Rezension zu: Norbert Dittmar, Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien. Opladen: Leske + Budrich 2002



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Transkript:

Gesprächsforschung - Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion (ISSN 1617-1837) Ausgabe 3 (2002), Seite 24-28 (www.gespraechsforschung-ozs.de) Rezension zu: Norbert Dittmar, Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien. Opladen: Leske + Budrich 2002 Georg Peez Ausnahmslos alle in der Gesprächsforschung Tätigen sowie alle qualitativ sozialwissenschaftlich Forschenden müssen der Phase der Fixierung von verbalem Forschungsmaterial in Form von Transkriptionen im Untersuchungsverlauf Aufmerksamkeit schenken. Die Fixierung der lautsprachlichen, akustischen Forschungsdaten ist eine zentrale Tätigkeit, da sie die Grundlagen für die Analysen und somit für die Untersuchungsergebnisse erst schafft. Norbert Dittmar, Professor für deutsche und allgemeine Sprachwissenschaft am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin, legt somit ein Buch zu einer Thematik vor, die praktisch alle qualitativ sozialwissenschaftlich Forschenden interessieren sollte. Zugleich stellen sich in der alltäglichen Transkriptionspraxis häufig Fragen, die ein "Nachschlagewerk" erforderlich machen, womit der Veröffentlichung eine breite Rezeption zuteil werden dürfte. Aufgrund dieser sehr umfassenden Bedeutung für alle Felder der qualitativen Sozialforschung und hierüber hinaus ist das Buch breit angelegt und versucht den Begriff der Transkription sowohl umfassend als auch detailliert zu beleuchten und zu klären. Themenbereiche, die deshalb behandelt werden, sind beispielsweise die Anfänge der Schrift, die musikalische Notation bis hin zur Transkription nichtverbalen, visuell wahrnehmbaren Verhaltens. Und zugleich wird der Anspruch formuliert, dass mittels dieser Veröffentlichung "das technisch weit fortgeschrittene Handwerk der Verschriftlichung" (Seite 9) gelehrt werde. Der Lehrbuchcharakter ergibt sich vor allem aus den umfangreichen und teils sehr komplexen Aufgaben, die am Ende jedes Kapitels aufgeführt sind. Viele der Aufgaben sind nur durch Internetrecherche zu lösen. Dieser Anspruch, Nachschlagewerk und zugleich Lehrbuch zu sein, kann als Charakteristikum dieser Veröffentlichung angesehen werden. Norbert Dittmars Publikation gliedert sich in insgesamt acht Kapitel, die wiederum in sich stark unterteilt sind, weshalb kaum eines der Unterkapitel länger als maximal vier Seiten ist. Dies wird der Maxime, übersichtlich zu sein, durchaus gerecht. Im einführenden Kapitel behandelt der Autor die Kulturtechniken der "Verdauerung flüchtiger mündlicher Rede" (Seite 15). Hierbei stellt er unter anderem die Entwicklung der Stenografie dar, Formen einer Kurzschrift, die aus einfachen Zeichen besteht, dem Wesen nach eine Buchstabenschrift ist, zugleich aber auch Aspekte von Silben- und Wortschrift enthält. Das älteste Dokument einer Schnellschrift von vor unserer Zeitrechnung findet ebenso Erwähnung wie die vielen verschiedenen Stenografiesysteme der letzten 150 Jahre. Andere Weisen der Fixierung mündlicher Rede sind die unterschiedlichen Formen des Protokollierens in diversen Kontexten, denen die Kriterien der Lesbarkeit und Gültigkeit eigen sein sollten. Ebenso sind für Transkriptionen Erscheinungsweisen der Verschriftlichung von Relevanz, welche wörtliche Rede im Literarischen "authentischer" erscheinen lassen. Dittmar führt Beispiele von Alfred Döblin oder Franz Xaver

