Verfahren zur Beurteilung der Leistung des Verwaltungsrates



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Transkript:

Eric Honegger Verfahren zur Beurteilung der Leistung des Verwaltungsrates Unerlässliche Selbstevaluation Corporate Governance als Massstab Es ist schwierig, die effektive Leistung eines Verwaltungsrates richtig zu beurteilen. Dennoch wir es häufig versucht mit unterschiedlichem Erfolg. Der Mangel an Informationen steht einer gerechten Evaluation häufig im Weg. Darunter leidet nicht nur der Verwaltungsrat, sondern vor allem auch das Unternehmen. Als ehemaliger Präsident und Mitglied verschiedener Verwaltungsräte in guten wie in schlechten Zeiten konnte ich einschlägige Erfahrungen sammeln. Die Lehre, die ich daraus gezogen habe, lautet: Der Verwaltungsrat selbst muss ein Interesse daran haben, verlässliche Informationen über seine Leistung aufzubereiten. Dies ist kein einfaches Unterfangen. Wer es anpackt, wird seine Verantwortung in einem systematischen Rahmen wahrnehmen können und auch mit einer Festigung des Verwaltungsrates als Team belohnt werden. steht es mit dem Verwaltungsrat? Wer evaluiert die Leistung des obersten Führungsorgans der Unternehmung? Diese Komponente der Unternehmungsführung wird häufig vernachlässigt. In der Tat ergab eine kürzlich von der CEI Competitive Edge Investments Group durchgeführte Umfrage, dass sich nur eine Minderheit von Verwaltungsräten der grossen Unternehmen in der Schweiz systematisch beurteilt. Bei den KMU dürfte das Verhältnis kaum besser sein. Der Verwaltungsrat hat bekanntlich dafür zu sorgen, dass die Eigentümerinteressen in unternehmerische Leistung umgesetzt werden. Ganz unabhängig von der gesetzlichen Verantwortung nimmt er damit eine zentrale Funktion im Dreiecksverhältnis Aktionär Verwaltungsrat Management ein. Und ausgerechnet diese anspruchsvolle Leistung soll von niemandem seriös beurteilt werden? Das kann weder im Sinne des Aktionärs noch des Verwaltungsrats selbst sein. 1. Mehrwert für das Unternehmen dank Leistungsbeurteilung 1.1 Evaluation des obersten Führungsorgans In gut geführten Unternehmen entgeht dem Controlling fast nichts. Auftauchende Probleme werden in der Regel früh erkannt, so dass Massnahmen ergriffen werden können, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Wo immer in der operativen Führung Entscheidungen getroffen werden, sollen sie in ein System von Steuerung und Kontrolle eingebettet sein. Aber wie Eric Honegger, Dr. phil I, CE Services, ehem. Regierungsrat und VR versch. Gesellschaften (u.a. ehem. Präsident SAirGroup und NZZ), Thalwil/ZH e.honegger@c-e-i-g.ch 1.2 Mehrwert durch den VR Die Qualität eines Verwaltungsrates misst sich am Mehrwert, den er für das Unternehmen schafft. Indem er die Pflichten gemäss Obligationenrecht erfüllt, genügt er zwar den gesetzlichen Anforderungen. Damit macht sich der Verwaltungsrat aber für das Unternehmen noch nicht unbedingt unentbehrlich. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Unternehmen aus dessen Führungs- und Aufsichtsqualitäten einen Nutzen zieht, den es ohne Verwaltungsrat vermissen würde. Entscheidend ist also nicht nur, dass der Verwaltungsrat seine Verantwortung wahrnimmt, sondern vor allem wie er das tut. Der Schweizer Treuhänder 9/03 723

