Manuskript Beitrag: Spaß und Abenteuer Bundeswehr wirbt Nachwuchs Sendung vom 13. November 2012 von Beate Frenkel und Manka Heise Anmoderation: Früher war alles einfacher - für die Bundeswehr. Obwohl dort gebrüllt und gedrillt wird, fanden sich Jung-Soldaten ganz automatisch ein: Dank Wehrpflicht. Seit die abgeschafft ist, muss die Armee um ihren Nachwuchs kämpfen. Muss sich gut verkaufen bei interessierten Jugendlichen. Weil die auf Action und Adrenalin stehen, können die Werber dabei ganz schön daneben liegen: Wenn sie etwa Abenteuer nennen, was eigentlich Krieg ist. Beate Frenkel und Manka Heise über die Schwierigkeiten einer Einsatzarmee, sich als ganz normaler Arbeitgeber zu präsentieren. Text: Die Bundeswehr sucht Nachwuchs. Crashkurs schon für die Allerkleinsten. O-Ton Aussteller, Internationale Luftfahrtausstellung ILA: Mit der rechten Hand kannst du hier auch mal anfassen. Genau - so. Echtes Kriegsgerät zum Spielen. Die Internationale Luftfahrtausstellung ILA in Berlin ist die geeignete Bühne, sich mal richtig gut darzustellen - vor großem Publikum. Und er ist der Mann, der hier den jungen Leuten eine Karriere bei der Bundeswehr schmackhaft machen soll. Daniel Fischer, Wehrdienstberater. Klar ist es schwieriger geworden, dadurch, dass das alles nicht mehr frei Haus geliefert wird, sag ich immer. Vorher war quasi dieser Bringdienst, jeder musste hin, jeder hat das gemacht. Und jetzt müssen wir umdenken. In der Praxis ist das für Daniel Fischer nicht immer ganz einfach.
Unbedingt in die Bundeswehr, okay. Was hast du für eine schulische Voraussetzung? O-Ton Stefanie Hermany, Bäckereifachverkäuferin: Ich habe einen erweiterten Hauptschulabschluss. Und auch meine Berufsausbildung, also da bin ich jetzt auch mit fertig, als Bäckereifachverkäuferin. Bäckereifachverkäuferin, okay. Und was will die Bäckereifachverkäuferin bei der Bundeswehr, will der Wehrdienstberater wissen. Und warum willst Du denn zur Bundeswehr? O-Ton Stefanie Hermany, Bäckereifachverkäuferin: Schiessen und so. Also, ich gucke es auch gerne im Fernsehen. Du weißt aber schon, dass das bei der Bundeswehr kein Spaß ist. Und dass das keine Ballerspiele sind Sondern, dass, wenn bei der Bundeswehr geschossen wird, dass das ernste Sachen sind. Nur mit diesen ernsten Sachen gibt sich die Nachwuchswerbung der Bundeswehr kaum ab. Stattdessen: O-Ton Werbevideo Bundeswehr, BRAVO-TV: Abenteuer. Die Herausforderung deines Lebens wartet auf dich. Bundeswehr-Adventure Camps 2012. Ein Werbevideo in Zusammenarbeit mit der Jugendzeitschrift BRAVO. Auch mit solchen Mitteln sollen pro Jahr 15.000 neue Stellen besetzt werden. O-Ton Werbevideo Bundeswehr, BRAVO-TV: Krasse Wasserwettkämpfe, crazy Strandspiele und coole Beach-Parties. Krass, crazy, cool so biedert sich eine Einsatzarmee bei den Jungen an. Johannes Clair hat als Fallschirmjäger in Afghanistan die Realität kennengelernt. O-Ton Johannes Clair, ehemaliger Stabsgefreiter : Als ich das Video das erste Mal gesehen habe, das Werbevideo, habe ich mich natürlich auch ein Stück weit
verarscht gefühlt, weil dieses Video von der Botschaft her in keiner Weise dem gerecht wird, was ich in der Bundeswehr erlebt habe. Sechs Monate diente er in Afghanistan. Einmal saß er vier Tage im Schützengraben fest, kämpfte mit seiner Einheit gegen Aufständische in der Nähe von Kunduz. Das Ganze hat er selbst dokumentiert. O-Ton Johannes Clair, ehemaliger Stabsgefreiter : Die Realität eines Soldaten in Afghanistan ist, dass dort Krieg stattfindet. Dass da Menschen getötet werden, durch uns, aber auch uns Menschen versuchen zu töten. In der Werbung sehen Einsätze so aus: Herausforderungen meistern. Rund 14 Millionen Euro gibt das Verteidigungsministerium in diesem Jahr für solche Kampagnen aus. Filme wie diese seien kaum geeignet, den Soldatenberuf angemessen zu bewerben, sagen Kritiker. O-Ton Rainer Arnold, SPD, Verteidigungspolitischer Sprecher: Man muss vor allen Dingen sehr ehrlich die Besonderheiten und die Herausforderungen und die Vielfalt des