5. Infrarotspektroskopie - IR 5.1 Physikalische Grundlagen 5.2 IR-Spektroskopie (bio)organischer Moleküle 5.3 IR-Spektrometer und Probenvorbereitung 5.4 Proteinanalytik mit FT-IR 4-1 05.12.2011
5.1 Physikalische Grundlagen Einteilung Infrarot-Spektroskopie (IR) nahes IR, Nahinfrarot (NIR): 780nm (12800 cm -1 ) bis 2,5 μm (4000 cm -1 ) mittleres IR (MIR, auch nur IR) 2,5 bis 25 μm (4000 bis 400 cm -1 ) organische Moleküle fernes IR (FIR) 25 bis 1000 μm (400 bis 10 cm -1 ) Anregung von Molekülschwingungen und Molekülrotationen Klassische Mechanik: Molekül besteht aus Atomen in Form von Punktmassen; Atome durch elastische Feder(n) verbunden, Schwingung um den Gleichgewichtsabstand. K = k Δr Hooke sche Gesetz k: Federkonstante (mechanisches Modell) Kraftkonstante: Maß für die Bindungsstärke im Molekül Harmonischer Oszillator für ein zweiatomiges Molekül: potentielle Energie der Schwingung ist eine Funktion des Kernabstandes 1 V(r) = k x = 2π μν osc x 2 2 2 2 2 V: potentielle Energie x: Auslenkung ν osc : Schwingungsfrequenz des Oszillators μ::reduzierte Masse m1 m2 μ = m + m 1 2 3-2 05.12.2011
5.1 Physikalische Grundlagen Schwingungsfrequenz eines zweiatomigen Moleküls (nach dem mechanischen Modell) ν osc = 1 2π k μ Schwingungsfrequenz ist umso höher, je größer die Kraftkonstante ist, je stärker die Bindung zwischen den Atomen ist. Wichtig für die Spektreninterpretation! Quantenmechanisches Modell: diskrete Energie-/Schwingungszustände Energie bzw. Strahlungsabsorption ist gequantelt: 1 h k 1 EVIB = h ν osc n+ = + π μ n 2 2 2 E VIB : Schwingungsenergie n: Schwingungsquantenzahl, n = 0,1, 2,... Anregung einer Schwingung: Molekül geht unter Absorption eines Lichtquants in einen höheren Schwingungszustand über, Resonanzbedingung: Δ E = E E = h - VIB n+ 1 n Übergang von n = 0 nach n = 1: Grundschwingung Übergang von n = 0 nach n = 2: erste Oberschwingung Wahrscheinlichkeit der Übergänge und damit die Intensität der Übergänge nimmt mit zunehmender Größe des Quantensprungs ab. ν osc 3-3
5.1 Physikalische Grundlagen Anregung von Schwingungsniveaus Potentialkurve des harmonischen Oszillators mit diskreten Schwingungsniveaus HMZ-7-35 Potentialkurve des anharmonischen Oszillators E 0 : Nullpunktsenergie E D : Dissoziationsenergie Auswahlregeln Infrarotes Licht wird nur dann absorbiert, wenn das Dipolmoment des Moleküls mit dem elektrischen Feldvektor in Wechselwirkung tritt. Änderung des Dipolmoments während der Schwingungsüberganges erforderlich. In einem Molekül mit Symmetriezentrum sind alle Schwingungen, die symmetrisch zum Symmetriezentrum erfolgen, IR-inaktiv (d.h. verboten) (Bio-)OC: die meisten funktionellen Gruppen besitzen kein Symmetriezentrum! Intensität der Absorptionsbande hängt von der mit der Schwingung verbundenen Betragsänderung des Dipolmomentes ab, sowie von der Anzahl der Bindungen, die für die Adsorption verantwortlich sind. 3-4
5.2 IR-Spektroskopie (bio)organischer Moleküle Infrarotspektren können in zwei Bereiche unterteilt werden: Wellenzahlen 4000cm -1-1500 cm -1 (2,5-6,6 μm): Valenzschwingungsbereich in diesem Bereich können einzelne funktionelle Gruppen anhand ihrer Valenzschwingungen identifiziert werden funktionelle Gruppen Wellenzahlen 1500cm -1-400 cm -1 (6,6-25,0 μm): fingerprint -Region Deformationsschwingungen einzelner funktioneller Gruppen, Kombinationsschwingungen und die Gerüstschwingungen größerer Moleküle Identifizierung einzelner funktioneller Gruppen in diesem Bereich ist schwierig Gerüstschwingungen der großen Moleküle sind jedoch charakteristisch Identifizierung von Molekülen IR-Spektrum von Butyl-phenyl-ether (als Film) 3-5
