S. SANDNER. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg, Deutschland.



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Transkript:

Branchenspezifische Leitlinien als Instrument für Sicherheit und Gesundheit in kleinen Unternehmen Ursprung, Grundzüge und erste Umsetzung im Friseurhandwerk S. SANDNER Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg, Deutschland Zusammenfassung Die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland sind in ihrer Präventionsarbeit Partner und Berater für Betriebe und Beschäftigte. Entscheidend für den Präventionserfolg ist letztlich, daß das Expertenwissen jeden Betrieb und damit jeden Unternehmer und seine Beschäftigten erreicht. Besonders schwierig ist dieses Vorhaben für die große Zahl von Kleinbetrieben, zu denen typischerweise auch der Friseursalon zählt. Gerade die Erkrankungszahlen im Friseurhandwerk zeigen, daß auch kleine Betriebe große und vielfältige Arbeitsschutzprobleme haben können. Deshalb sind wir bemüht, die Prävention mit der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung in den Kleinbetrieben zu etablieren und sinnvoll zu gestalten. Zunächst haben wir im Auftrag der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit eine Untersuchung in 9 europäischen Ländern durchgeführt mit dem Ziel, Erkenntnisse über die Möglichkeiten und besonderen Schwierigkeiten gerade der kleinen Unternehmen zu sammeln. Aus diesen Feststellungen haben wir Empfehlungen für eine wirkungsvolle Betreuung der kleinen Betriebe abgeleitet und in einem sogenannten Optimalmodell zusammengeführt. Daraus wurde dann eine Leitlinie für die branchenspezifische sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung entwickelt. Die Grundzüge lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die jeweiligen Berufsverbände und Dachorganisationen sollten beteiligt werden. Die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung erfolgen durch einen branchenspezifischen und interdisziplinären Dienstleister. Dieser nutzt spezielle branchenspezifische Aufgabenkataloge. Einige Aufgaben werden überbetrieblich gebündelt. Dieses Vorgehen schafft die Pooleffekte, die die Betreuung der kleinen Betriebe überhaupt erst ermöglichen mit einem optimalen Verhältnis von Aufwand und Nutzen. Um den Wirkungsgrad zu 1

steigern, werden die Unternehmer oder andere verantwortliche Betriebsangehörige aktiv an dem Geschehen beteiligt und entsprechend geschult und fortgebildet. Somit erreicht das ständig aktualisierte Wissen den Betrieb. Sicherheit und Gesundheit können direkt in die Unternehmensziele integriert werden. Die Leitlinie wurde in Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Berufsverband für das Friseurhandwerk spezifiziert. Erste Erfahrungen haben uns ermutigt, unsere Präventionsbemühungen mit der neuen Leitlinie zu intensivieren und auf andere Branchen auszudehnen. Einleitung Sicherheit und Gesundheit für die Beschäftigten bei der Arbeit sind ein selbstverständliches humanitäres Anliegen und eine rechtliche Verpflichtung. Darüber hinaus aber ist der Arbeitsschutz auch eine unverzichtbare Voraussetzung für störungsfreie und optimale Betriebsabläufe und bestimmt damit auch ganz wesentlich den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Dies gilt natürlich auch für den Kleinbetrieb, der in besonders hohem Maße auf jeden einzelnen Beschäftigten, dessen Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Motivation angewiesen ist. Die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung ist auch für das Friseurhandwerk ein wichtiges Element der Primärprävention. Diese Betreuung wird in Deutschland nach einer neuen Leitlinie aufgebaut. Praktikabilität, hohe Wirksamkeit und ein optimales Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen sind entscheidende Voraussetzungen für den Erfolg. Über die Hintergründe und Erkenntnisse, die zur Entstehung der Leitlinie führten, wird hier ebenso berichtet wie über die Grundzüge dieser neuen Betreuungsform. Ausgangssituation Die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland erfaßt als Pflichtversicherung jeden Beschäftigten eines jeden Unternehmens. Jeder Beschäftigte ist also gegen die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit versichert. Für die einzelnen Branchen der gewerblichen Wirtschaft sind als Unfallversicherungsträger die jeweiligen Berufsgenossenschaften zuständig. Ihr 2