Gesprächsforschung 3 (2002), Seite 25 Kroetz an, in denen dialektische Tönungen in der Umgangssprache mit Buchstaben wiedergegeben werden. Literarisch kreative Möglichkeiten der Verschriftlichung von sprachlichen Lauten entwickelte der Dichter Arno Schmidt in selbstschöpferischen grafemischen Repräsentationen. Ganz grundsätzlich wird in diesem einleitenden Kapitel ferner die Frage erörtert, warum Menschen das Verlangen haben, ihre sprachlichen Entäußerungen dauerhaft fixieren zu wollen. Hier beginnt der Autor zwar nicht bei Adam und Eva, jedoch kursorisch bei Moses und dessen Gesetzestafeln, welche das Ziel hatten, Äußerungen und Ergebnisse von Diskursen im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Im zweiten Kapitel wird das Untersuchungsfeld der "sprechsprachlichen Kommunikation" (Seite 31) genauer unter die Lupe genommen. Sprechen lässt sich sowohl als Ausdruck sozialer Identität und als aktive Verortung in Zeit und Raum ansehen, wie auch unter dem Aspekt der Flüchtigkeit und mentalen Flüssigkeit der "allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden" (Kleist) betrachten. Hierfür stellt der Autor aus Sicht Transkribierender das "Prinzip" auf: Teile das Notwendige mit dem geringsten Aufwand mit und ergänze oder korrigiere diese Informationen im Lichte neuer kommunikativer Bedürfnisse, bei Handlungsfehlschlägen oder Missverständnissen in der Verständigung. (Seite 35) In einem Unterkapitel werden theoretische Modelle der Form und Funktion von "Mündlichkeit" entworfen. Dabei wird deutlich, dass die Grenzen hin zur Schriftlichkeit durchaus fließend sind. Je konzeptionell mündlicher eine Textsorte ist, etwa das familiäre Gespräch, umso mehr markiert es soziale, emotionale und referenzielle Nähe. Ist eine Textsorte konzeptionell schriftlich, wie etwa eine wissenschaftliche Vorlesung oder ein Gesetzestext, so ist die Situation von Distanz geprägt (Seite 38f.). Die Eigenständigkeit der Sprechsprache mit ihren unzähligen Merkmalen macht es erforderlich, "die Unzulänglichkeiten der Alltagskommunikation durch gezielte Anwendung instrumentellen Rekonstruktionswissens auszugleichen" (Seite 43). Zudem entwirft der Autor ein grundlegendes und überzeugendes Modell der "Beschreibung und Erklärung gesprochener Sprache" (Seite 44), das die Dimensionen "Denken und Sprechen" (psycholinguistische Dimension), "Grammatik" (Kode/Systembezug), "Sprechen und Diskurs" (diskurslinguistische Dimension) und "Sprechen und sozialer Kontext" (soziolinguistische Dimension) beinhaltet. Mit diesem tieferen Verständnis seines Gegenstandsbereichs nähert sich der Autor überhaupt erst verschiedenen divergenten Definitionen von "dokumentarischer Transkription". Bewusstseinsleitend ist hierfür zudem das Paradox, das er reflexiv in die These kleidet: Um beobachtungsadäquate Verschriftlichungen gesprochener Sprache/ mündlicher Rede herstellen zu können, müssen wir bereits über ein weitgehendes Wissen über wesentliche Eigenschaften mündlicher Diskurse und Interaktionen verfügen; diese strukturellen und pragmatischen Eigenschaften sollen aber erst in den Untersuchungen systematisch herausgefunden und unserem Wissen zugänglich gemacht werden. (Seite 51) Auf dieses "Transkriptionsparadoxon" (Seite 175) wird im Buch mehrmals hingewiesen. Nach der Erörterung von einigen Definitionsversuchen für "Transkription" (unter anderem von Helmut Richter oder J. W. Du Bois) wird aus Sicht des Praktikers der Schluss gezogen, dass Prinzipien der Verschriftlichung, also die

Gesprächsforschung 3 (2002), Seite 26 Notationssymbole, für die Forschungstätigkeit viel wichtiger seien als eine universale Definition der Transkription 'an sich'. Von mannigfaltigen Entscheidungen, die eng mit den Zielen einer Untersuchung in Verbindung stünden, hänge daraufhin auch das Transkriptionsdesign ab. Außerdem verwundert es nicht, dass sich Dittmar dafür ausspricht, dass Forschende in Personalunion an allen Phasen einer Forschung beteiligt sind, also auch die Transkriptionen vornehmen. Für ihn gleicht die Arbeit des Transkribierens einer mäeutischen Tätigkeit, in der die Kenntnisse der Kontexte der Kommunikationsereignisse besser zu rekonstruieren seien. Transkribieren und Auswerten werden hier also in eine direkte Beziehung zueinander gestellt. Er nennt dies "die tendenzielle Unteilbarkeit des Forschungsprozesses" (Seite 58). Wie dies