Die silberkatalysierte Gasphasenepoxidation von Alkenen

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Transkript:

Die silberkatalysierte Gasphasenepoxidation von Alkenen Im Fachbereich Chemie der Ruhr-Universität Bochum eingereichte Dissertation vorgelegt von Ekaterina Todadze aus Tiflis (Georgien) Bochum 2004

Die vorliegende Arbeit wurde in der Zeit von Februar 2001 bis Februar 2004 am Lehrstuhl für Technische Chemie der Ruhr-Universität Bochum angefertigt. Vorsitzender der Prüfungskommission: Prof. Dr. Wöll Referent: Prof. Dr. M. Muhler Korreferent: Prof. Dr. W. Grünert Dritter Prüfer: Prof. Dr. W. Sheldrick

Für meine Tochter Maya

Danksagung Herrn Prof. Dr. M. Muhler danke ich dafür, dass er mir das Thema zur weitgehend selbständigen Bearbeitung überlassen hat und für die stete Unterstützung, die er meiner Arbeit zukommen ließ. Herrn Prof. Dr. W. Grünert danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferats. Frau Dr. W. Busser gebührt mein herzlichen Dank für die stete Unterstützung und intensive Betreuung. Des weiteren möchte ich Herrn Dr. H. Wilmer und Herrn Dr. V. Hagen für die zahlreiche interessante Anregungen und Hinweise und die stete Hilfsbereitschaft danken. Frau Dr. M. Kurz und Herrn Dr. M. Bergmann danke ich für die Hilfe bei Computerfragen. Sehr herzlich möchte ich Herrn H. J. Pfeiffer für die computertechnische Unterstützung danken. Mein besonderer Dank gilt Frau L. Khodeir für ihre stete Hilfsbereitschaft und die Durchsicht des Manuskripts auf formale Fehler. Weiterhin möchte ich Herrn Dr. H. Borchert, Dr. M. Gitter und Herrn Dr. M. Hesse für die gute Zusammenarbeit danken. Ihnen und allen anderen, die mir bei der Durchführung dieser Arbeit mit Rat und Tat hilfreich zur Seite standen, sei an dieser Stelle herzlichst gedankt.

Kurzzusammenfassung In dieser Arbeit wurde die silberkatalysierte Gasphasenepoxidation von Ethen zu Ethenoxid sowie von Propen zu Propenoxid untersucht. Mit Hilfe von instationären Methoden (TPD, TPA, TPSR) wurde die Wechselwirkung von Gaskomponenten wie z.b. von Sauerstoff, Stickstoffmonoxid, Kohlendioxid, Ethen oder Propen mit den verschiedenen Silberkatalysatoren (Ag/Al 2 O 3, Ag/Cs/Li/Al 2 O 3, NaNO 3 /KNO 3 / Mo/Ag/CaCO 3 /Al 2 O 3 ) untersucht. Durch Einsatz der temperaturprogrammierten Flussexperimente erfolgte die Bestimmung der Aktivität und der Selektivität von Katalysatoren sowohl für die Ethen- als auch für die Propen-Epoxidation. Die Propen-Pulschemisorption diente zur Untersuchung der Propen-Adsorption an verschiedenen Silberoberflächen. Die temperaturprogrammierten Untersuchungen haben gezeigt, dass Sauerstoff auf der Katalysatoroberfläche atomar in Form von Ag 2 O vorliegt. Nach der Vorbehandlung in Sauerstoff bei hohem Druck (10 bar) wurde die Anwesenheit des Volumen-Sauerstoffs am promotierten sowie am alkalipromotierten Katalysator festgestellt. Durch die TPSR-Versuche wurde nachgewiesen, dass auf der Silberoberfläche atomar adsorbierter Sauerstoff eine epoxidierende Spezies für die Ethen-Epoxidation ist. Hingegen führte die Reaktion zwischen dem atomar adsorbierten Sauerstoff und Propen nur zur Totaloxidation. Das bedeutet, dass sich die Mechanismen dieser Reaktionen wesentlich voneinander unterscheiden. Die Reaktion zwischen atomar adsorbiertem Sauerstoff und Stickstoffmonoxid aus der Gasphase führte zur Bildung von Nitrat- bzw. Nitritspezies auf der Oberfläche des reinen Silberund des mit Nitraten modifizierten Katalysators. Die Anwesenheit dieser Spezies hatte keinen Einfluss auf die Bildung von Propenoxid. Nur die gebildete Kohlendioxidmenge war höher. Die Untersuchung der Wechselwirkung von Kohlendioxid mit dem sauerstoffvorbelegten unpromotierten Silberkatalysator ergab, dass der atomare Sauerstoff mit dem Gasphasen-Kohlendioxid zu Silberkarbonat reagiert. Jedoch war diese Spezies nicht direkt an der selektiven Oxidation von Propen beteiligt. Die weiteren Untersuchungen haben gezeigt, dass der molekulare Sauerstoff oder eine daraus abgeleitete Spezies, die in Anwesenheit von Sauerstoff in der Gasphase stabil ist, eine aktive Spezies für die Propen-Epoxidation ist.

