Praxis & Recht. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Informationsveranstaltung am 15. Juni 2017

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Transkript:

Praxis & Recht Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Informationsveranstaltung am 15. Juni 2017 Referent: Martin Schwickrath stellv. Hauptgeschäftsführer

Definition nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ( ) Ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. ( 3 Abs. 4 AGG) 2

Unterscheidung zum Strafrecht Nicht jede sexuelle Belästigung im Sinne des 3 Abs. 4 AGG stellt ein strafbares Verhalten im Sinne des Strafgesetzbuches dar. Denkbar Straftatbestände sind beispielsweise: Beleidigung Sexuelle Nötigung Sexueller Übergriff Sexueller Missbrauch Verbreitung pornographischer Schriften Vergewaltigung (diese Aufzählung ist nicht abschließend). 3

Das AGG verbietet sexuelle Belästigung grundsätzlich und schützt daher alle unter den Geltungsbereich des AGG fallenden Personen. 4

Sexuelle Belästigung ist durch Würdeverletzung und Unerwünschtheit bestimmt. Jede sexuelle Belästigung ist am Arbeitsplatz verboten, egal, ob die Belästigung beabsichtigt ist und die Belästigung erkennbar abgelehnt wurde. 5

Sexuelle Belästigung ist eine unerwünschte Verhaltensweise, die sexualisiert und geschlechtsbezogen ist (beispielsweise sexuelle Anspielungen oder unangemessene körperliche Berührungen). Die Unerwünschtheit kann auch darin bestehen, wenn eine Person unter Druck gesetzt wurde, eine sexuelle Handlung zu erdulden oder zu erwidern. Eine sexuelle Belästigung geht mit einer Würdeverletzung der belästigten Person einher (Verhalten beleidigt, erniedrigt oder beschämt die andere Person). Ob Würdeverletzung beabsichtigt ist, ist unerheblich. Es geht um die Auswirkung auf die belästigte Person. 6

Das AGG verbietet jede Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz (Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, Maßnahmen gegen sexuell belästigendes Verhalten zu ergreifen). Das AGG schützt Beschäftigte über das Strafrecht hinaus. Der Schutz ist nicht auf das Büro, das Unternehmensgebäude oder die Arbeitszeit beschränkt. Vielmehr verbietet das Gesetz jede Form der sexuellen Belästigung, die innerhalb eines Arbeitsverhältnisses stattfindet. Hierzu zählen beispielsweise Dienstreisen, Arbeitswege, Firmenfeiern, Betriebsausflüge, Pausen sowie SMS, E-Mails oder Anrufe. 7

Formen der sexuellen Belästigung Unterscheidungen in unterschiedliche Kategorien: verbal nonverbal physisch 8

Verbale Belästigung Sexuell anzügliche Bemerkungen und Witze; aufdringliche und beleidigende Kommentare über die Kleidung, das Aussehen oder das Privatleben; sexuell zweideutige Kommentare; Fragen mit sexuellem Inhalt, z.b. zum Privatleben oder zur Intimsphäre; Aufforderung zu intimen oder sexuellen Handlungen; sexualisierte oder unangemessene Einladung zu einer Verabredung. 9

Nonverbale Belästigung Aufdringliches oder einschüchterndes Starren oder anzügliche Blicke; Hinterherpfeifen; unerwünschte E-Mails, SMS, Fotos oder Videos mit sexuellem Bezug; unangemessene und aufdringliche Annäherungsversuche in sozialen Netzwerken; Aufhängen oder Verbreiten pornographischen Materials; unsittliches Entblößen. 10

Physische sexuelle Belästigung Jede unerwünschte Berührung (Tätscheln, Streicheln, Kneifen, Umarmen, Küssen). Dies gilt auch für scheinbar zufällige Berührungen. Wiederholte körperliche Annäherung, wiederholtes Herandrängeln, wiederholte Nichtwahrung der körperlichen Distanz (ca. eine Armlänge). Körperliche Gewalt sowie jede Form sexualisierter Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung. 11

Fließende Grenzen zwischen Flirt und sexueller Belästigung Verbale und nonverbale Belästigungen werden immer wieder verharmlost. Unterstellung der überempfindlichen Reaktion auf einen Witz oder Flirtversuch. Flirt ist nicht gleich sexuelle Belästigung, aber: Flirt ist immer im beiderseitigen Einverständnis, während hingegen übergriffiges Verhalten ohne das Einverständnis der anderen Person geschieht. 12

