und Palliative Care: Die Sichtweise des Geriaters

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Transkript:

Sterbehilfe: Demenz Begriffsdefinitionen und Palliative Care: Die Sichtweise des Geriaters Summer School Palliativmedizin Sursee, 06. - 07. Juli 2016 PD Dr. med. Georg Bosshard Facharzt für Allgemeine Medizin FMH spez. Geriatrie Leitender Arzt Long-term Care, Klinik für Geriatrie, UniversitätsSpital Zürich Zentrumsarzt, Alterszentrum Bruggwiesen Effretikon georg.bosshard@usz.ch 1

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Stadien der Demenz Demenzstadien nach Naomi Feil Drei Welten Modell nach Christoph Held Stadium 1 Nicht mehr gelingende Realitätsorientierung Stadium 2 Zeitverwirrung Stadium 3 Repetitive Bewegungen Stadium 4 Rückzug, Vegetieren Welt der kognitiven Erfolglosigkeit Welt der kognitiven Ziellosigkeit Welt der kognitiven Schutzlosigkeit 3

Vortragsübersicht Einleitung Demenz zwischen den einzelnen medizinischen Fachdisziplinen Demenz zwischen den verschiedenen Berufsgruppen Demenz zwischen den verschiedenen Settings Funktionsfähigkeit des Organismus Plötzlicher Tod Funktionsfähigkeit des Organismus Tödliche Krankheit Tod Tod Zeit Zeit Funktionsfähigkeit des Organismus Organschwäche Funktionsfähigkeit des Organismus Gebrechlichkeit Tod Zeit Zeit 4

Schweizerische Nationale Demenzstrategie. http://www.bag.admin.ch/themen/gesundheitspolitik/13916/ Schweizerische Nationale Demenzstrategie. http://www.bag.admin.ch/themen/gesundheitspolitik/13916/ 5

Demenz zwischen den einzelnen medizinischen Fachdisziplinen -Geriatrie: - Spitalgeriatrie ist charakterisiert durch einen starken Fokus auf rehabilitative Aspekte, diese Tendenz durch DRG deutlich verstärkt (DRG frührehabilitative Komplexbehandlung ). Spezifische Kooperationen mit anderen Fachgebieten, insbesondere Traumatologie als sog. Gerontotraumatologie - Geriatrie im Pflegeheim und in der ambulanten Medizin hat stärkeren Fokus auf Demenz und end-of-life care, faktisch wird aber auch heute noch der grösste der Teil der entsprechenden Versorgung durch Hausärzte geleistet -(Geronto-)psychiatrie: - vgl. Referat Dr. Georgescu -Neurologie - Bedeutsam in der Diagnostik der Demenz, in der dementia care stationär wie ambulant weitgehend irrelevant -Innere Medizin - Spital: Faktisch hohe Bedeutung in der spitalinternen Betreuung von Patienten mit Demenz (in der Regel als Nebendiagnose resp. ohne Demenzdiagnose als Verwirrung ). Demenz im Ausbildungscurriculum Allgemeine Innere Medizin allerdings immer noch von untergeordneter Bedeutung - Ambulant: als Hausarztmedizin siehe oben Definition geriatrischer Patient Unter geriatrischen Patienten versteht man Menschen, die gebrechlich, in der Regel über 70-jährig, meist über 80-jährig sind, und die neben einer Multimorbidität (mehrere Krankheitsdiagnosen) an geriatrischen Syndromen leiden und mehrdimensional erkrankt sind. Zu den geriatrischen Syndromen zählen Delir / Demenz, Gangstörungen / Schwindel, Sturz, Immobilität, Malnutrition sowie Inkontinenz. Mehrdimensional erkrankt bedeutet, dass diese Patienten wesentliche funktionelle, soziale und/oder kognitive Defizite haben, die ihre Selbständigkeit bedrohen und eine Evaluation der Pflegebedürftigkeit notwendig machen. Grob D (2012) Neuste Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung Qualität der Gesundheitsversorgung: Qualitätsstandards in der Akutgeriatrie. Schriftenreihe des Instituts für Rechtsmedizin und Rechtspraxis, Universität St. Gallen, Band 78 6

