Guten Tag. Ich werde Ihnen heute einige ausgewähltedaten und kühne Thesen zu adnominaler Possessivitätin hessischen Dialekten vorstellen. Besonders auf den sogenannten adnominalen possessiven Dativ werde ich eingehen. 1
Ich werde also zunächst einige Abgrenzungen des Phänomens der adnominalen Possessivitätvornehmen, mich dann den Ausdrucksavariantenzuwenden, besonders dem possessiven Dativ und fragen, wo in hessischen Dialekten und unter welchen Bedingungen er aktuell verwendet wird. Dazu werde ich die ein oder andere These präsentieren, die in meinen Schlussfolgerungen zusammenlaufen. 2
Sie sehen auf diesem Bild ein Reiterstandbild auf einem Sockel und Volk. Der Reiter stellt König Ernst August von Hannover dar (nicht der sogenannte Prügel- und Pinkelprinz, sondern einen meines Wissens eher unbescholtenen Vorfahren). In den Sockel eingraviert steht dort: dem Landesvater sein treues Volk. Unsere standardsprachliche Kompetenz sagt und, dass dies kein vollständiger sprachlicher Ausdruck sein kann und dass diese Zeichenkette als Teil eines komplexeren sprachlichen Ausdrucks verstanden werden muss, der auf die Beziehung von Standbild, Landesvater und Volk referiert und etwa Dieses Standbild widmet dem Landesvater sein treues Volk lauten könnte. Nun sind aber möglicherweise manche unter uns, die es wissen oder getan haben: nämlich diesen Ausdruck zunächst anders zu interpretieren, nämlich als einen nominalen Ausdruck, der auf das Volk des Landesvaters referiert, etwa: Hier sehen sie dem Landesvater sein treues Volk Dies haben Sie kraft einer anderen sprachlichen Kompetenz getan. Sozusagen als Desambiguierer sagt uns enzyklopädisches Wissen nun, dass hier lediglich die erste Interpretation zutreffen kann. 3
In der von den Bildhauern mutmaßlich intendierten Interpretation haben wir also zwei Nominalphrasen, die jeweils vom Verb regiert werden, so dass der Satz eine Relation zwischen den Nominalphrasen ausdrückt. Hierbei handelt es sich also um eine adverbale ditransitive Konstruktion. Bei der Konstruktion, die auf Basis von Kompetenzen unterhalb der Standardsprache erkannt werden könnte, der hier aber höchstwahrscheinlich nicht zutrifft, hängt nur eine Nominalphrase vom Verb ab, die andere hängt von dieser NP ab. Hierbei handelt es sich um eine adnominale Abhängigkeit, und da sie possessiven Charakters ist, um adnominale Possessivität. Permutationstests demonstrieren, dass die Ausdrücke für den Landesvater und das Volk in der adverbalenditransitivenkonstruktion zwei Konstituenten darstellen und im Falle der adnominalen Possessivität eine komplexe Konstituente. 4
Nachdem wir nun geklärt haben, was bei adnominaler Possessivität das adnominale ausmacht, will ich nun versuchen, Possessivität als semantische Domäne zu charakterisieren. Ich will versuchen, Possession im engeren Sinne von Lokation bzw. Ablation und Meronymieabzugrenzen. Lokation bzw. Ablation kann man charakterisieren als räumliche Beziehung zwischen einem Lokatum etwas, das verortet ist und einer Lokation einem Ort. Ich habe das hier in Form von abstrakten logischen Strukturen auszudrücken versucht. Ein Beispiel dafür ist die Relation zwischen dem Hund und Harald, wenn der Hund bei Harald ist. Bei Meronymiehandelt es sich um eine Relation zwischen einem Teil und einem Ganzen. Ich habe diese Relation als eine des Teilhabens charakterisiert in dem Sinne, dass das Teil am Ganzen teilhat, wie die Stoßstange am Auto. Die Relation zwischen einem Possessorund einem Possessumist eine echte possessive Relation. Was Possessorund Possessumausmachen, bleibt hier zunächst noch offen, aber negativ definiert ist Possession weder mit Lokation noch mit Meronymie identisch. 5
