Freies Sintern oder Heißpressen? Eine Entscheidungshilfe



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Freies Sintern oder Heißpressen? Eine Entscheidungshilfe Christian H. Kühl Diamond Tool Consulting Neuhofer Straße 13b, 24558 Henstedt-Ulzburg christian.h.kuehl@gmx.de www.diamond-tool-consulting.de Abstrakt In der klassischen Pulvermetallurgie ist das freie Sintern ein bewährtes Verfahren, während das so genannte Heißpressen, wie es in der Diamantwerkzeugindustrie weitestgehend üblich ist, eine äußerst untergeordnete Rolle spielt. Im Folgenden soll gezeigt werden, was die Gründe hierfür sind und was getan werden muss, um dem freien Sintern die Bedeutung zukommen zu lassen, die es verdient. Preis- und Wettbewerbsdruck zwingen die Werkzeughersteller zu immer weiteren Kosteneinsparungen. Das freie Sintern ist eine effektive Möglichkeit, die Herstellungskosten signifikant zu senken. Es hat aber gegenüber dem Heißpressen auch einige deutliche Nachteile. Dieser Artikel zeigt die physikalischen Unterschiede beider Verfahren auf, wie z.b. das dreidimensionale Schrumpfen oder der Einfluss der unterschiedlichen Prozessparameter auf die Eigenschaften der Bindung. Er zeigt aber auch die die Vor- und Nachteile beider Verfahren hinsichtlich Kapazität und Flexibilität sowie das Kosteneinsparungspotential des freien Sinterns. 1 Einführung Freies Sintern ist ein technischer Ausdruck, der in der Diamantwerkzeugindustrie verwendet wird, um den Prozess vom Heißpressen zu unterscheiden, welcher der Einfachheit halber nur Sintern genannt wird. Das ist genau genommen nicht ganz richtig, denn die ISO definiert Sintern als ein Verfahren zur Herstellung von Werkstoffen, wobei Pulver oder Pulverpresslinge (Grünlinge) auf Temperaturen unterhalb deren Schmelztemperaturen erhitzt werden, um durch Verbinden ihrer einzelnen Partikel die Festigkeit zu erhöhen. Das Heißpressen ist ein Spezialfall des Sinterns, bei dem neben Temperatur auch äußerer Druck aufgewendet wird. Nachfolgend werden die wichtigsten Unterschiede aufgezeigt, sowie der aktuelle Stand der Technik. 2 Die Theorie des Sinterns Sintern ist ein diffusionsgesteuerter Prozess, wobei Diffusion ein makroskopischer Materialtransport in Festkörpern, Flüssigkeiten oder Gasen ist, den Fick [1] in seinen Gesetzen mathematisch beschreibt. Jost [2] führt weiter aus, dass die Diffusion sowohl von der Temperatur als auch vom Material abhängt. Eine gute Abschätzung ist, dass die Diffusion D proportional zum Schmelzpunkt ist. Die Gesetze von Fick und Jost lassen folgende Interpretation zu: D Oberfläche > D Phasengrenze > D Korngrenze > D Volumen D Oberfläche : Feine Pulver sintern aufgrund der erhöhten Partikelkontakte schneller als grobe Pulver. Aus dem gleichen Grund sintern kalt gepresste Pulver schneller als ungepresste. D Phasengrenze : Elementare Pulver sintern schneller als vorlegierte Pulver. D Korngrenze : Pulver mit feinem Mikrogefüge fördern Kornwachstum. D Volumen : Pulver mit hoher Versetzungsdichte sintern schneller. 1

In der Diamantwerkzeugindustrie ist bis heute das Heißpressen jedoch unverzichtbar. Dafür gibt es einfache Erklärungen. Der Sinterprozess verlangsamt sich nach dem Schließen der Poren. Äußerer Druck, wie beim Heißpressen hingegen hält eine gleich bleibende externe Triebkraft aufrecht [3]. Das Prinzip wird als diffusionsinduziertes plastisches Fließen oder auch Nabarro Herring Kriechen bezeichnet. German definiert das Nabarro Herring Kriechen als zeitabhängige plastische Verformung, welche aufgrund der kombinierten Auswirkung von temperaturinduzierter, atomarer