Im Blickpunkt. Die Energieinfrastruktur der USA. Donnerstag, 5. September 2013. Dr. Christoph Schemionek



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Transkript:

Donnerstag, 5. September 2013 Im Blickpunkt Die Energieinfrastruktur der USA Dr. Christoph Schemionek Der vielzitierte Energieboom der USA kann nur dann zum Erfolg werden, wenn auch die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht, um Energieträger wie Öl und Gas zu den Kraftwerken und schließlich zum Endverbraucher transportieren zu können. Der vorliegende Blickpunkt stellt den Status Quo der US-Energieinfrastruktur dar, geht auf die Herausforderungen insbesondere des Stromnetzes ein und versucht einen Ausblick zu geben, in welchen Bereichen Verbesserungen notwendig und somit Geschäftsmöglichkeiten vorhanden sind. Unter Energieinfrastruktur werden die verschiedenen Komponenten zusammengefasst, die für die Herstellung, die Weiterleitung sowie die Verbreitung von Elektrizität, Erdgas und Erdöl notwendig sind. Hierunter fallen zum Beispiel Elektrizitätswerke, Hoch- und Niederspannungsleitungen, Umspannwerke, Raffinerien, Pipelines und Gasleitungen. Zum Teil wird auch das Transportwesen, insbesondere der Schienenverkehr, zur Energieinfrastruktur dazu gerechnet, da zum Beispiel Kohle per Bahn zu den Kraftwerken angeliefert wird. Elektrizität Nach Angaben des National Infrastructure Protection Plan des Department of Homeland Security (DHS) umfasst der Elektrizitätsbereich der USA über 6400 Kraftwerken mit einer installierten Stromerzeugungskapazität von 1075 Gigawatt. Über die Hälfte dieser Kraftwerke sind traditionelle Elektrizitätsversorgungsunternehmen. 48 Prozent der Elektrizität wird durch das Verbrennen von Kohle generiert, die hauptsächlich über den Schienenfrachtverkehr an die entsprechenden Kraftwerke geliefert wird. Atomkraftwerke produzieren 20 Prozent des Stroms in den USA, 22 Prozent werden durch das Verbrennen von Erdgas generiert. Die restliche Stromerzeugung verteilt sich auf Wasserkraftwerke (sechs Prozent), andere erneuerbare Energiequellen (Sonne, Wind und Geothermie; drei Prozent) sowie die Verbrennung von Erdöl (ein Prozent). Nach Angaben des Institute for Energy Research ist der durch Erneuerbare Energien generierte Anteil der Elektrizitätsversorgung seit 2009 von neun auf heute zwölf Prozent gestiegen (Wasser, Sonne, Wind, Geothermie). Andere Quellen beziffern den Anteil Erneuerbarer Energien auf über 13 Prozent. In Deutschland zum Vergleich beträgt der Anteil erneuerbarer Energien 22 Prozent, wobei hierin auch Biomasse mit sechs Prozent und biogener Hausmüll mit knapp einem Prozent eingerechnet sind. Mit Braun- und Steinkohle werden in Deutschland 45 Prozent der Elektrizität generiert, mit Erdgas elf Prozent, mit Erdöl sechs Prozent und mit Kernenergie 16 Prozent. Die erzeugte Elektrizität wird in den USA in ein 326.000 Kilometer langes Hochspannungsnetz ein-

Im Blickpunkt Seite 2 gespeist, bevor sie über Umspannwerke und Niederspannungsleitungen über 143 Millionen Endkunden erreicht. Die Elektrizitätsinfrastruktur ist hoch automatisiert. Energieversorgungsunternehmen und die regionalen Netzbetreiber nutzen unterschiedlichste elektronische, über das Internet gesteuerte Kontrollsysteme, um eine gleichbleibende Stromversorgung zu garantieren. Die USA besitzen kein nationales Stromnetz. Die nationale Stromversorgung setzt sich aus vier regionalen Übertragungsnetzen zusammen: Western Interconnection, Eastern Interconnection, Electric Reliability Council of Texas und Province of Quebec. Die vier Netze arbeiten weitestgehend unabhängig voneinander, nur an wenigen Lokalitäten gibt es Netzkopplungen. Jedes der Netze unterteilt sich in kleinere regionale Netze. Erdöl Der Erdölbereich umfasst der Definition