Stolpersteine Gelsenkirchen

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Transkript:

Stolpersteine Gelsenkirchen Eine Initiative von GELSENZENTRUM E.V. REGINA SPANIER, GEB. HERMANN Jahrgang 1868 Deportiert 1942 Ermordet 1943 in Riga Verlegeort: Florastrasse 84 Foto: Der STOLPERSTEIN für Regina Spanier Gertrud und Simon Reifeisen sowie die Großmutter Regina Spanier werden am 26. Januar 1942 in der Rundhalle auf dem Wildenbruchplatz in Gelsenkirchen gesammelt. Dorthin wurden alle Juden aus Recklinghausen, Dorsten, Lembeck, Marl, Herne und Gelsenkirchen gebracht. Am 27. Januar sind sie morgens um drei Uhr am Güterbahnhof in Gelsenkirchen "verladen" worden. Bei 30 Grad unter Null in unbeheiztem Wagen, ohne Wasser und sonstige Verpflegung führte die Deportationsroute von Gelsenkirchen über Dortmund und Hannover, unterwegs nahm der Deportationszug weitere Menschen auf. Der Transport endete am Rigaer Bahnhof und bestand aus insgesamt etwa 1000 Personen. Regina Spanier ist bei der Liquidierung des Ghettos Riga umgekommen. Simon Reifeisen wird 1942 bei der "Tötungsaktion Krebsbach" im KZ Kaiserwald/Riga ermordet. Gertrud Reifeisen wird ebenfalls vom Ghetto Riga in das KZ Kaiserwald überstellt und von dort in das KZ Stutthof bei Danzig gebracht. Ihr Todesdatum wird mit dem Jahr 1945 angenommen. Für Simon und Gertrud Reifeisen wurden in Dorsten STOLPERSTEINE verlegt, da sie dort ihren Lebensmittelpunkt hatten. Regina Spanier, geborene Hermann. Geboren am 14. Mai 1868. Ermordet im November 1943 im KZ Riga Frau Schulte-Huxel, die Patin des STOLPERSTEINS für Regina Spanier, hat im Bildungszentrum Gelsenkirchen nach der Verlegung des STOLPERSTEINS folgenden Text verlesen: Ein STOLPERSTEIN - zur Erinnerung an Frau Regina Spanier, verlegt am 13. Juli 2009 in Gelsenkirchen, Florastrasse 84 Frau Spanier wird am 14. Mai 1868 als älteste von 6 Kindern der Familie Herrmann in Landsberg im Kreis Warthe geboren. Sie heiratet den Kaufmann Julius Wilhelm Spanier und

zieht nach Herford. Hier werden 4 Kinder geboren: Arthur, Willy, Erna und Gertrud. Die Söhne Arthur und Willy Spanier dienen als Soldaten im 1. Weltkrieg, der ältere Arthur betreibt einen Tabakhandel und wohnt mit der Familie in Herford. Erna Spanier heiratet Alfred Jastrow und sie werden in Essen ansässig. 1924 kommen Regina und Julius Wilhelm Spanier mit den Kindern Willy und Gertrud nach Gelsenkirchen. Vater und Sohn betätigen sich als Kaufleute, die Tochter Gertrud arbeitet als Kontoristin. Foto: Julius Wilhelm Spanier, der Ehemann von Regina im Jahre 1929 Im gleichen Jahr, am 26. Oktober 1924 heiraten beide Geschwister. Willy Spanier und Claire Heumann sowie Gertrud Spanier und Simon Reifeisen feiern eine Doppelhochzeit im "Hotel Berliner Hof" in Gelsenkirchen. Die Ehe von Willy Spanier bleibt kinderlos, Gertrud und Simon Reifeisen bekommen 1926 in Dorsten eine Tochter. Die Familien Spanier und Reifeisen haben viel Familiensinn. Man trifft sich oft an den Wochenenden oder zu den Hohen Jüdischen Feiertagen in Dorsten, Herford oder Gelsenkirchen. 1935 stirbt der Vater Julius Wilhelm Spanier. Er ist in Gelsenkirchen auf dem Jüdischen Friedhof begraben. Foto: Der Hof der damalige Franz-Seldte-Strasse 84 im Jahre 1936. Die hinteren Gebäude waren Warenlager für einen Obsthändler. An der rechten Seite befand sich eine Autowerkstatt - Siegmund Reifeisen, der Schwiegersohn von Regina Spanier steht vor der Tür. Am 28. Oktober 1938 fand die so genannte "Polen-Aktion" der Nazis statt. In einer reichsweit koordinierten Aktion werden alle Juden polnischer Herkunft und ihre Familien verhaftet und nach Bentschen (Zbąszyń) in Polen abgeschoben. Dazu gehörte auch Familie Reifeisen. Nach 6 Monaten darf die Familie Reifeisen im März 1939 befristet für 4 Wochen wieder nach Deutschland einreisen, um das eigene Geschäft in Dorsten abzuwickeln. Aber die Nazis hatten schon in der kurzen Zeit das Geschäft ausgeräumt und einem Parteimann übergeben. Auch die Wohnung in Dorsten dürfen sie nicht mehr beziehen. Sie kommen nach Gelsenkirchen zur Großmutter Regina Spanier in die Franz-Seldte-Straße 84 (heute Florastraße 84). Das Haus sieht hier auf dem Bild sehr groß aus, aber 1939 darf die Familie Spanier/Reifeisen nur noch das Parterre bewohnen, da viele andere Personen zwangsweise in das Haus und den Anbauten einquartiert wurden.

