Einführung in die Empirische Bildungsforschung. Kompositionseffekte auf individuelle Entwicklungsprozesse in der Schule

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Transkript:

Einführung in die Empirische Bildungsforschung Kompositionseffekte auf individuelle Entwicklungsprozesse in der Schule

Überblick Differenzierung als Kennzeichen der Sekundarstufe I Warum Differenzierung? Effekte der Zusammensetzung der Klasse und der Schulform auf die Leistungs- und Intelligenzentwicklung Effekte der Zusammensetzung der Klasse auf das schulische Selbstkonzept 2

Literatur Köller, O. & Baumert, J. (2012). Schulische Leistungen und ihre Messung. In W. Schneider & U. Lindenberger (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (7. Auflage, S. 645-661). Weinheim: Beltz/ PVU. Psychologie in Erziehung und Unterricht, Heft 3, 2013 3

Differenzierung als Merkmal unseres Schulsystems Die große Mehrzahl der Bundesländer differenziert nach der 4. Jahrgangsstufe, Berlin und Brandenburg nach der 6. Jahrgangsstufe SuS wechseln dann auf ein Gymnasium oder einen nicht gymnasialen Zweig (Gemeinschaftsschule, Mittelschule, Sekundarschule...) Die traditionelle Dreigliedrigkeit (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) bzw. Viergliedrigkeit (Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule) wird zunehmend durch dieses Zwei- Säulenmodell ersetzt Die Zuweisung von SuS zu unterschiedlichen Schulformen soll leistungsbezogen geschehen 4

Wesen der Differenzierung Annahmen Frühzeitige Aufteilung führt zu einer Homogenisierung der SuS Lehrkräften fällt es leichter, homogene Lerngruppen zu unterrichten Die Ausbildung von Lehrkräften (gymnasiales vs. nichtgymnasiales) in der Sekundarstufe I soll auf diese homogenisierten Lerngruppen und deren Unterrichtung vorbereiten Trotz großer Unterschiede in der Lehrerbildung (mehr Fachanteile und weniger pädagogische Anteile in der Gymnasialausbildung) wurden die Lehrpläne der unterschiedlichen Schulformen zunehmend vereinheitlicht Aufwärts- und Abwärtsmobilität soll so möglich sein 5

Wesen der Differenzierung Trotz Homogenisierung der Lehrpläne höherer curricularer Anspruch an das fachliche Lernen auf dem Gymnasium Die Differenzierung nach Leistungen am Ende der Grundschule führt nicht allein zu einer Leistungshomogenisierung SuS an Gymnasium kommen aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status kommen seltener aus Familien mit Migrationsgeschichte Sind häugiger weiblich als männlich 6

Schülerinnen und Schüler nach Schulform im Schuljahr 2011/2012 3000000 2500000 2000000 1500000 1000000 500000 0 HS MBG RS GYM IGS Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 11, Reihe 1, Bildung und Kultur: Allgemeinbildende Schulen 7

Schülerinnen und Schüler nach Schulform und Jahr 2500000 2000000 1992 2003 2011 1500000 1000000 500000 0 HS MBG RS IGS GYM Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 11, Reihe 1, Bildung und Kultur: Allgemeinbildende Schulen 8

Deskriptive Befunde zu Schulformunterschieden: Lesen in PISA 2009 9

Deskriptive Befunde zu Schulformunterschieden: Mathematik in PISA 2009 10

Fragen, die sich mit der Differenzierung stellen Profitieren SuS von der Differenzierung? Profitieren SuS im differenzierten System eigentlich mehr von der Lehrkraft oder von den Mitschülerinnen und Mitschülern in der Klasse (der Zusammensetzung der Klasse)? Welche Gewinne bzw. Verluste hat die Differenzierung auf die Entwicklung kognitiver Grundfähigkeiten? Welche Gewinne und Verluste hat die Differenzierung im nichtkognitiven Bereich? Passen Lehrkräfte ihren Unterricht an den Leistungsstand der SuS an? Welches Professionswissen weisen Gymnasiallehrkräfte im Vergleich zu den übrigen Lehrkräften auf? 11

Unterschiede zwischen Schulformen in ihrer Zusammensetzung Mehr Mädchen an Gymnasien Weniger SuS mit Migrationshintergrund an Gymnasien Weniger sozial benachteiligte SuS an Gymnasien Weniger kulturell benachteiligte SuS an Gymnasien Höhere kognitive Grundfähigkeiten an Gymnasien Frage: Welche Rolle spielt die Zusammensetzung der Klasse für die Leistungsentwicklung? 12

