Beiträge aus der Statistik 561 Zugereiste oder Einheimische? Die Herkunft von Erstsemestern an bayerischen Hochschulen Dr. Raimund Rödel Das Abitur am Gymnasium stellt den klassischen Weg dar, um ein Studium an einer Universität aufzunehmen. Fast drei Viertel der Absolventen von Gymnasien, die im Wintersemester 2009/10 in ihre universitäre Ausbildung begannen, hatte zuvor ihr Abitur an einem bayerischen Gymnasium abgelegt. Der Anteil der Studienanfänger im ersten Hochschulsemester mit einer an bayerischen Gymnasien erworbenen Hochschulzugangsberechtigung differierte an den einzelnen Universitäten jedoch deutlich. Während an der Universität Regensburg über 90% der Erstsemester aus waren, lag deren Anteil an der Universität Würzburg bei knappen 60%. Die Universität der Bundeswehr in München/Neubiberg rekrutierte in den Universitätsstudiengängen sogar nur etwas mehr als 12% ihrer Studienanfänger aus bayerischen Gymnasien. Betrachtet man die Herkunft der Erstsemester an den bayerischen Hochschulen, können die charakteristischen Einzugsgebiete der Universitäten beschrieben werden. Ebenso lassen sich jene Hochschulen aufzeigen, welche von den Absolventen eines Gymnasiums in einem bayerischen Kreis oder eines anderen Landes der Bundesrepublik Deutschland bevorzugt werden. Der vorliegende Beitrag skizziert mit mehreren Karten, welche typischen Wanderungsbewegungen die Abiturienten Deutschlands im Wintersemester 2009/10 vollzogen, wenn sie eine bayerische Hochschule als Studienort wählten. Einführung Mit dem doppelten Abiturientenjahrgang erwarten die Hochschulen in im Jahr 2011, dass sich Absolventen von Gymnasien im weiteren Text als Abiturienten bzw. Studienanfänger mit Abitur bezeichnet besonders zahlreich für ein Studium einschreiben werden. Anhand von in der Studentenstatistik erhobenen Merkmalen lässt sich ein Bild zeichnen, welche Anzahl von Studierenden mit einer in erworbenen Hochschulzugangsberechtigung auch an einer bayerischen Hochschule studieren. Damit lässt sich darstellen, an welchen Hochschulen in sich bislang besonders viele bayerische Abiturienten für ein Hochschulstudium einschreiben. An diesen Hochschulen wird sich der doppelte Abiturientenjahrgang vermutlich anders auswirken als an jenen Hochschulen in, an welchen sich ein höherer Anteil von Abiturienten aus anderen Bundesländern einschreibt. Methodik In Deutschland werden Daten zur Herkunft von Studierenden in der bundeseinheitlichen Studentenstatistik erhoben. Deren Rechtsgrundlage ist das Hochschulstatistikgesetz vom 2. November 1990 (BGBl. I S. 2414), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1860) geändert worden ist. In wird hierbei für das Winter- und für das Sommersemester eines Studienjahres der gesamte Studentenbestand aufgenommen. Ein hierbei erfasstes Merkmal ist der Kreis für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung (HZB). Dieses Merkmal ist gut geeignet, um die regionale Herkunft von Studierenden abzubilden. Die Studentenstatis- in Zahlen 12 2010
562 Beiträge aus der Statistik Studienanfänger mit in Deutschland erworbenem Abitur an bayerischen Hochschulen im Wintersemester 2009/10 nach dem Land des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung (HZB) 1 tik bietet daher das geeignete Zahlenmaterial, um der Frage nachzugehen, aus welchen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und aus welchen Kreisen s die bayerischen Hochschulen ihre Studierenden gewinnen. Studienanfänger mit Abitur in im Wintersemester 2009/10 An den Hochschulen s schrieben sich im Wintersemester 2009/10 insgesamt 31 284 Studierende mit einer am Gymnasium erworbenen Hochschulzugangsberechtigung ein. Davon legten 74,0% (23 157) das Abitur in ab, die übrigen 26,0% verteilten sich wie in 1 dargestellt auf die übrigen Länder der Bundesrepublik Deutschland. Ge- Übrige Bundesländer 1,5 1,7 2,7 6,2 3,7 Baden- Württemberg 10,1 74,0 Studienanfänger mit in Deutschland erworbenem Abitur an bayerischen Hochschulen im Wintersemester 2009/10 nach dem (Bundes-) Land bzw. Kreis (in ) des Erwerbs der HZB 2 Schleswig- Holstein Mecklenburg- Vorpommern -Anhalt Anteil des Herkunftsgebiets Rheinland- Pfalz 0,25 0,25 0,50 0,50 1,00 1,00 2,00 2,00 8,00 8,00 oder mehr Baden- Württemberg in Zahlen 12 2010
