Aerodynamik beim R18 e-tron quattro Dass ein Auto aerodynamisch günstig sein soll, ist eine Erkenntnis, die für Rennsport und Serienautomobile gleichermaßen gilt schließlich erzeugt die Luft extreme Fahrwiderstände. Dennoch gibt es deutliche Unterschiede für die Konstrukteure in beiden Bereichen. Zur Faszination der Formen kommen handfeste, höchst unterschiedliche Anforderungen im Alltag und im Rennsport. Scannen Sie den QR-Code und erleben Sie die Highlights von Le Mans 2013. LUFT- NOTE 154 Dialoge Technologie 159 Dialoge Technologie
Die Ruhe des Siegers Der R18 e-tron quattro hat seinen Platz im Museum mobile von sicher im originalen Look des Siegers, mit all den kleinen Spuren des großen Kampfes. Mit gleich zwei Le-Mans-Erfolgen in Serie hat der LMP1- Protoyp Motorsport-Geschichte geschrieben. Noch kämpft er in der Langstrecken- Weltmeisterschaft, doch mit Ende der Saison ist seine Karriere zu Ende.
Text Alexander von Wegner Großes Volumen: Die ursprünglichen Maße für Breite, Länge und Höhe des Heckflügels 2.000 400 150 mm Der c w -Wert ist eine Größe, von der jeder Auto fahrer schon einmal gehört hat. Dahinter verbirgt sich der Luftwiderstandsbeiwert, den ein Körper erzeugt und der im Windkanal gemessen wird. Multi pliziert mit der Stirn fläche ergibt sich die Widerstandsfläche eines Autos. Sie zu optimieren, ist das Ziel der Konstrukteure. Auch im Rennsport soll ein Auto möglichst optimal umströmt werden. Die Stirnfläche spielt allerdings eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist der Abtrieb jene Kraft also, die das Auto auf die Straße presst und damit höhere Kurvengeschwindigkeiten erlaubt. Permanent optimieren die Aerodynamiker so hochkarätige Rennwagen wie den R18 e-tron quattro, mit dem die Marke ihren zwölften Le-Mans-Sieg gefeiert hat. Das Ziel der Techniker: Mehr Abtrieb zu generieren, möglichst ohne den Luftwiderstand zu erhöhen durch immer neue Ideen für Flügel, Karosserie, Unterboden oder die Diffusoren an Front und Heck. Wie groß die Entwicklungsschritte sind, verrät ein Blick auf den ersten und den jüngsten Sportprototyp von. Sehr viel deutlicher könnten sich die aerodynamischen Konzepte kaum unterscheiden. Dem offenen R8R von 1999 steht der geschlossene R18 e-tron quattro gegenüber. Und kein einziges Detail gleicht dem anderen. Als vor 14 Jahren zum ersten Mal einen LMP- Sport prototyp baute, war Fondmetal Technologies Partner bei der Aerodynamik. In Italien testeten die Ingenieure den Luftfluss am R8R mit einem Modell im 40-Prozent-Maßstab. Damals besaßen solche Modelle Reifen aus Kohlefaser, die von außen fixiert waren. Heute gibt es einen ganz anderen Stand der Technik, erklärt Axel Löffler, der als Leiter Konstruktion Chassis/Bodywork lange Jahre auch für die Aerodynamik zuständig war, bevor Jan Monchaux 2013 diesen Bereich übernahm. Inzwischen sind wir bei 60 Prozent Modellgröße angekommen. Dank der heutigen Gummireifen können wir den Luftfluss um das Modell viel realitätsgetreuer erstellen. Ebenso hilft ein bewegter Boden im Windkanal, exaktere Messergebnisse zu erhalten. Auch die Fahrwerke von Modellen sind heute voll nachgebildet und beweglich. Das grundlegende aerodynamische Konzept zwischen den einzelnen Baustufen der LMP-Rennwagen aus Ingolstadt und Neckarsulm hat sich deutlich weiterentwickelt. Die Wasserkühler des Motors lagen 1999 beim R8R noch flach im Bug. Die warme Abluft entwich aus der vorderen Haube vor der Cockpitöffnung. Sie strömte teilweise über das Cockpit sowie nach rechts und links. Um den Hinterwagen mitsamt dem Heckflügel besser anzuströmen, integrierte seit dem Jahr 2000 im R8 Wasser- und Ladeluftkühler in die Seitenkästen neben dem Cockpit. Damit verbesserte sich der Luftfluss deutlich, führt Löffler aus. Und es ent standen am Vorderwagen neue Freiheiten. Die Abluft des vorderen Diffusors konnten wir viel sauberer führen. Deutlich geschrumpft: Die aktuell gültigen Maximalmaße für den Flügel 1.600 250 150 mm 1999 R8R 2000 R8 Erstlingswerk: Mit dem Le-Mans-Debüt 1999 begann bei eine neue Epoche im Motorsport. Der R8R war der erste LMP-Rennwagen der Marke. Revolution in Frankreich: Zum ersten Mal gewann ein Diesel-Sportwagen in der Saison 2006 die 24 Stunden von Le Mans. Der R10 TDI mit seinem V12-Aggregat war grundlegend neu konzipiert. Neuer Rekord: Der R15 TDI mit seiner radikal geänderten Aerodynamik, dem V10 TDI- Aggregat und Innovationen wie der Lithium- Ionen-Batterie brach 2010 in Le Mans einen 39 Jahre alten Distanzrekord. 