Sie sehen hier eine einfache Variante der sogenannten Belebtheitshierarchie sowie semantische Merkmale, die in der Literatur als idealtypische Merkmale der beiden Pole dieser Hierarchie diskutiert werden. Wir können nun Lokation, Meronymieund Possession dadurch voneinander abgrenzen, indem wir fragen, welche Eigenschaften die in diesen Relationen involvierten Entitäten haben müssen oder idealerweise haben, und zwar in Bezug auf unsere Wahrnehmung. Ein Lokatummuss in jedem Fall als Objekt identifizierbar und individuiertsein. Es muss keine der anderen Bedingungen erfüllen. Diese Merkmale schließen aus, dass es sich bei einem Lokatumum eine Menge oder etwas Abstraktes handelt. 6
Die Lokation dagegen muss in der Wahrnehmung als Grund fungieren dasjenige Identifizierbare, gegen das die Figur abgegrenzt wird. Die Lokation-Entität muss keine weitere Bedingung erfüllen. 7
Schauen wir uns die meronymischerelation an, so können wir über die Teil-Entität genau das Gleiche sagen wie über das Lokatum. 8
Über das Ganze können wir das Gleiche sagen wie über die Lokation. Heißt das, dass Lokation und Meronymieidentisch sind? 9
Offensichtlich taugen die genannten Kriterien nicht für eine Abgrenzung der beiden. Man kann es aber anders erfassen: Während alle Teile eines Ganzen in ihrer räumlichen Lage zueinander beschrieben werden können (also als lokative Relation), kann nicht jede lokative Relation auch als Teil-Ganzes- Relation beschrieben werden. Das hängt daran, dass die Entitäten einer meronymischenrelation inhärent relational sind, während die Relation zwischen Lokatumund Lokation etabliert ist. Inhärenz und Etablierung sind das, was in der Possessivitätsliteratur als Inalienabilität und Alienabilität kursiert. So ist kognitiv ein Bein inhärent relational oder inalienabel. Es ist immer bzw. als kognitiver Default, Teil von etwas. Die Ausdrücke Haralds Bein und etwas weniger das Bein von Harald kodieren inalienablerelationen. Es ist bei diesen Ausdrücken klar, dass hier Haralds Bein sich zu Harald verhält wie mein Bein sich gerade zu mir verhält. Dies ist nicht der Fall bei Das Bein an Harald, weil dieser Ausdruck eine alienablerelation (eine lokative) kodiert. Der Ausdruck ist seltsam, weil wir ihn als lokative Relation interpretieren, obwohl Beine doch meronymische Relationen anzeigen. So kommt eine Implikatur zustande, die suggeriert, ein fremdes Bein oder ein Holzbein sei an Harald. 10
Wenn wir uns nun die Bedingungen betreffend Possessorenund Possessaanschauen, sehen wir, dass sie viel restringierter sind. Possessorenmüssen individuiertsein, kontrollfähig, empfindungsfähig, dem Selbst ähnlich. Dies schließt unbelebte Entitäten, Mengen und Abstrakta bereits aus. 11
Possessamüssen dagegen lediglich individuiertund Figuren in der Wahrnehmung sein genau wie Lokata und Teile von Ganzen. 12
Zusammengefasst heißt das, dass Possession sich durch die semantischen Implikationen der Belebtheitshierarchie von Lokation und Metonymie unterscheiden lässt, und dass Lokation und Meronymie durch relationale Inhärenz unterscheidbar sind. 13
Mengentheoretisch kann man formulieren: 14
Ich gehe nun weg von der Variable adnominale Possessivitäthin zu den Ausdrucksvarianten dieserrelationstypen: Wie werden diese Typen von Relationen also kodiert? Hier ist eine Aufstellung der wichtigsten Ausdrucksvarianten adnominaler Possessivitätfür die Standardsprache. Wir können Sie nicht im einzelnen besprechen, aber Sie werden die wichtigsten erkennen. PR und PM stehen für Possessorund Possessum, Gen, Dat, Akkfür Kasusmarkierungen, Detfür Determinierer. 15
Wenn wir nun in den Substandard und das gesamte Spektrum darunter bis in den Ortsdialekt schauen, verändert sich das Bild ein wenig. Zunächst verschwinden die Genitivvarianten. Zentral ist, dass eine neue Variante hinzutritt, die ebenfalls vom Kasussystem abhängig in unterschiedlicher Gestalt auftritt und eventuell noch den Genitiv aufweist. Dann treten die verbleibenden Konstruktionen in Abhängigkeit von den betreffenden Kasussystemen auf, z.b. die von -Variante mit Dativ, wo vorhanden, und wenn nicht vorhanden, mit Akkusativ und wo beide nicht mehr vorhanden, mit Einheitskasus (E). 16