Akronyme AES ADXPS DFT EELS HREELS IER ISS LEED RHEED SEM STM TDS TPD TPR TPSR UPS XANES XPS Auger-Elektronen-Spektroskopie Winkelabhängige Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie Dichtefunktionaltheorie Elektronen-Energieverlust-Spektroskopie Höchstaufgelöste Elektronen-Energieverlust-Spektroskopie Isotopenaustauschreaktion Ionen-Streu-Spektroskopie Beugung langsamer Elektronen Beugung schneller Elektronen Rasterelektronenmikroskopie Rastertunnelmikroskopie Thermische Desorptionsspektroskopie Temperatur-programmierte Desorption Temperatur-programmierte Reduktion Temperatur-programmierte Oberflächenreaktion Ultraviolett-Photoelektronen-Spektroskopie Röntgenabsorptionspektroskopie Röntgen-Photoelektronen Spektroskopie

Symbole A app scheinbarer präexponentielle Faktor s 1 A des präexponentieller Faktor s 1 β Heizrampe K min 1 c Konzentration mol m 3 E app scheinbare Aktivierungsenergie kj/mol E des Aktivierungsenergie der Desorption kj/mol k ads Adsorptionsgeschwindigkeitskonstante (Pa s) 1,s 1 k app scheinbare Gleichgewichtskonstante der Gesamtreaktion (Pa s) 1,s 1 k des Desorptionsgeschwindigkeitskonstante (Pa s) 1,s 1 n i Molenstrom an Schlüsselkomponente i mol/s n k Molenstrom an Produkt k mol/s p X Partialdruck der Gaskomponente X Pa R Gaskonstante 1 8,31451 J K 1 mol r ads Adsorptionsgeschwindigkeit mol m 3 s 1 r des Desorptionsgeschwindigkeit mol m 3 s 1 S k Selektivität zu Produkt k - t Zeit min T Temperatur K T m Temperatur beim Signalmaximum K T 0 Anfangstemperatur K Θ Bedeckungsgrad - Θ X,0 Anfangsbedeckung mit Adsorbat X - Θ X,m maximale Bedeckung mit Adsorbat X - X i Umsatz des Edukts i - Y k Ausbeute an Produkt k -

