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Transkript:

Untersuchen Forschen Verstehen Wissen Experimentelles Handeln als Unterrichtsmethode und Kompetenz (Dr. Werner Lorbeer, Juli 2012, TUM Science Labs, TUM School of Education) Inhalt: 1) Was ist ein Experiment? Schrittweises kontrolliertes Handeln! 2) Die typischen Schritte beim Experimentieren 3) Die Postersession als Kurzform des wissenschaftlichen Vortrags 1) Was ist ein Experiment? Schrittweises kontrolliertes Handeln! 1.1 Alltagshandeln ist kein experimentelles Handeln Was unterscheidet das experimentelle Handeln vom Alltag? Im Alltag wird etwas erledigt. Bei einem Experiment kommt es darauf an, die Handlung mit demselben Ergebnis wiederholen zu können. Deshalb wird ein Versuchsaufbau hergestellt. Es werden Messgeräte installiert, damit bei jeder Wiederholung des Experiments durch die Messungen die Ergebnisse miteinander verglichen werden können. Abbildung 1 Messung von Magnetfeldern und magnetischen Kräften eine Formel zu finden, die die Tabelle mathematisch beschreibt. Lassen sich die Messergebnisse in Versuchswiederholungen unter nur kleinen Schwankungen reproduzieren, so liegt eine reliable Messung vor. Im Experiment variiert der Experimentator die Versuchsgröße und er misst das Resultat. Beispielsweise lässt er einen Ball aus verschiedenen Höhen fallen und er misst abhängig davon, mit welcher Geschwindigkeit der Ball auf dem Grund aufschlägt. Die Ergebnisse werden in Form einer Zahlentabelle notiert. Häufig gelingt es, 1.2. Was versteht man, wenn ein Experiment gelingt? Kann man aus einem Experiment etwas verstehen? Nein! In einem Experiment wird nur beobachtet. Das Bild zeigt einen schwebenden Körper aus YBa 2 Cu 3 O 7 (Yttrium-Barium- Kupfer-Oxyd) über 2 würfelförmigen Permanentmagneten. Man beobachtet: dass bei minus 180 C der Körper plötzlich nicht mehr schwebt. Aber damit hat man nur beobachtet Abbildung 2 Versteht man das? Ein schwebender Magnet! 1 TUM Science Labs, Experimentelles Handeln als Unterrichtsmethode und Kompetenz

und nicht verstanden. Zum Verstehen gehört, dass man eine Vorstellung davon gewinnt, wie es zum beobachteten Effekt kommt. Hat man es gut verstanden, so kann man weitere Materialien mit einer solchen Eigenschaft zusammenmischen und auf ihre Sprungtemperatur hin untersuchen. Jede wissenschaftliche Beobachtung wird letztlich eine Beobachtung im Lichte einer Theorie 2) Die typischen Schritte bei der Durchführung eines Experiments Schritt 1: Fragen Spielen Das wichtigste am Experiment ist die Frage. Sie entsteht aus der Neugier: Wie hängen die Beobachtungen zusammen? Man versucht einen kausalen Zusammenhang zu finden und mit Messungen zu belegen. Rechts im Bild wird ein Tischtennisball mit einer Feder nach oben geschossen. Wie hoch fliegt er, was sagt das über die Feder? Was wenn der Ball schwerer gemacht wird? Abbildung 3 Spiel: Wie hoch fliegt der Ball von der elastischen Feder? Schritt 2: Experimentieren Dokumentieren Nach dem Spielen kommt das Experimentieren. Der Vorgang wird wiederholt und jede Wiederholung wird aufgeschrieben. Die Anordnung wird gezeichnet oder fotografiert. In Tabellen oder mit Messerfassungssystemen werden die Ergebnisse erfasst. Man muss Geschick entwickeln, um durch gleichmäßige Handhabung den Versuch auch wirklich gleich ablaufen zu lassen Schritt 3: Präsentieren Verstehen Abbildung 4 Experimentieren und aufzeichnen gehören zusammen: Das muss man üben. Zum Verstehen führt ein Experiment erst, wenn es im Lichte einer Theorie beschrieben werden kann. Eine Theorie fasst mit wenigen Begriffen und Messgrößen viele Experimente zusammen. Ein berühmtes Beispiel ist die Gravitationstheorie von Newton, durch die man so verschiedenes wie Planetenbewegung und Fall eines Apfels vom Baum verstehen kann. Zur Wissenschaft gehört immer die Wissenschaftsgemeinde der interesierten Zuhörer. Ihnen muss das Ergebnis vorgestellt werden. Sie sind eingeladen kritisch das Ergebnis zu diskutieren.. Wir verstehen um so besser, je einleuchtender eine Vorstellung vom Ablauf des Experiments ist. Verstehen ist ein mühsamer und bedächtiger Denkvorgang, selten macht es ohne Mühe click. 2 TUM Science Labs, Experimentelles Handeln als Unterrichtsmethode und Kompetenz