Zu Recht versuchen institutionelle Investoren und Rating Agenturen in ihre Beurteilung eines Unternehmens mehr und mehr auch die Qualität des Verwaltungsrates einzubeziehen. Dieses Unterfangen scheitert aber in aller Regel daran, dass keine seriösen Informationen über die Arbeit des Verwaltungsrates verfügbar sind. Die Resultate des Unternehmens können dafür jedenfalls kaum herangezogen werden. Denn von aussen ist schwer zu ermitteln, ob sich die effektive Leistung des Verwaltungsrates positiv oder negativ auf die Geschäftsergebnisse ausgewirkt hat. 2. Wer kann die Leistung des VR wirklich beurteilen? 2.1 Im Verantwortungsbereich des VR Dass die Leistung des Verwaltungsrates seriös beurteilt werden sollte, ist heute weitgehend unbestritten. Nur wenige stellen sich auf den Standpunkt, die Evaluation des obersten Führungsgremiums eines Unternehmens erfordere einen Aufwand, der nicht zu rechtfertigen sei. Doch wer soll die Beurteilung tatsächlich vornehmen? Das Management kann sich durchaus ein Bild von der Arbeit des Verwaltungsrates machen. Es arbeitet eng mit dem Verwaltungsrat zusammen und nimmt nicht selten mindestens teilweise auch an den Sitzungen des Verwaltungsrates teil. Zum Beispiel im Rahmen einer 360 Beurteilung des Verwaltungsrates könnte das Management einen durchaus wertvollen Beitrag liefern. Als Organ, das vom Verwaltungsrat eingesetzt und beaufsichtigt wird, kann dies aber nicht seine Aufgabe sein. Dasselbe gilt für die interne Revision, die dem Verwaltungsrat rapportiert und höchstens die Qualität dessen Aufträge sowie dessen Umgang mit den Revisionsberichten beurteilen könnte. Immerhin wäre es denkbar, dass die interne Revision im Auftrag des Verwaltungsrates Daten liefern würde, die zur Beurteilung dessen Arbeit herangezogen werden können. 724 2.2 Ausserhalb des Verantwortungsbereiches des VR Die Aktionäre vermögen die effektiven Leistungen des Verwaltungsrates kaum zu beurteilen. Zwar hat dieser im Jahresbericht an die Generalversammlung über das Resultat seiner Bemühungen Bericht zu erstatten. Doch werden die Aktionäre dadurch nicht in die Lage versetzt, die effektiven Leistungen des Verwaltungsrates zweckmässig zu beurteilen. Sie sind zu weit weg vom Geschehen und verfügen deshalb nicht über die kritischen Informationen, die für eine Evaluation ihres Verwaltungsrates nötig wären. Die externe Revision wäre wohl in der Lage, einen interessanten Beitrag an die Evaluation des Verwaltungsrates zu liefern. Dank der Revisionstätigkeit erhält sie zweifellos einen tieferen Einblick in das Sitzungszimmer des Verwaltungsrates als andere. Die Beurteilung des Verwaltungsrates fällt aber explizit nicht in den Aufgabenbereich der externen Revision und diese wird sich aus rechtlichen Gründen auch davor hüten, auf diesem Feld aktiv zu werden. Theoretisch in Frage kommen auch Beratungsunternehmen, die nicht selten zusammen mit dem Verwaltungsrat strategische Projekte erarbeiten. Ihre Sicht wäre allerdings projektspezifisch und wegen ihrer Stellung als Auftragsnehmer mit Vorsicht zu geniessen. Dass Rating Agenturen, institutionelle Investoren und auch Analysten kurz der Markt zwar daran interessiert sind zu wissen, welchen Mehrwert der Verwaltungsrat für ein Unternehmen darstellt, ist schon erwähnt worden. Aber ebenso klar ist, dass die Informationen dazu äusserst mangelhaft sind. 2.3 Selbstbeurteilung des VR Wenn kein Dritter die Leistungen des Verwaltungsrates schlüssig prüfen kann, muss er es selbst tun. Vor diesem Hintergrund sind denn auch die verschiedenen Empfehlungen zur Selbstbeurteilung zu sehen, die in jüngster Zeit publiziert worden sind. So fordert etwa der Swiss Code of Best Practice, herausgegeben von der Economiesuisse, dass der Verwaltungsrat «jährlich seine Leistung und jene seines Präsidenten» evaluiert. Wie dies geschehen soll, bleibt freilich offen. In schweizerischen Unternehmen ist das Mittel der Selbstevaluation denn auch weitgehend unbekannt. Dies bestätigt auch die oben erwähnte Studie der CEI Competitive Edge Investments Group, indem nur gerade in rund einem Viertel