5.2 IR organischer Moleküle IR-Banden funktioneller Gruppen organischer Moleküle Charakteristische Absorptionsbereiche IR-Spektrum von Aceton HMZ-7-42 Funktionelle Gruppe Wellenzahl [cm -1 ] C-H (Alkane) 2850-2970 1340-1470 C-H (Alkene, C=C-H) 3010-3095 675-995 Intensität stark stark mittel stark C-H (Alkine, C C-H) 3300 stark C-H (Aromaten) 3010-3100 690-900 mittel stark O-H (mit H-Brücken) 3200-3600 unterschiedlich N-H (Amine, Amide) 3300-3500 mittel C=C (Alkene) 1610-1680 unterschiedlich C=C (Aromaten) 1500-1600 unterschiedlich C C (Alkine) 2100-2260 unterschiedlich C-N (Amine, Amide) 1180-1360 stark C N (Nitrile) 2210-2280 stark C-O (Alkohole, Ether, Säuren, Ester) C=O (Aldehyde, Ketone, Säuren, Ester) 1050-1300 stark 1690-1760 stark NO 2 (Nitrogruppe) 1500-1570 1300-1370 stark stark 3-6
5.3 IR-Spektrometer und Probenvorbereitung Messung in der Gasphase Gasküvette mit IR-durchlässigen NaCl-Fenstern. Weglänge meist 10 cm (bei OV selten, da meist relativ niedrigen Dampfdruck). Messung als Flüssigkeit Ein Tropfen wird zwischen zwei flache NaCl-Platten (transparent zwischen 4000 und 667 cm -1 ) gepresst Störend sind Wassergehalte über 2 %, da sie die Oberfläche der NaCl-Platten beschädigen. Messung in Lösung Verbindung wird in CCl 4 oder CHCl 3 gelöst (etwa 1 bis 5% Lösung) und in einer Natriumchlorid-Zelle gemessen Messung im festen Zustand Suspension in Öl: Festsubstanz mit einem Tropfen Paraffinöl in einem Mörser fein zerreiben; Paste wird zwischen zwei NaCl-platten gepresst. KBr-Pressling: Festsubstanz mit 10- bis 100-facher Menge an KBr vermischen und mittels einer hydraulischen Presse unter Vakuum komprimieren (ergibt Einkristall-ähnliche Tablette). Wird bei Feststoffen meist angewendet, da KBr keine zusätzlichen IR-Banden erzeugt Absorptionsbereiche verschiedener Lösemittel im IR-Bereich (blau markiert) Fenstermaterialien für die IR-Spektroskopie 3-7
5.3 IR-Spektrometer und Probenvorbereitung Wasser als Lösungsmittel? ca. 3500 ca. 3300 ca. 1660 cm -1 Problem: Konzentration beträgt 55 mol L -1 zerlegbare Infrarotzelle für flüssige Proben (für sehr kleine Schichtdicken) Differenzspektrum (rechnerisch) Problem: Valenzschwingungsbereich zugedeckt sehr kleine Schichtdicken (jedoch: Absorption sehr klein gesättigte Lösungen) 3-8
5.3 IR-Spektrometer und Probenvorbereitung Klassische (scanning) IR-Spektrometer Meistens: Zweistrahlprinzip (Vergleichsstrahl für den optischen Nullabgleich) Beugungsgitter oder Prisma zur spektralen Zerlegung der resultierenden Strahlung und Detektion. Signale des Detektors werden in Abhängigkeit der Wellenzahl als Transmission (Durchlässigkeit) aufgezeichnet. Spektrendauer etwa 10 Minuten. SHC-6e-445 3-9
5.3 IR-Spektrometer und Probenvorbereitung FT-IR-Spektrometer Fourier-Transform IR-Spektrometer Weiterentwicklung; heutige Standardgeräte. Simultane Erfassung aller Frequenzen des IR-Spektrums im Detektor. Umwandlung der polyfrequenten IR-Strahlung der Lichtquelle mittels Interferometer in ein zeitabhängiges Interferogramm (Umwandlung der Frequenzdomäne in die Zeitdomäne). Nach Durchgang der so aufbereiteten Strahlung durch die Probe wird das Interferogramm durch Fourier-Transformation in ein Spektrum (in die Frequenzdomäne) rückübersetzt FTIR mit Michelson-Interferometer 3-10
5.3 IR-Spektrometer und Probenvorbereitung FT-IR-Spektrometer Vergleich von Interferogrammen mit optischen Spektren Michelson-Interferometer 3-11
Vorteile der FT-IR-Spektroskopie - kürzere Messzeiten (ca. 1s) - höheres Signal-Rausch-Verhältnis Durchsatz- oder Jacquinot-Vorteil Durch Wegfall des bei der dispersiven Spektroskopie nötigen Spaltes, welcher die Auflösung bestimmt, erreicht eine größere Lichtmenge den Detektor (gesamte Energie der IR-Quelle wird permanent durch die Probe geschickt). Lichtausbeute wird etwa um den Faktor 200 verbessert besseres Signal-Rausch-Verhältnis Multiplex- oder Fellgett-Vorteil Spektrum wird nicht kontinuierlich in Abhängigkeit von der Wellenlänge gemessen, sondern alle Wellenlängen gleichzeitig als Momentaufnahme über den gesamten definierten Spektralbereich (Frequenzbereich). Dadurch erhöht sich das Signal-Rausch-Verhältnis um (bei N Spektralelementen). Connes-Vorteil (Linearitäts-Vorteil, Wellenzahlkalibrierung) Durch die Verwendung eines HeNe-Lasers als Referenz ergibt sich eine wesentlich höhere Genauigkeit der Frequenz- oder Wellenlängen-Achse im IR-Spektrum als bei der dispersiven Spektroskopie. Eine Frequenzgenauigkeit von 0,001 cm -1 ist erreichbar. fast scanning-ft-spektrometer: Aufnahmezeiten von Bruchteilen einer Sekunde Studien dynamischer Prozesse. 3-12