Inhaltsverzeichnis Kurzzusammenfassung III 1 Einleitung und Problemstellung 1 1.1 Einleitung...... 1 1.2 Zielsetzung..... 2 2 Stand der Forschung 4 2.1 Die Oxidation von Ethen zu Ethenoxid... 4 2.1.1 Die Darstellung von Ethenoxid... 4 2.1.2 Mechanistische Vorstellungen... 5 2.1.2.1 Die Rolle von Promotoren und Inhibitoren... 9 2.2 Die Oxidation von Propen zu Propenoxid..... 12 2.2.1 Die Darstellung von Propenoxid...... 12 2.2.2 Mechanistische Vorstellungen... 15 2.3 Die Wechselwirkung von Gaskomponenten mit Silber... 16 2.3.1 Die Wechselwirkung von Sauerstoff mit Silber...... 16 2.3.2 Die Wechselwirkung von Stickstoffmonoxid mit Silber......... 21 2.3.3 Die Wechselwirkung von Kohlendioxid mit Silber.... 23 3 Experimentelle und theoretische Grundlagen 25 3.1 Die Flussapparatur mit mikrokatalytischem Festbett-Reaktor... 25 3.1.1 Der Aufbau der Apparatur..... 25 3.1.2 Die Gasversorgungs-Einheit.... 25 3.1.3 Der Reaktor..... 28 3.1.4 Die Analytik.... 30 3.2 Die instationären kinetischen Untersuchungen... 30 3.2.1 Die temperaturprogrammierte Desorption (TPD)..... 31 3.2.2 Die temperaturprogrammierte Adsorption (TPA)..... 34 3.2.3 Die temperaturprogrammierte Oberflächen-Reaktion (TPSR)...... 36 3.3 Die temperaturprogrammierten Flussexperimente..... 37

Inhaltsverzeichnis VII 3.4 Die Pulschemisorption... 39 4 Ergebnisse und Diskussion 40 4.1 Der Trägerkatalysator Ag/Al 2 O 3... 40 4.1.1 Die Wechselwirkung mit Sauerstoff.... 40 4.1.1.1 Die Bildung von Silber(I)oxid auf der Katalysatoroberfäche. 40 4.1.1.2 Schlussfolgerungen... 43 4.1.2 Die Wechselwirkung mit Stickstoffmonoxid.... 44 4.1.2.1 Die Bildung der Nitratspezies auf der Katalysatoroberfläche. 44 4.1.2.2 Schlussfolgerungen... 49 4.1.3 Die Wechselwirkung mit Kohlendioxid...... 50 4.1.3.1 Die Bildung der Karbonatspezies auf der Katalysatoroberfläche 50 4.1.3.2 Die Wechselwirkung von CO 2 mit dem auf der Silberoberfläche gebildeten Silbernitrat...... 54 4.1.3.3 Schlussfolgerungen... 58 4.1.4 Die Wechselwirkung mit Ethen...... 59 4.1.5 Die Wechselwirkung mit Propen...... 60 4.1.5.1 Die Wechselwirkung mit Propen in Anwesenheit von O 2... 60 4.1.5.2 Die Wechselwirkung mit Propen in Anwesenheit von NO.. 62 4.1.5.3 Die Wechselwirkung mit Propen in Anwesenheit von CO 2.. 66 4.1.5.4 Schlussfolgerungen... 68 4.2 Der NaNO 3 /KNO 3 /Mo/Ag/CaCO 3 /Al 2 O 3 -Trägerkatalysator... 70 4.2.1 Die Wechselwirkung mit Sauerstoff.... 70 4.2.1.1 Die Bildung von Silber(I)oxid auf der Katalysatoroberfäche. 70 4.2.1.2 Schlussfolgerungen... 74 4.2.2 Die Wechselwirkung mit Stickstoffmonoxid.... 75 4.2.2.1 Die Bildung der Nitratspezies auf der Katalysatoroberfläche. 75 4.2.2.2 Schlussfolgerungen... 80 4.2.3 Die Wechselwirkung mit Propen...... 80 4.2.3.1 Die Wechselwirkung mit Propen in Anwesenheit von O 2... 80 4.2.3.2 Die Wechselwirkung mit Propen in Anwesenheit von NO.. 82