Diffusion und Spannung unterhalb der Streckgrenze auftritt [4]. Einfacher ausgedrückt bedeutet es, dass beim Heißpressen das Sintern schneller und bei niedrigerer Temperatur abläuft und zum Erreichen höherer Dichte führt. Berücksichtigt man, dass erste thermische Diamantschädigungen bereits bei 600 C auftreten, kann eine niedrige Sintertemperatur bei Diamantwerkzeugen ein qualitativer Vorteil sein. Thermische Diamantschädigung 500 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300 Temperatur [ C] Oxidation Bruch Grafitierung Abb. 1: Thermische Schädigung von Diamanten Oxidation wird von Oberflächensauerstoff verursacht, der die Pulverpartikel umhüllt, und eine aufgeraute Diamantoberfläche bewirkt, da der Sauerstoff gemäß dem Boudouard - Gleichgewicht über eine CO / CO2 Reaktion Kohlenstoff aus der Diamantoberfläche abtransportiert. Mechanischer Bruch und innere Mikrorisse werden durch metallische Einschlüsse, welche aus der Diamantsynthese zurückgeblieben sind, verursacht. Die unterschiedliche thermische Ausdehnung von Metall und Diamant erzeugt innere Spannungen und damit Mikrorisse, die später zu vorzeitigem Bruch der Kristalle führen. Grafitierung wird durch Lösungs- und Wiederausscheidungsvorgänge des Kohlenstoffs im Metallgitter erzeugt. Dort werden bei höheren Temperaturen Kohlenstoffatome gelöst, die während der Abkühlung als hexagonaler Grafit auf der Diamantoberfläche abgeschieden werden. 3 Druckloses Sintern von Diamantwerkzeugen Warum sollte nun druckloses Sintern bei der Herstellung von Diamantwerkzeugen in Betracht gezogen werden, wenn das Heißpressen so eindeutige Vorteile aufweist? Der wichtigste Grund ist sicher die Wirtschaftlichkeit. Trotz steigender Metallpreise fallen die Preise für Diamantwerkzeuge auf den internationalen Märkten. Der Wettbewerbsdruck lässt es nicht zu, steigende Herstellkosten an die Kunden weiterzugeben, demzufolge sinken die Margen. Wirtschaftlichere Fertigungsmethoden sind ein gutes Mittel Kosten zu senken. Technische Fortschritte sind ein weiterer Grund. Die Qualität synthetischer Diamanten hat sich in den letzten 25 Jahren kontinuierlich verbessert. Der Anteil metallischer Einschlüsse in hochwertigen synthetischen Diamanten ist heute so gering, dass die Gefahr der Mikrorissbildung deutlich abgenommen hat. Ein wichtiger Aspekt ist aber auch die Bindungsentwicklung. Neuartige Pulver und intelligente Pulvermischungen können die Nachteile des freien Sinterns weitgehend kompensieren. 2

Das gelingt allerdings nur, wenn der Prozess gut verstanden wird und einige wichtige Voraussetzungen eingehalten werden. 3.1 Kaltpressen und Schrumpfung Das Kaltpressen ist beim drucklosen Sintern von erheblich größerer Bedeutung als beim Heißpressen, wo Risse im Grünling oder ungleichmäßige Dichte während des Sinterns heilen können. Beim drucklosen Sintern ist das nicht der Fall. Fehler im Grünling sind auch im gesinterten Zustand weiterhin vorhanden, im Fall von ungünstiger Gründichteverteilung führen sie zu einem ungleichmäßigen Sintern und damit zu Maßverzug. Die Lage der neutralen Zone im Grünling sollte in jedem Fall in der Mitte des Grünlings liegen. Bei vielen Diamantwerkzeugherstellern sind auch heute noch zum Teil sehr alte, vor allem gravimetrisch arbeitende Kaltpressen zu finden, die das Prinzip des zweiachsigen Pressens gar nicht oder nur teilweise verwirklichen. Diese Maschinen sind für das freie Sintern völlig ungeeignet. Abb. 2 zeigt wie die Position der neutralen Zone durch das Kaltpressen beeinflusst wird. Abb. 2: Position der neutralen Zone beim Kaltpressen Den Bereich