der befragten Unternehmen nach eigenen Aussagen der Verwaltungsrat seine Leistung einer systematischen Selbstbeurteilung unterzieht. Weiter fortgeschritten ist das Self-Assessement des Verwaltungsrates in US- Firmen, wo offenbar der Druck der Investoren auf transparente Verwaltungsratsleistungen grösser ist als vorderhand in Europa. Es ist denn auch nicht erstaunlich, dass die beste Literatur zum Thema aus den Vereinigten Staaten stammt und die Technik zur Selbstevaluation in der amerikanischen Praxis schon recht weit fortgeschritten ist. 3. Corporate-Governance- Ziele als Messlatte 3.1 Wichtiger Zielsetzungsprozess Wer seine eigene Leistung beurteilen will, muss diese anhand von klar definierten Kriterien an formulierten Zielen messen können. Es genügt nicht, sich im luftleeren Raum periodisch die Frage zu stellen, wie man gearbeitet hat und welche Konsequenzen daraus für die Zukunft zu ziehen sind. Wenn der Verwaltungsrat also seine eigene Leistung beurteilt, muss das nachvollziehbar sein. Er hat deshalb seinen Verantwortungsbereich in Aufgabenkategorien zu gliedern, die den Rahmen für möglichst messbare Ziele abgeben sollen. Es geht also in einem ersten Schritt darum, die ganze Aufgabenfülle des Verwaltungsrates zu strukturieren. In einem zweiten Schritt gilt es dann, Vorstellungen zu erarbeiten, die der Verwaltungsrat in den einzelnen Aufgabenkategorien realisieren will. Dieser Zielsetzungsprozess ist ebenso entscheidend wie anspruchsvoll. Er ist Der Schweizer Treuhänder 9/03

aber unerlässlich, wenn die Selbstevaluation wirklich ernst gemeint ist. Zu viele Verwaltungsräte erliegen zurzeit der Versuchung, sich einfach mittels vorbereiteter Fragebogen zu evaluieren. In jüngster Zeit schiessen solche Fragebogen über Organisation, Zusammensetzung oder Arbeitsklima im Verwaltungsrat ins Kraut, und deren Autoren lassen die Anwender im Glauben, sich damit der Evaluation auf elegante Weise entledigt zu haben. Das ist nur sehr bedingt der Fall. Denn die allgemein gehaltenen Fragebogen widerspiegeln die Eigenheiten eines Unternehmens kaum und können deshalb höchstens als Gedankenstütze für den eigenen Zielsetzungsprozess dienen. 3.2 Umfassende Corporate- Governance-Ziele Das Kernstück der Selbstbeurteilung ist nicht die Evaluation an sich, sondern die Erarbeitung von Zielen in der Corporate Governance. Die hohen Anforderungen, die damit verbunden sind, dürfen für einen Verwaltungsrat kein Hindernis sein, sich damit ernsthaft auseinander zu setzen. So hat er beispielsweise klare Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie er seine Führungs- und Aufsichtsfunktion konkret gestalten will. Wie schwierig das ist, zeigt sich erst, wenn man darüber im Verwaltungsrat einen Konsens erarbeiten und diesen dann noch zu Papier bringen muss. Stellt sich ein Verwaltungsrat dieser Aufgabe, wird er im Gegenzug daraus den grössten Gewinn für seine zukünftige Tätigkeit ziehen. Wer durch einen solchen Prozess geht, hat eine solide Basis, um nicht nur seinen Auftrag als Verwaltungsrat überdurchschnittlich zu erfüllen, sondern auch für das Unternehmen einen Mehrwert zu schaffen. 