3-5 Beiträge aus der Statistik 11 1 21 563 31 32 Von mit erworbenem Abitur überwiegend gewählte bayerische Hochschule 12 2 Studienanfängern 22in Deutschland im Wintersemester 2009/10 nach dem (Bundes-) Land bzw. Kreis (in ) des Erwerbs der HZB 3 13 23 33 4 14 24 34 5 15 6 16 7 17 8 9 10 1 1 2 3 4 Männliche Abiturienten 35 25 36 26 37 27 38 28 18 39 19 29 20 30 6 7 8 9 10 40 -Anhalt -Anhalt 5 1 1 2 1 3 1 4 1 5 6 7 8 9 10 Weibliche Abiturienten Universität Augsburg Universität Bamberg Universität Bayreuth Universität Erlangen-Nürnberg -Anhalt Universität der Bundeswehr München Universität München Technische Universität München Universität Passau Universität Regensburg Universität Würzburg Sonstige Hochschulen in in Zahlen 12 2010
564 Beiträge aus der Statistik messen an der Gesamtzahl aller Studienanfänger mit Abitur an bayerischen Hochschulen lag nur der Anteil von Abiturienten aus Baden-Württemberg,,, und über 1,5%. Diese regionale Verteilung widerspiegelt auch die Karte in 2. Anhand der dunkler werdenden Farbtöne ist erkennbar, aus welchen Kreisen s und aus welchen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland die meisten Erstsemester an eine bayerische Hochschule wechselten. Generell fällt bei einem Blick auf den bayerischen Teil der Karte auf, dass die aus stammenden Abiturienten ihre HZB vornehmlich in den kreisfreien Städten erworben haben. Allerdings widerspiegelt dieses ildung die Herkunft der bayerischen Erstsemester nicht vollständig, da etliche Schüler aus den Landkreisen s ihre Abiturprüfung an einem Gymnasium der größeren Städte ablegen. zugsgebiet wird in der Kartendarstellung die Universität Würzburg sichtbar. Die Universität Würzburg gehört zusammen mit der Universität der Bundeswehr in Neubiberg/München zu jenen Universitäten s, an welchen der höchste Anteil von Erstsemestern mit einer außerhalb s erworbenen HZB festzustellen ist. Dieses Charakteristikum ist auch deutlich in der Tabelle abzulesen. In den Kreisen der Oberpfalz entscheiden sich die meisten Abiturienten für ein Studium an der Universität Regensburg, im nördlichen Schwaben für ein Studium an der Universität Augsburg. Damit gehören die Universitäten Regensburg, Erlangen/Nürnberg und Augsburg zu den Universitäten, an welchen sich eher Abiturienten eingeschrieben haben, die ihre HZB im unmittelbaren bayerischen Umfeld des jeweiligen Hochschulstandortes erworben haben. An diesen Universitäten ist der Anteil von Studierenden im ersten Hochschulsemester mit einer außerhalb s erworbenen HZB relativ gering. Dagegen zeigt die nächste Kartendarstellung in 3 anschaulich, welche Hochschulen s von den Abiturienten in Deutschland im Wintersemester 2009/10 besonders häufig nachgefragt wurden: Die meisten Abiturienten aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz,, dem und Schleswig-Holstein schrieben sich im Wintersemester 2009/10 an der LMU München ein. Das galt ebenso für zahlreiche Kreise im südlichen Oberbayern. Als zweite Universität mit stark überregionalem Ein- Anteil der Studienanfänger mit Abitur an Universitäten s im Wintersemester 2009/10. Universität Studienanfänger mit Abitur insgesamt davon Ersteinschreibungen mit außerhalb s erworbener HZB in % Universität Augsburg... 2 254 21,07% Universität Bamberg... 1 040 31,73% Universität Bayreuth... 1 538 38,62% Universität Erlangen-Nürnberg... 3 959 15,94% Universität der Bundeswehr München (Universitätsstudiengänge)... 563 87,39% Universität München... 4 970 24,81% Universität Passau... 1 409 27,96% Universität Regensburg... 2 418 9,18% Universität Würzburg... 