der geringen Gründichte, welcher durch Reibung zwischen den Pulverpartikeln selber oder auch durch Reibung zwischen Wand und Pulverpartikeln erzeugt wird, nennt man neutrale Zone. Die Gründichte, die bei einem vorgegebenen Druck erzielt werden kann, hängt sowohl von der angesprochenen Reibung als auch vom verwendeten Pulver ab. Geeignete Maßnahmen (Abb. 3) können zwar die Gründichte beeinflussen, nicht aber die Lage der neutralen Zone. Abb. 3: Einfluss des Pressdrucks auf die Gründichte [5] Beim Kaltpressen bewirkt eine Erhöhung des Druckes ein Aneinanderlagern der Pulverpartikel, wodurch sich die Gründichte erhöht. Bei einer weiteren Steigerung des Druckes können die Partikel plastisch deformiert werden, wodurch sie sich noch enger aneinander legen und die Dichte weiter erhöht wird. In Abb. 3 wird gezeigt, dass sich bei 3

gleichem Druck ein weich geglühtes Eisenpulver höher verdichten lässt, was auf einfacheres plastisches Verformen zurückzuführen ist. Wirkungsvoller ist jedoch die Zugabe geeigneter Presshilfsmittel, z.b. Zinkstearat oder besser noch moderne Mikrowachse, welche die innere Reibung deutlich herabsetzen. Das Beeinflussen der Gründichte ist beim freien Sintern von außerordentlicher Bedeutung, bestimmt es doch ganz maßgeblich die Schrumpfung während des Sinterprozesses. Dies soll in Abb. 4 verdeutlicht werden. Abb.4: Unterschied zwischen ein- und dreidimensionalem Schrumpfen Beim Heißpressen tritt, verursacht durch den äußeren Druck, nur eindimensionales Schrumpfen auf. Das macht die Berechnung der Endgeometrie sehr einfach, vor allem, wenn man von einer nahezu vollständigen Verdichtung beim Sintern ausgehen kann. Die Gründichte ist nur in sofern wichtig, als der Grünling eine ausreichende Stabilität für das Handling haben muss und in die jeweilige Grafitform für das Heißpressen passen muss. Im Beispiel von Abb. 4 wird das Endmaß unabhängig von einer unterschiedlichen Gründichte bei vollständiger Verdichtung erreicht. Beim freien Sintern werden, vollständige Verdichtung der Einfachheit vorausgesetzt, abhängig von der Gründichte unterschiedliche Endmaße erzielt. Unterschiedlich nicht nur hinsichtlich der Gründichte, sondern auch unterschiedlich zum Heißpressen. Die Formel: S V V 2 = 1 3 (1) 1 beschreibt das dreidimensionale lineare Schrumpfen pro Achse. Wie man sieht, ist Abb. 5: Dreidimensionale Schrumpfung 4

dadurch das absolute Schrumpfmaß von der absoluten Abmessung des Grünlings abhängig. Bezogen auf das Beispiel in Abb. 4 ist die Schrumpfung in Längsrichtung damit deutlich größer, als in der Breite. Die Gründichte ist damit neben der Grüngeometrie ein wichtiges Instrument zur Steuerung des Endmaßes. Das wird in Abb. 5 noch weiter verdeutlicht. Um also das gleiche Endmaß wie beim Heißpressen zu erzielen, wird ein anderes Kaltpresswerkzeug mit anderer Geometrie benötigt und das Endmaß wird unter genauer Berücksichtigung der Gründichte eingestellt. 3.2 Sintern Aufgrund der unterschiedlichen Sintermechanismen werden für drucklos gesinterte Segmente andere Bindungen benötigt, als bei heißgepressten Segmenten. Anhand eines Beispiels (Abb. 6) soll das verdeutlicht werden. Kobaltpulver ist, nach wie vor, eines der wichtigsten Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Diamantwerkzeugen. Bei sachgemäßer Sinterung erreicht man mit der Qualität extra fein (1,4µm FSSS) bei Temperaturen zwischen 750 C und 800 C eine Härte von ca. 300 HV10. Die Sinterzeit beträgt dabei ca. 3 5 Minuten und es wird eine Dichte von 99 100% der theoretischen Dichte erreicht. Anders ist die Situation beim freien Sintern. Abb. 