Inhaltsverzeichnis VIII 4.2.3.3 Schlussfolgerungen... 85 4.3 Der Ag/Cs/Li/Al 2 O 3 -Trägerkatalysator nach Reaktion... 86 4.3.1 Die Wechselwirkung mit Sauerstoff.... 86 4.3.1.1 Schlussfolgerungen... 90 4.3.2 Die Wechselwirkung mit Ethen...... 91 4.3.2.1 Der Einfluss der Sauerstoffbedeckung..... 91 4.3.2.2 Der Einfluss der Ethen-Konzentration...... 96 4.3.2.3 Schlussfolgerungen... 99 4.4 Der frische Ag/Cs/Li/Ag/Al 2 O 3 -Trägerkatalysator....100 4.4.1 Die Wechselwirkung mit Sauerstoff....100 4.4.1.1 Die Bildung von Silber(I)oxid auf der Katalysatoroberfäche. 100 4.4.1.2 Schlusfolgerungen.... 104 4.4.2 Die Wechselwirkung mit Ethen......104 4.4.2.1 Der Einfluss der Sauerstoffbedeckung.....104 4.4.2.2 Schlussfolgerungen...108 4.5 Die stationären Untersuchungen zur Ethen-Epoxidation......109 4.5.1 Temperaturprogrammierte Flussexperimente...109 4.5.1.1 Die Leistung des reaktionsgefahrenen Ag/Cs/Li/Al 2 O 3...109 4.5.1.2 Die Leistung des frischen Ag/Cs/Li/Al 2 O 3...111 4.5.1.3 Die Leistung des KNO 3 /Mo/Ag/CaCO 3 /Al 2 O 3...116 4.5.1.4 Schlussfolgerungen...119 4.6 Die stationären Untersuchungen zur Propen-Epoxidation.....120 4.6.1 Temperaturprogrammierte Flussexperimente...120 4.6.1.1 Die Leistung des Ag/Al 2 O 3...121 4.6.1.2 Der Einfluss der Zusammensetzung des Reaktionsgemisches 123 4.6.1.3 Die Leistung des NaNO 3 /KNO 3 /Mo/Ag/CaCO 3 /Al 2 O 3...127 4.6.1.4 Der Einfluss der Zusammensetzung des Reaktionsgemisches 130 4.6.1.5 Schlussfolgerungen...131 4.6.2 Flussexperimente nach verschiedenen Vorbehandlungen........ 132 4.6.2.1 Schlussfolgerungen...136 4.6.3 Propen-Pulschemisorption..... 137

Inhaltsverzeichnis IX 4.6.3.1 Die Wechselwirkung mit Propen....137 4.6.3.2 Die Bildung von Reaktionsprodukten auf den Katalysatoren unterschiedlicher Oberflächenzustände.....138 4.6.3.3 Schlussfolgerungen...145 5 Zusammenfassung 147 6 Literaturverzeichnis 154

1 Einleitung und Problemstellung 1.1 Einleitung Eine der wirtschaftlich bedeutendsten Epoxidationsreaktion ist die selektive Oxidation von Ethen zu Ethenoxid an einem Silberkatalysator mit Luft oder Sauerstoff (Gl. 1.1). Die weltweite Herstellungskapazität für Ethenoxid beträgt etwa 8 11 10 6 t/a [1 3]. C 2 H 4 + 1 2 O 2 = C 2 H 4 O (1.1) Durch unerwünschte Totaloxidation wird bei diesem Verfahren Kohlendioxid und Wasser als Nebenprodukt gebildet. Eine weitere industriell bedeutende Reaktion ist die selektive Oxidation von Propen zu Propenoxid mit einer Jahresproduktion von über 4 10 6 t/a [1]. C 3 H 6 + 1 2 O 2 = C 3 H 6 O (1.2) Im Unterschied zu Ethenoxid gibt es noch kein industrielles Verfahren zur Herstellung von Propenoxid durch eine direkte Oxidation seines Ausgangsolefins [1,3 6]. Propenoxid wird industriell ausschließlich durch die indirekte Oxidation von Propen hergestellt (Chlorhydrin- und Hydroperoxidverfahren, s. Kapitel 2.2). Bei der Propen-Epoxidation können die Sauerstoffspezies abhängig von ihren Eigenschaften mit einem Propenmolekül auf unterschiedlichen Reaktionswegen reagieren (s. Abb. 1.1): Eine mild elektrophile Sauerstoffspezies (Reaktionsweg 1) greift bevorzugt an der π-bindung an. Dabei können Propenoxid, Propanol oder Aceton gebildet werden. Propanol und Aceton können zusätzlich durch die Isomerisierung von Propenoxid entstehen. Das wird bei höheren Temperaturen und an aziden oder basischen Katalysatoren favorisiert. Eine stark elektrophile Sauerstoffspezies (Reaktionsweg 2) greift C-C-Bindungen an. Das Ergebnis sind sauerstoffhaltige organische Verbindungen mit einem oder zwei Kohlenstoffatomen sowie Kohlenstoffoxide. Eine nukleophile Sauerstoffspezies (Reaktionsweg 3) greift bevorzugt die Wasserstoffatome in der Allylposition an. Dieser Reaktionsweg führt zur Bildung von Allylalkohol, Acrolein oder Acrylsäure.

