2. Historische Entwicklung des Energiewirtschaftsrechts

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Transkript:

2. Historische Entwicklung des Energiewirtschaftsrechts 2.1 Der Ordnungsrahmen vor der Liberalisierung Rechtliche Vorgaben: - Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) von 1935 - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Bereichsausnahme 103, 103a Freistellung von Kartellverbot und Verbot von Ausschließlichkeitsbindungen Demarkations- und Konzessionsverträge Keine Stromlieferung in das Gebiet des Vertragspartners Exklusives Recht zur Netzung von öffentlichen Wegen zu Leitungsbau und betrieb im Gemeindegebiet Gebietsmonopole 2-1

Alte Rechtslage vor der Liberalisierung Demarkationsvertrag Konzessionsvertrag 2-2

Kartellrechtlicher Missbrauch bei der Strom- und Gasversorgung, 103 Abs. 5 GWB Marktverhalten, das Grundsätzen des Wettbewerbs zuwiderläuft Spürbar ungünstigere Preise oder Geschäftsbedingungen als bei gleichartigen Versorgungsunternehmen Unbillige Behinderung der Verwertung eigenerzeugter Energie Unbillige Behinderung der Durchleitung 2-3

Die deutsche Stromwirtschaft im alten Ordnungsrahmen Öffentliche Stromwirtschaft, ca. 85% der Stromerzeugung in Deutschland Anteil an Stromabgabe an Letztverbraucher Anteil an Stromproduktion 9 Verbund- 36% 80% unternehmen ca. 70 Regionalunternehmen 38% 17% ca. 850 26% 3% Stadtwerke Quelle: www.vdn n-berlin.de Daneben: industrielle Eigenerzeugung, Deutsche Bahn 2-4

Hintergrund der Liberalisierung Lohnt sich ein Leitungsneubau? Strom: Netze seit 100 Jahren Stark ausgebaut und vermascht Bau neuer Leitungen sehr aufwändig und kostenintensiv Stromabsatz wächst nur noch moderat Leitungsneubau lohnt daher im Regelfall nicht Stichleitungen von 0,5 bis 3 km können sich lohnen Fazit: Netzmonopole für Strom sind wettbewerbsfest Gas Erzeugung Handel Transport Vertrieb Netze seit 30 Jahren Ausgebaut und vermascht Leitungsnetz aber noch nicht vollständig ausgebaut Gasabsatz wächst noch erheblich Stichleitungen auf kurze Entfernung möglich Fernleitungen denkbar (WinGas) Versorgung größerer Abnehmer nur in der Nähe der Leitung Strom: Monopol Gas: weitgehend Monopol Wettbewerb Fazit: Netzmonopole für Gas sind weitgehend wettbewerbsfest 2-5

Zeitlicher Überblick über die Liberalisierung 1996 1997 EU-Richtlinie Strom 1998 1999 EU-RL Erdgas EnWG VV Strom I 2000 2001 VV Strom II VV Erdgas I 2002 VV Strom II plus 2003 VV Erdgas II 2004 EU-BRL Strom&Erdgas EnWG-Novelle VV Strom III? VV Erdgas III abgebrochen 2005 2. EnWG-Novelle 2-6

2.2 Die Liberalisierung 1996/1998 EU-Richtlinie 96/92/EG vom 19.12.1996 Optionen für 3 Wege des Netzugangs: - NTPA Verhandelter Netzzugang Verhandlung des NNE prinzipiell im Einzelfall - RTPA Regulierter Netzzugang Genehmigung des NNE durch zuständige Behörde, dann allgemeingültig - SB Alleinabnehmermodell Ankaufspflicht des SB, wenn Kunde neuen Stromlieferanten vorweist, Verrechnung eines genehmigten NNE Weitere Vorschriften: - Direktleitungsbau - schrittweise Marktöffnung, Reziprozitätsklausel - unbundling der Rechungslegung 2-7

Umsetzung in Deutschland das Energiewirtschaftsgesetz Umsetzung der EU-Richtlinien in Deutschland durch EnWG (28.4.1998) System des verhandelten Netzzugangs - Selbstregulierung durch Verbändevereinbarungen - unter Missbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes ex post-kontrolle Single Buyer als Ausnahme (Netzzugangsalternative) Weitere Vorschriften: - Genehmigungsregelungen - Anschlusspflichten - Entflechtung der Rechnungslegung - 100% Marktöffnung (Strom) 2-8

Kleine Novelle des EnWG 2003 Verrechtlichung der VVen Verrechtlichung der Verbändevereinbarungen ( 6, 6a) Bei Einhaltung der Verbändevereinbarung Strom II plus/verbändevereinbarung zum Netzzugang bei Erdgas (Gas II) wird bis zum 31. Dezember 2003 die Erfüllung der Bedingung guter fachlicher Praxis vermutet, es sei denn, dass die Anwendung der Verbändevereinbarung insgesamt oder die Anwendung einzelner Regelungen der Verbändevereinbarung nicht geeignet ist, wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 1 und 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt. stärkere Rechtsverbindlichkeit keine inhaltliche Prüfung der VVen Verrechtlichung der VV Gas bis Ende 2003, obwohl VV Gas II im Oktober 2003 ausläuft obwohl Verhandlungen zur VV Gas III im April 2004 abgebrochen 2-9

Ergebnisse und Erfahrungen Erfahrungen mit dem Netzzugang - Kontrolle durch Kartellbehörden Anfangsphase der Liberalisierung: Verweigerung des Netzzugangs Wechselentgelte bei Lieferantenwechsel Doppelvertragsmodell durch Einschreiten der Kartellbehörden / Zivilgerichte beseitigt später: Höhe der Netznutzungsentgelte im Fokus 2-10

Ergebnisse und Erfahrungen Verfahren des Bundeskartellamtes: In mehreren Fällen Senkung der NNE nach Einleitung der Ermittlungen des BKartA 2 Musterfälle - Stadtwerke Mainz Vergleichsmarktkonzept (Erlöse pro km Leitungslänge) BKartA: NNE um 19,9% überhöht - TEAG Kostenkontrolle / Bestimmungen des Kalkulationsleitfadens der VV II plus BKartA: Senkungspotenzial von 10% In beiden Fällen Scheitern des BKartA vor dem OLG Düsseldorf (Berufungsinstanz) wegen - Verrechtlichung der VV Strom II plus - Auferlegung von Erlösobergrenzen nach Ansicht des OLG nicht zulässig 2-11

2.3 Die Beschleunigungsrichtlinien 2003 EU-Richtlinie 2003/54/EG vom 26. Juni 2003 - Marktöffnung: Gewerbekunden 1.7.04, Haushaltskunden 1.7.07 - Legal unbundling ab 100.000 Kunden - Öffnungsklausel - 1.7.07 - Regulierungs- / Wettbewerbsbehörde: Unabhängigkeit von den Interessen der Energiewirtschaft Festlegung oder Genehmigung mindestens der Methoden zur Berechnung bzw. Festlegung der Netznutzungsentgelte ex ante-regulierung Umsetzung muss bis zum 1.7.2004 erfolgen EnWG 2005 in Kraft getreten am 13.7.2005 2-12