Nachrichtensendungen im privaten Rundfunk Ein Positionspapier der DLM

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Transkript:

Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) Nachrichtensendungen im privaten Rundfunk Ein Positionspapier der DLM A. Nachrichtenprogramme als Beitrag zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe 1. Das Veranstalten von privatem Rundfunk ist in Deutschland an die Bedingung gebunden, dass sich auch diese Form von Rundfunk im Vergleich zum öffentlichrechtlichen Rundfunk freilich abgestuft an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe beteiligen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Grundsatz zuletzt in seinem Gebührenurteil vom 11. September 2007 (Erster Senat) und seinem Urteil zur Beteiligung der Parteien am Rundfunk vom 12. März 2008 (Zweiter Senat) noch einmal bestätigt. 2. Diese Verpflichtung des privaten Rundfunks konkretisiert sich allgemein in den Anforderungen an die Meinungsvielfalt und den Verpflichtungen zur Aufnahme von regionalen Fenstern und Drittsendezeiten. Sie konkretisiert sich im Besonderen in einem nach Qualität, Umfang und Platzierung angemessenen Angebot an Information, insbesondere von Nachrichten. Dies gilt seit 1992 zumal für Vollprogramme, unter denen der Gesetzgeber ein Rundfunkprogramm mit vielfältigen Inhalten versteht, ein Angebot, in welchen Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden ( 2 RStV).

2 Sowohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes als auch der Rundfunkstaatsvertrag legen also je auf ihre Weise fest, dass es nicht in das Belieben privater Vollprogrammveranstalter gestellt ist, Nachrichtensendungen, die den harten Kern von Informationsprogrammen bilden, entweder anzubieten, oder einfach auf sie zu verzichten, oder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Budgets teilweise sogar über die Einnahmeausfälle hinaus zu kürzen. Vielmehr gilt: Informationen über das aktuelle Zeitgeschehen und seine Hintergründe sind ein Wesensmerkmal von Rundfunk, zumal von Vollprogrammen, das nicht zur freien Disposition steht. Diese publizistische Verpflichtung für reichweitenstarke Massenmedien gilt auch in Zeiten der Konvergenz. Sie relativiert sich nicht durch neue Nachrichtenangebote, beispielsweise im Internet. Rundfunkangebote gehören auch in der digitalen Welt zu den am meisten genutzten Medien. Das Fernsehen ist nach wie vor das mit Abstand wichtigste Medium für die Informations- und Meinungsbildung in der Gesamtbevölkerung. 25 Jahre nach Einführung des privaten Rundfunks haben sich jedoch die Gewichte verschoben. Die Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erreichen überwiegend die älteren Nutzer und nur noch in vergleichsweise geringem Umfang die jüngere Bevölkerung. Jüngere Zuschauer nutzen Fernseh- Nachrichtensendungen inzwischen hauptsächlich im privaten Fernsehen, wie die Auswertung der Reichweiten der Nachrichtenangebote auf Basis der AGF/GFK- Fernsehforschung zeigt. Diese spezifische Nutzungssituation verweist zusätzlich auf die Bedeutung und die Verantwortung der privaten Sender für Nachrichten im dualen System. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen auf die Defizite einer reinen Marktsteuerung hingewiesen und die Notwendigkeit von spezifischen Regelungen für das gesamte Rundfunksystem deutlich gemacht.

