MANAGEMENT REPORT 3/2007 Die Rolle der IT-Abteilungen in der Digitalisierung von Medienunternehmen Thomas Hess, Hubert Österle, Christian M. Wolf, Nora Neumann Executive Summary Medienunternehmen sind von der Digitalisierung besonders stark betroffen, da die Informationstechnologie (IT) Basis des Geschäfts geworden ist. Dabei ist noch klärungsbedürftig, welche Rolle die IT- Abteilungen und CIOs von Medienunternehmen im Rahmen dieser Entwicklung tatsächlich übernehmen. Dieser Management Report fasst die wesentlichen Ergebnisse einer Studie zusammen, in der das Selbstbild der Rolle und der zukünftigen Bedeutung von IT- Abteilungen und CIOs in der Digitalisierung von Medienunternehmen untersucht und deren Aufgaben identifiziert wurden. Zentrale Ergebnisse sind die festgestellten Einschätzungen, dass die klassischen Medientechnik-Abteilungen im IT-Bereich aufgehen, sich die CIOs der Medienbranche zum Geschäftsmodell-Gestalter entwickeln wollen und Medienunternehmen offensichtlich mit dem Outsourcing der Softwareentwicklung zögern. Herausgeber Ludwig-Maximilians-Universität München Fakultät für Betriebswirtschaft Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien www.wim.bwl.lmu.de
DIE ROLLE DER IT-ABTEILUNGEN IN DER DIGITALISIERUNG VON MEDIENUNTERNEHMEN 1 0 Ausgangspunkt und Zielsetzung der Studie Medienunternehmen sind von der Digitalisierung besonders stark betroffen. Die IT ist Basis des Geschäfts geworden, Strukturen und Prozesse wurden grundlegend verändert. Durch digitale Medienprodukte und den Einfluss des Internets hat sich die Bedeutung der IT-Abteilungen und der CIOs gewandelt. Als Chef der Informationstechnologien und damit der IT-Abteilung steht insbesondere der CIO im Fokus der Veränderungen. Das Aufgabengebiet des IT-Verantwortlichen unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen. Es ist unter anderem von der Bedeutung der Ressource Information für die Unternehmensstrategie sowie für die Geschäftsfelder und -prozesse abhängig. Obwohl gerade Medienunternehmen von der Ressource Information leben, sind die Rolle und zukünftige Bedeutung von IT-Abteilungen und CIOs in der Digitalisierung von Medienunternehmen unklar. Dieser Fragestellung haben sich das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen und das Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Ludwig-Maximilians-Universität München im Rahmen einer qualitativ-empirischen Studie zur Erhebung des Selbstbildes von CIOs angenommen. Zu diesem Zweck wurden im April und Mai 2007 vierzehn telefonische Leitfadengespräche mit CIOs aus deutschen und schweizerischen Medienunternehmen sowie aus Telekommunikationsunternehmen, die bereits in größerem Maße digitale Medienprodukte anbieten, geführt. Die bearbeiteten Segmente der Unternehmen reichen von Print (Verlage) über Telekommunikation, öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk, einem Produktionshaus für audiovisuelle Medien (TV) bis hin zu einem Medienvertrieb, der Printprodukte (Bücher) und Speichermedien (CDs, DVDs) vertreibt, und einem als Medienhaus bezeichneten Mischkonzern, dessen Produktpalette sowohl Angebote für Rundfunk (TV, Radio), als auch Print und Musik umfasst. Von den vierzehn befragten Unternehmen sind sechs ausschließlich in Deutschland tätig, wobei die Auslandskorrespondenten von Zeitungen o. ä. nicht berücksichtigt sind. Drei Unternehmen generieren zusätzlich in europäischen Ländern Umsätze, fünf sind weltweit aktiv. Die wesentlichen Ergebnisse der Studie sind im vorliegenden Management Report in Form festgestellter Trends zusammengefasst.