1 Einleitung und Problemstellung 2 1 H 2 C CH CH 3 O Propenoxid O 1 2 3 H H C C C H H H H 2 HC CH 2 CH 3 O Propanol H 3 C C CH 3 O Aceton C 2 H x O y,ch x O y,co y 3 H 2 C CH CH 2 OH H 2 C CH CHO Allylalkohol Acrolein H 2 C CH COOH Acrylsäure Abbildung 1.1: Reaktionsmöglichkeiten zwischen einem Propenmolekül und einer Sauerstoffspezies, 1 - mild elektrophil; 2 - stark elektrophil; 3 - nukleophil. In allen drei Reaktionswegen findet die Weiterreaktion der gebildeten organischen Produkte zu Kohlenoxiden sowie Wasser statt. 1.2 Zielsetzung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es die silberkatalysierten Gasphasenepoxidationsreaktionen, die Oxidation von Ethen zu Ethenoxid sowie die Oxidation von Propen zu Propenoxid zu untersuchen und schließlich einen Vergleich zwischen den beiden Prozessen zu erstellen. Die Untersuchungen beinhalten die Erforschung der Wechselwirkung von einzelnen Gaskomponenten (Sauerstoff, Ethen, Propen, Stickstoffmonoxid, Kohlendioxid) mit den verschiedenen Silberkatalysatoren. Durch die temperaturprogrammierten Methoden (TPD, TPA, TPSR) sollte die Bildung von verschiedenen Oberflächenspezies nachgewiesen werden, die höchstwahrscheinlich während der Reaktionsdurchführung auf der Katalysatoroberfläche entstehen können. Weiter-

1 Einleitung und Problemstellung 3 hin soll die Rolle von verschiedenen Promotoren für die beiden Epoxidationsreaktionen untersucht werden. Aus diesem Grund sollen verschiedene promotierte und unpromotierte Silberkatalysatoren wie z.b. Ag/Al 2 O 3, Ag/Cs/Li/Ag/Al 2 O 3, NaNO 3 /KNO 3 /Mo/Ag/CaCO 3 /Al 2 O 3 getestet werden. Anhand der temperaturprogrammierten Flussexperimente soll die katalytische Leistung von verschiedenen Silberkatalysatoren bestimmt werden. Die durch die eingesetzten Untersuchungsmethoden gewonnen Ergebnisse sollte ein Beitrag zur Auffindung der aktiven (epoxidierenden) Spezies und zur Aufklärung der Reaktionsmechanismen der Oxidation von Ethen zu Ethenoxid bzw. der Propen zu Propenoxid geleistet werden.