Abgrenzung sexuelle Belästigung / Flirt Unerwünschtheit Erniedrigung und Abwertung Einseitigkeit Grenzüberschreitung Versprechen beruflicher Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen Androhen beruflicher Nachteile bei Verweigerung 13

Sexuelle Belästigung daher grenzüberschreitend, insbesondere wenn die betroffene Person Ablehnung signalisiert oder durch das Verhalten gedemütigt oder beschämt wird. Insbesondere sexuelle Belästigung, wenn z.b. einer Beschäftigten berufliche Nachteile angedroht werden für den Fall der Verweigerung sexueller Handlungen oder aber des Versprechens von Vorteilen bei Einlassen auf sexuelle Handlungen. 14

Mehrfachdiskriminierung Auch Mehrfachdiskriminierungen sind praxisrelevant. Hier erfolgt Benachteiligung und Belästigung gleich wegen mehrerer Merkmale: Beispiel 1: Behinderung Ausnutzung, dass Menschen mit Behinderungen eine geringere Fähigkeit zur Gegenwehr unterstellt wird oder auch tatsächlich haben. Frauen mit Behinderung sind in besonderem Maße von sexueller Belästigung betroffen. 15

Mehrfachdiskriminierung Beispiel 2: Ethnische Herkunft Auch Menschen mit Migrationshintergrund wird eine geringere Fähigkeit zur Gegenwehr unterstellt. Verschiedene Studien haben eine überdurchschnittliche Betroffenheit von sexualisierter Gewalt und sexueller Belästigung bei Menschen mit Migrationshintergrund festgestellt. 16

Wer ist besonders gefährdet? Maßgeblicher Faktor Geschlecht (insbesondere Frauen) Verstärkende Faktoren: Behinderung männerdominierte Branche junges Alter Homo- und Bisexualität Ausbildung Migrationshintergrund 17

Wer wird belästigt? Belästigung von Frauen geht überwiegend von Männern aus Selten, aber existent: Belästigungen, die von Frauen ausgehen Gruppenkonstellationen sind denkbar Belästigung kann von einer Gruppe ausgehen und Einzelne betreffen Darüber hinaus kann aber auch eine einzelne Person mehrere andere gleichzeitig belästigen 18

Besondere Probleme Viele Formen sexueller Belästigung werden von vielen Arbeitnehmern nicht als solche verstanden. Viele Beschäftigte wissen nicht, dass jede Form der sexuellen Belästigung im Arbeitskontext verboten ist. Viele Betroffene können sich nicht richtig zur Wehr setzen. Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass der Arbeitgeber alle Angestellten vor sexueller Belästigung schützen muss ( 12 AGG). Konkrete Rechte der Arbeitnehmer sind vielen Arbeitnehmern nicht bekannt. 19

Rechte und Pflichten bei sexueller Belästigung 1. Betroffene Arbeitnehmer 2. Arbeitgeber 20

Rechte und Pflichten bei sexueller Belästigung 1. Betroffene Arbeitnehmer Beschäftigte haben grundsätzlich das Recht, sich gegen sexuelle Belästigung zu wehren. Verantwortlich für belästigendes Verhalten ist derjenige, der belästigt und nicht der/die Leidtragenden. Beschwerderecht nach 13 AGG Leistungsverweigerungsrecht nach 14 AGG Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz nach 15 AGG 21

Rechte und Pflichten bei sexueller Belästigung Beschwerderecht nach 13 AGG Alle Beschäftigten haben bei einer Benachteiligung oder dem Gefühl einer Benachteiligung nach dem AGG das Beschwerderecht. Dies gilt auch bei sexueller Belästigung. Beschwerdestelle muss eingerichtet und im Betrieb bekanntgemacht werden ( 12 Abs. 5 AGG). Verpflichtung der Beschwerdestelle, sich mit der Beschwerde auseinanderzusetzen, sie zu prüfen und die betroffene Person über das Ergebnis zu informieren. 22

Keine Benachteiligung von Beschäftigten, die sich beschwert haben (Maßregelungsverbot des 16 AGG). Recht des Belästigten, vom Arbeitgeber vorbeugende und unterbindende Schutzmaßnahmen zu verlangen ( 12 Abs. 1 bis Abs. 4 AGG) 23