2006 R10 TDI 2010 R15 TDI Einen Schritt weiter ging beim R15 TDI, der 2010 einen neuen Distanzrekord in Le Mans aufstellte. Die extrem hohe Nase hat es uns erlaubt, die Luft mit noch geringeren Verwirbe lungen zum Unterboden zu führen. Das hilft beim Ground-Effekt, also dem Sog, den der Unterboden erzeugt, so der Experte. Nicht immer aber ergeben sich Verbesserungen. Wiederholt mussten die Aerodynamiker Einschränkungen hinnehmen. Mit Einführung der Diesel-Direkteinspritzung im R10 TDI in der Saison 2006 stieg der Kühlbedarf aufgrund des anderen Brennverfahrens um etwa 30 Prozent. Der seit 2012 eingesetzte R18 e-tron quattro verfügt außerdem über einen Niedertemperaturkreislauf zur Kühlung des Hybridsystems eine weitere Herausforderung. Dennoch war noch nie ein LMP-Sportwagen von aerodynamisch so effizient wie der aktuelle Hybrid-Sportwagen. Immer wieder werden bestehende Freiheiten auch durch das Reglement eingeschränkt. So durfte der Heckflügel zu Projektbeginn 1999 ein Volumen von maximal 2.000 mm (Breite) 400 mm (Länge) 150 mm (Höhe) ausfüllen. Heute betragen die Werte nur noch 1.600 250 150 mm. Durch eine Vielzahl von Einzellösungen wie dem oben aufgehängten Heckflügel seit dem R15 TDI im Jahr 2009 hat einen großen Teil des verlorenen Abtriebs wieder wettgemacht. Er erlaubt eine wesentlich verbesserte Anströmung des Flügels. Zum Vergleich: Sind die Flügelstützen unten montiert, verringert sich der Abtrieb wesentlich. Das neue Befestigungsprinzip fand viele Nachahmer. Auch die Maßgaben für den Unterboden änderten sich deutlich. Seit dem R10 TDI (2006) muss der Profilquerschnitt um sieben Grad zu den Flanken hin ansteigen, ebenso ist eine zentrale Holzplatte unter dem Chassis vorgeschrieben. Seit 2012 legt das Reglement zudem auffällige Öffnungen oberhalb der Räder sowie eine Finne auf dem Rücken des Rennwagens fest. Sie sollen verhindern, dass ein Rennwagen abhebt, wenn er sich bei hohem Tempo quer zur Fahrtrichtung dreht und der Luftstrom seitlich auf das Auto trifft. In Längsfahrtrichtung freilich begünstigen die Öffnungen die Aerodynamik nicht, sondern beeinträchtigen einen sauberen Luftfluss über die Karosserie. Trotz derartiger Einschränkungen erzielt ein moderner LMP-Sportwagen sehr viel Abtrieb. Theoretisch könnte er bei hohem Tempo an der Decke eines Tunnels fahren, ohne herunterzufallen. Aufschlussreich sind dabei die aerodynamischen Lasten: So generiert der vordere Diffusor zusammen mit dem Heckflügel die Hälfte des Abtriebs, der Unterboden mitsamt Heckdiffusor die andere Hälfte. Diesem Abtrieb wirkt ein unvermeidbarer Auftrieb entgegen, der durch den Luftfluss um das Cockpit und über die Karosserie entsteht. Er entspricht etwa einem Viertel des erzeugten Abtriebs. Ewiger Sieger: Der R8 mit deutlich geänderter Aerodynamik und vielen neuen Details debü - tie r te in der Saison 2000. Bis 2005 gewann er die 24 Stunden von Le Mans fünf Mal. 160 Dialoge Technologie 161 Dialoge Technologie
Die Schönheit der Funktion Am Bug des R18 e-tron quattro hier das rechte vordere Radhaus wird die Ästhetik des Rennwagens besonders deutlich: Filigrane Stege aus CFK leiten die Luft, der große Splitter erzeugt Abtrieb auf der Vorderachse. Lösungen wie diese sind auch für das Serien-Design von attraktiv. 162 Dialoge Technologie 163 Dialoge Technologie
