WORKSHOP 6 Verantwortung und Haftung in Notfällen Forum protect, Magdeburg, 28.11.2011 Referent: Claus Eber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht 88287 Ravensburg-Grünkraut, Bodnegger Straße 19 Tel. 0751/769220, FAX. 0751/64750 Mail: eber@bott-eber.de
Haftungskoordinaten Zivilrecht Verfahren nach ZPO (Zivilprozessordnung) Partei- bzw. Vortragsgrundsatz Beweislastregeln: Wer etwas zu seinen Gunsten vorträgt, muss dies grds. beweisen (Ausnahme: Beweislastumkehr selten!) Verfahrensende meist durch Urteil oder Vergleich Strafrecht Verfahren nach StPO (Strafprozessordnung) Ermittlungsgrundsatz Gericht muss von Tat und Schuld überzeugt sein hieran darf kein vernünftiger Zweifel verbleiben, sonst im Zweifel für den Angeklagten Verfahrensende durch Urteil oder Verfahrenseinstellung
Bei vielen Unternehmern fehlt das Bewusstsein, dass sie auch weiterhin in der Haftung verbleiben, wenn wesentliche Pflichten an Mitarbeiter delegiert werden. Vgl. u.a. 130 OWiG. Eine 100-prozentige Abgabe der strafrechtlichen Haftung ist nicht möglich!! Ansatzpunkte für Organisationsverschulden: Auswahlverschulden: War der Mitarbeiter, an den delegiert wurde, zur Durchführung der Tätigkeit geeignet? Anweisungs- und Unterweisungsverschulden: Waren Betriebsanweisungen und Unterweisungen fehlerhaft oder lückenhaft oder wurden sie gar nicht durchgeführt? Überwachungsverschulden: wurde gar nicht, zu lasch oder nicht effektiv geprüft?
Haftungsansatz Vorstand der X-AG Organ Generelle Verantwortung als Organ, Organisationspflicht Bereichsleiter Organisation/Gebäudetechnik Leiter Reparatur/Wartung Abteilungsleiter Tankanlagen Mitarbeiter (M) Aufsichtspflicht, Auswahl- und Unterweisungspflicht, Organisationspflicht Aufsichtspflicht, Auswahl- und Unterw. - und Organisationspflicht Aufsichtspflicht, Auswahlund Unterweisungspflicht Handlung (vor Ort)
Organisationsverschulden: Schuldhafte Verletzung von Organisationspflichten bzw. Nichteinhalten rechtlicher Anforderungen an betriebliche organisatorische Maßnahmen. Frage im Schadensfall: wurden alle zur Schadensvermeidung vorgeschriebenen und erforderlichen Maßnahmen ergriffen, eingehalten und deren Einhaltung wenigstens stichprobenartig kontrolliert? Wichtig für die Verteidigung im Strafverfahren: Nachweis der organisatorischen Maßnahmen. Dokumentation!!!! Problem und Chance Strafrahmen
Sachverhalt: Die Fa. Erdal brachte ein Lederspray auf den Markt, bei dessen Gebrauch einige Personen erkrankten. Die Geschäftsführung wusste von diesen Fällen, unternahm jedoch nichts (kein Rückruf des Sprays). Urteil des BGH vom 06.07.1990: Alle Geschäftsführer wurden strafrechtlich wegen Körperverletzung durch Unterlassen zur Verantwortung gezogen. Auch die Geschäftsführer, die mit der Produktpalette und dem möglichen Rückruf intern gar nicht befasst waren ( ressortübergreifende Haftung ). Ihnen warf der BGH vor, intern nicht auf eine Entscheidung gedrängt zu haben, die die Schadensfälle verhindert hätte. Der Einwand, sie hätten sich intern sowieso nicht durchgesetzt, ist rechtlich unbeachtlich.
Aktuelles Ermittlungsverfahren bei StA Augsburg: Sachverhalt: In einem Betrieb im Süddeutschland fällt als Nebenprodukt der Produktion Salzsäure an. Diese wurde lange Zeit in Auffangbecken gelagert und nach und nach abtransportiert. Immer wieder kam es im näheren Umfeld der Auffangbecken zu Verunreinigungen des Erdreiches und des Grundwassers. Das Problem ist praktisch allen Beteiligten in der Firma bekannt. StA ermittelt gegen den Vorstand der AG; Vorwurf: Er sei verpflichtet gewesen, geeignete Maßnahmen und Beschlüsse herbeizuführen, um weiteren Austritt der Salzsäure zu vermeiden. StA ermittelt gegen den Bereichsleiter Produktion; Vorwurf: Er sei verpflichtet gewesen, die Produktion wegen der nicht sicheren Aufbewahrung der Salzsäure zu drosseln oder gar einzustellen, bis Abhilfe geschaffen ist.
StA ermittelt gegen den Umweltschutzbeauftragten der Konzernmutter, der diese Funktion auch in der betroffenen Firma innehat; Vorwurf: Er sei verpflichtet gewesen, geeignete Maßnahmen technischer und organisatorischer Art herbeizuführen, durchzusetzen und deren Umsetzung zu überwachen, die weiteren Austritt der Salzsäure vermeiden. StA ermittelt gegen vier Abteilungsleiter/Mitarbeiter, die den bestehenden, bekannt mangelhaften Zustand des Auffangbeckens nicht firmenintern angezeigt hätten.
Aktuelle Urteile, in denen Organisationsverschulden zumindest auch eine Rolle spielte: Urteil AG Garmisch-Partenkirchen, 01.12.2009, Zugspitzlauf : Hätte Organisator die Einhaltung der Bekleidungsvorschriften durch Streckenposten sicherstellen müssen? Urteil zum Kaprun-Unfall aus Österreich aus dem Jahr 2007: Hätte die Betriebsleitung Regeln erstellen und überwachen müssen, dass keine betriebsfremden Elektrogeräte in die Kabinenbahn eingebracht werden dürfen? Beschluss BGH zum Transrapidunfall im Emsland, 22.09.2009: Hätte eine elektronische Fahrwegsperrung für den Fall eingebracht werden müssen, dass sich Zweitfahrzeuge auf der Teststrecke befinden?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!