Gute Führung reicht nicht



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Transkript:

72 development Gute Führung reicht nicht INTERVIEW MIT FÜHRUNGSFORSCHER JOSEPH FOLKMAN Foto: www.text-ur.de

development 73 Worin zeigt sich exzellente Führung? Joseph Folkman kennt die Antwort: Der amerikanische Kompetenzforscher hat mehr als 50.000 Führungskräftebeurteilungen ausgewertet und dabei eindeutige Eigenschaften und überraschende Zusammenhänge gefunden. Seine Ergebnisse stellte er im Januar 2014 erstmals in Deutschland vor. managerseminare traf ihn auf dem Kongress der Scheelen AG zum Interview. Preview: IVielfältige Führungsqualität: Jeder Chef ist anders großartig I16 Kompetenzen für den Erfolg: Was exzellente von guten Führungskräften unterscheidet IStärken, Schwächen und empfindliche Schwachstellen: Wo effiziente Führungskräfteentwicklung ansetzen sollte IAchtung Umleitung: Wie sich Kompetenzen auch auf Umwegen trainieren lassen IMächtige Motivatoren: Wie wichtig hervorragende Chefs wirklich für eine Organisation sind IWas können Unternehmen tun, um ihre Führungskräfte zu außergewöhnlich guten Chefs zu entwickeln? Sie haben fast eine halbe Million Feedbacks zu über 50.000 Führungskräften weltweit analysiert. Haben Sie den perfekten Chef gefunden? Joseph Folkman: Ich denke nicht, dass irgendeine Führungskraft perfekt ist. Tatsächlich habe ich viele hervorragende Führungskräfte getroffen. Und zwar sowohl auf der untersten Leitungsebene Leute, die sich um ihre Mitarbeiter kümmerten, Energie hatten und Ziele erreichen wollten als auch in den obersten Führungsetagen. Alle waren sehr unterschiedlich. Tatsache ist: Selbst exzellente Manager sind in der Regel sehr gut in manchen Bereichen und weniger gut in anderen. Nur wenn wir verschiedene Führungskräfte als Team oder in einer Gruppe kombinieren, bekommen wir eine perfekte Führungskraft. Die Führungskräfte eines Unternehmens sollten sich also er - gänzen? Ein Beispiel: Randall Stephenson, der Vorstandsvorsitzende des amerikanischen Telekomkonzerns AT&T, ist ein Visionär, er ist strategisch, denkt langfristig, und kann seine Leute begeistern. Sein Kollege John Stankey dagegen ist vor allem ergebnisorientiert. Er ist Strategie-Chef bei AT&T und verantwortet den Bereich Mobilfunk, der gerade viele Kunden verliert. Dort muss er jeden Tag schwierige Entscheidungen treffen, Kürzungen vertreten und Umstrukturierungen durchsetzen und liefert trotzdem gute Resultate. Auch er hat sehr gute Beurteilungen durch seine Mitarbeiter, Service Literaturtipp John H. Zenger und Joseph R. Folkman: The extraordinary leader. Turning good managers into great leaders. McGraw-Hill, New York 2009, 32,95 US-Dollar. Führung lässt sich lernen, so die Überzeugung der beiden amerikanischen Managementberater. In den USA ist das Buch mittlerweile ein Klassiker der Managementliteratur und die Grundlage von zahlreichen weiteren Veröffentlichungen der Autoren, darunter Die inspirierende Führungskraft. Wie großartige Führungskräfte ihre Mitarbeiter motivieren. Linktipps www.managerseminare.tv/video/1660 In dem knapp fünfminütigen Video erklärt Joseph Folkman im Gespräch mit Sylvia Lipkowski, warum Führungskräfteentwicklung immer wichtiger wird und wie Manager auf die steigenden Erwartungen an sie reagieren sollten. www.zengerfolkman.com Im Resource Center der Unternehmenswebsite von John Zenger und Joseph Folkman sind neben Aufsätzen, Checklisten und Fallbeispielen auch zahlreiche Podcasts und Videopräsentationen zu finden, die einzelne Aspekte des Themas exzellenter Führung vertiefen.