Rechte und Pflichten bei sexueller Belästigung Nach 84 BetrVG kann eine Beschwerde auch an den Betriebsrat gerichtet werden (vgl. 84 BetrVG). 24

Rechte und Pflichten bei sexueller Belästigung 2. Pflichten des Arbeitgebers bei sexueller Belästigung Allgemeine Schutzpflicht Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sexuelle Belästigung zu verhindern ( 12 AGG) Verpflichtung zur Einrichtung einer Beschwerdestelle Verpflichtung, die Stelle bzw. Person (einschließlich Ort und Zeiten der Anlaufstellen) allen Beschäftigten bekanntzumachen. Verpflichtung der Beschwerdestelle, jeder Beschwerde nachzugehen sowie den Arbeitgeber über jede Beschwerde zu informieren. 25

Pflichten des Arbeitgebers Beschwerde muss vom Arbeitgeber oder der Beschwerdestelle geprüft werden. Arbeitgeber muss die Möglichkeit haben, selbst abschließend über den Sachverhalt zu entscheiden. Beschwerde muss mit sämtlichen Mitteln aufgeklärt werden, die zur Verfügung stehen (beispielsweise Anhörung aller Beteiligten). Ergebnis der Prüfung muss der beschwerdeführenden Person mitgeteilt werden. Ergebnis soll begründet werden, insbesondere bei Zurückweisung der Beschwerde. Möglichst zeitnahe Prüfung/Information über die Behandlung der Beschwerde (angemessene Zeit ca. 2 Wochen). 26

Pflichten des Arbeitgebers Problem: Doppelrolle für den Arbeitgeber Schutz und Fürsorgepflicht gegenüber allen Beschäftigten Schützt Arbeitgeber die betroffene Person nicht, macht er sich schadensersatzpflichtig. Bei unverhältnismäßigen Sanktionen gegenüber Belästiger/Haftung des Arbeitgeber gegenüber diesem Beschäftigten. Dennoch: Nichts zu tun ist rechtlich die falsche Entscheidung. Maßnahme muss die Situation des betroffenen Arbeitnehmers verbessern, dennoch muss Sanktion angemessen sein. Zweifel an einer Beschwerde sind berechtigt, wenn die beschuldigte Person glaubhaft ihre Unschuld vermittelt. 27

Pflichten des Arbeitgebers Sinnvolle Reihenfolge der Gespräche Zunächst Erstgespräch mit der betroffenen Person Der betroffenen Person ausreichende Zeit gewähren, den Vorfall zu schildern. Für Notizen die Erlaubnis einholen und erklären, wofür sie benötigt werden. Vertraulichkeit thematisieren: Wie wird mit der Beschwerde umgegangen? Eigene Fragen und Nachfragen erklären Transparenz. Verdeutlichen, dass detaillierte Angaben über Zeuginnen und Zeugen oder Gedächtnisprotokolle von Bedeutung sind. 28

Unterstützung zusichern signalisieren, dass Vorfall ernst genommen wird. Gegebenenfalls weiteren Gesprächstermin vereinbaren. Nächste Schritte transparent machen: Welche Informationen bekommt die beschuldigte Person? Welche Maßnahmen sind möglich und beabsichtigt? Nur Maßnahmen zusichern, die eingehalten werden können. 29

Nach dem Gespräch alle Verfahrensschritte nur in Rücksprache mit der betroffenen Person durchführen Die betroffene Person sollte in jedem Fall informiert werden, bevor die beschuldigte Person mit den Vorwürfen konfrontiert wird. Für den Fall der Einbeziehung Dritter - Einverständnis der betroffenen Person einholen. Gegenüberstellung kein geeignetes Mittel. Unbedingt vermeiden! 30

Ziel Pflichten des Arbeitgebers Führen eines Personalgesprächs Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz thematisieren. Konfrontation mit den Vorwürfen Stellungnahme zu den Vorwürfen Gesprächsverlauf Gesprächsrahmen klären Verdeutlichen, was sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist. Rechtliche Dimensionen sexueller Belästigung darstellen. Konfrontation mit der Beschwerde, vollständige Schilderung des Sachverhaltes. 31

