nur ein äußerst musikinteressierter Mann und unterhielt ein eigenes Orchester, er entlohnte Stamitz als Leiter dieses Orchesters auch durchaus üppig zwischen 1200 und 2000 Pfund soll die Jahresgage betragen haben. Und wie das in dieser Zeit eben so war, bevor Berufsdirigenten allgemein üblich wurden: Stamitz hatte nicht nur zu dirigieren, sondern für die diversen Festlichkeiten, die der Riche de la Pouplinière in seinem Schloss veranstaltete, auch die Musik zu komponieren: Menuette, Allemanden und andere Musik zur guten Unterhaltung. - Musik 5: Johann Stamitz, Orchestertrio C-Dur op. 1 Nr. 1. Archiv-Nr. M0069388. 01-003. Dauer: 2'52 -- Das war so ein Menuett von Stamitz, wie es auch im Schloss des Riche de la Pouplinière erklungen sein könnte. Sie und ich kennen das Menuett sicher weniger von aristokratischen Tanzvergnügungen als aus den Sinfonien Haydns, Mozarts und des frühen Beethoven. An sich ist das ja erstaunlich: Das Menuett ist ein höfischer Gesellschaftstanz, der sich in Adels-Kreisen größter Beliebtheit erfreute; immerhin gehörte Ludwig XIV., der Inbegriff eines absolutistischen Herrschers, 1653 zu den ersten Menuett-Tänzern überhaupt. Die Sinfonie aber jedenfalls die klassische Sinfonie, wie Mozart oder Beethoven sie schrieben ist eine bürgerliche Gattung, besonders gut zusammen passt das nicht. Wie das Menuett trotzdem in die Sinfonie kam, darüber gibt es verschiedene Theorien; eine dieser Theorien besagt, dass das Menuett als eine Art unterhaltsamer Puffer diente zwischen den extremen Ausdruckswerten des expressiven langsamen Satzes und des wirbeligausgelassenen Finales. Die zwischen die größeren Sätze gestellten Menuette und Trii geben dem Ganzen eine gewisse Miene der Lustigkeit, die sich freilich zu Sinfonien besser schickt, als wenn man seine Kunst zur Unzeit mit krebsgängigen Kanons und anderem harmonischen Spielwerk zeigen wollte, schreibt Johann Adam Hiller in seinen Wöchentlichen Nachrichten. Ursprünglich hat das Menuett mit der 5

Sinfonie wenig zu tun; wenn es überhaupt in einen größeren Zusammenhang eingebettet war und nicht nur für sich stand, war dieser Zusammenhang gerade nicht die Sinfonie, sondern die barocke Suite die Beispiele von Menuett-Sätzen in Suiten sind Legion. Musik 6: Johann Sebastian Bach, Orchestersuite Nr. 2 h-moll. Menuett. Freiburger Barockorchester. Harmonia mundi HMC 902113.14. CD 1, Tr. 11. Dauer: 1'05 Das war eines von nun wirklich unzähligen Beispielen für ein Menuett in einer Suite in diesem Fall das Menuett aus Bachs zweiter Orchestersuite, gespielt vom Freiburger Barockorchester. Warum halten wir uns eigentlich so lange beim Thema Menuett auf? Schließlich ist das Thema dieser Musikstunden-Woche nicht die Geschichte des Menuetts, sondern Johann Stamitz, der Gründer der Mannheimer Schule. Der aber hat eine ganze Menge mit dem Menuett zu tun, denn er fügte als einer der ersten Komponisten Menuette in seine Sinfonien ein und erweiterte dadurch die zuvor fast immer dreisätzige Sinfonie zur Viersätzigkeit - mit einem Menuett als drittem Satz. Musik 7: Johann Stamitz, Sinfonie D-Dur op. 4, Nr. 1. Menuett. Archiv-Nr. 336-5363. Tr. 11. Dauer: 2'10 Das Menuett, der dritte Satz aus Stamitz' Sinfonie opus 4, Nr. 1, aus der wir vorhin den Finalsatz hörten und die als La Melodia Germanica in Paris veröffentlicht wurde. Überhaupt muss dem Einfluss der Musikverleger auf Stamitz' erstaunliche Karriere größte Bedeutung attestiert werden. Die Verleger sorgten schließlich dafür, dass Stamitz' Werke, besonders seine Sinfonien, einem zunehmend großen Interessenten-Kreis bekannt wurden. Stamitz war, wie man heute sagen würde, mit seiner neuen Art zu komponieren der Shooting star einer gesellschaftlichen Klasse, die ihrerseits noch ziemlich neu war: Stamitz war der Liebling des Bürgertums. Wo immer es einen bürgerlichen Musikbetrieb gab, wurden Stamitz' Werke bereits zu seinen Lebzeiten verlegt: in London, Amsterdam, Frankfurt und eben auch in Paris, wo Stamitz ein besonders hohes Ansehen genoss und wo er, eben weil seine Werke 6