74 development Kollegen und Vorgesetzte bekommen, ist also eine exzellente Führungskraft. Dabei ist er völlig anders als Stephenson, aber ergänzt ihn hervorragend. Wie haben Sie es trotz der Unterschiede, die gute Führungskräfte auszeichnen, geschafft, Kompetenzen zu identifizieren, die exzellente Führung ausmachen? (siehe dazu Kasten unten) Wir haben bei unseren Forschungen die Führungskräfte, die von ihrem beruflichen Umfeld die besten Beurteilungen erhalten haben, mit denen verglichen, die am schlechtesten beurteilt worden sind. Dabei haben wir uns gefragt: Welche Kompetenzen und Eigenschaften haben die einen, die die anderen nicht haben? Welche Verhaltensweisen machen den größten Unterschied? Aus einer Auswahl von fast 2.000 möglichen Kompetenzen und Verhaltensweisen haben wir schließlich 16 besonders häufig bei den herausragenden Chefs gefunden. Sie sind überzeugt, dass man diese Kompetenzen trainieren kann. Mit welcher Kompetenz sollte ein Manager anfangen, wenn er ein besserer Chef werden will? Was exzellente Führungskräfte ausmacht Manager sollten sich fragen, was ihr Markenbild als Führungskraft ausmacht: Wie hebe ich mich ab? Worin kann ich wirklich gut sein? Zunächst sollte er sich klarmachen, dass er nicht alle 16 Kompetenzen beherrschen muss. Führungskräfte sind nicht dann exzellent, wenn sie keine Schwächen haben, sondern dann, wenn sie über klare Stärken verfügen. Wie das ipod: Viele Leute haben eins obwohl es in den USA 300 Dollar kostet, normale MP3-Player aber nur 30 Dollar. Die Musik klingt nicht besser als auf den billigeren MP3-Playern. Warum also sind die Konsumenten bereit, zehn Mal so viel Geld dafür auszugeben? Nun das ipod hebt sich ab von den anderen Angeboten: weil es besonders stylisch ist, einfach in der Handhabung und direkt mit itunes verknüpft. Mit Führungskräften ist es genauso: Sie müssen nicht überall perfekt sein, aber in einigen Bereichen eben herausragend. Manager sollten sich fragen, was ihr Markenbild als Führungskraft ausmacht: Wie hebe ich mich ab? Worin kann ich wirklich Im Rahmen ihrer Forschungen haben John Zenger und Joseph Folkman 16 Kompetenzen identifiziert, die bei Führungskräften mit den besten Beurteilungen durch Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzte immer wieder zu finden sind. Die Kompetenzen verteilen sich auf fünf Bereiche: Charakter: Das zentralste Element für Führungserfolg ist die Persönlichkeit. Konkret sind Ehrlichkeit und Integrität (1) unverzichtbar für außergewöhnlich gute Führungskräfte. Fachliche Fähigkeiten: Dazu gehören technische oder fachliche Expertise (2), analytische Fähigkeiten und Problemlösungskompetenz (3), Innovationsfähigkeit (4) und die Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung (5). Ergebnisfokussierung: Erfolgreiche Chefs haben eine starke Ergebnisorientierung (6). Sie setzen sich und anderen ehrgeizige Ziele (7) und zeigen Initiative und übernehmen die Verantwortung für Ergebnisse (8). Soziale Kompetenz: Hervorragende Führungskräfte kommunizieren eindeutig und mitreißend (9), sie inspirieren und motivieren zu besonderen Leistungen (10) und fördern die berufliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter und Kollegen (11). Zudem bauen sie persönliche Beziehungen auf (12) und fördern Zusammenarbeit und Teamwork (13). Change-Kompetenz: Dazu gehört es, strategische Perspektiven zu entwickeln (14), Menschen für Veränderungen zu gewinnen (15) sowie die Interessen des eigenen Teams oder Unternehmens nach außen zu vertreten, aber auch äußere Einflüsse nach innen transparent zu machen. (16). gut sein? Was die Manager dann finden, sind in der Regel auch die Dinge, die sie begeistern, die sie wirklich gern tun. Und genau die sollten sie entwickeln mit der Energie und der Leidenschaft, die