6 verdeutlicht, dass die maximale Härte bei ca. 950 C erreicht wird, wobei die Sinterzeit ca.1 Stunde beträgt. Abb. 6: Härte von Kobalt Bei jedem Sintervorgang sollte ein Optimum zwischen Eliminierung von Poren und Vermeidung von Kornwachstum gefunden werden, denn Kornwachstum ist der Grund für den Härterückgang bei höheren Temperaturen. Durch Reduzierung der Anzahl der Korngrenzen versucht das Material seine innere Energie zu verringern. Das dokumentiert sich in Kornwachstum und damit verbundener geringerer Festigkeit und Härte. Abb.7 zeigt die Ausbildung von Kornwachstum im Schliffbild am Beispiel zweier heiß gepresster Kobaltproben. Abb. 7: Kornwachstum an gesintertem Kobalt (1,4µm FSSS) Da beim freien Sintern deutlich höhere Temperaturen angewendet werden müssen ist das Kornwachstum ein entscheidendes Handicap. Geringere Härte bedeutet geringere 5

Festigkeit. Geringere Festigkeit bedeutet aber auch ein geringeres Kornhaltevermögen der Bindung gegenüber der Diamantkörnung. Entscheidend bei der Entwicklung von neuen Bindersystemen zum drucklosen Sintern für Diamantwerkzeuge ist es also das Kornwachstum zu verhindern. Das kann auf unterschiedliche Art geschehen. Wie Eingangs beschrieben kann die Diffusion beschleunigt werden und damit die Sintertemperatur gesenkt werden. Feine Pulver sind in jedem Fall eine wichtige Voraussetzung. Darüber hinaus ist das Reaktionssintern eine wichtige Maßnahme. Unter Reaktionssintern versteht man unter anderem das Sintern elementarer Pulver, sodass die Legierungsbildung erst während des Sinterprozesses stattfindet. Das hat den Vorteil, dass mit der Phasenumbildung und mit dem Verschwinden der Ausgangsphasen eine Kornfeinung einhergeht. Weiterhin kann durch Mikrolegieren das Kornwachstum begrenzt werden. Durch so genanntes Dopen werden geringste Mengen bestimmter Phasen so an die Korngrenzen angelagert, dass sich die Materialeigenschaften kaum ändern, das Kornwachstum aber nachhaltig unterdrückt wird (Abb. 6). 3.3 Sinteröfen und Sinteratmosphären Die Wahl des geeigneten Ofens ist sollte aus kapazitiven Gesichtspunkten erfolgen, wobei gerade in der Diamantwerkzeugindustrie auch die Flexibilität ein wichtiger Faktor ist. Zwei Ofentypen bieten sich vorrangig an. Zum einen ist das der Muffelofen, zum anderen der Band- oder Durchstoßofen. Die beiden Ofentypen haben einen grundlegenden Unterschied. Der Muffelofen ist ein Chargenofen. Er wird befüllt, geschlossen und durchläuft dann ein voreingestelltes Zeit-Temperatur-Profil. Anders verhält es sich mit dem Bandofen. Er ist sehr lang und verfügt über fest eingestellte Heizzonen. Das Sintergut durchläuft die Heizzonen auf einem Band, das Zeit-Temperatur-Profil wird durch die Bandgeschwindigkeit gesteuert. Beide Öfen haben eine etwa vergleichbare Kapazität, der Bandofen hat aber die deutlich günstigere Flexibilität. Hier kann die Temperatur oder die Bandgeschwindigkeit zu jeder Zeit variiert werden, d.h. das Zeit-Temperatur-Profil kann, in Abhängigkeit der zu sinternden Segmente angepasst werden. Beim Muffelofen muss dazu der voreingestellte Programmablauf abgewartet werden. Neben der Wahl des Ofens, spielt die Wahl der Atmosphäre eine wichtige Rolle. Abb. 8 gibt etwas Hilfestellung für die geeignete Entscheidung. Für das Erreichen vollständiger Verdichtung kann auf das Vakuum kaum verzichtet werden, da kleinste Gaseinschlüsse das verhindern. Zur Sinterung von Diamantwerkzeugen ist das jedoch nicht zwingend erforderlich, zumal der technische Aufwand beim Vakuumofen recht hoch und kostspielig ist. Eine reine Stickstoffatmosphäre hat nur unter Sicherheitsaspekten einen Vorteil, da das Prozessgas nicht abgefackelt zu werden braucht. Auf reinen Wasserstoff kann unter Berücksichtigung der Kosten im Vergleich zu Wasserstoff-Stickstoff-Gemischen verzichtet werden. Abb.8: Einfluss der Atmosphäre auf den Sinterprozess 6