So berichtet Gertrud Reifeisen am 20. August 1940 in einem Brief an ihre Tochter in Schweden: Habe ich dir geschrieben, dass Oma ihr Speisezimmer verkauft, dann sind sämtliche Teile aus dem Wohnzimmer verkauft, und das Zimmer müssen wir an Frau Nussbaum abgeben. Du kennst ja wohl noch die Ruth Nussbaum. Der Mann war ja mit Vati zusammen fort und ist gestorben. Also die Frau mit den 3 Kindern ziehen zu uns in die Wohnung. Das kleinste Mädelchen ist 3 Jahre alt, und ein niedliches Kind. Es ist ja nicht sehr angenehm für Oma, denn die Unruhe wird groß werden, aber es lässt sich nicht ändern." Simon Reifeisen arbeitet zunächst als polnischer Dolmetscher, dann wird er im November 1939 in das Gefängnis von Gelsenkirchen eingesperrt. Ilse Reifeisen darf ihren Vater Anfang Dezember 1939 im Gefängnis besuchen. Sie sehen sich dort zum letzten Mal, denn Ilse gelangt noch im gleichen Monat mit einem Kindertransport von Berlin nach Schweden. Von Ende Dezember 1939 bis zur Deportation im Januar 1942 schreiben die Eltern und die Großmutter von Gelsenkirchen aus dem Haus Franz-Seldte-Str. 84 regelmäßig Briefe an die Tochter bzw. Enkeltochter Ilse Reifeisen in Schweden. Ein großer Teil dieser Zeitdokumente ist erhalten geblieben. Foto: Regina Spanier mit ihrer Enkelin Ilse Reifeisen im Jahre 1935. Ilse lebt heute in Schweden. Es sind natürlich zunächst persönliche Briefe der Eltern an eine 13jährige Tochter in der Fremde mit dem Inhalt: Wie sie sich zu benehmen hat, was sie anzuziehen hat und immer wieder die Ermahnung ja viel zu lernen. Aber die Tochter wird auch mit Aufgaben überhäuft. Stellen Sie sich eine 13jährige vor, die an die unterschiedlichsten Behörden, an irgendwelche Bekannte und Freunde im Ausland schreiben soll, um auf die Not der Eltern und Großmutter in Deutschland aufmerksam zu machen und immer wieder versuchen soll, eine Ausreise für die Eltern zu erwirken. Nebenbei musste sich Ilse in die neue Umgebung in Schweden, die Pflegeeitern, die neue Sprache und Schule eingewöhnen. Ein sehr schweres Unterfangen für ein Kind.