allerdings forschungsökonomisch, etwa innerhalb umfangreicher Studien, zu leisten ist, wird nicht erörtert. Ebenso verschweigt der Autor, dass es durchaus auch Auswertungsverfahren, etwa die Objektive Hermeneutik, gibt, innerhalb deren es als konstitutiv für den Forschungsprozess angesehen wird, dass die Interpretierenden gerade nicht in die Datenerhebung und -fixierung involviert sind, um deren Blick nicht durch möglicherweise erlebten Handlungsdruck oder emotionale Anteilnahme zu trüben. Langsam nähert man sich beim Lesen dem eigentlichen Zentrum des Buches: Im vierten Kapitel werden bereits verschiedene Formen der Verschriftlichung von Sprache vorstellt, wie die literarische Umschrift, für die die Verdeutlichung von Aussprachebesonderheiten kennzeichnend ist. Ebenso wird auf die Kategorien der phonetischen Umschrift und auf den Begriff der Transliteration in eigenen Kapiteln eingegangen. Die in mehreren Schaubildern vorgestellten phonetischen Zeichen sowie Tabellen, in denen phonetische Transkriptionsweisen einander gegenüber gestellt werden, sind aber Spezialfälle von Transkription, die nur durch Phonetiker ausgeführt werden können. Warum dies in einer Buchreihe, die sich an sozialwissenschaftlich qualitativ Forschende richtet, so genau dargestellt wird, mag verwundern. Zugute halten kann man diesem Vorgehen allerdings, dass es hierdurch dem Anspruch, umfassend zu informieren, durchaus gerecht wird. Im zentralen und auch umfangreichsten Kapitel werden die wichtigsten Transkriptionssysteme vorgestellt. Sie werden jeweils anhand spezifischer Gütekriterien einer kritischen Abwägung unterzogen, um in einer abschließenden so genannten "Evaluation" (Seite 174) in Beziehung zueinander gesetzt zu werden. Hierzu dient auch ein vom Autor entwickeltes und ausführlich erläutertes "Vergleichsraster für Transkriptionssysteme" (Seite 89). Zur Auswahl des für die eigene Untersuchung jeweils angemessenen Transkriptionssystems statuiert der Autor sechs grundlegend einleuchtende Maximen, von denen beispielsweise zwei lauten: Mache dein System zugänglich (z. B. so leicht und einfach lesbar wie möglich). (Seite 83) Gestalte dein System so, dass es für EDV-gestützte Analysen von sprachlichen und kommunikativen Funktionen leicht und angemessen verwendet werden kann! (Seite 85) Im Einzelnen werden in ihren theoretischen Grundlagen, Leitgedanken und deren praktische Anwendungsformen ausführlich dargestellt:

Gesprächsforschung 3 (2002), Seite 27 das Transkriptionsdesign der formalen Konversationsanalyse (KA); das Partiturdesign HIAT (Halbinterpretative Arbeitstranskription); das Transkriptionsverfahren DIDA (Diskursdatenbank) des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim; die Diskurstranskription nach Du Bois et al., welches Norbert Dittmar in vielen Punkten herausstellt und lobt, unter anderem weil es zwischen dem einfacher anzufertigendem 'Basistranskript' und dem differenzierten 'Feintranskript' unterscheidet; das Gesprächsanalytische Transkriptionssystem (GAT); das Transkriptionssystem für multifunktionale Mehrebenenanalysen 'Codes for Human Analysis of Transcripts' (CHAT), das vor allem zur Untersuchung des Spracherwerbs von Kindern geeignet ist. Wichtig ist im abschließenden Resümee dieses Kapitels die Entwicklung und Erläuterung der Gütekriterien, die für alle diese Transkriptionsverfahren gelten: Validität und Reliabilität/Zuverlässigkeit (Seite 175). Eine gute Transkription muss sich hieran messen. Besonders aufschlussreich sind die Ausführungen des Autors zur "Transkription nichtverbalen Verhaltens" (Seite 183), gemeint sind unter anderem Gestik, Motorik oder Mimik. Auch hierfür werden wesentliche Anforderungen geboten, die für diese Verfahren gelten und an denen sie sich messen lassen sollten. Ausführlich und anhand von Beispielen vorgestellt werden die Aspekte der Transkription nichtverbalen Verhaltens aus dem Partiturdesign HIAT sowie aus der Konversationsanalyse (KA). Doch wird auch kritisch gefragt, ob der datenaufbereitende Aufwand, die filigranen Körperpositionen deskriptiv zu erfassen, in angemessenem Verhältnis zum Nutzen für die Forschung steht. Letztlich lässt sich diese Frage nur in Einzelentscheidungen für konkrete Forschungsprojekte klären. Vor allem werden auch Verfahren vorgestellt, mit Hilfe deren so genannte Bilderstaffeln, etwa aus Videostills, in Transkripte eingefügt werden. Hier liegen sicher große Chancen und Möglichkeiten in der nahen Zukunft, die ja auf die Integration ganz unterschiedlicher Datenformen in einem digitalen beziehungsweise multimedialen Medium hinauslaufen wird. Fragen und Probleme der Anonymisierung des Forschungsmaterials, die hierdurch virulent werden, erörtert der Autor jedoch nicht. Er macht hingegen deutlich, dass diese Notationssysteme im Moment sehr im Fluss seien und dass praktikablere, ganzheitliche Verfahren in naher Zukunft vorlägen, weshalb dieses Kapitel nur den gegenwärtigen Stand der Entwicklung nachzeichnen könne. Dass der Computer unerlässliche Grundlage für die Konversationsanalyse und qualitative Forschung ist, kann inzwischen als völlig selbstverständlich gelten. Auch hier sind wir Zeugen einer rasanten Entwicklung, in der beispielsweise neuerdings das Tonmaterial digital aufgezeichnet wird, ein großer Qualitätssprung im Vergleich zu den noch vor Kurzem üblichen so genannten Musikkassetten (MCs). Die Transkription geschieht hier ausschließlich mit Hilfe des Computers und entsprechender Programme. Die zwei wichtigsten Dateiformate für Tondokumente, mp3 und wave, werden erklärt und im Kontext entsprechender Analyseprogramme erörtert. Freilich haben diese Erörterungen lediglich einführenden Charakter. Ne-

Gesprächsforschung 3 (2002), Seite 28 ben digitalen Transkriptionsprogrammen widmet der Autor ein Unterkapitel den Optionen, die das Internet für die Kommunikation zwischen Forschenden und für den Datenaustausch bietet. Im abschließenden Kapitel wird der Lehrbuchcharakter der Veröffentlichung nochmals besonders deutlich. Es richtet sich vor allem an Studierende, die sich nach dem Selbstlernprinzip dazu befähigen möchten, sich das Transkribieren anzueignen. Diese Selbstlernanleitung sollte durch einen Kursbesuch wenn man hierzu die Möglichkeit hat und durch Recherchen im Internet ergänzt werden. Schritt für Schritt werden Lesende hier angereichert mit vielen praktischen Tipps zur Transkription befähigt. Der wissenschaftliche Anspruch, den sich das Buch gibt, wird leider durch die häufigen Rechtschreibfehler getrübt, z.b. "kommplex" (Seite 58), "Mikrokomputer" (Seite 163), "Copmuter" (Seite 230) oder "Kritiok" (Seite 64), um nur vier von vielen zu nennen. Ferner irritiert, dass der Autor häufig zwischen alter und neuer deutscher Rechtschreibung schwankt: "im wesentlichen" (Seite 76, 77) und "im Wesentlichen" (Seite 103); "selbständig" (Seite 73) und "selbstständig" (Seite 221) oder "aufwendig" (Seite 194) "zeitaufwändig" (S. 199). Überdies häufig vorkommende Zeichensetzungsfehler (beispielsweise Seite 85) hätten in einem Buch, das die Präzision der korrekten sprachlichen Wiedergabe lehrt, unbedingt vermieden werden müssen. Außerdem ist dem Buch ein Blatt mit teils erheblichen Fehlerkorrekturen beigegeben. So wird man beim Lesen leider den Eindruck einer gewissen Unzuverlässigkeit der Angaben und Inhalte nicht los. Zumindest mangelte es bei der Buchproduktion an der nötigen Sorgfalt durch den Verlag und mögliche Lektorinnen beziehungsweise Lektoren. Alles in allem handelt es sich jedoch um ein durchaus empfehlenswertes Lehrund Nachschlagewerk, das kaum eine Frage rund um die Thematik der Transkription unbeantwortet lässt. PD Dr. Georg Peez Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Institut für Kunstpädagogik Postfach 11 19 32 D-60054 Frankfurt a. M. Peez@em.uni-frankfurt.de Veröffentlicht am 20.4.2002 Copyright by GESPRÄCHSFORSCHUNG. Alle Rechte vorbehalten.