726 «Zu Recht versuchen institutionelle Investoren und Rating Agenturen in ihre Beurteilung eines Unternehmens mehr und mehr auch die Qualität des Verwaltungsrates einzubeziehen.» Es ist hier nicht der Raum, um diesen Zielsetzungsprozess, der von den eigentlichen Unternehmenszielsetzungen klar zu unterscheiden ist, im Detail darzulegen. Es sei aber darauf hingewiesen, dass ihm ein umfassender Ansatz zugrunde gelegt werden muss. Das heisst, dass alle Führungs- und Aufsichtsaufgaben des Verwaltungsrates in den Prozess eingebunden sein sollen. Damit wird ein doppeltes Ziel erreicht: Einerseits setzt sich der Verwaltungsrat mit allen ihm übertragenen Aufgaben in einer grundsätzlichen Art und Weise auseinander, bevor er Einzelentscheide trifft. Anderseits verfügt er damit über ein Gerüst, das ihm zur Selbstbeurteilung seiner vollen Verantwortung dient. Man kann nicht genug betonen, dass der Verwaltungsrat selber die Corporate Governance-Ziele erarbeiten und formulieren muss. Diese Arbeit kann und darf er nicht delegieren, denn es geht um nichts anderes als um eine seiner Kernkompetenzen. Der Verwaltungsrat wird als Team an dieser Aufgabe wachsen, weil er sich in grundsätzlichen Fragen zusammenraufen muss. Dieser Nebeneffekt ist durchaus erwünscht. Bekanntlich kann man sich mit selber gesteckten Zielen besser identifizieren als mit Vorgaben Dritter. 3.3 Geschlossenes System Der Zielsetzungsprozess wird durch eine Systematisierung erheblich vereinfacht. Was auf den ersten Blick recht kompliziert aussieht und vielleicht Fragen aufwirft, wie im Detail vorzugehen ist, kann in einen einfachen Rahmen gestellt werden. Dieser gliedert die Aufgaben des Verwaltungsrates in wenige Teilbereiche, die ihrerseits wieder klar strukturiert sind. So kann der Verwaltungsrat Schritt für Schritt Vorstellungen entwickeln, wie er die Corporate Governance führen will. Das geschlossene System umfasst drei Bereiche, die wie folgt umschrieben werden können: Eigentümerinteressen formulieren und Strategie festlegen Umfang der delegierten Kompetenzen samt Auflagen definieren Führung und Aufsicht organisieren und wahrnehmen Damit sind alle Aufgaben des Verwaltungsrates abgedeckt, und er ist in der Lage, für jeden der genannten Bereiche in einem strukturierten Prozess festzuhalten, wie er seine Verantwortung wahrnehmen und welche Ziele er erreichen will. Hat er dies einmal getan, verfügt er über eine Arbeitsgrundlage, die er in Zukunft nicht mehr missen will. Doch nicht nur der Verwaltungsrat profitiert von diesem System. Auch das Management zieht Nutzen daraus. Es kennt nicht nur seine klar definierten Kompetenzen, sondern auch die Erwartungen des Verwaltungsrats, wie die Eigentümerziele in unternehmerische Leistung umgesetzt werden sollen. Zudem kann der systematische Rahmen anstelle von allgemeinen Eindrücken für die jährliche Beurteilung des CEO herangezogen werden. 4. Die eigentliche Selbstbeurteilung 4.1 Durchführung Der Verwaltungsrat muss sich in einem jährlichen Prozess selber beurteilen. Im Vordergrund steht dabei die Evaluation des Teams und nicht jene der einzelnen Mitglieder. Man darf davon ausgehen, dass schwächere Mitglieder im Verlaufe der Selbstbeurteilung selber merken werden, wenn sie den Anforderungen nicht mehr genügen. Sollte dennoch eine Individualbeurteilung wünschbar werden, stehen mit einem systematischen Beurteilungsrahmen verlässliche Informationen zur Verfügung, die weiter führen als ein subjektives Assessement von einzelnen Verwaltungsratsmitgliedern durch ihre Kollegen. Der Schweizer Treuhänder 9/03

CORPORATE GOVERNANCE Wenn der Verwaltungsrat für die Corporate Governance des Unternehmens klare Ziele formuliert hat, fällt ihm die eigentliche Selbstbeurteilung nicht mehr allzu schwer. Er hat lediglich festzustellen, ob oder in welchem Umfang die Leistung den Zielen entspricht, die er sich selber gesetzt hat. Je klarer die dazu erarbeiteten Kriterien gefasst sind, desto besser lassen sich Fragen beantworten, die etwa wie folgt lauten können: Haben wir die Eigentümerinteressen wahrgenommen? Ist die Strategie eingehalten worden? Haben sich die Kompetenzregelungen bewährt? Sind die Kompetenzen des Managements im Sinne des Verwaltungsrates ausgeschöpft