Diese Briefe geben aber auch gut einen Einblick in die Situation in Gelsenkirchen wider. Zunächst setzt Gertrud Reifeisen alles daran, ihren Mann aus dem Gelsenkirchener Gefängnis zu befreien, was ihr nach ca. 1 Jahr gelingt. Dann versucht das Ehepaar verzweifelt, zu emigrieren, zunächst nach Russland, Ukraine, China, dann später nach Bolivien, Chile, USA, Israel, Schweden. In einem Brief vom 5. April 1940 heißt es: Und hast du bemerkt, dass wir für Vati unbedingt eine Ausreise haben müssen! Sie sollen sich bemühen und genau erkundigen! Ich befürchte, dass unsere Ausreise nach Palästina nun doch nicht klappen wird, auch werde ich die Visums nach Bolivien nicht mehr bekommen, da wieder eine Sperre eingesetzt hat. Wir könnten den Landweg nach Changhai nehmen..." und weiter Ostern war hier sehr schönes Wetter, spazieren gehen wir aber nicht! Hierzu fehlt mir vollständig die Ruhe, ich bin immer am Grübeln, wie bekommen wir Vati heraus! Und wohin?" Sie versuchen immer wieder Personen aus dem Familien- oder Bekanntenkreis über die Tochter in Schweden für eine Ausreise-Bürgschaft zu gewinnen. Aber sie bekommen nur Absagen. Bis zum Schluss geben sie die Hoffnung nicht auf, ausreisen zu können. Im März 1941 können wir noch in einem Brief lesen: Was sagst du dazu, dass wir ein Affidavit in Aussicht haben? Hoffentlich erleben wir keine Enttäuschung..." Aber ein paar Monate später im Dezember 1941 schreibt Gertrud Reifeisen: Hat das Auswärtige Amt bereits geantwortet? Können wir noch mit einem Visum rechnen? Ich hoffe immer noch bis zum letzten Augenblick! Und selbst wenn wir jetzt nach dem Osten kommen, so haben wir vielleicht durch das Einreisevisum nach Schweden noch eine Chance. Man darf den Mut nicht sinken lassen." Im November 1941 bekommen sie die Nachricht von einer Evakuierung in den Osten. Gertrud berichtet an ihre Tochter: Ich muss dich leider vorbereiten, dass wir etwa Anfang Dezember 41 nach Polen und zwar mit Oma gehen. Arthur und Alfred werden uns noch folgen...ich habe für Oma & mich eine warme Mütze gearbeitet, auch Pulswärmer aus alten Socken von Vati. Dann habe ich aus Katzenfellen einen Brustschützer." Und im Dezember beantwortet die Mutter die Fragen der Tochter: Nein, mein Liebchen, wohin wir kommen, wissen wir nicht; die Oma begleitet uns. Ich schrieb dir ja bereits, dass wir 1 Koffer und 1 Rucksack mitnehmen, falls wir also mit den Sachen ankommen, sind wir für die erste Zeit versorgt, bedauerlich ist nur, dass wir keine Betten mitnehmen. Nun warum soll ich es dir ausmalen bevor wir dort sind und ich dir hoffentlich die Tatsachen berichten kann, und vielleicht sehe ich auch zu schwarz. Täglich danke ich dem Herrgott, dass Du dort gut aufgehoben bist und Dir all dies erspart bleibt!" Ein paar Wochen später, im Januar 1942 merkt man die Verzweiflung der Eltern. Ich zitiere aus den letzten Briefen vom 5., 12., 14. und 16. Januar 1942: Am 20.1. geht wieder ein Transport, ob wir ihm angeschlossen werden; wissen wir noch nicht, wenn ich nur daran denke, bekomme ich eine Gänsehaut"....Von Onkel Arthur erhielten wir heute morgen die Nachricht, dass sie am 19.d.M. nun fortkommen, wir selbst rechnen stündlich mit der Benachrichtigung. Wohin die Reise geht wissen die Herforder nicht, die Ungewissheit ist schlimm. Wie mir Samstag gesagt wurde, dürfen wir nun Betten mitnehmen, wenigstens ein Lichtblick in dieser Kälte." Soeben erhalte ich von Onkel Arthur ein Telegramm, das der Transport unbestimmt verschoben, wir freuen uns mit ihm. Uns wurde der 25.1. angegeben, also - falls keine Änderung eintritt, kann ich dir ab 22.1. nicht mehr schreiben.. Für Oma versuchen wir zu reklamieren, hoffentlich mit Erfolg! Denn so eine radikale Lebensumstellung ist für eine 74jährige Frau keine Kleinigkeit... Wir machen uns nun zum 25. fertig.... Gebe es Gott, dass nochmals eine Verzögerung eintritt, für jeden Tag, den ich noch in meinem Bette, im warmen Zimmer zubringen kann, danke ich meinem Schöpfer, das Gespenst der Evakuierung steht ständig vor mir. Hoffentlich kommt Oma mit der Reklamation durch. Sodass ihr wenigstens das Los erspart bleibt." Der Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen. Die Oma, Regina Spanier, wird mit ihrer Tochter Gertrud Reifeisen, ihrem Schwiegersohn Simon Reifeisen und vielen anderen Juden aus

Gelsenkirchen, Dorsten, Recklinghausen, Herten, Marl in Gelsenkirchen am Wildenbruchplatz gesammelt und am 27. Januar 1942 nach Riga deportiert. Bei der Liquidierung des Ghettos Riga 1943 wird Regina Spanier ermordet. Ihre Kinder Arthur, Erna und Gertrud Spanier sowie die jeweiligen Ehepartner und weitere Verwandte werden ebenfalls ermordet. Die Enkelin, Elise Hallin- Reifeisen, jetzt 82 Jahre alt, konnte heute nicht teilnehmen. Sie schreibt: Ich denke sehr viel in diesen Tagen an die Stolpersteinlegung für meine Großmutter, sehe aber ein, dass ich jetzt zu alt bin, um auch dabei zu sein. Finde den Gedanken sehr schön mit einem Gebet für die Toten bei dieser Gelegenheit. Ich bin sicher, dass alles feierlich wird und danke allen für diese Initiative." Dorsten, im Juli 2009. Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel Die historischen Fotos wurden freundlicherweise von E. C. Schulte-Huxel, Jüdisches Museum Westfalen in Dorsten, zur Verfügung gestellt. Projektgruppe STOLPERSTEINE in Gelsenkirchen, Juli 2009.