3) Die Postersession als Kurzform des wissenschaftlichen Vortrags 3.1. Das Poster Auf Fachkonferenzen ist es üblich, die eigenen Forschungsergebnisse durch einen Vortrag und ein detailliertes Poster im Format DIN A0 zu präsentieren. Diese Poster müssen inhaltlich fehlerfrei sein, sowie optisch ansprechend und übersichtlich gestaltet werden, damit ein Konferenzteilnehmer zum Lesen angeregt wird und zudem das Wesentliche in kurzer Zeit erfassen kann. Ein solches Poster gliedert sich deswegen in eine aussagekräftige Überschrift, eine alphabetisch sortierte Autorenliste, eine Auflistung der beteiligten Forschungsinstitute bzw. Gymnasien. Nach dem Wer, Wo,. Was folgt die eigentliche Darstellung der Arbeit mit den Ergebnissen. Auf dem Blanco-Poster sind dafür 4 Felder vorgesehen. Auf ihnen dokumentiert die Forschungsgruppe ihre Ergebnisse durch knappe Texte, entsprechende Graphiken und gut verständliche Fotos. Häufig ist man in Eile, es sind oft Klebelayouts und handschriftliche Ergänzungen zu beobachten, weil alles frisch aus dem Labor kommt und noch keine Zeit für aufwendige computergraphische Umsetzungen war. Feld I: eine Einführung in die physikalischen Grundlagen des Versuchs Feld II: eine detaillierte Beschreibung des Versuchsaufbaus u.a. anhand von Skizzen und Schaltplänen, beschriftete Fotos, 3 TUM Science Labs, Experimentelles Handeln als Unterrichtsmethode und Kompetenz

Feld III: eine Erläuterung der Versuchsdurchführung mit wichtigen Beobachtungen, allen erforderlichen Versuchsparametern und einer tabellarischen Aufstellung der Messwerte sowie Feld IV: eine Versuchsauswertung mit Angabe der verwendeten Formeln, einer Beschreibung der angewandten Methoden), einer übersichtlichen Darstellung der Ergebnisse anhand von Diagrammen sowie einer Diskussion bzw. Interpretation der Ergebnisse, wobei letzteres eine physikalische Erklärung der gemachten Beobachtungen und mögliche Folgerungen, die aus den gewonnen Ergebnissen gezogen werden können, umfasst. Diese vorgegebene Struktur hat sich über die Jahre hinweg bewährt und wird deswegen in der Forschung bevorzugt verwendet. 3.2. Vorbereitung für die Postersession in der Schule Datenerfassung in der Rechnerhalle Die Erarbeitung eines Posters ist zeitaufwändig. Sie wird nur gelingen, wenn während der Experimentierphase gründlich mit dokumentiert wurde. In der Rechnerhalle stehen Computer und Programme zur Verfügung, um zeitnah die Dokumentation zu erfassen und dann die Daten via Internet für die heimische oder schulische Nachbearbeitung zu speichern. Bewährt hat sich die Übernahme von Fotos im jpg-format, dazu werden die Bilder über den USB Port auf den Rechner geladen und schnellstmöglich kommentiert, um die richtige Zuordnung und Beschreibung zu erhalten. Abbildung 5 Stolz auf ein gutes Poster mit dem eigenen Namen in der Autorenliste Messwerte werden in einem Tabellenkalkulationsprogramm gespeichert und dort dann gleich in Graphiken umgesetzt. Wichtig ist auch, gleich im Experimentierteam die ersten Texte zu verfassen. Zu Hause mit zeitlichem Abstand ist unter Umständen schon wieder einige Information verloren gegangen, die jetzt noch frisch im Gedächtnis ist. Es kommt beim Erfassen jetzt also alles auf die Vollständigkeit und Richtigkeit, man sagt, die Validität, der Versuchsbeschreibung und Auswertung an. Die computergraphische Schönheit kann später ohne Zeitdruck erledigt werden. 4 TUM Science Labs, Experimentelles Handeln als Unterrichtsmethode und Kompetenz

3.3. Die Postersession Zum vereinbarten Zeitpunkt treffen sich die Wissenschaftler und gehen an den Postern vorbei. Das Team steht für Fragen zur Verfügung und hält mit Verweis auf seine Bilder, Graphen und Texte kurze Vorträge. Häufig fehlen auch Teammitglieder, sie haben sich schon wieder in die ganze Welt zerstreut. Also vergesst nicht, vom Team ein Foto zu schießen um den Neugierigen auch die Mannschaft zu zeigen. Abbildung 6 Ein Wettbewerb ist zu Ende: Gruppenfoto! Wenn man sich vorstellt, wie es auf der Postersession sein wird, dann gestaltet man automatisch die Felder richtig. Es muss das Wichtigste drauf stehen und weil Bilder oft mehr sagen als viele Texte, muss auf die Darstellung in großer Schrift und Farbe Wert gelegt werden. Zahlen werden häufig als Graphen wiedergegeben. Gute Ingenieurskunst und gute Forschung sind immer auch ein Gemeinschaftserlebnis. Nach der Anstrengung kommt auch der Spaß, wie man sieht. 5 TUM Science Labs, Experimentelles Handeln als Unterrichtsmethode und Kompetenz