DIE ROLLE DER IT-ABTEILUNGEN IN DER DIGITALISIERUNG VON MEDIENUNTERNEHMEN 2 1 These: Die klassischen Medientechnik-Abteilungen gehen im IT-Bereich auf In etablierten Medienunternehmen, die bereits vor dem digitalen Zeitalter aktiv waren, liegt historisch bedingt zumeist eine Trennung von Medientechnik und IT-Abteilung vor. Als Beispiele dafür können im Rundfunk-Bereich eine eigenständige Abteilung für Sendetechnik oder im Print-Bereich eine Abteilung für Druckvorbereitung und Druck genannt werden, die jeweils getrennt von der IT-Abteilung existieren. Da die Medientechnik jedoch zunehmend software- und weniger hardwarefokussiert ist und Tätigkeiten auf der Distributionsstufe der Medienwertschöpfungskette (z. B. Druck, Broadcast) outgesourct werden oder durch digitale Verbreitungswege ganz wegfallen, stellt sich die Frage, ob es zu Verschiebungen von Aufgaben zwischen der IT- und der klassischen Technik- Abteilung gekommen ist. Diese Verschiebung wird von neun der befragten Unternehmen bestätigt, deren Medientechnik-Abteilungen im IT-Bereich aufgegangen sind. Bei denjenigen Unternehmen, die eine Verschiebung verneinen, spielt die Technik schon länger eine untergeordnete Rolle oder wurde bereits frühzeitig mit der IT zusammengelegt. 2 These: CIOs wollen sich vorrangig zum Geschäftsmodell-Gestalter entwickeln Der traditionelle CIO steht laut BRENNER/WITTE heute grundsätzlich vor den Alternativen, sich im Sinne eines CTO in Richtung Technik/Produktionsmittel und somit zum CEO des IT-Service- Providers oder im Sinne eines zukunftsorientierten CIO vom Prozessverantwortlichen in Richtung Mitgestalter von Geschäftsmodellen zu entwickeln (vgl. Abbildung 1). Die einzuschlagende Richtung ist dabei abhängig von der Strategie und dem Geschäftsmodell des Unternehmens. 1 Da die IT mit zunehmendem Digitalisierungsgrad mehr und mehr zur Basis des Geschäfts von Medienunternehmen wird, ist zu erwarten, dass sich diese Evolution auf die Einschätzung der CIOs über ihren 1 Vgl. Brenner/Witte (2007), S. 131-132.
DIE ROLLE DER IT-ABTEILUNGEN IN DER DIGITALISIERUNG VON MEDIENUNTERNEHMEN 3 Entwicklungspfad in Form einer stärkeren Tendenz in Richtung Mitgestalter von Geschäftsmodellen auswirkt. traditioneller CIO CIO als Prozessverantwortlicher CIO als COO CIO als Mitgestalter von Geschäftsmodellen CEO des Shared-Service- Centers CTO CEO des IT-Service- Providers Abbildung 1: Entwicklungspfade des CIO 2 Die Ergebnisse unserer Interviews untermauern diese These durchweg. Dreizehn der vierzehn befragten CIOs antworten auf die Frage nach einer persönlichen Einschätzung über die zukünftige Entwicklung ihrer Rolle im eigenen Medienunternehmen, diese werde sich zum Mitgestalter von Geschäftsmodellen entwickeln. Durch die verschärfte Konkurrenzsituation und die verstärkte strategische Bedeutung der IT entstünden mehr Berührungspunkte zwischen IT und Geschäft. Dies bedeute, dass sich der CIO als Partner des Business verhalten müsse, um deutlich zu machen, dass die IT für das Medienunternehmen geschäftskritisch ist. Neben einer Servicefunktion könnten sich CIOs von Medienunternehmen nun noch stärker ins Geschäft einbringen damit stiegen aber auch die Anforderungen an sie. 3 These: Medienunternehmen zögern mit dem Outsourcing der Softwareentwicklung Aktuelle Studien bestätigen den Trend, dass Unternehmen in erster Linie die Softwareentwicklung an spezialisierte Anbieter verlagern. 2 Vgl. Brenner/Witte (2007), S. 131.