sie für den Bereich haben. Manager sollen sich also auf das konzentrieren, was sie schon können? Dinge, die uns schwerfallen, werden wir nie wirklich beherrschen. Wir machen sie nicht gern und sind, wenn wir versuchen, an ihnen zu arbeiten, in der Regel unmotiviert. Folglich machen wir auch keine Fortschritte. Sehr viel effizienter ist es, die eigenen Stärken zu stärken. Das belegen unsere Forschungsergebnisse: Schon eine einzige wahre Stärke führt dazu, dass Führungskräfte in den 360 -Feedbacks doppelt so gut abschneiden wie ihre Kollegen, die keine Stärke haben. Wer drei Stärken hat, landet schon unter den 20 Prozent mit den besten Beurteilungen. Wer fünf Stärken hat, gehört in der Regel zu den exzellenten Führungskräften. Dann kann ein Manager seine Schwächen also besten Gewissens ignorieren? Nicht, wenn er ein ganz gravierendes Manko hat. Das ist eine empfindliche Schwachstelle, die die Arbeit einer Führungskraft stark behindern kann. Was genau ein gravierendes Manko ist, hängt von der Position und den Aufgaben ab. Bei einem Vorstandsvorsitzenden beispielsweise wäre das Unvermögen, strategisch zu denken, gravierend. Wenn ein Teamleiter auf der unteren Führungsebene nicht strategisch denkt, ist das

development 75 nicht so schlimm. Gravierender in seiner Position ist, wenn er sozial inkompetent ist oder un - fähig, aus eigenen Fehlern zu lernen. In diesen Fällen muss etwas getan werden. Foto: www.text-ur.de Wie verbreitet sind solche empfindlichen Schwachstellen? Weniger als 30 Prozent der von uns getesteten Führungskräfte hatten ein solches Manko, haben also in den 360 -Feedbacks bei einer Kompetenz extrem schlechte Beurteilungen bekommen. Die meisten Führungskräfte, die wir analysiert haben, haben eher ausgeglichene Beurteilungen, keine empfindlichen Schwachstellen und keine besonderen Stärken. Diese Manager sollten tatsächlich ihre Schwächen ignorieren und sich darauf konzentrieren, ihre relativen Stärken weiterzuentwickeln. Joseph R. Folkman (links, hier im Gespräch mit Frank M. Scheelen) ist Berater, Buchautor und Forscher. Der amerikanische Experte für Psychometrie war einer der Ersten, der einen 360 -Feedback-Test konzipiert hat. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jack Zenger hat Folkman eine umfassende Forschungsdatenbank zur Führungskräfteentwicklung aufgebaut, in die die 360 -Beurteilungen von über 50.000 Führungskräften weltweit eingeflossen sind. Das Beratungsunternehmen der beiden Führungsexperten, Zenger Folkman, Utah, wurde soeben zum wiederholten Mal als einer der zwanzig bedeutendsten Anbieter von Führungkräftetrainings in den USA ausgezeichnet. Durch eine Kooperation mit der Scheelen AG, Waldshut-Tiengen, sollen die Konzepte von Zenger Folkman bald auch in Deutschland angeboten werden. Kontakt: www.zengerfolkman.com Die eigenen Stärken und Schwachstellen zu erkennen, ist das eine. Sie zu trainieren, das andere. Das scheint mir bei einigen der Kompetenzen aus Ihrem Modell gar nicht so einfach. Wie entwickelt man beispielsweise die Fähigkeit, Menschen zu inspirieren und zu motivieren? Ihren Forschungen zufolge schneiden deutsche Ma - nager hier schlechter ab als in den anderen 15 Schlüsselkompetenzen Ihres Modells. Die deutschen Manager sind damit jedenfalls nicht allein. Diese Kompetenz ist überall auf der Welt auf dem letzten Platz. Das Problem ist, dass Manager nicht wissen, wie sie andere begeistern können. Die meisten wissen, wie sie ihre Leute antreiben, aber nicht, wie sie sie motivieren können. Weil das so ist, haben wir diese Kompetenz näher untersucht und uns die Beurteilungen von den besonders inspirierenden Führungskräften näher angeschaut. Und die Zahlen gaben uns die Antwort. Was machen inspirierende Führungskräfte anders als ihre Kollegen? Wir