Das ist der sogenannte possessive Dativ. Sogenannt deshalb, weil die Bezeichnung unpräzise ist: Es scheint eine implikationalehierarchie zu geben, die sagt, dass die Konstruktion mit Genitiv auftritt, wo die Varietät den Genitiv noch besitzt, mit Dativ, wo der Genitiv abgebaut ist, mit Akkusativ, wo Genitiv und Dativ abgebaut sind und mit Einheitskasus, wo alle Kasus bis auf einen abgebaut sind. Ich nenne die Konstruktion daher adnominaler possessiver GDAE und ich werde mich im Folgenden vor allem mit ihm beschäftigen. 17
Das ist der sogenannte possessive Dativ. Sogenannt deshalb, weil die Bezeichnung unpräzise ist: Es scheint eine implikationalehierarchie zu geben, die sagt, dass die Konstruktion mit Genitiv auftritt, wo die Varietät den Genitiv noch besitzt, mit Dativ, wo der Genitiv abgebaut ist, mit Akkusativ, wo Genitiv und Dativ abgebaut sind und mit Einheitskasus, wo alle Kasus bis auf einen abgebaut sind. Ich nenne die Konstruktion daher adnominaler possessiver GDAE und ich werde mich im Folgenden vor allem mit ihm beschäftigen. 18
Und zwar zuerst mit der Frage, wo er auftritt. Ich habe mir Wenkersatz 33: Sein Bruder will sich zwei schöne neue Häuser in eurem Garten bauen. angeschaut, worin die Variable sein Bruder vorkommt. Dank an Alexander Werth für den Hinweis. Ich habe die Karte von sein nach Belegen der Variante ihm sein und dem sein durchsucht und die abgebildete Verbreitung gefunden. 19
Hier habe ich die Ortspunkte noch einmal auf die Verwaltungsgliederung Deutschlands projiziert. Was den Ursprung der Konstruktion betriff, so sind die historischen Quellen, d.h. frühere Sprachstufen zu unter-untersucht, um Schlüsse zulassen zu können. Ich möchte daher aus dem dialektgeographischen Befund die folgende These ableiten: 20
Und genau das haben wir im Rahmen des Projekts Syntax hessischer Dialekte überprüft. 21
Zu den Varianten adnominaler Possessivitätgenerell und im Speziellen zur Verbreitung des adnominalen possessiven GDAEs habe ich Aufgaben dieses Typs konzipiert. Diese Aufgabenstellung erlaubt es den Informanten, jede der Ausdrucksvarianten zu benutzen, die ich vorhin aufgelistet habe, und zwar für das gesamte Spektrum von der Standardsprache bis zum Ortsdialekt. Im weiteren werde ich keine Zeit haben, die ganzen Aufgaben vorzulesen. Sie funktionieren alle nach demselben Prinzip. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit daher vor allem auf die jeweiligen Possessoren und Possessa. Dies ist das Ergebnis für diese Frage. 22
Blautönestehen für von -Varianten: die Tochter vom Bürgermeister oder vom Bürgermeister die Tochter. Rot steht für den possessiven GDAE: dem Bürgermeister seine Tochter Grüntönestehen für Genitivattribute des Standards: die Tochter des Bürgermeisters bzw. des Bürgermeisters Tochter. Man sieht, dass die Genitiv-Standardvarianten so gut wie abwesend sind, dass von -Varianten sehr häufig und überall auftreten, und dass der possessive GDAE fast überall auftritt, im Norden Hessens aber seltener. Außerhalb Hessens ist er im Süden häufig, im Norden abwesend. 23
Ein zweites Beispiel interferiert mit einer zweiten Variable, nämlich dem Genus weiblicher Personen, die in vielen Dialekten durch Neutra ausgedrückt werden. Dies sollte sich im Artikel vor dem Namen sowie im Possessivpronomen zeigen. In dieser Aufgabe ist also Gertrud Possessor und Brille Possessum. 24
Blautöne sind wieder von-varianten, Grün steht für das Genitivattribut. Rot steht für den possessiven GDAE mit dem Possessivum ihre : der oder dem Gertrud ihre Brille : Gelb steht für den possessiven GDAE mit dem Possessivum seine : der oder dem Gertrud seine Brille : Wir sehen erstens die gleiche weite Verbreitung des possessiven GDAEs wie eben und zweitens klare Areale, was das Genus Gertruds betriff. Ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, scheinen sich diese beiden großen Areale auch bei anderen SyHD-Phänomenen abzuzeichnen. 25