worden? Sind die Auflagen des Verwaltungsrates eingehalten worden? Haben wir unsere Führungsziele erreicht? Haben wir unsere Aufsichtsziele erreicht? Da auch der Verwaltungsratspräsident zum Team gehört, das sich selbst beurteilt, kann der Beizug eines externen Moderators für den eigentlichen Evaluationsprozess empfehlenswert sein. Dieser kann auch damit beauftragt werden, die Evaluationsgrundlagen zu sichten und für die Sitzung des Verwaltungsrates aufzubereiten. Wichtig ist, «In schweizerischen Unternehmen ist das Mittel der Selbstevaluation weitgehend unbekannt.» dass die Selbstevaluation dokumentiert ist und allfällige Schlüsse daraus auch in einem späteren Zeitpunkt nachvollzogen werden können. 4.2 Auswertung Die Resultate der Selbstbeurteilung bilden die Grundlage für eine mehrfache Auswertung. Im Mittelpunkt steht die Weiterentwicklung des Verwaltungsrates selbst. Nachdem er sich den Spiegel vorgehalten hat, gilt es nun, Massnahmen zu ergreifen, um erkannte Schwächen auszumerzen. Als Folge davon wird sich die Qualität der Arbeit des Verwaltungsrates kontinuierlich steigern. Der Anreiz, besser zu werden, nimmt zu, weil die Leistung systematisch beurteilt werden kann. Aber auch die Aktionäre (und damit die Öffentlichkeit und insbesondere der Markt) sollen transparente Informationen über die Leistung ihres Verwaltungsrates erhalten. Auch wenn es ungewöhnlich erscheint und Mut braucht: Warum nicht eine Information an die Aktionäre, die Aufschluss über die Art der Selbstbeurteilung und deren wesentlichen Inhalt gibt? Wer dies offen und selbstkritisch tut, wird Vertrauen ernten und an Glaubwürdigkeit gewinnen. Die jährliche Selbstbeurteilung ist aber auch Anlass, um die Ziele der Corporate Governance zu überprüfen. Machen die vor Jahresfrist gesetzten Ziele in einem veränderten Umfeld noch Sinn? Welche neuen Schwerpunkte sollen gesetzt werden? Sind die dem Management gemachten Auflagen noch realistisch? Können ehrgeizigere Ziele gesetzt werden? So schliesst sich der Kreis von der Zielsetzung über die Leistungsbeurteilung bis zur Überprüfung der Corporate-Governance-Ziele. Damit hat der Verwaltungsrat ein Mittel zur Hand, das ihn systematisch dazu anhält, für seinen Verantwortungsbereich strukturierte Erwartungen zu formulieren und zu messen, in welchem Ausmass diese erfüllt werden. 4.3 Flexibles Modell Ein Verwaltungsrat, der seine Leistung nach diesem Verfahren routinemässig überprüft, wird effizient arbeiten, weil er sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Die Traktandenliste wird Der Schweizer Treuhänder 9/03 727

nicht mit tagesaktuellen Problemen gefüllt sein, die bei genauem Hinsehen vom Management in eigener Verantwortung gelöst werden können. Solches braucht den Verwaltungsrat nicht zu kümmern, weil er ein Überwachungssystem etabliert hat, mit dem klare Leitplanken für die Umsetzung der Eigentümerinteressen in unternehmerische Leistung gesetzt sind. Die im Rahmen der Corporate-Governance- Ziele formulierten Auflagen bieten Gewähr, dass auch die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen berücksichtigt werden. Zudem dürften und dies ist in Krisenzeiten nicht zu unterschätzen Probleme auf den Tisch des Verwaltungsrates kommen, bevor diese eskalieren. Der Initialaufwand für die Erarbeitung der Corporate-Governance-Ziele darf allerdings nicht unterschätzt werden. Doch braucht es dazu keinen bürokratischen Apparat, auch wenn die Vorstellungen zu Papier gebracht werden müssen. Die Auseinandersetzung mit den Erwartungen an die eigene Arbeit ist freilich nicht ganz trivial und erfordert den uneingeschränkten Einsatz des Verwaltungsrates. Um den zeitlichen Möglichkeiten gewisser Verwaltungsräte entgegenzukommen, lässt sich der Rahmen ohne weiteres schrittweise einführen. Man nimmt dann allerdings in Kauf, dass nicht auf Anhieb der gesamte Verantwortungsbereich sauber evaluiert werden kann. Dies ist allemal besser als gar nichts. Zudem kann es hilfreich sein, den anforderungsreichen Zielsetzungsprozess durch externe Beratung (z.b. des Verwaltungsratspräsidenten) begleiten zu lassen. 