Herausforderungen bei der Untersuchung von Kompositionseffekten (Thrupp et al., 2002) 1. Möglichst repräsentative Stichproben, die die gesamte Heterogenität der Schülerschaft abbilden 2. Neben sozialen Kompositionsmerkmalen auch kognitive (Intelligenz) berücksichtigen 3. Vorwissen berücksichtigen 4. Längsschnittdesign 13

Ergebnisse im Überblick: (vgl. Dumont et al., 2013) Das wichtigste Kompositionsmerkmal ist die fachliche Leistungsstärke der Klasse Kontrolliert man die Leistungsstärke der Klasse, spielt die sozioökonomische Zusammensetzung eine untergeordnete Rolle Der Anteil der SuS mit Migrationshintergrund hat erst dann einen negativen Effekt auf die Leistungsentwicklung, wenn er sehr groß wird Klassen mit einem hohen Mädchenanteil scheinen erfolgreicher zu lernen Kontrolliert man für die Schulform (Gymnasium vs. andere), so gehen die Effekte der Zusammensetzung deutlich zurück Effekte sind im Lesen generell eher klein, in Mathematik und der Fremdsprache eher groß Fazit: Suboptimale Förderung in schwachen Klassen 14

Ein Beispiel für eine Untersuchung: Köller et al. (2013) Zwei Stichproben (N = 1082 SuS aus 54 7. Klassen und N = 888 SuS aus 47 7. Klassen) Erhebung der Leistungen im Lesen und in Mathematik in der 7. (T1) und 9. Klasse (T2) Zusätzliche Erhebung der Intelligenz zu T1 15

Ergebnisse bei Köller et al. (2013) Prädiktor Mathematik zu T2 Lesen zu T2 Individuum Leistung zu T1.41**.58** Intelligenz zu T1.13**.07** Klasse Mittl. Leistung zu T1.36**.07 (n.s.) Schulform.47**.13 Mittl. Intelligenz zu T1.14.14* ** p <.01; * p <.05 16

Fazit von Köller et al. Kaum Effekte auf das Lesen In Mathematik: Sowohl Effekte der Schulform als auch der Zusammensetzung der Klasse (Komposition) 17

Leistungsdifferenzierung und Intelligenzförderung 18

Was ist Intelligenz (Rost, 2009? Intelligenz kennzeichnet, ganz allgemein gesagt, die durch die Faktoren Anlage und Umwelt sowie durch deren Wechselwirkung bedingte kognitive Leistungsfähigkeit und kognitive Ausdifferenzierung von Lebewesen 19

Einige Intelligenzdefinitionen (Rost, 2009 Fähigkeit zum abstrakten Denken Fähigkeit, sich der Umwelt anzupassen Fähigkeit, sich an relativ neue Situationen im Leben anzupassen Intellekt plus Wissen Kapazität zum Lernen oder von der Erfahrung zu profitieren Fähigkeit zum Lernen Befähigung zum Auffinden von Ordnung bzw. Redundanz Allgemeine angeborene kognitive Fähigkeit Fähigkeit, Wissen und Fertigkeiten zu erwerben und anzuwenden 20

Befunde, wonach Schule die Intelligenzentwicklung beeinflusst (Ceci, 1991) Positive Korrelation zwischen der Anzahl der Schuljahre und dem IQ (z. B. r =.68; Jencks et al., 1972) Negative Effekte der Schulferien auf die Intelligenz (insbesondere bei sozial benachteiligten Kindern; Heyns, 1978) Deutliche Unterschiede zwischen Kindern, die nie beschult wurden und Schulkindern (Sherman & Key, 1932) Negative Zusammenhänge zwischen Einschulungs-alter und IQ (DeGroot, 1951: Kinder, die wegen des Krieges später eingeschult wurden, hatten im Mittel 7 IQ-Punkte weniger als normal eingeschulte Kinder) 21