Soldatenberufes kommunizieren. Wenn man dies im Fokus hat, verbieten sich oberflächliche Werbemätzchen. Und die haben wir ja leider in der Vergangenheit immer wieder erlebt. Wer sein Leben riskiert, muss wissen wofür, findet Johannes Clair. Statt aufzuklären, verharmlose die Bundeswehr das Berufsbild Soldat: O-Ton Johannes Clair, ehemaliger Stabsgefreiter: Wenn die militärische Führung ihren eigenen Soldaten nicht mal ausreichend vermitteln kann, was wir dort tun, dann läuft etwas ganz grundsätzlich schief. Und wenn es nicht mal den eigenen Soldaten vermittelt werden kann, wie soll s dann dem zivilen Bürger und vor allen Dingen unseren Jugendlichen vermittelt werden. Die Sorge um den Nachwuchs hat inzwischen weite Teile der Armee erfasst. Das belegt diese aktuelle Studie des Bundeswehrverbandes: Viele Führungskräfte fürchten gar um die Zukunft der Streitkräfte: Nahezu drei Fünftel (58%) haben im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr.darüber nachgedacht, die Bundeswehr zu verlassen. Für Hellmut Königshaus, Wehrbeauftragter des Bundestages,
sind solche Erkenntnisse nicht überraschend. In seinem noch unveröffentlichten Jahresbericht kommt auch er zu dem Ergebnis: Die Stimmung in der Truppe ist schlecht. O-Ton Hellmut Königshaus, FDP, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Ich glaube, es ist schlicht und einfach so, dass wir im Moment nicht die aktive Truppe, das schon in der Truppe dienende Personal für uns richtig gewonnen haben. Wenn also das aktive Personal den eigenen Kindern nicht empfiehlt oder zu einem großen Teil den eigenen Kindern nicht empfiehlt, selbst auch Soldat zu werden oder Soldatin, dann ist das leider ein Problem. Über Probleme will hier niemand reden. Die Bundeskanzlerin besucht die Truppe im niedersächsischen Munster. Es ist der größte deutsche Heeresstandort und auch hier geht es um den Nachwuchs. Die Kanzlerin will motivieren. O-Ton Angela Merkel, CDU Bundeskanzlerin: Die Qualität der Ausbildung ist sehr gut, ich habe mich eben auch mit den verschiedenen Teilnehmern der Ausbildung hier nausführlich unterhalten. Schöne Bilder sind erwünscht, Nachfragen nicht. Schöne Bilder soll auch das Edelweiß-Camp im bayerischen Regen liefern. Veranstaltet von der Bundeswehr als mehrtägiger Schnupperkurs für Jugendliche. Der Regionalsender Donau-TV darf drehen: O-Ton Michael, 15 Jahre, Camp-Teilnehmer: Ich will später zur Bundeswehr gehen. Und deshalb mach ich jetzt ein Praktikum oder so ein Edelweiß-Camp, um mir die ganzen Bereiche mal anzuschauen, wo ich später hin will. O-Ton Madeleine, 21 Jahre, Camp-Teilnehmerin: Ich werd mich definitiv bewerben, weil ich bin ja auch schon 21. O-Ton Lisa, 14, Jahre, Camp-Teilnehmerin: Das macht Spaß, aber es ist eher nix für mich. Vor zwei Wochen wurde das Edelweiß-Camp wiederholt. Wir wären gerne dabei gewesen, aber das Bundesverteidigungsministerium lehnt ab. Ohne Begründung. Zitat: Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir Ihr Projekt nicht unterstützen können. Die Bundeswehr in der Klemme. Weniger Soldaten sollen
weltweit mehr Aufgaben bewältigen. So will es die Reform. Und dann noch der Wechsel von der Wehrpflicht zur Freiwilligenarmee. Erste Bilanz nach fast eineinhalb Jahren: 27 Prozent der Freiwilligen haben vorzeitig den Dienst quittiert. O-Ton Hellmut Königshaus, FDP, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Sie werden junge Menschen in Zukunft nicht dazu bringen, dass sie sagen: Ich werde jetzt einige Jahre meines Lebens dem Land dienen und dafür auch in vielerlei Hinsicht auch Verzicht üben. O-Ton Rainer Arnold, SPD, Verteidigungspolitischer Sprecher: Die Soldaten haben schon verstanden, um was es geht. Die sehen nicht ein, dass es funktioniert mit weniger Personal, weniger Geld, weniger Gerät, am Ende mehr zu leisten. Die wissen, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Auf Spaß und Abenteuer zu setzen wird am Ende nicht ausreichen, um als seriöser Arbeitgeber zu überzeugen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.