haben zehn Verhaltensweisen gefunden, die mit der Kompetenz, Menschen motivieren zu können, einhergehen. Das sind ganz einfache Dinge. Eines der Elemente ist zum Beispiel die Fähigkeit, einen emotionalen Bezug zum Gegenüber aufzubauen. Ein anderes ist eine klare Vision: Wer sich auf das langfristige Ziel konzentriert und seinen Mitarbeitern immer klar vermitteln kann, wohin die Reise geht, kann sie besser mitreißen. Motivierend ist zudem eine Führungskraft, die selbst kooperativ ist, und die darauf achtet, ein leistungsstarkes Team aufzubauen. Wir haben für alle 16 Schlüsselkompetenzen acht bis 16 solcher Kompetenzbegleiter wir nennen sie auch Kompe tenz-kameraden gefunden. Die meisten Manager wissen, wie sie Mitarbeiter antreiben können, aber nicht, wie sie sie motivieren können. Inwiefern helfen diese Kompetenzbegleiter (siehe auch Kasten S. 76) einem Manager, seine Mitarbeiter zu inspirieren und zu motivieren? Über die Kompetenzbegleiter können sich Führungskräfte auf Umwegen entwickeln. Diese Kompetenzen hängen so eng miteinander zusammen, dass es bisweilen genügt, eine Kompetenz zu trainieren, um auch bei den anderen besser beurteilt zu werden. Wer seine Mitarbeiter motivieren will, kann etwa an einem konstruktiveren Umgang mit seinen Emotionen arbeiten oder an seiner Teamfähigkeit, je nachdem, was ihm am meisten liegt oder wo er am meisten Nachholbedarf hat. Wie kann die Führungskräfteentwicklung von diesen Zusammenhängen profitieren? Die meisten Entwicklungsmaßnahmen funktionieren linear: Man arbeitet an Dingen, die man nicht gut kann. Wer seine fachlichen Kompetenzen verbessern will, macht eine Weiterbildung. Wer nicht gut kommuniziert, macht einen Rhetorik-Kurs. Wenn aber das Ziel ist, aus guten Führungskräften hervorragende zu machen, ist eine andere Herangehensweise nötig. Es geht darum, die vorhandenen Stärken so zu optimieren, dass sie die Schwächen ausgleichen. Dabei liefern die Kompetenzbegleiter alternative Ent-

76 development wicklungswege. Eine der stärksten Co-Kompetenzen von ausgezeichneten Kommunikatoren bei spielsweise ist die Fähigkeit, andere einzubeziehen. Eine Führungskraft, die rhetorisch schwach, aber sozial kompetent ist, kann also ihre Kommunikationsfähigkeit verbessern, indem sie darauf achtet, andere um Rat zu fragen, um Zustimmung zu werben und die Zuhörer zu er muntern, eigene Ideen einzubringen. Das wird ihr leichter fallen als jedes Rhetorik-Training. Es funktioniert aber auch anders herum: Manchmal sind Führungskräfte in einem Kompetenzbereich eigentlich sehr gut, aber es wird nicht wahrgenommen, weil ein begleitendes Verhalten unzureichend entwickelt ist. Nennen Sie dafür ein Beispiel. Die Führungskompetenz analytisches Denken und Problemlösung etwa korreliert stark mit der Bereitschaft, die Initiative zu ergreifen. Wer Probleme aktiv angeht, aufmerksam nachfragt, sich mit Neuerungen Der Einfluss von guten und exzellenten Führungskräften unterscheidet sich enorm: Zahlen wie Produktivität oder Gewinn gehen mit zunehmender Führungsqualität steil nach oben. engagiert auseinandersetzt und Kollegen vielleicht Unterstützung anbietet, lernt nicht nur ständig, sich in neuen Kontexten zurechtzufinden. Er wird auch von außen sehr viel eher als Problemlöser wahrgenommen. Wer sich dagegen mit den Problemen in seinem Büro verkriecht, kann sie noch so brilliant lösen es wird kaum einer merken! Ihre Daten belegen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Führungsqualität und Unternehmenserfolg gibt... Inspirieren & Motivieren : Eine Kompetenz und ihre Begleiter Nach den Erkenntnissen von Folkman und Zenger sind Kompetenzen eng miteinander verwoben. Das lässt sich für die Führungskräfteentwicklung nutzen. Jede Kompetenz lässt sich auch über die mit ihr verbundenen Begleitkompetenzen trainieren. Im Falle der Inspirationskompetenz sind dies folgende drei Verhaltensbereiche: 1. Inspirierende Führungskräfte fühlen sich wohl in ihrer Rolle als Führungskraft und akzeptieren, dass sie eine Vorbildfunktion haben, ob sie es wollen oder nicht. In den Augen ihres Umfelds sind sie bereit, Veränderungen aktiv mitzugestalten und die Initiative zu ergreifen. 