Mit mehr als 650 PS: 2006 erreichte Der R10 TDI in Le Mans eine Rundenzeit von 3:31,211 min 2013 R18 e-tron quattro Das Reglement hat die Freiheiten inzwischen stark eingeschränkt, bilanziert Axel Löffler. Früher konnten wir beim R8 die gewünschten aerodynamischen Konfigurationen für schnelle Strecken wie Le Mans ebenso wie für langsame Straßen kurse in der American Le Mans Series mit einer Karosserie variante umsetzen. Inzwischen zwingt uns der geringe Spielraum, ein Auto auf eine Anforderung hin zu optimieren. Deshalb entstand nur für Le Mans 2013 eine Langheck- Variante des R18 e-tron quattro. Das Langheck ist nur die am besten sichtbare Änderung. Die gesamte Aerodynamik des Hybrid-Sportwagens ist für Le Mans 2013 verändert worden, um den besonderen Anforderungen Rechnung zu tragen. Wie extrem die Bedingun - gen sind, verdeutlicht ein Zahlenbeispiel: In diesem Jahr drehte -Werksfahrer André Lotterer beim 24-Stunden-Rennen die schnellste Runde an der Sarthe. Dabei erreichte er ein durchschnittliches Tempo von 242 km/h. Auf keinem anderen Kurs in der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC wird so schnell gefahren. Immer wieder finden die Ingenieure Wege, die aerodynamische Effizienz also das Verhältnis von Abtrieb zu Luftwider stand zu verbessern. Dieser Quotient drückt aus, wie sehr die Aerodynamiker den Abtrieb des Rennwagens verbessert haben, ohne in gleichem Maße den Luftwiderstand zu erhöhen. Seit 1999 hat die aerodynamische Effizienz seiner LMP- Sportwagen um rund 65 Prozent gesteigert. Wie groß die aerodynamischen Fortschritte sind, lässt sich an den Rundenzeiten ablesen, hebt -Motor spor t- chef Dr. Wolfgang Ullrich hervor. Natürlich gibt es viele weitere Einflussfaktoren den Antrieb, die Reifen, das Fahrwerk, den ultra-leichtbau oder die Gewichtsverteilung. Nur ein Vergleich: 2006 betrug die schnellste Rennrunde in Le Mans 3:31,211 Minuten. Der R10 TDI hatte damals 12 Zylinder, 5,5 Liter Hubraum und war mit mehr als 480 kw (650 PS) unser stärkster LMP-Sportwagen. In diesem Jahr betrug die beste Rundenzeit 3:22,746 Minuten. Unsere Autos waren mehr als acht Sekunden schneller. Der V6-TDI-Motor des R18 e-tron quattro durfte aber nur noch maximal 3,7 Liter Hubraum haben und leistete rund 360 kw (490 PS). Ein erheblicher Teil dieser Fortschritte ist der optimierten Aerodynamik zu verdanken. Nur noch 490 PS: Der aktuelle R18 e-tron quattro umrundete den Kurs in 3:22,746 min 2011 R18 ultra 2012 R18 e-tron quattro Bereit für die Zukunft: Der geschlossene Sportwagen R18 ultra steht seit 2011 für eine deutlich verbesserte aerodynamische Effizienz. Quantensprung: Aerodynamisch setzt der R18 e-tron quattro die Ideen vom Vorjahr fort. Die Revolution bestand im Hybridantrieb die Vorderachse wird temporär elektrisch angetrieben. Le Mans Neue Regeln 2014 Länge läuft: Der R18 e-tron quattro, der die 24 Stunden von Le Mans 2013 gewann, verfügte über eine aerodynamisch optimierte Karosserie mit Langheck. Ab 2014 gilt ein vollkommen neuer gedanklicher Ansatz in der Welt der LMP-Sportwagen. Zum ersten Mal steht nicht mehr die Regu lierung der Leistung im Mittelpunkt, sondern das Reglement definiert Rennwagen ausschließlich über Effizienz. Hubraum, Zylinder zahl, die ansaugbare Luftmenge und grundlegende Aspekte der Aufladung sind freigestellt. Stattdessen wird die verfügbare Energiemenge begrenzt sie reduziert sich um bis zu 30 Prozent. Zudem müssen sich die eingeschriebenen Auto mobil hersteller für eine von vier Klassen entscheiden, in denen unterschiedliche Mengen von zurückgewonnener Energie definiert werden. Maximal dürfen bis zu 8 Megajoule rekuperierter Energie wieder eingesetzt werden bisher sind es in Le Mans 3,5 Megajoule. Die Werks-Rennwagen müssen mindestens ein und dürfen höchstens zwei Hybridsysteme besitzen. Gewinner ist, wer das effizienteste Auto baut und mit der festgelegten Energiemenge in einer gegebenen Zeit am weitesten kommt, also am schnellsten fährt. Auch in ihrem Erschein ungsbild werden sich die LMP1- Prototypen wie der R18 e-tron quattro im nächsten Jahr deutlich ändern. Sehr viel schmalere Reifen und eine um 100 Millimeter verringerte Gesamt breite lassen die höchste Rennwagen-Klasse in Le Mans und in der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC optisch ganz anders aussehen. Entwicklungsschritte: Die CFD-Berechnungen beweisen, dass der 2009 erstmals oben aufgehängte Heckflügel deutlich effizienter war (oben). Seit 2013 gibt es zusätzliche Winglets am Heckflügel (rechts). 164 Dialoge Technologie 165 Dialoge Technologie