unter Musikliebhabern kursierten, längst bekannt war, bevor er als Person dort auftauchte. 1755 wurde ihm in Paris das königliche Druckprivileg verliehen, was zum einen die Verbreitung seiner Werke weiter förderte und was zum anderen ein Beweis für die große Sympathie ist, mit der das offizielle Paris Stamitz begegnete. - Musik 8: Johann Stamitz, Sinfonie D-Dur op. 4, Nr. 1. 1. und 2. Satz. Archiv-Nr. 336-5363. Tr. 9 und 10. Dauer: 8'48 Wir wissen es nicht zweifelsfrei, aber wahrscheinlich war das Konzert von 1754 nicht Stamitz' erster Paris-Besuch. Sicher ist, dass auch schon am 12. April 1751 eine Sinfonie von Stamitz in Paris aufgeführt wurde. Bereits 1748 muss es eine Verbindung zwischen Stamitz und Paris gegeben haben; wie der französische Komponist François Joseph Gossec schreibt, führte in diesem Jahr der Steuerpächter Le Riche de la Pouplinière Hörner in sein Orchester ein und zwar auf den Rat von Johann Stamitz hin. Wir wissen nicht, auf welchem Niveau das Orchester des Riche de la Pouplinière unterwegs war. Aber wir wissen ziemlich genau, dass das kurfürstliche Orchester in Mannheim, dessen Chef Johann Stamitz war, außerordentlich gut gewesen sein muss. Wer immer es hörte und etwas von der Sache verstand, lobte es über alle Maßen. Die einschlägigen Urteile sind oft zitiert worden, auch in unserem Zusammenhang dürfen sie nicht fehlen. Kein Orchester der Welt hat es je in der Aufführung dem Manheimer zuvorgethan, begeisterte sich Christian Friedrich Daniel Schubart. Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Catartakt, sein Diminuendo ein in der Ferne hin plätschernder Krystallfluss, sein Piano ein Frühlingshauch. Und der englische Musikschriftsteller Charles Burney, der eine lange Reise durch die europäischen Musikzentren unternommen und dabei wohl mehr unterschiedliche Orchester gehört hatte als irgendjemand sonst in seiner Zeit, schrieb: Ich fand wirklich alles daran, was mich der allgemeine Ruf hatte erwarten lassen... Es sind wirklich mehr Solospieler und gute Komponisten in diesem, als vielleicht in irgendeinem Orchester in Europa. Es ist eine Armee von Generälen, gleich geschickt einen Plan zu einer Schlacht zu entwerfen, als darin zu fechten. Dass solche Superlative auch für die Hornisten des Mannheimer Orchesters gelten, lässt sich an den Partituren ablesen, die Stamitz für sein Orchester schrieb. Seine Sinfonie G-Dur enthält die höchsten Hornpartien in einer Sinfonie des 18. Jahrhunderts überhaupt. Man darf mit Fug und Recht davon 7

ausgehen, dass Stamitz diese Stimmen kaum geschrieben hätte, wenn er nicht sicher gewesen wäre, dass seine Musiker sie auch spielen können. - Musik 9: Johann Stamitz, Sinfonie G-Dur. Concerto Köln. Archiv-Nr. 336-9370. Tr. 13-15. Dauer: 7'10 (Zeitpuffer, auf Ende einblenden) - Das Concerto Köln mit den Sätzen Allegro, Menuett und Presto aus Johann Stamitz' Sinfonie G-Dur dem Werk mit den exponiertesten Hornpartien des gesamten 18. Jahrhunderts. Und das war auch der erste Teil der Musikstunden-Woche über Johann Stamitz, der vor 300 Jahren, im Juni 1717, zur Welt kam. Stephan Hoffmann bedankt sich fürs Zuhören, wünscht Ihnen einen schönen Tag und würde sich freuen, wenn Sie morgen zum zweiten Teil dieser Musikstunden-Woche wieder einschalten würden. 8