Nach diesem kurzen Überblick zur Verbreitung des possessiven GDAEs werde ich nun schauen, welche semantischen Relationen eigentlich von den belegten sprachlichen Varianten ausgedrückt werden. Es scheint einen weit verbreiteten Konsens darüber zu geben, unter welchen Bedingungen der possessive GDAE gebraucht werden kann. Ich habe das hier tentativ als den statusquo im gegenwärtigen Substandard charakterisiert. Der possessive GDAE kann nur echte possessive Relationen ausdrücken. Wir haben vorhin gesehen, dass die Bedingung für eine possessive Relation die Belebtheit des Possessors ist. Das N-N-Kompositum drückt dagegen meronymischeund eventuell lokative Relationen aus (Tischleuchte, Bettpfanne, Baumkrone). Die von -Variante wird verwendet, um alle von mir aufgelisteten Relationen auszudrücken. Schließlich wird die Variante mit bei und an (man denke an: das Bein an Harald ) für lokative Varianten verwendet. 26
Davon ausgehend möchte ich eine weitere These formulieren: Ich habe erwähnt, dass der possessive GDAE echte Possessivität ausdrückt, deren Bedingung Belebtheit des Possessorsist. Das umfasst die belebten Entitäten auf der Belebtheitshierarchie. Meine These ist, dass der adnominale possessive GDAE grammatikalisiert wird, die semantischen Restriktionen in seinem Gebrauch nehmen ab. Die Folge ist: Er kann zunehmend auch bei nicht-belebten Possessoren verwendet werden, wodurch er folglich allmählich auch zur Ausdrucksvariante für meronymische Relationen wird. 27
Davon ausgehend möchte ich eine weitere These formulieren: Ich habe erwähnt, dass der possessive GDAE echte Possessivität ausdrückt, deren Bedingung Belebtheit des Possessorsist. Das umfasst die belebten Entitäten auf der Belebtheitshierarchie. Meine These ist, dass der adnominale possessive GDAE grammatikalisiert wird, die semantischen Restriktionen in seinem Gebrauch nehmen ab. Die Folge ist: Er kann zunehmend auch bei nicht-belebten Possessoren verwendet werden, wodurch er folglich allmählich auch zur Ausdrucksvariante für meronymische Relationen wird. 28
Davon ausgehend möchte ich eine weitere These formulieren: Ich habe erwähnt, dass der possessive GDAE echte Possessivität ausdrückt, deren Bedingung Belebtheit des Possessorsist. Das umfasst die belebten Entitäten auf der Belebtheitshierarchie. Meine These ist, dass der adnominale possessive GDAE grammatikalisiert wird, die semantischen Restriktionen in seinem Gebrauch nehmen ab. Die Folge ist: Er kann zunehmend auch bei nicht-belebten Possessoren verwendet werden, wodurch er folglich allmählich auch zur Ausdrucksvariante für meronymische Relationen wird. 29
Ich werde versuchen, das am Beispiel der folgenden SyHD-Aufgabe zu demonstrieren. Was ich in dieser Aufgabe gemacht habe ist, systematisch an der Belebtheitsschraube des Possessors zu drehen. Wir haben hier einen unbelebten Possessor. Das hieße, wir würden hier die sprachlichen Varianten erwarten, die zum Ausdruck meronymischer und lokativer Varianten gebraucht werden. 30
Was wir tatsächlich sehen, sind in der Tat überwiegend blaue von - Varianten. Wir sehen allerdings vor allem im Rheinfränkischen und sich ins Zentralhessische und Osthessische erstreckende rote Punkte für possessive GDAEs, die im Einklang mit der Grammatikalisierungsthese stehen. Nach Norden und Westen hin werden die roten und Punkte sehr dünn. (Hier deuten sich die Areale aus der Frage mit Gertrud seiner Brille wieder an.) 31
Nach diesen Befunden habe ich noch eine ähnliche Aufgabe gestellt, die ein ähnliches Possessumaufweist, nämlich einen Arm. Laut Belebtheitshierarchie unterscheidet sich der Possessor(ein Kran) nicht von der Puppe beide sind unbelebt. Allerdings unterscheiden sie sich in dem Merkmal [+ ähnlich zum Selbst]. 32
Was wir sehen, sind von -Varianten und einen einzigen possessiven GDAE. Widerspricht das der Grammatikalisierungsthese? Anders gefragt: Wie ist der Kontrast zur Aufgaben mit der Puppe ihrem Fuß zu interpretieren? 33