5.3 IR-Spektrometer FTIR-ATR Attenuated Total Reflectance (abgeschwächte Totalreflektion) beruht auf evaneszenten Welleneffekten IR-Spektroskopien an Feststoffoberflächen und Polymerfilmen Golden Gate Probenhalter α Eindringtiefe d P [http://www.specac.com] Probe IR-Strahl Diamant zum Detektor α wird so gewählt, dass Totalreflektion stattfindet (IRE, internal reflection element) 3-13
5.3 IR-Spektrometer Mobile-IR, tragbares FT-IR Materialidentifizierung direkt am Ort des Geschehens! Das Mobile-IR Gerät ist für folgende Einsatzbereiche konzipiert: im Gefahren- und Umweltschutz, bei Gefahrgutunfällen, bei Katastropheneinsätzen, bei der Spurensicherung an einem Tatort sowie bei forensischen Untersuchungen. 3-14
Spektrenauswertung TeleSpec IR Database and IR Spectra Simulation on the WorldWideWeb Rapid prediction of the IR spectrum starting from a molecular structure. In addition, it is also possible to operate in reverse mode, to predict the 3D structure of the molecule from its IR spectrum. FTIR Spectra Libraries in all digital formats Organic Inorganic Chemicals, Polymers, Pharmaceuticals, Pesticides, Dyes, Pigments, Coatings, Art Materials, Forensic, Hazardous, Drugs, Suspect Powders, Kidney Stones, Lubricants and more [http://www.ir-spectra.com/] IR Spectrum Simulation IR Spectra. Infrared spectra Library FTIR. FT-IR Database.url NIST Chemistry WebBook.url 3D Structure Prediction [http://www2.ccc.uni-erlangen.de/services/telespec/] 3-15
5.4 Proteinanalytik mit FT-IR (FT-IR Proteomics) Anwendungen: Bestimmung der Sekundärstruktur Detektion von Konformationsänderungen Protein-Dynamik (Temperatur-induzierte Änderungen) Konzentrationsbestimmung (< 0,03 mg/ml) Proteinaggregation, -präzipitation und -kristallisation Enzymkinetik Results of a Fourier self-deconvolution analysis on the Amide I band for bovine pancreatic trypsin inhibitor. The assignments of the various peaks to the different elements of secondary structure are shown. 3-16
FT-IR Proteomics Untersuchung der Protein-Konformation mit FT-IR reaktionsmodulierte Differenztechnik Entstehung, Verschwinden und Verschiebung von Banden wird einer Störung (Licht, Redox, photochemisch, thermisch) korreliert Differenzspektrum Entfaltung der RNase A bei Erwärmung. RNase A-Lösung (10 μg/μl) wurde von 25 bis 75 C in Zwei-Grad-Schritten erhitzt und zu jeder Temperatur ein IR-Spektrum aufgenommen (a). Die Veränderung in der Amid-I-Bande zeigt die Entfaltung des parallelen ß-Faltblatt-Anteils. Noch deutlicher wird die spektrale Änderung in den zugehörigen Differenzspektren (Spektren von (a) minus RNase-Spektrum bei 25 C) in (b). Die Entfaltung und Rückfaltung der RNase in Abhängigkeit von der Temperatur ist in (c) gezeigt. Bruker CONFOCHECK unter Verwendung der BioATRII-Einheit 3-17 Bruker Optik GmbH,
FT-IR Proteomics CONFOCHECK Spezielles FT-IR-System zur infrarotspektroskopischen Analyse von Proteinen in Wasser. Es basiert auf einem für die Biopharmazeutika optimierten Spektrometersystem, das über eine anwenderfreundliche Software gesteuert wird. Durch den Einsatz eines empfindlichen Detektors wird eine sehr kurze Messzeit (ca. 30 Sekunden/Probe) erreicht. CONFOCHECK IR-System für die Proteinanalyse - Bruker Optics.url http://www.brukeroptics.com/confocheck.html?&l=1 Die AquaSpec Transmissionszelle ist eine im Durchfluss befüllbare Küvette zur Vermessung von Proteinen in Wasser Die Bio-ATR II ist eine im Bereich 0-95 C temperierbare Mikro-ATR-Einheit für die Untersuchung von Proteinen in Wasser. 3-18