des DHS nach die Förderung, die Produktion, die Lagerung, den Transport und die Raffination des Rohöls. Das Funktionieren moderner Volkswirtschaften ist ohne Erdölprodukte heute nicht mehr vorstellbar. Die wichtigsten Erdölprodukte, um nur einige zu nennen, umfassen Motorenbenzin, Kerosin, Dieselkraftstoff und Heizöl. Um die US-Wirtschaft anzufeuern bzw. am Laufen zu halten, werden Rohöl und Erdölprodukte importiert als auch im eigenen Land hergestellt. Lag der Import in den vergangenen Jahren bei zirka 65 Prozent, gemessen am Ölgesamtverbrauch, wurde 2012 mit 40 Prozent so wenig Öl wie seit 1987 nicht mehr importiert. Die Energy Information Administration (EIA) sagt voraus, dass bis 2014 nur noch 32 Prozent importiert würden. Die sinkenden Importe liegen in der gestiegenen einheimischen Förderung begründet. Bohrtechniken, wie das hydraulic fracturing, sind kostengünstiger geworden und ermöglichen nun, Erdöl und -gas aus geologischen Formationen heraus zu fördern, die vormals nur schwer zugänglich waren. Ferner verbrauchen seit der Rezession die US-Wirtschaft und -Bürger weniger Öl bzw. Benzin als zuvor. Die EIA sagt zwar voraus, dass die durch motorisierten Individualverkehr zurückgelegten Kilometer in den kommenden Jahren wieder zunehmen, energieeffizientere Autos den damit einhergehenden Benzin-Mehrverbrauch aber wettmachen würden. Die sinkenden Importe, die steigende inländische Produktion und mehr Energieeffizienz liegen im Einklang mit dem Blueprint for a Secure Energy Future, den Präsident Obama Ende März 2011 vorstellte. Hierin forciert der Präsident die Förderung einheimischer Energieträger, die Stabilisierung der Energiepreise und den innovativen Ausbau erneuerbarer und anderer sauberer Energiequellen. 39 Prozent des US-Ölbedarfs werden durch einheimische Förderungen gedeckt, 61 Prozent werden importiert: 20 Prozent aus Lateinamerika, 15 Prozent aus Kanada, 13 Prozent aus dem Persischen Golf, zehn Prozent aus Afrika und drei Prozent aus anderen Regionen. Die fünf wichtigsten Exportländer für den Ölbedarf der USA sind Kanada, Saudi Arabien, Mexiko, Venezuela und Nigeria. Deutschland zum Vergleich importiert 36 Prozent seines Öls aus Russland, 14 Prozent aus Großbritannien, zehn Prozent aus Norwegen, neun Prozent aus Kasachstan und acht Prozent aus Libyen. Insgesamt liefern 33 Staaten Erdöl nach Deutschland. Auf der einen Seite helfen die sinkenden Ölimporte, das Handelsdefizit der USA weiter zu verringern. Eine wachsende einheimische Ölindustrie sorgt zudem für einen merklichen Aufschwung der Wirtschaft allein 2011 generierte der Öl- und Gassektor über 481 Milliarden US$ an Wirtschaftsleistung. Andererseits helfen diese positiven Entwicklungen aber nicht, die Ölpreise in den USA dauerhaft zu senken. Die EIA geht davon aus, dass ein Barrel

Im Blickpunkt Seite 3 Rohöl im kommenden Jahr 91 US$ kosten und somit nur drei Dollar günstiger sein wird als 2012. Im Vergleich zu 2005 werden die USA somit voraussichtlich nur noch halb so viel Öl importieren aber dennoch fast das Doppelte zahlen. In den USA gibt es gegenwärtig über 536.000 in Betrieb befindliche Ölquellen, 10.000 mehr als noch 2009. Das geförderte Öl wird über Pipelines mit einer Gesamtlänge von über 130.000 Kilometer zu 139 Raffinerien transportiert. Von dort werden die einzelnen Erdölprodukte über ein 186.000 Kilometer umfassendes Pipelinenetz weiter zu den 1400 Ölumschlagsanlagen geleitet. Die Erdölproduktion und - distribution wird ebenso über Hightech-IT-Systeme gesteuert. Erdgas Durch fracking ist die einheimische Erdgasförderung in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Der Erdgasmarkt bezieht sich im Wesentlichen auf den nordamerikanischen Kontinent, da der Transport über die Weltmeere nach wie vor