gesetzlicher Auftrag ist es, Prävention, Rehabilitation und Entschädigung sicherzustellen. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) ist die gesetzliche Unfallversicherung für das Friseurhandwerk und nimmt in diesem Zusammenhang umfangreiche Präventionsaufgaben wahr. Die Berufsgenossenschaften sind in ihrer Präventionsarbeit Partner und Berater der Unternehmer und Arbeitnehmer. Somit stehen Beratung, Schulung und Information im Vordergrund. Wichtig für die Prävention ist auch die Rechtsetzungskompetenz der Unfallversicherungsträger. Die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften enthalten vielfältige Regelungen zur Arbeitssicherheit. Ein wirkungsvoller Schutz vor Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten wird erst dadurch möglich, daß viele Fachgebiete erfolgreich zusammenarbeiten. Neben den eher klassischen Fächern Technik und Medizin muß zunehmend auch das Wissen von Psychologen, Pädagogen, Organisationsexperten und anderen Fachleuten für die Präventionsarbeit genutzt werden. Entscheidend für den Präventionserfolg ist letztlich, daß das Expertenwissen jeden Betrieb und damit jeden Unternehmer und seine Beschäftigten erreicht. 3

Besonders schwierig ist dieses Vorhaben für die große Zahl der Kleinbetreibe, zu denen typischerweise auch der Friseursalon zählt. Gerade die Erkrankungszahlen im Friseurhandwerk zeigen, daß auch kleine Betriebe große und vielfältige Arbeitsschutzprobleme haben können. Deshalb ist die BGW bemüht, die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung der Kleinbetriebe zu etablieren und sinnvoll zu gestalten. Wir haben nicht nur die Betreuungspflicht in einer Vorschrift verankert. Gleichzeitig sammeln wir nämlich auch Informationen und Erfahrungen auf der Suche nach bedarfsgerechten und praktikablen Lösungen. Untersuchung in 9 europäischen Ländern: besondere Schwierigkeiten der Kleinbetriebe 4

Wir haben als federführendes Mitglied der Sektion Gesundheitswesen der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit eine Untersuchung in 9 europäischen Staaten durchgeführt. Betrachtet wurden dabei die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung kleiner Unternehmen. Das Ziel bestand darin, aus den zusammengetragenen Erfahrungen und Erkenntnissen grundsätzliche Empfehlungen für eine wirkungsvolle Betreuung der kleinen Betriebe abzuleiten. Übereinstimmend zeigen sich in allen untersuchten Ländern die typischen Schwierigkeiten bei der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung der Klein- und Mittelbetriebe: fehlende innerbetriebliche Arbeitsschutzkompetenz, geringe finanzielle und organisatorische Belastbarkeit, geringe Einsatzzeiten für die Dienstleister vor Ort, hoher Anteil der Wegezeiten am Gesamtaufwand, hohe Preise und schließlich erschwerte Zusammenarbeit von Arbeitsmediziner und Sicherheitsingenieur. 5

Empfehlungen für Kleinbetriebe Aus diesen Feststellungen haben wir Empfehlungen für die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung hergeleitet und in einem sogenannten Optimalmodell zusammengefaßt. Dieses Optimalmodell enthält Aussagen zu den rechtlichen Vorgaben, zu den Aufgaben der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Dienste, zu organisatorischen Fragen sowie zu den Anforderungen an Personal und Ausstattung der Dienste. Zu den Aufgaben der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung sollten folgende Bereiche gehören: Arbeitsumfeld, Gesundheit der Arbeitnehmer, Beratung, Information und Schulung sowie Dokumentation und Auswertung. Es sollen also bei der Betreuung zunächst Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz ermittelt werden. Anschließend werden die betriebliche Organisation und die Einhaltung der Arbeitssicherheitsmaßnahmen beurteilt. Besonders wichtig sind Beratung, Information und Schulung der Beschäftigten und des Unternehmers. Hier muß den Betrieben das nötige Arbeitsschutzwissen vermittelt werden. Gleichzeitig soll das Bewußtsein für sicherheitsgerechtes Verhalten geschärft werden. Die organisatorischen Empfehlungen nehmen Rücksicht auf die Gegebenheiten der kleinen Unternehmen. Diese sind oft weit in der Fläche eines Landes verteilt. Die alleinige Betreuung vor Ort im jeweiligen Betrieb würde zu einem unvertretbar hohen Aufwand führen. Auch die Ressourcen der vorhandenen Dienstleister dürften für eine derartige Betreuung nicht ausreichen. Es muß also inhaltlich und organisatorisch ein besonders hoher Wirkungsgrad erzielt werden. Deshalb ist ein Dienstleister zu bevorzugen, der sowohl die sicherheitstechnische als auch die arbeitsmedizinische Betreuung sicherstellt. Das interdisziplinäre Vorgehen ist inhaltlich und zeitlich effektiv. Bestimmte Betreuungsaufgaben sollten über- bzw. außerbetrieblich erledigt werden. Dafür hilfreich sind branchenspezifische Aufgabenkataloge, die die wesentlichen Betreuungsschwerpunkte exemplarisch nennen. Gegebenenfalls soll der Arbeitgeber selbst oder sein Beauftragter den Bedarf an fachkundiger Beratung ermitteln und diese dann gezielt in Anspruch nehmen können. Standardisierte Seminare sollen den Arbeitgeber befähigen, die erforderliche Gefährdungsanalyse im Betrieb selbst durchzuführen. Eine angemessene Dokumentation macht dieses Verfahren für Aufsichtsorgane überprüfbar. 6