Reaktionen des Beschuldigten Bei Einräumung des Sachverhaltes Maßnahmen und Sanktionen ergreifen. Bei Bestreiten: Glaubhaftigkeit prüfen. a) Ist die beschuldigte Person überrascht? b) Werden die Vorwürfe ernst genommen? c) Ist der beschriebene Vorfall bekannt? d) Sind die Reaktionen von Verharmlosung oder Schuldumkehr geprägt? 32

Nach dem Gespräch Gesprächsvermerk anlegen Betroffene Person informieren, dass das Gespräch stattgefunden hat. 33

Pflichten des Arbeitgebers Maßnahmen und Sanktionen im Belästigungsfall Verschiedene Maßnahmen und Sanktionen als Reaktion sind denkbar. Das AGG verlangt, dass Arbeitgeber im Einzelfall geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen ergreifen, damit betroffene Beschäftigte vor sexueller Belästigung geschützt sind. Prävention Ermahnung Abmahnung Umsetzung Versetzung Kündigung 34

Pflichten des Arbeitgebers Arbeitgeber hat einen eigenen Ermessenspielraum, mit welchen Maßnahmen er auf sexuelle Belästigung reagiert Allerdings: Reduzierung des Ermessens bei schweren Vorfällen unter Umständen Anspruch des Betroffenen auf Kündigung der belästigenden Person. Bei konkretem Vorfall Prävention und Ermahnung mildeste Mittel nur dann geeignet, wenn die Darstellung der belästigten und der belästigenden Personen glaubhaft, aber widersprüchlich sind. Ermahnung ist das mildeste Mittel, wenn die sexuelle Belästigung nachweislich stattgefunden hat. Grundsätzlich entscheidet der Einzelfall. 35

Pflichten des Arbeitgebers Prävention Denkbare Maßnahmen: Schulungen, Betriebsvereinbarung, Aushänge zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Prävention gehört zu den allgemeinen Schutzpflichten des Arbeitgebers. Hierzu gehört auch, im Betrieb an das Verbot sexueller Belästigung zu erinnern. 36

Ermahnung Pflichten des Arbeitgebers Mildestes Mittel, das sich direkt an die beschuldigte Person richtet. Unterschied zur Abmahnung ist die fehlende Kündigungsandrohung. Sinnvoll, wenn die beschuldigte Person sich zweideutig verhalten hat, d.h. wenn ein bestimmtes Verhalten tatsächlich nicht gewollt war, aber als sexuelle Belästigung gewertet werden kann (z.b. Komplimente, die nicht anzüglich, aber unerwünscht sind). Auch Erinnerungen daran, dass sexuelle Belästigung im Betrieb nicht geduldet wird. 37

Pflichten des Arbeitgebers Abmahnung Die Abmahnung beanstandet die sexuelle Belästigung mit Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall. Mildestes Mittel, wenn sexuelle Belästigung nachweislich stattgefunden hat. Angemessen, wenn die beschuldigte Person nicht damit rechnen musste, dass ihr Verhalten mit einer Kündigung sanktioniert werden kann, vor allem dann, wenn noch keine Prävention stattgefunden hat. 38

Unter Umständen kann eine Abmahnung ausreichen, obwohl es sich um eine mittelschwere sexuelle Belästigung handelt. Angemessenheit kann dann gegeben sein, wenn es sich um eine mittelschwere Form (keine körperlichen Übergriffe) sexueller Belästigung handelt. Voraussetzung: Ernsthaftes Bereuen sowie Entschuldigung. Ferner einmaliges Fehlverhalten ohne Annahme, dass es zu weiteren Vorfällen kommt. 39

Pflichten des Arbeitgebers Versetzung Dann geeignet, wenn eine Abmahnung alleine zu milde ist, aber eine Kündigung zu hart erscheint. Auch eine Möglichkeit, den künftigen Schutz der belästigten Person zu sichern. 40

Pflichten des Arbeitgebers Kündigung Auszusprechen, wenn es um schwere Fälle sexueller Belästigung geht, insbesondere körperliche Übergriffe, Nötigung und Beleidigung. Außerdem geeignetes Mittel, bei wiederholter sexueller Belästigung nach vorheriger Abmahnung. Ebenfalls Angemessenheit bei mittelschweren Vorfällen, wenn die belästigende Person wusste, dass der Arbeitgeber sexuelle Belästigung nicht toleriert. Es ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber durch Hinweise oder Schulungen deutlich gemacht hat, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht toleriert wird. 41