limitiert ist. Gegenwärtig überwiegt das Angebot an Erdgas die Nachfrage. Viele Energieverbraucher wechseln daher von Erdöl auf -gas, ehemalige Kohlekraftwerke stellen auf Erdgas um und selbst Fuhrunternehmen und städtische Verkehrsbetriebe nutzen zunehmend mit Erdgas betriebene Lastkraftwagen bzw. Busse. Insgesamt gibt es in den USA zirka 480.000 aktive Erdgasquellen. Das geförderte Gas wird über 32.000 Kilometer Pipelines zu 500 Gasverarbeitungsanlagen transportiert, um anschließend über 510.000 Kilometer Pipelines weitergeleitet zu werden. Millionen Kilometer lange kleinere Leitungen bringen das Gas in die einzelnen Haushalte und zu anderen Abnehmern. Mit Gas produzierte Elektrizität ist im vergangenen Jahrzehnt um 50 Prozent gestiegen. Im Jahr 2000 generierten Gaskraftwerke 600 Milliarden Kilowattstunden (kwh) Elektrizität, im Jahr 2010 mehr als 981 Milliarden kwh. Insbesondere im Südosten der USA (North und South Carolina und Virginia) kann eine stark gestiegene Stromerzeugung durch Gas festgestellt werden. Herausforderungen Die American Society of Civil Engineers (ASCE) bewertet die Energie-Infrastruktur der USA mit einem D+, vergleichbar mit der deutschen Schulnote 4+. Die Bewertung wird insbesondere mit dem fortgeschrittenen Alter der Strom- und Pipelinenetze, ungenügenden Investitionen und langwierigen Genehmigungsverfahren begründet. Das Stromnetz der USA werde zunehmend komplexer, so die ASCE. Heute handele es sich um ein Patchwork-System aus unterschiedlichsten, miteinander verbundenen Kraftwerken, Umspannwerken und Verteilerstationen, die teils noch aus den 1880er Jahren stammen. Mit dem Bau neuer Gaskraftwerke werde der Bedarf an neuen Hochspannungsleitungen zunehmen. Das alternde Stromnetz, das mit dem gestiegenen Elektrizitätsbedarf der USA überfordert sei, sei der Hauptgrund für die zunehmenden Stromausfälle in den vergangenen Jahren. Wurden 2007 insgesamt 76 größere Stromausfälle gezählt, waren es im Jahr 2011 bereits 307. Die Zuverlässigkeit des Stromnetzes wird zum einen durch wetterbedingte Ereignisse eingeschränkt, aber auch durch den Ausbau des Netzes, die Integration neuer Stromquellen und die Abschaltung veralteter Kraftwerke. Stromausfälle beeinflussen nicht nur die öffentliche Sicherheit sondern verursachen auch erhebliche Kosten für den Einzelnen und Unternehmen. Eine Stunde Stromausfall kostet ein Unternehmen durchschnittlich 1000 US$. Die Modernisierung und der Ausbau des Stromnetzes sind bereits geplant. In den kommenden fünf

Im Blickpunkt Seite 4 Jahren sollen über 27.000 Kilometer neue Hochspannungsleitungen gezogen werden. Allerdings werden die Baumaßnahmen durch langwierige Genehmigungsverfahren verzögert oder gar komplett verhindert. Bürger wehren sich zunehmend gegen den Bau meist von Niederspannungsleitungen durch ihre Siedlungsgebiete. Ebenso verhält es sich bei dem Bau von neuen Ölpipelines, wie das Beispiel um die Keystone XL Pipeline verdeutlicht. Auch die Kosten dürften in Zukunft schwieriger zu stemmen sein. Die ASCE schätzt, dass sich bis 2020 eine Investitionslücke beim Stromnetz (Umspannwerke und Leitungen) in Höhe von 94 Milliarden US$ auftun wird. Zwischen 2001 und 2010 lagen die Investitionen im Durchschnitt bei 63 Milliarden US$ pro Jahr, die zukünftig nicht ausreichen werden. Die Finanzquellen sind die öffentliche Hand, staatlich regulierte Versorgungsunternehmen, private Investoren und kommunale, gemeinnützige Gesellschaften. Seit 2006 sind die Investitionen in die Stromversorgung kontinuierlich zurückgegangen. Die Versorgungsgesellschaften sehen sich aber aufgrund der gehäuften Stromausfälle dem öffentlichen Druck ausgesetzt, das Netz zu verbessern. Zudem steigen die Befürchtungen, dass Cyber- Angriffe auf das internetgesteuerte Stromnetz für