Branchenspezifische Leitlinie Die Prinzipien des Optimalmodells haben wir konkretisiert und daraus die Leitlinie für eine branchenspezifische sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung entwickelt. Die praktische Umsetzung hat im Juli 2002 begonnen. Dieser Schritt war gerade für das Friseurhandwerk dringend notwendig. Inzwischen sind nämlich schon zahlreiche Betreuungsverträge gescheitert, die direkt zwischen den Dienstleistern und einzelnen Friseurbetrieben abgeschlossen worden waren. Die Hauptprobleme waren dabei immer wieder das ungünstige Preis-Leistungs-Verhältnis und die mangelnde Qualität der Betreuung. Die Leitlinie der BGW bindet als aktive Kooperationspartner die zu betreuenden Friseurbetriebe und die Dachorganisationen des Friseurhandwerkes ein. Dieses sind z.b. die regional zuständigen Handwerkskammern und Innungen. Die Dachorganisationen und die BGW vereinbaren vertraglich die Umsetzung der Leitlinie. Die Unternehmer schließen ihrerseits mit der Dachorganisation einen Vertrag über die Teilnahme an dieser speziellen Betreuung ab. Für die Dachorganisation ist die Übernahme von Verantwortung in den Belangen der Arbeitssicherheit durchaus attraktiv. Es ergibt sich nämlich die Gelegenheit, gegenüber den Mitgliedern Kompetenz zu beweisen und damit einen willkommenen Werbeeffekt zu erzielen. Diese Vorgehensweise ist von der Kostenseite her für die Dachorganisation unproblematisch. Schließlich ist der jeweilige Betrieb zur sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung gesetzlich verpflichtet und muß daher auch die finanziellen Lasten dafür tragen. Diese Kosten aber werden dadurch reduziert, daß die Dachorganisation durch ihr Engagement Pool- und Rabatteffekte erzielen kann. Auf diese Weise werden die einzelnen Betriebe bei der Umsetzung ihrer Arbeitsschutzpflicht organisatorisch und finanziell entlastet. Für die BGW sind die Dachorganisationen ebenfalls attraktive Partner, da sie das Branchenwissen und die Akzeptanz bei den Friseurbetrieben haben. Für die Aufgaben der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung richtet die Dachorganisation eine fachkundige Stelle ein. Abhängig von der Zahl und Größe der zu betreuenden Betriebe entscheidet die Dachorganisation, in welcher Form und in welchem Umfang Experten für die fachkundige Stelle beschäftigt werden. 7

In der fachkundigen Stelle sind Sicherheitsingenieure und Arbeitsmediziner tätig, die die rechtlich festgelegten Qualifikationsanforderungen erfüllen müssen. Zusätzlich sollen diese Fachleute spezielle Erfahrungen aus der zu betreuenden Branche haben. Die fachkundige Stelle muß gewährleisten, daß ihre Experten regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen. Auf der Grundlage der gesetzlichen Anforderungen übt die fachkundige Stelle ihre Funktion aus. Im Rahmen der Leitlinie beginnt dies konkret mit einer Vor-Ort-Begehung des Friseurbetriebes. Dabei werden die wesentlichen Belastungen und Gefährdungen ermittelt und entsprechende Schutzmaßnahmen festgelegt. Nützlich sind hier die von der BGW gelieferten exemplarischen Gefährdungsbeurteilungen aus dem Bereich des Friseurhandwerkes. Jeder Unternehmer oder eine von ihm beauftragte Person ist Verantwortlicher für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Dieser aus den Betrieben stammende Personenkreis wird von der fachkundigen Stelle in den Belangen der Arbeitssicherheit geschult. Diese Schulung dauert als erstmalige Maßnahme 6 bis 8 Stunden und wird durch jährliche Informationsveranstaltungen von mindestens 2 Stunden Dauer ergänzt. Damit wird das nötige Basiswissen vermittelt und das 8