3 3. Inwieweit der private Rundfunk seinen Beitrag zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe Rechnung leistet, bemisst sich konkret an Aufwand, Platzierung, Umfang und Qualität des Nachrichtenangebots. Solange die dabei vorausgesetzten Standards unstrittig sind und überwiegend umgesetzt werden, bedarf es keiner weiteren Konkretisierungen. Davon ausgehend hat der Gesetzgeber bisher weder eine quantitative noch eine genauere qualitative Spezifizierung für Nachrichtenprogramme privater Programme vorgenommen (vgl. 2 Abs. 2, Nr. 3, 14 RStV), ebenso wenig bestimmte Zeiten für die Ausstrahlung vorgegeben oder gar mit Blick auf die Qualität einen unverzichtbaren Mindestaufwand in zeitlicher oder finanzieller Hinsicht festgelegt. Der Gesetzgeber hat bisher ebenfalls nicht weiter konkretisiert, ob und wie Nachrichtensendungen von einem Sender selbst produziert werden müssen oder ob sie z. B. sendefertig eingekauft werden können. Für Radio und Fernsehen reicht bei einer Lizenzierung als Vollprogramm derzeit aus, dass Nachrichten gesendet werden, ohne dass auf eine explizit eigenständige publizistische Leistung abgehoben würde. Ob dies mit der gesetzlichen Bestimmung des Vollprogramms vereinbar ist, ist, musste bisher nicht geklärt worden. Dass von einem Sender redaktionelle Kapazitäten vorgehalten werden müssen, wurde ebenfalls als selbstverständlich angenommen, weil ein Sender andernfalls seine Programmveranstaltung faktisch an den Zulieferer ( Verkäufer ) abgeben würde. 4. Die konkrete Umsetzung von quantitativen und qualitativen Nachrichtenstandards in den Programmalltag ist zwar immer wieder in die Kritik geraten. Da es sich jeweils um kleine Veränderungen handelte, hat sie nie zu weiter reichenden oder gar einschneidenden Konsequenzen durch die Regulierung geführt. Mittlerweile hat sich jedoch an den Rahmenfaktoren zwar meist in kleinen Schritten, in der Summe jedoch so viel verändert, dass Handlungsbedarf entstanden ist. Aus-

4 weislich der Zahlen, die die ALM für ihren Programmbericht seit 1998 erhebt, hat sich der Umfang bei einzelnen Sendern teilweise halbiert. In einigen Fällen sind Nachrichtenzeiten immer mehr in weniger attraktive Programmzeiten, teilweise auf Programmplätze nach Mitternacht verschoben worden. Auch die Inhalte bei einigen Programmen zeigen in einem erheblichen Umfang, dass und wie sie unter den Druck von Boulevardisierung und Selbstreferentialität geraten sind. Dies hat zu Angeboten geführt, die mit einem angemessenen Verständnis von Nachrichten oft nur schwer in Einklang zu bringen sind. Dieser Prozess einer Erosion des Selbstverständlichen hat, verbunden mit Erwägungen, Nachrichten generell zur Disposition zu stellen, eine Situation geschaffen, in der das Selbstverständliche explizit konkretisiert werden muss. Zugleich ergibt sich aufgrund der Erfahrungen mit der Kategorie Vollprogramm die Notwendigkeit zu prüfen, ob diese Kategorie in Verbindung mit den bisher näheren gesetzlichen Bestimmungen allein noch geeignet ist, ein angemessenes Nachrichtenangebot und damit publizistische Vielfalt zu sichern. B. Konkretisierung der Rechtslage durch Selbstverpflichtung 1. Dem Gedanken der regulierten Selbstregulierung folgend könnte angesichts der unübersehbaren Defizite eine Konkretisierung der Rechtslage in Form einer Selbstverpflichtung der Veranstalter vorgenommen werden. Was den Umfang von Nachrichtensendungen (Anteil am Gesamtprogramm in Prozent) und deren Platzierung betrifft, sollten im Rahmen einer solchen Selbstverpflichtung die Daten von 2007 als Maßstab gesetzt werden. Die Details dieses Referenzjahres sind dem ALM-Programmbericht 2007 zu entnehmen. Dabei bleibt zu beachten, dass unabhängig von Umfang und Platzierung der Angebote an Nachrichtensendungen in ausreichendem Umfang auch solche Programme angeboten werden müssen, die primär und erkennbar der Information des Publikums dienen (vgl. zu den Formaten 2 Abs. 2, Nr. 14 RStV).