DIE ROLLE DER IT-ABTEILUNGEN IN DER DIGITALISIERUNG VON MEDIENUNTERNEHMEN 4 Dies liegt insbesondere an ihrem modularen Charakter und an der Vielzahl standardisierter Abläufe, welche die Kooperation auch über große Distanzen erleichtern. 3 Vom Outsourcing sind in den von uns befragten Unternehmen zwar IT-Leistungen wie Rechenzentrums- und Netzwerkbetrieb sowie Desktop-Services betroffen, entgegen des zuvor geschilderten allgemeinen Trends jedoch nicht die Softwareentwicklung. Die befragten Medienunternehmen scheinen mit dem Outsourcing der Softwareentwicklung noch zu zögern, was zumindest im Fall der untersuchten, eher mittelständisch geprägten Print-Unternehmen daran liegen könnte, dass hier hauptsächlich Standard-Software zugekauft und wenig selbst entwickelt wird. Lediglich in einem befragten Verlagshaus wurde nahezu die gesamte IT-Abteilung in eine am Markt tätige Tochtergesellschaft outgesourct. Dadurch sollen Synergieeffekte mit einem Partnerverlag erzielt und durch den Verkauf von IT-Know-how an andere Unternehmen zusätzliche Einnahmen generiert werden. Das Outsourcing der IT wird in den befragten Unternehmen erwartungsgemäß primär aus Kostengründen betrieben. In einigen Fällen erhofft man sich zusätzlich aber auch eine Verbesserung von Flexibilität und Agilität der IT sowie eine stärkere Konzentration auf das Kerngeschäft. 4 These: Große Bedeutung der IT-Abteilungen bei Technologie-Forecasting sowie Produkt- und Strategieentwicklung Mit dem Aufkommen des unternehmerischen Technologie- Forecastings, welches den derzeitigen Stand sowie die zukünftigen Entwicklungen der IT erkennen und im Hinblick auf ihr geschäftliches Einsatzpotenzial beurteilen soll, wurde von der Schaffung eigener Stellen oder Abteilungen für diese Aufgabe gesprochen. 4 Auch für die Produkt- und Strategieentwicklung existieren zumeist eigene Stellen oder Abteilungen, wohingegen von 3 Vgl. DBResearch (2005). 4 Vgl. Steinbock (1994), S. 22.
DIE ROLLE DER IT-ABTEILUNGEN IN DER DIGITALISIERUNG VON MEDIENUNTERNEHMEN 5 der IT-Abteilung als Träger der genannten Aufgaben bisher nicht die Rede war. Die IT-Abteilungen der befragten Medienunternehmen sind jedoch erstaunlich oft im Technologie-Forecasting sowie in der Produkt- und Strategieentwicklung tätig. Dies könnte daran liegen, dass die IT in Medienunternehmen Treiber der Veränderung von Geschäftsmodellen ist. Das Technologie-Forecasting wird in der Mehrheit der erhobenen Fälle (13 von 14 Unternehmen) von der IT-Abteilung intern durchgeführt, je nach Projekt aber auch unter Einbeziehung externer Berater. Bei der Hälfte der befragten Unternehmen ist die IT-Abteilung nicht mehr nur Umsetzer von Ideen im Entwicklungsprozess digitaler Produkte, sondern bringt aktiv eigene Ideen ein.
DIE ROLLE DER IT-ABTEILUNGEN IN DER DIGITALISIERUNG VON MEDIENUNTERNEHMEN 6 Verwendete und weiterführende Literatur Brenner, W. / Witte, C. (2007): Erfolgsrezepte für CIOs - Was gute Informationsmanager ausmacht, Hanser, München. DBResearch (2005): Offshoring-Report 2005 Ready for Take-off, Download auf: http://www.dbresearch.com. Mertens, P. / Knolmeyer, G. (1998): Organisation der Informationsverarbeitung, Gabler, Wiesbaden. Schumann, M. / Hess, T. (2006): Grundfragen der Medienwirtschaft, 3. aktualisierte u. überarb. Aufl., Springer, Berlin et al. Steinbock, H.-J. (1994): Potentiale der Informationstechnik: state of the art und Trends aus Anwendungssicht, Teubner, Stuttgart.