Bewußtsein für sicherheits- und gesundheitsgerechtes Verhalten geschaffen. Gleichzeitig lernt der Betrieb zu erkennen, in welchen Situationen künftig der besondere Rat der fachkundigen Stelle eingeholt werden muß. Die fachkundige Stelle verfügt für die Schulungen über sogenannte Multiplikatoren, die von der BGW ausgebildet werden. Unabhängig von den Schulungs- und Informationsveranstaltungen und den Vor-Ort-Begehungen wird den Betrieben die Möglichkeit geboten, zu allen Arbeitsschutzfragen beraten zu werden. Die fachkundige Stelle hält dazu eine Telefon-Hotline bereit und korrespondiert in schriftlicher Form mit den Betrieben. Alle an der Betreuung teilnehmenden Betriebe erhalten von der fachkundigen Stelle regelmäßig Informationen zum Arbeitsschutz sowie die dazu gehörenden Vorschriften. In diesem Zusammenhang werden auch Aktualisierungen des Handbuches nachgeliefert, das jeder Arbeitsschutzverantwortliche als gedruckte Fachinformation während der ersten Schulungsveranstaltung erhält. Die fachkundige Stelle dokumentiert ihre Aktivitäten in einer festgelegten Form und ermöglicht damit Überprüfungen durch der BGW. Der zeitliche Mindestumfang der Betreuung ist rechtlich vorgeschrieben und hängt grundsätzlich von der Branche und der Betriebsgröße ab. Beispielsweise ergeben sich für 100 Friseurbetriebe mit jeweils 6 Arbeitnehmern in der Summe 150 sicherheitstechnische und 150 arbeitsmedizinische Einsatzstunden. Die Verteilung dieser Einsatzzeit auf die verschiedenen Aufgaben der fachkundigen Stelle ist in der Leitlinie folgendermaßen festgelegt: 40 % für Organisation und Durchführung der Vor-Ort-Begehungen, 30 % für die Schulungs- und Informationsveranstaltungen, 20 % für die Bereitstellung schriftlicher Informationen und 10 % für die individuelle Beratung der Betriebe. Der Unternehmer hat grundsätzlich die Pflicht, die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung zu gewährleisten. Im Zusammenhang mit der Leitlinie ist der Unternehmer oder ein von ihm Verpflichteter der Verantwortliche für Arbeitssicherheit. Diese Person wird von der fachkundigen Stelle geschult und nimmt im Betrieb zahlreiche Arbeitsschutzaufgaben wahr. 9

Die Berufgenossenschaft verpflichtet den Unternehmer zu umfangreichen Arbeitsschutzmaßnahmen und berät ihn zu allen Belangen der Prävention. Die Umsetzung der hier vorgestellten Leitlinie wird mit der jeweiligen Dachorganisation vereinbart. Die BGW stellt der fachkundigen Stelle Schulungskonzepte für die Ausbildung der betrieblichen Arbeitsschutzverantwortlichen zur Verfügung und liefert branchenspezifische Gefährdungs- und Aufgabenkataloge. Die unterrichtenden Multiplikatoren der fachkundigen Stelle werden direkt durch die BGW ausgebildet. Die BGW überwacht das gesamte Betreuungsgeschehen im Sinne der Qualitätssicherung und stellt damit auch die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen sicher. Die Grundzüge der hier vorgestellten Leitlinie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung erfolgt durch einen branchenspezifischen und interdisziplinären Dienstleister. Dieser nutzt spezielle Aufgabenkataloge und schafft durch die überbetriebliche Bündelung von Aufgaben die Pooleffekte, die die Betreuung der kleinen Betriebe überhaupt erst ermöglichen. Um den Wirkungsgrad zu steigern, werden die Unternehmer oder entsprechende Betriebsangehörige aktiv an dem Geschehen beteiligt und diesbezüglich geschult und fortgebildet. Ausblick Bereits seit einiger Zeit zeichnen sich in Deutschland die günstigen Auswirkungen der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung für die Friseure ab. Das hat uns ermutigt, mit der neuen Leitlinie die Präventionsbemühungen zu intensivieren und dieses Vorgehen auch auf andere Branchen zu übertragen. 10