5 2. Nicht zuletzt die hohen Kosten von qualitativ angemessenen Nachrichten (Redaktion, Korrespondentennetz, Exklusivität) haben dazu geführt, dass sich die beiden großen privaten Sendergruppen in Deutschland mit Blick auf Synergien - verschieden intensiv - mit speziellen Informationsprogrammen verbunden haben, bei denen sie Nachrichten ganz oder teilweise abrufen oder einkaufen. Eine Auslagerung der Nachrichtenproduktion aus einem Vollprogramm in ein entsprechendes Spartenprogramm ist grundsätzlich möglich. Sie befreit jedoch den ausstrahlenden Sender nicht von der rundfunkrechtlichen Programmverantwortung. Insoweit sollte eine am Maßstab der Meinungsvielfalt ausgerichtete Bewertung der Faktoren eigene Nachrichteninfrastrukturen des Nachrichtenveranstalters im Verhältnis zu gekauften Nachrichten-Inhalten vorgenommen werden. Zur Legitimation überwiegend zugelieferter Nachrichten erscheint ein festgelegter Mindestaufwand mit Blick auf eine Referenzgröße (z.b. Minutenpreis; Prozentsatz am Gesamtaufwand des Programms, Werbenetto o. ä.) sinnvoll und praktikabel. 3. Eine Verständigung über diese Konkretisierungen ist ein notwendiger nächster Schritt. Dazu bieten die Landesmedienanstalten Gespräche mit den Veranstaltern an. Sie verstehen eine Klärung dieser Fragen auch als Beitrag zu einer öffentlichen Diskussion über die Perspektiven des dualen Systems. (vgl. dazu das ALM - Papier Der Preis der Qualität vom November 2009). 4. In eine solche Klärung sollte der bereits eingeleitete Dialog über Anreizfaktoren, die den privaten Rundfunk und seine Zukunft als Ganzes betreffen, einbezogen werden. Dabei geht es auch darum, solche Rundfunkanbieter, die sich den genannten Aufgaben stellen, nicht schlechter zu stellen als solche, die keine vergleichbaren Inhalte

6 erzeugen. Auf diese Weise lässt sich einer möglichen Flucht aus dem Vollprogramm entgegenwirken Parallel zu einer Rückkehr zu den Standards für Nachrichtensendungen und einer Präzisierung ihres Rahmens sind alle Bemühungen zu unterstützen, die einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage privater Veranstalter dienen. Eine Reihe von Anreizen könnte sich durch wirtschaftlich erwünschte Effekte positiv auf die spezielle Problematik von Sendungen auswirken, die auf ihrem Sendeplatz auch deshalb nicht refinanzierbar sind, weil für dieses Format nach wie vor besondere Werbeeinschränkungen gelten müssen. Verbesserungen der Werbeeinnahmen stehen naturgemäß im Zentrum der Bemühungen (Einzelspoterlaubnis, Product Placement, Werbeeinschränkungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk), aber auch Verbesserungen im Urheberrecht oder Aspekte wie must-carry bzw. must-be-found. In diesem Kontext ist jedoch auch an solche Anreize zu erinnern, die die Entwicklung des privaten Fernsehens in der Vergangenheit bereits entscheidend beeinflusst haben, wie etwa die kostenlose Vergabe terrestrischer Frequenzen als Grundlage der Reichweiten von heute, oder der Sendergruppenbezug im Zuschaueranteilsmodell. Doch auch die Suche nach möglichen neuen Finanzierungsquellen darf den Blick dafür nicht verstellen, dass auch im privaten Rundfunk die Rendite nicht das einzige Unternehmensziel ist (siehe auch unter A1 und D). C. Konkretisierungen der Rechtslage durch Richtlinien und Gesetz 1. Für den Fall, dass ein Bemühen um eine Selbstverpflichtung ohne zeitnahe Ergebnisse bleibt, werden die Landesmedienanstalten eine Richtlinie nach 33 i. V. m. 25 RStV vorlegen, die eine Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen im hier vorgeschlagenen Sinn vorsieht.