Befunde, wonach Schule die Intelligenzentwicklung beeinflusst (Ceci, 1991) Negative Zusammenhänge zwischen vorzeitigem Schulabbruch und Intelligenz (Härnqvist, 1968) Hohe Zusammenhänge und wechselseitige Beeinflussung von Schulleistungen und Intelligenz Positive Zusammenhänge zwischen Beschulungsdauer und Intelligenz innerhalb einer Alterskohorte (Baltes & Reinert, 1969) Das Phänomen der Intelligenzakzeleration (Flynn, 1987), wonach nachfolgende Generationen immer höhere Leistungen in Intelligenztests erreichen. 22

Modell der dynamischen Phänotyp-Umwelt- Interaktion (Dickens & Flynn, 2001) a a Intelligenz T 0 Intelligenz T 1 b v b v Persönl. Umwelt T 0 Persönl. Umwelt T 1 1 1 Genetische Ausstattung. a Intelligenz T 2. b. Persönl. Umwelt T 2. 1. 1 Umweltein- flüsse a a Intelligenz T T-1 Intelligenz T T v v b b Persönl. Umwelt T T-1 Persönl. Umwelt T T 1 23

Effekte der Schule auf die Intelligenzentwicklung: Becker et al. (2012) N = 1.888 Schülerinnen und Schüler der 7. Jahrgangsstufe aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, 65% von Gymnasien 2 Messzeitpunkte (Beginn der 7. und Ende der 10. Jahrgangsstufe KFT 4-12+ Skala Figurenanalogien (25 Items; 10 Ankeritems, KR-20 =.91 zu T1 und.84 zu T2; Stabilität r =.53) Weitere kognitive Maße zu T1: verbale Intelligenz (KFT 4-12+); Lesekomeptenz, mathematische Kompetenz, naturwissenschaftliche Kompetenzen, Schulnoten SES (Treiman-Score Mutter und Vater) und Schulabschlüsse der Eltern 24

Intelligenzwerte in 10 für SuS, die in der 7. Klasse identische Werte aufwiesen 3 2,5 d =.48 Intelligenz zu T2 2 1,5 1 0,5 0 Nicht- Gymnasium Gymnasium 25

Zusammenfassung Deutlicher Effekt der Schulform auf die Intelligenzentwicklung Befunde unterstreichen die Plastizität der Intelligenz d =.48 entspricht rund 7 Punkten auf der IQ-Skala 26

Zusammensetzung der Klasse und schulische Selbstkonzepte Arbeitsdefinition Schulische Selbstkonzepte sind generalisierte selbstbezogene Fähigkeitskognitionen, die sich auf die jeweiligen Schulfächer beziehen. Sie basieren auf Erfahrungen in Leistungssituationen primär im Kontext Schule bzw. Unterricht und auf den Interpre- tationen dieser Erfahrungen. 27

Wie entstehen schulische Selbstkonzepte? Das Bezugsrahmenmodell von Marsh (1986) Zwei zentrale Informationsquellen für die Bildung fachspezifischer Selbstkonzepte eigener Begabung Der interindividuelle bzw. soziale Vergleich (external frame of reference), bei dem die eigenen Leistungen in einem Schulfach mit denen der Mitschülerinnen und Mitschüler verglichen werden. Der intraindividuelle oder auch dimensionale Vergleich (internal frame of reference), bei dem Schüler die Leistungsergebnisse in einem Fach mit ihren eigenen Leistungen in einem anderen Fach vergleichen. 28

Der Big-fish-little-pond Effect (Marsh & Parker, 1984).45 Schulmittelwert der kogn. Fähigkeiten -.27 Kognitive Fähigkeiten.59 Selbstkonzept der Begabung 29

Erklärung für den Fischteicheffekt Die Bezugsrahmenhypothese von Marsh und Parker (1984) Die Klasse oder Schule definiert den Bezugsrahmen, innerhalb dessen Schülerinnen und Schüler ihre Leistungen mit denen ihrer Kameradinnen und Kameraden vergleichen. Dieser soziale Vergleich ist eine zentrale Quelle für die Ausbildung des Begabungsselbstkonzepts. Soziale Aufwärtsvergleiche führen üblicherweise zu einem Absinken des Begabungsselbstkonzepts, Abwärtsvergleiche haben eher einen Anstieg des Begabungsselbstkonzepts zur Folge. In Klassen oder Schulen mit besonders leistungsstarken Mitschülerinnen und -schülern steigt die Chance von Aufwärtsvergleichen und damit die Wahrscheinlichkeit negativer Effekte auf das Selbstkonzept der Begabung. 30

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: koeller@ipn.uni-kiel.de 31