2. Zudem können sie bewusst und entspannt mit Emotionen umgehen. Sie verstehen, dass menschliches Verhalten zu einem großen Teil von Gefühlen geprägt ist. Diesen Führungskräften ist auch klar, dass ihre eigenen Gefühle extrem ansteckend sind und dass sie in ihrer Position in der Lage sind, die Laune ihrer Mitarbeiter bis zur Euphorie zu heben oder sie absolut zu deprimieren. 3. Zusätzlich gibt es sechs spezifische Verhaltensweisen, die inspirierende Chefs situativ nutzen: Sie setzen ehrgeizige Ziele, vermitteln eine klare Vision und langfristige Richtung, kommunizieren effizient, unterstützen die Entwicklung ihrer Mit arbeiter, fördern Zusammenarbeit und Teamgeist und unterstützen innovative Ideen. Offenbar haben inspirierende Führungskräfte großes Vertrauen in die Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten, und trauen ihnen große Erfolge zu. Diese positive Haltung gegenüber anderen führt dazu, dass die Führungskräfte mehr erwarten, weniger kontrollieren und ihre Mitarbeiter ermutigen, ihr Bestes zu geben. Natürlich beeinflussen viele Dinge die Ergebnisse eines Unternehmens: der Wettbewerb, die Weltwirtschaft... Aber Führungskräfte haben einen enormen Einfluss auf das Engagement ihrer Mitarbeiter. Und engagierte Mitarbeiter, die ihren Job lieben und gern zur Arbeit kommen, leisten mehr. Sie liefern das entscheidende Quäntchen mehr und das freiwillig, aus eigenem Antrieb. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Haben Sie auch Zusammenhänge entdeckt, mit denen Sie nicht gerechnet haben? Oh ja. Wir hatten in der Tat erwartet, einen Unterschied zwischen guten und schlechten Führungskräften zu finden: dass gute Chefs in einem Unternehmen gute Impulse geben und schlechte Chefs eben schlechte. Was uns wirklich überrascht hat, war der Unterschied zwischen guten und großartigen Führungskräften. Ihr Einfluss unterscheidet sich enorm. Die relevanten Zahlen wie Produktivität oder Gewinn gingen mit zunehmender Führungsqualität steil nach oben. Zum Beispiel die Mitarbeitermotivation: Während sie bei den Führungskräften mit der schlechtesten Beurteilung bei nur 20 Prozent liegt, sind es bei den guten Führungskräften schon 50 Prozent. Bei den Chefs mit der besten Bewertung allerdings sind die Mitarbeiter zu 80 Prozent engagiert in ihrem Job. Gute Führung reicht also nicht, es sind die exzellenten Führungskräfte, die in Unternehmen das Steuer herumreißen können. Was können Unternehmen tun, um ihre Führungskräfte zu außergewöhnlich guten Chefs zu entwickeln? In jedem Unternehmen gibt es eine akkurate Gewinnund Verlustrechnung. Aber wo gibt es eine Bestandsaufnahme zur Qualität der Führungskräfte in einer Organisation? Hier muss man ansetzen: Den Status quo ermitteln und überlegen, was man verbessern kann. Einen guten Ausgangspunkt für konkrete Maßnahmen liefern unserer Ansicht nach 360 -Feedbacks. Sie bündeln Beurteilungen von den Vorgesetzten, den Kollegen, den direkten Mitarbeitern und anderen Kontakten eines Managers. Diese Menschen verbringen acht Stunden täglich mit ihm und erleben ihn in Hunderten von verschiedenen Situationen. Und bei unseren Forschungen haben wir herausgefunden, dass ihr gesammeltes Feedback sehr präzise ist. Wenn man sich ihm stellt, bekommt man einen Schlüssel zu echter Veränderung. Quelle: Zenger/Folkman: The extraordinary leader, New York, 2009 Das Interview führte Sylvia Lipkowski