5. Zusammenfassung Nicht nur weil verschiedene Codes of Corporate Governance es fordern, sondern in erster Linie im Hinblick auf dessen eigene Weiterentwicklung hat der Verwaltungsrat grösstes Interesse daran, seine Leistung periodisch zu evaluieren. Da ausser ihm selbst niemand die relevanten Informationen dazu besitzt, muss sich der Verwaltungsrat selber beurteilen. Dies kann er tun, wenn er sich die Mühe nimmt, für seinen Verantwortungsbereich Ziele zu setzen. Dazu bedient er sich am besten eines systematischen Rahmens. Die Publikation der wesentlichen Erkenntnisse aus der Selbstevaluation schafft bei den Aktionären Vertrauen und bringt der Unternehmung einen Mehrwert, der zweifellos vom Markt honoriert wird. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass die Selbstbeurteilung nach Best Practice erfolgt und nachvollziehbar ist. Der Zeitpunkt, da Methoden der Selbstevaluation durch den Markt (dank Zertifikaten?) beurteilt wird, ist wohl nicht allzu fern... Der Verwaltungsrat, der sich durch den zweifellos vorhandenen Initialaufwand von einer seriösen Selbstbeurteilung abschrecken lässt, möge bedenken, dass das oberste Führungsgremium gerade in Krisenzeiten auf fest eingespielte Aufsichtsmechanismen angewiesen ist. Sie erlauben es, den Menschen und Strukturen in einer Unternehmung zu vertrauen und das Augenmerk auf die Besonderheit der Situation zu konzentrieren. RESUME Procédure d évaluation de la performance du conseil d administration Il est difficile d évaluer correctement la performance d un conseil d administration. Des tentatives sont néanmoins entreprises dans ce sens avec des succès divers. Le manque d informations fait souvent obstacle à une évaluation conforme. Les premiers à en pâtir sont non seulement le conseil d administration, mais surtout l entreprise. Non seulement en raison du fait que divers codes de coporate governance l exigent, mais surtout dans la perspective de poursuivre son développement, le conseil d administration a intérêt à évaluer périodiquement ses performances. Comme il est le seul à détenir les informations déterminantes, le conseil d administration doit évaluer lui-même ses performances. Il peut y parvenir s il prend la peine de se fixer des objectifs pour ses domaines de responsabilité. Pour ce faire, il se servira de préférence d un cadre systématique. La publication des constations essentielles résultant de sa propre évaluation favorise la confiance des actionnaires et crée une plus-value pour l entreprise qui sera sans aucun doute appréciée par le marché. Pour que cette évaluation soit valable, il faut qu elle soit effectuée selon les règles de best practice et de manière com- préhensible. Le moment où les méthodes d autoévaluation seront jugées par le marché (grâce à des certificats?) n est certainement pas très loin. Le conseil d administration qui serait effrayé par le coût initial réel d une évaluation de ses performances ne doit pas perdre de vue que l organe supérieur de gestion doit recourir, notamment en temps de crise, à des mécanismes de surveillance bien rodés. Ceux-ci permettent de faire confiance aux hommes et aux structures et de concentrer l attention sur le caractère particulier de la situation. EH/MA 728 L Expert-comptable suisse 9/03