2 749 40,20% Ein gänzlich anderes Bild. zeichnet sich ab, wenn man fragt, welche bayerische Hochschule jeweils von Männern und von Frauen eines bayerischen Kreises oder eines anderen Landes bevorzugt wurde ( 4 und 5). Bei den Männern zeichnet sich eine deutliche Präferenz für die Technische Universität München und die Hochschule der Bundeswehr in Neubiberg/München ab. Damit unterscheidet sich die Karte der von Männern bevorzugten bayerischen Hochschulen im Wintersemester 2009/10 recht deutlich von jener in 3, die die alle Erstsemester mit einer am Gymnasium erworbenen HZB zeigt. Die Studienanfängerinnen bevorzugen dagegen vornehmlich die LMU München und die Universität Würzburg. Wie auch bei den männlichen Studienanfängern wird deutlich, dass die Universität Regenburg im östlichen eindeutig präferiert wird, bei Frauen noch mehr als bei Männern. Die beschriebenen Muster werden umso deutlicher, wenn man die spezifisch ausgeprägten Herkunfts- in Zahlen 12 2010
Beiträge aus der Statistik 565 6 7 Studienanfänger mit in Deutschland erworbenem Abitur an der Universität Würzburg im Wintersemester 2009/10 nach dem (Bundes-) Land bzw. Kreis (in ) des Erwerbs der HZB Anteil des Herkunftsgebiets -Anhalt 0,5 1,00 2,50 5,00 10,00 0,5 1,00 2,50 5,00 10,00 oder mehr keine Ersteinschreibungen an der Universität Würzburg 1 11 21 31 2 12 22 32 3 13 23 33 8 9 10 27 -Anhalt 37 38 des 18 Herkunftsgebiets 28 Anteil 39 19 29 Rheinland 0,5 Pfalz 40 20 0,5 bis 30 1,00 unter 1,00 2,50 2,50 5,00 5,00 10,00 10,00 oder mehr keine Ersteinschreibungen an der LMU München in Zahlen 12 2010 34 14mit in Studienanfänger Deutschland 24 4 erworbenem Abitur an der LMU München 35 15 2009/10 im Wintersemester nach dem 5 25 (Bundes-) Land bzw. Kreis (in ) 6 36 des Erwerbs der 16 HZB 26 17 2 3 4 5 6 7 8 9 10 7 1
566 Beiträge aus der Statistik Studienanfänger mit in Deutschland erworbenem Abitur an der Universität Regensburg im Wintersemester 2009/10 nach dem (Bundes-) Land bzw. Kreis (in ) des Erwerbs der HZB 8 Schleswig- Holstein Mecklenburg- Vorpommern -Anhalt Anteil des Herkunftsgebiets Rheinland- Pfalz 0,5 oder mehr 1,00 2,50 5,00 10,00 0,5 1,00 2,50 5,00 10,00 Baden- Württemberg keine Ersteinschreibungen an der Universität Regensburg gebiete von Erstsemestern mit gymnasialer HZB für einzelne Universitäten s darstellt. Hier lassen sich deutlich die in der Tabelle aufgezählten Universitäten unterscheiden. Von den 2 749 Studienanfängern mit Abitur an der Universität Würzburg hatten 1 105 und damit 40,2% ihre HZB an einem Gymnasium außerhalb s erworben. Das Einzugsgebiet der Universität Würzburg ist vor allem in westliche Richtungen orientiert. Dieser Effekt dürfte eine nicht unerhebliche Ursache in der Lage Würzburgs im Dreiländereck zwischen, und Baden-Würt- temberg haben. Gleichwohl nahm an der Universität Würzburg im Wintersemester 2009/10 auch ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Abiturienten aus sein Studium auf. Damit kann das Einzugsgebiet der Universität Würzburg als eines mit starker Fernwirkung auf andere Länder charakterisiert werden. Ein etwas anderes Bild wird erkennbar, wenn man die regionale Herkunft der 4 970 Studienanfänger mit Abitur an der LMU München kartographisch darstellt. Hier wird deutlich, dass selbst eine große Universität wie die LMU München ein stark regional ori- in Zahlen 12 2010
Beiträge aus der Statistik 567 entiertes Einzugsgebiet aufweist. Gleichzeitig ist ein Studium in München für viele Abiturienten aus anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland attraktiv, die LMU München weist zusätzlich eine starke Fernwirkung auf fast alle anderen Länder der Bundesrepublik Deutschland aus. Die Universität Regensburg als letztes Beispiel steht dagegen für ein regional stark auf das östliche orientiertes Einzugsgebiet. Von den 2 418 Studienanfängern mit Abitur im Wintersemester 2009/10 hatten lediglich 222 ihre HZB außerhalb s erworben. in Zahlen 12 2010