die Mehrzahl zukünftiger Stromausfälle verantwortlich sein werden. Bislang gibt es nur ansatzweise Strategien und Vorlagen, wie die Stromanbieter das Stromnetz vor Hacker-Angriffen schützen sollen. Freiwillige Schutzmaßnahmen der Anbieter sind nur punktuell umgesetzt. Umfassende Schutzmaßnahmen werden mit dem Argument, dass die Kosten von den Verbrauchern getragen werden müssten, nicht realisiert. Smart Grid Bei der Erneuerung der Infrastruktur spielt das Thema Smart Grid eine bedeutende Rolle. Einigkeit besteht darin, dass die Modernisierung hin zu einem nationalen Smart Grid notwendig ist, aber Jahrzehnte dauern wird. Allerdings wurde mit der Umsetzung bereits begonnen und in dutzenden US- Städten sind Smart Grids im Rahmen verschiedener Pilotprojekte bereits Realität. Gefördert und angestoßen wurden mehrere dieser Projekte durch das 2009 verabschiedete Konjunkturpaket American Recovery and Reinvestment Act (ARRA). Die öffentliche Hand und die Privatwirtschaft haben erkannt, dass die USA mit einem Stromnetz aus dem 19. Jahrhundert nicht wettbewerbsfähig bleiben können. Die Nachfrage nach Elektrizität ist heute komplex und flexibel. Neue, technologisch gesteuerte Stromnetze müssen zukünftig so beschaffen sein, um digital schnellstmöglich auf sich ständig veränderte Elektrizitätsnachfragen reagieren können. Ferner werden mehr und mehr Haushalte Elektrizität selber produzieren und diese in die Netze einspeisen. Von einer größeren Anzahl kleiner dezentralisierter Stromerzeuger versprechen sich die USA eine größere Widerstandsfähigkeit des Stromnetzes bei Naturkatastrophen und terroristischen Angriffen. Ausblick Aufgrund der wachsenden Bevölkerung wird bis 2020 mit einem Anstieg der Elektrizitätsnachfrage um neun Prozent gerechnet. Energieeffiziente Maßnahmen werden laut der Energy Information Administration dazu beitragen, dass die Nachfrage nach Elektrizität nicht noch stärker ansteigt. Da alte Kohlekraftwerke aufgrund neuer Emissionsvorschriften der Environmental Protection Agency (EPA) abgeschaltet werden müssen, müssen die USA bereits bis 2016 über 108 Gigawatts bzw. zehn Prozent der jetzigen Leistung aus anderen Energiequellen produzieren. Gaskraftwerke werden dabei die erste Wahl sein, da die inländische Gasproduktion steigt und Gaspreise sinken. Auch den weiteren

Im Blickpunkt Seite 5 Ausbau erneuerbarer Energiequellen (Wasser, Wind, Sonne und Geothermie) wird man beobachten können. Die Wettbewerbsfähigkeit neuer Gaskraftwerke hat dazu beigetragen, dass der Reiz, neue Atomkraftwerke zu bauen, wieder abgenommen hat. Nach Angaben der World Nuclear Association sind in den USA gegenwärtig 100 AKWs in Betrieb und drei im Bau. Bis 2020 rechne man damit, dass vier bis sechs neue AKWs ans Netz gehen werden. Mit einem dreißigprozentigen Anteil an der weltweiten Herstellung von Elektrizität durch AKWs sind die USA nach wie vor der größte Produzent von Nuklearenergie. Von dem günstigen Erdgasangebot, das in den kommenden Jahren anhalten wird, profitieren insbesondere die chemische, die Baustoff-, die Glas- und die keramische Industrie. Für amerikanische Produzenten dieser Sektoren und Subsektoren sowie deren Zulieferer werden deutliche Wettbewerbsvorteile vorausgesagt. Voraussichtlich wird auch die Eisen- und Stahlindustrie von dem Erdgasboom profitieren. Nach 2020 sieht die ASCE die weitere Kapazitätsausdehnung der Energieinfrastruktur kritisch. Sollte nicht jetzt damit begonnen werden, in die Infrastruktur zu investieren, könnten die beiden Jahrzehnte zwischen 2020 und 2040 von einer Unterversorgung mit Strom geprägt sein. Auch die Raffinerien und Pipelines werden bis spätestens 2020 an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Entsprechende Erweiterungen müssten jetzt angegangen werden.