Während der Sinterung reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser in Form von Dampf. Es ist daher wichtig für einen ausreichenden Gasfluss zu sorgen, um den Wasserdampf abtransportieren zu können. Wasserdampf führt sonst vor allem während der Abkühlung zu erneuter Oxidation. Unter diesem Gesichtspunkt ist deshalb auch der Wasserdampfgehalt des Schutzgases zu berücksichtigen. Der Dampfgehalt in Gas wird als Taupunkt gemessen. Der Taupunkt wird als diejenige Temperatur definiert, bei der der Wasserdampf zu kondensieren beginnt [6]. Ein sehr guter Taupunkt von -40 C bedeutet, dass der Dampfgehalt bei ca. 0,02% liegt, Abb. 9. Abb. 9: Wassergehalt in Volumenprozent vs. Taupunkt [7] 4 Wirtschaftlichkeit und Kostenersparpotential Die Herstellungskosten eines Diamantsegments kann man in drei Blöcke unterteilen: Produktionskosten, Pulverkosten und Diamantkosten. In Abb. 10 wurde das exemplarisch für Abb. 10: Fertigungskosten ausgewählter Segmenttypen drei unterschiedliche Segmentgeometrien durchgeführt. Da die Rohmaterialkosten nur bedingt beeinflusst werden können bleibt als Einflussgröße nur der Fertigungskostenblock. Dieser macht zwischen 30% und 60% der Herstellkosten aus. Das ist genau der Bereich, den es beim freien Sintern anzugreifen gilt. 7

In Abb. 11 wurde die Kapazität eines kleinen Muffel- bzw. Bandofens mit 3500 bis 4000 Abb. 11: Kapazitätsabschätzung, Segmentgröße: 40 x 10mm Segmente pro Tag berechnet. Eine Heißpresse sintert ca. 50 Segmente pro Zyklus, wobei ein Zyklus ca. 20 min dauert. Das ergibt eine Tageskapazität von etwa 1200 Segmenten. Das freie Sintern hat aber nicht nur Vorteile bei der Kapazität. Es entfallen die Grafitkosten und es entfällt das aufwendige Packen der Grafitformen. Das Bestücken des Ofens ist sehr viel einfacher und schneller, vor allem wenn die Kaltpresse bereits mit einem Handlingsystem ausgestattet ist, dass die Segmente direkt auf geeignete Chargierplatten ablegt. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Segmente metallisch blank aus dem Ofen kommen und keine schwarze Sinterhaut aufweisen. 5 Zusammenfassung Freies Sintern ist eine effiziente Möglichkeit die Fertigungskosten zu senken. Moderne Bindungen und ein gutes Verständnis des Prozesses und der Prozessparameter erlauben es qualitativ hochwertige Diamantsegmente zu produzieren, die mit der Qualität heiß gepresster Segmente mithalten können. Selbst für kleine Serien bietet ein Bandofen hinreichende Flexibilität. Freies Sintern mag möglicherweise nicht für alle Segmenttypen und Bindungen geeignet sein, ein Großteil heute üblicher Segmente lässt sich aber auf jeden Fall mit diesem Verfahren kosteneffizient fertigen. 6 Literatur [1] A. Fick, Phil. Mag. (1855), 10, 30. [2] W. Jost: Diffusion in solids, liquids and gases. Academic Press Inc., New York, 1960 [3] Salmang Scholze, Keramik (2007), 7th edition. [4] R. M. German: A Z of Powder Metallurgy, Elsevier Ltd, 2005. [5] F. Eisenkolb, F. Thümmler: Fortschritte der Pulvermetallurgie. Bd. 1, Grundlagen der Pulvermetallurgie, Berlin, Akademie-Verlag 1963 [6] P. C. Angelo, R. Subramanian: Powder Metallurgy: Science, Technology and Application, PHI Learning Private Ltd, New Delhi, 2008 [7] G. S. Upadhyaya: Powder Metallurgy Technology, Cambridge International Science publishing, 2002 8