7 In dieser Richtlinie werden im Einzelnen konkretisiert werden: - die Anforderungen an ein Vollprogramm gem. 2 Abs.2 Nr.3 RStV; - Anforderungen an Information ( 2 Abs.2 Nr.14 RStV) in Vollprogrammen und Spartenprogrammen mit dem Schwerpunkt Information; - Anforderungen an Nachrichten (Standards, Umfang, Platzierung, Aufwand) in Vollprogrammen. 2. Solche Konkretisierungen des geltenden Rechts sind keine Eingriffe in die Inhalte. Sie klären vielmehr den Rahmen, in dem Nachrichtensendungen stattfinden. Die Rundfunkgesetzgebung schließt unter Beachtung der durch Art. 5 gewährleisteten Rundfunkfreiheit bis auf wenige, genau bestimmte Ausnahmen (Jugendschutz, Verletzungen der Menschenwürde usw.) Eingriffe des Regulierers in die Programminhalte aus. Eine Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für Nachrichtensendungen, wie sie hier auf der Grundlage des geltenden Rechts vorgeschlagen wird, respektiert in vollem Umfang die Integrität der Inhalte. 3. Der Gesetzgeber muss nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt gewährleisten. Dies könnte ihn, falls eine Selbstregulierung oder auch eine Richtlinie sich als wirkungslos oder als nicht mehr zeitgemäß erweisen sollten, veranlassen, gänzlich neue Modelle zu entwickeln, um die Einhaltung des Rundfunkrechts auch unter veränderten Bedingungen zu sichern. So könnte der Gesetzgeber die Informationspflicht für reichweitenstarke Sender gesetzlich konkretisieren. Er könnte zunächst den Bezugspunkt Vollprogramm ( 25 Abs.4 Satz 1 RStV) durch eine ausschließliche Anknüpfung an der Reichweite ersetzen und dies mit einer Sicherstellung der ausreichenden Finanzierung verbinden, wie es auch bei den regionalen Fenstern und den Drittsendezeiten geschehen ist. Dies würde insbesondere für den Fall gelten, dass die Nachrichten vollständig zugeliefert werden.

8 Die Entwicklung von speziellen Informationssendern in den Sendergruppen, die primär ökonomische Gründe hat, zeigt, dass die bisherige Anknüpfung an die Marktanteile einzelner Programme möglicherweise allein nicht mehr ausreicht, um die Voraussetzungen der Informationsvielfalt zu sichern. Deswegen könnte der Gesetzgeber darüber hinaus neben dem einzelnen Programm auch noch an die Reichweite von Sendergruppen anknüpfen und diese mit der o. g. Informationspflicht belegen. Auch dieser Ansatz könnte durch eine Neudefinition der Privilegienseite solcher Rundfunkveranstalter ergänzt werden, die sich den genannten Aufgaben in angemessenem Maße oder gar darüber hinaus stellen. D. Der Preis der Qualität 1. Die eigenständige Leistung wird für Fernsehnachrichten auf Dauer nicht nur dadurch gesichert, dass nur quantitative Anteile an Nachrichten und Sendeplätzen festgelegt werden. Auch die Qualität der Präsentationsformen von bewegten Bildern, die professionell betriebene Beschaffung und Prüfung von Quellen und ihrem Rang auf der aktuellen Agenda hat der Gesetzgeber als unverzichtbar und daher nicht verhandelbar vorgegeben. 2. Die Radioentwicklung gibt Anlass, die Entwicklung der Inhalte besonders zu beachten. Sie zeigt, dass durch Sparmaßnahmen auch ohne Reduzierung der Umfänge die eigenständige publizistische Leistung praktisch verschwinden kann. 3. In allen Anstrengungen, die unternommen werden müssen, geht es immer um die Relation von finanziellem Aufwand und Qualität des Inhalts (siehe dazu das ALM -

9 Papier Der Preis der Qualität ). Zum Bemühen um gesetzeskonforme Nachrichtenangebote gehört immer auch die Sorge um die dafür notwendigen Einnahmen. Die Landesmedienanstalten verstehen sich als diejenigen, die sich um beides zu kümmern haben. Stuttgart, 1. März 2010