1.2 Ziele der Weiterbildung Schwerpunkt Geriatrie Die Tätigkeit als Arzt/Ärztin mit dem Schwerpunkt Geriatrie erfordert erfordert Wissen, Fertigkeiten und Haltungen unter Berücksichtigung der folgenden Punkte: Kenntnis der altersabhängigen Faktoren mit Einfluss auf Gesundheit und Krankheit, Körper und Seele Folgen und Probleme der Multimorbidität Grundlagen und Möglichkeiten der Prävention, Risikofaktoren im Alter Betreuung von Betagten mit eingeschränkten Hirnfunktionen und den daraus resultierenden medizinischen und sozialen Problemen Rehabilitation und Behandlung von chronischen Krankheiten Konzepte der palliativen Medizin Begleitung von Sterbenden Schwerpunkt Geriatrie. Anhang 4 zum Weiterbildungsprogramm Allgemeine Innere Medizin http://www.fmh.ch/files/pdf17/aim_anhang_4_d.pdf 2. Dauer, Gliederung, weitere Bestimmungen 2.1 Die Dauer der Weiterbildung beträgt 3 Jahre: - zwei Jahre Geriatrie, davon mindestens 1 Jahr in einer Institution der Kategorie A - 1 Jahr Psychiatrie (mind. 50% klinische Alterspsychiatrie) Von den 3 Weiterbildungsjahren können maximal 2 Jahre gleichzeitig für den Facharzttitel Allgemeine Innere Medizin angerechnet werden 2.2 Voraussetzung für den Erwerb des Schwerpunktes ist der Facharzttitel Allgemeine Innere Medizin Schwerpunkt Geriatrie. Anhang 4 zum Weiterbildungsprogramm Allgemeine Innere Medizin http://www.fmh.ch/files/pdf17/aim_anhang_4_d.pdf 7

SPITAL PFLEGEHEIM HAUSARZT SPITEX Demenz zwischen den verschiedenen Settings Spital Pflegeheim Ambulante Versorgung (Hausarztmedizin und Spitex) Vier Säulen der Gesundheitsversorgung geriatrischer Patienten 8

9

Spital: Verkürzte Aufenthaltsdauer zu Hause: «ambulant vor stationär» -> im Pflegeheim: Die eintretenden Patienten sind stärker pflegebedürftig, kränker und instabiler -> das Pflegeheim wird «akuter», «spitalähnlicher», die Intensität der ärztliche Versorgung nimmt rasch zu Unnötige Hospitalisationen am Lebensende There was no significant difference in 30-day mortality rates between those initially treated in nursing homes (22%) and those initially treated in hospitals (31%; P =.15) or between those initially treated with an oral regimen in nursing homes (21%) and those initially treated with an intramuscular antibiotic in nursing homes (25%; P =.56). Naughton BJ et al (2000) Treatment guideline for nursing-home acquired pneumonia based on community practice. J AmGeriatr Soc 48: 82-88 Notfallärzte hospitalisieren Heimbewohner in akuten Notfällen sechs mal häufiger als Heimärzte Bellelli G et al (2001) The management of adverse clinical events in nursing homes: A 1-year survey study. J Am Geriatr Soc 49: 915-925 10

Institutionelle Risikofaktoren resp. protektive Faktoren für vermeidbare Hospitalisationen aus Pflegeheimen: Risikofaktoren: Kein Heimarzt vorhanden (1) Fehlende Möglichkeit im Pflegeheim, rasch Laborresultate durchführen zu können (1, 2) Protektive Faktoren: Einstellung der betreuenden Ärzte, Patienten wenn möglich im Pflegeheim behandeln zu wollen und eine Hospitalisation nur als letzte Möglichkeit vorzunehmen (2) Fähigkeit des Pflegepersonals, akute Veränderungen im Gesundheitszustand der Patienten wahrzunehmen und zu reagieren (1) Fähigkeit des Pflegepersonals, zielgerichtete mit Ärzten kommunizieren zu können (2) (1) Ouslander JG, Lamb G, Perloe M, et al. Potentially Avoidable Hospitalizations of NursingHome Residents: Frequency, Causes, and Costs. J Am Geriatr Soc 2010;58:627-635. (2) Young Y et al (2010) Factors Associated with Potentially Preventable Hospitalization in Nursing Home Residents in New York State: A Survey of Directors of Nursing. J Am Geriatr Soc 2010;58:901 907 11

Die Freiheit, unvernünftige Entscheidungen zu treffen... 12

Die Freiheit, unvernünftige Entscheidungen zu treffen... Demenz zwischen den verschiedenen Berufsgruppen Ärzteschaft Pflegende Therapien (Physio-, Ergo-, Logo-, Aktivierungs-) Sozialarbeitende Psychologie Angehörige / Laien 13

Angebot an Fachliteratur zum Thema Long term care, Buchhandlung Humana, Zürich-Stadelhofen, Juni 2010 Pflege, übriges Altenpflege Medizin, übriges Geriatrie Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 14