Die Lösung, die ich vorschlagen möchte, ist in diesem Fall, die Belebtheitshierarchie als eine Skala von als dem Selbst ähnlich wahrgenommene Entitäten zu behandeln, möglicherweise im Sinne der in den 70ern prominenten Empathy-Hierarchy. Die Einheit inanimate auf dieser Hierarchie würde dann eine Subklassifikation erfordern in dem Sinne, dass etwa eine Puppe unterhalb von animate und oberhalb von mass rangieren würde, sowie innerhalb von inanimate oberhalb von beispielsweise Kran. Die Grammatikalisierung des possessiven GDAEs würde sich dementsprechend auf der Belebtheitshierarchie nach unten arbeiten, gleichzeitig aber ebenfalls innerhalb der Sub-Struktur der inanimate - Einheit. 34
Vielleicht in Zusammenhang mit der Grammatikalisierung der gesamten Konstruktion des possessiven GDAEs steht, so meine letzte These, die Grammatikalisierung des Possessivpronomens innerhalb der Konstruktion. Präziser formuliert weist dieses Pronomen Merkmale der Grammatikalisierung auf. Das Possessivpronomen ist referentiell redundant, d.h. in dem Landesvater sein treues Volk referiert es erneut auf den Landesvater, auf den bereits durch die NP dem Landesvater verwiesen ist. Die Merkmale der Grammatikalisierung sind der Verlust der Genuskongruenzmit dem Possessorund damit der Verlust der besitzanzeigenden Funktion als Ganze. Möglicherweise ist der Ursprung dieser Grammatikalisierungsentwicklungim Hessischen nicht oberdeutschen Ursprungs. Man kann spekulieren, ob dies kausal mit der Arealitätder Gertrud-Brille und Puppe-Fuß Aufgaben verbunden ist. 35
Aber hier erstmal die Aufgabe zu dieser These. Die Aufgabe kann nicht nur zum Testen der Akzeptanz des possessiven GDAEs im Hessischen und dem Genus weiblicher Personennamen dienen, sondern auch zum Stand der Grammatikalisierung des Possessivpronomens. Wo weibliche Personennamen feminines Genus haben, würde (a) präferiert werden. Wo sie neutrales Genus haben, würde (d) präferiert werden. Ebenfalls zumindest vorstellbar ist Kongruenz des Possessivpronomens mit dem Sexus des Possessors, resultierend in einer Präferenz für (b). Eine Präferenz für [c] dagegen spräche für den Verlust des Genusmerkmals und der Referenz- und Possessivfunktionen des Pronomens. 36
Wir sehen mit Bezug auf das Genus des Possessorsähnliche Areale wie in den Gertrud-Brille-und Puppe-Fuß-Aufgaben. Was die Beziehung zwischen dem Genus des Possessorsund dem des Possessivpronomens betrifft, so finden wir alle vier Varianten. Interessanterweise finden wir die Variante [c], hier blau eingefärbt, recht zahlreich, und zwar, wie es scheint, zwischen einem westlichen dem-monika-sein-rad -Gebiet und einem östlichen der-monika-ihr- Rad -Gebiet, also grob gesprochen zwischen den Arealen, die wir bereits vorher gesehen haben. 37
Um meine Thesen zusammenzufassen: 38
Diese Thesen beruhen auf den folgenden Annahmen: -Es gibt bestimmte unveränderliche semantische Merkmale, die in notwendiger Weise mit bestimmten Konzepten verbunden sind: Possession, Meronymie, Lokation. In dieser Beziehung sind Veränderungen ausgeschlossen. Die Konzepte wiederum sind synchron in kontingenterweise, aber in diachron gerichtetem, d.h. nicht-zufälligem Wandel mit sprachlichen Varianten assoziiert. Im Falle des adnominalen possessiven GDAEs besteht dieser Wandel in der Grammatikalisierung der Konstruktion entlang der Empathiehierarchie. 39
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Wo tritt die Konstruktion also sprachgeographisch auf? Eine Durchsicht der beiden Arbeiten von Henn-Memmesheimerund Weise fördert zutage, dass die Konstruktion überwiegend im Oberdeutschen auftritt, d.h. im Alemannischen und im Bairischen, wobei auch Duisburg, Westfälisch, Westfalen, Mecklenburg, Pommern und Böhmen genannt werden. Die rotgefärbten Ortsnamen oder Regionen sind dabei solche, die sich nicht mit meiner folgenden Auszählung decken. 42