Beispiele aus der Praxis, in denen außerordentliche fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung als zulässig erachtet wurde Sexuelle Belästigung einer gehörlosen und stummen Mitarbeiterin durch körperliche Berührung durch einen Verkäufer. Ungewolltes Zeigen pornographischen Bildmaterials und Anbieten von Geschlechtsverkehr durch einen Krankenpfleger. Sexuelle Äußerungen eines Jugendamtsleiters gegenüber Kolleginnen und Jugendlichen. 42

Berühren der Brüste einer Kollegin und Anbieten der oralen Befriedigung. Sexuelle Beleidigung gegenüber der Vorgesetzten ( Besser eine Frau mit Charakter, als drei Schlampen! ) und Aufstellen der Behauptung, die Vorgesetzte habe mit einem Geschäftspartner geschlafen. Zeigen von Pornobildern und Äußerungen des Wunsches, solche Bilder von der Mitarbeiterin zu machen. Belästigung einer Auszubildenden mit einer SMS folgenden Inhalts: Du geiles Etwas, heute komme ich zu Dir, dann bumsen wir eine Runde! 43

Verbale und körperliche sexuelle Belästigung durch einen GmbH- Geschäftsführer. 44

Rechtsprechung ist jedoch nicht einheitlich, insbesondere gibt es Gerichte, die bei einer bloßen verbalen Belästigung eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung für unwirksam halten So Arbeitsgericht Düsseldorf vom 02.09.2008 (Az.: 7 Ca 1837/08). So auch LAG Niedersachsen, Urteil vom 29.11.2008 (Az.: 1 Sa 547/08). Darüber hinaus: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.12.2010 (Az.: 2 Sa 2022/10), dass nicht aufgrund einer Gesamtschau von einzelnen Verhaltensweisen, die für sich genommen zwar eine gewisse Intimität haben, aber noch keine sexuelle Belästigung darstellen, der Vorwurf der sexuellen Belästigung gemacht werden kann. 45

Rechte des Arbeitnehmers bei Untätigkeit des Arbeitgebers Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers nach 14 AGG Ergreift der Arbeitgeber keine wirksamen Maßnahmen, um die betroffene Person zu schützen, kann ein Leistungsverweigerungsrecht bei gleichzeitigem Vergütungsanspruch gegeben sein, um weiterer sexueller Belästigung zu entgehen. Gilt aber nur dann, wenn der Arbeitgeber nichts unternimmt oder die Maßnahmen ungeeignet sind. Darüber hinaus wird wohl zu fordern sein, dass der Arbeitgeber vor der Leistungsverweigerung schriftlich unter Angabe der Gründe informiert wird, letztlich als abgemahnt wird. 46

Rechte des Arbeitnehmers bei Untätigkeit des Arbeitgebers Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung nach 15 AGG Von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Betroffene haben in einigen Fällen gegenüber dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigung. Frist für die Geltendmachung der Ansprüche 2 Monate. 47

Sonderfälle mit besonderen Problematiken Sexuelle Belästigung geht vom Arbeitgeber selbst aus Rechtsschutz läuft ins Leere. Arbeitgeber wird sich nicht selbst sanktionieren. Betroffene Personen haben jedoch weiterhin Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigungsanspruch. Häufig tritt jedoch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. 48

Sonderfälle mit besonderen Problematiken Sexuelle Belästigung geht vom Ausbilder oder der Ausbilderin aus Auszubildende müssen genauso geschützt werden, wie jeder andere Beschäftigte. Wenn Arbeitgeber ihre Schutzpflichten verletzen, laufen sie Gefahr, dass Gewerbeaufsicht oder die Berufskammer eingeschaltet wird, das so weit gehen kann, dass dem Betrieb die Ausbildungseignung aberkannt wird. 49

Fazit Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz unterliegt einer sehr hohen Dunkelziffer. Sie kann zu massiven Gefährdungen und Beeinträchtigungen des Betriebsfriedens führen. Von daher sollte jeder Arbeitgeber ein Interesse daran haben, dass die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht stattfindet. 50

VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! 51

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