2 Stand der Forschung 2.1 Die Oxidation von Ethen zu Ethenoxid 2.1.1 Die Darstellung von Ethenoxid Die Epoxidation der Olefine ist eine wichtige Gruppe der katalytischen Reaktionen in der chemischen Industrie. Die silberkatalysierte Gasphasen-Epoxidation von Ethen mit Sauerstoff ist eine der erfolgreichsten Beispiele der heterogenen Katalyse. 1998 betrug die Produktion von Ethenoxid 8,14 Millionen Tonnen pro Jahr [7]. Allein in der Bundesrepublik Deutschland wurden 1999 207 000 t Ethenoxid hergestellt. Ethenoxid stellt eines der wichtigsten Zwischenprodukte dar. Etwa 65 % des jährlich hergestellten Ethenoxids werden weiter zu Ethylenglykol umgesetzt, das weiter zu Polyestern verarbeitet wird. Ein geringer Teil von Ethenoxid wird als Desinfektionsmittel eingesetzt [1]. Die grossindustrielle Produktion von Ethenoxid erfolgt durch eine direkte Oxidation mit Sauerstoff bei einem Druck von 10-30 bar und einer Temperatur von 493-553 K in Rohrbündelreaktoren an geträgerten Silberkatalysatoren [1]. Bei dem Trägermaterial handelt es sich um hochreines α-aluminiumoxid mit einer geringen spezifischen Oberfläche von 1 m 2 /g. Dieses Verfahren basiert auf Prozessen, die zwischen 1940 und 1950 entwickelt wurden [8]. Bedeutsame Änderungen wurden bei der Katalysatorpräparation als auch bei der Katalysatorzusammensetzung durchgeführt. Mit einer reinen Silberoberfläche wird eine Anfangsselektivität zu Ethenoxid von etwa 40 % erreicht [9]. Eine signifikante Zunahme der Selektivität (15-20 %) wurde durch eine Zugabe der chlorhaltigen Kohlenwasserstoffspezies wie 1,2- Dichlorethan oder Vinylchlorid ins Reaktionsgemisch erreicht [10,11]. Seit 1970 sind Alkaliund Erdalkalimetalle, wie z. B. Cäsium, zu dem Katalysator als Promotor hinzugefügt worden. Damit wurde eine weitere deutliche Steigerung der Selektivität von etwa 10 % erzielt [12,13]. Mit kommerziellen Katalysatoren, die verschiedene Promotoren enthalten, werden Selektivitäten bis zu 80% erreicht. Die Patentbeispiele und akademische Studien [12,14,15] berichten jedoch von experimentellen Selektivitäten um 85.7%. Diese Aussage basiert auf einem Mechanismus, in dem der molekular adsorbierte Sauerstoff zu Ethenoxid reagiert [16].

2 Stand der Forschung 5 2.1.2 Mechanistische Vorstellungen Die Vorstudien an Einkristallsilber und Silber-Katalysatoren liefern Ergebnisse bezüglich der Ethen-Epoxidation. Generell ist es akzeptiert, dass die Ethen-Epoxidation entsprechend des in Abb. 2.1 dargestellten Schemas verläuft [17 20]. Abbildung 2.1: Schema der silberkatalysierten Oxidation von Ethen Ethen kann mit Sauerstoff zu Ethenoxid (selektive Oxidation) oder zu Kohlendioxid und Wasser (totale Oxidation) reagieren. Zusätzlich kann Ethenoxid weiter zu Kohlendioxid und Wasser umgesetzt werden. Jedoch haben verschiedene Autoren unterschiedliche Meinungen über den detaillierten Mechanismus dieser Reaktion. Von besonderem Interesse ist die Rolle verschiedener Sauerstoffspezies für den gesamten Epoxidationsmechanismus. Kilty und Sachtler [17] basieren ihre Aussagen auf den Ergebnissen von IR-Studien an geträgerten Silberkatalysatoren. Diese Autoren behaupten, dass der adsorbierte molekulare Sauerstoff [O 2 (a)] die aktive Oberflächenspezies für die Epoxidation von Ethen ist, d.h. dass der molekulare Sauerstoff mit Ethen in der Gasphase unter Bildung von Ethenoxid und atomar adsorbiertem Sauerstoff reagiert. O 2 (ads)+c 2 H 4 C 2 H 4 O+O(ads) (2.1)

2 Stand der Forschung 6 Dabei halten sie den atomar adsorbierten Sauerstoff [O(a)], der durch die Reaktion mit Ethen entsteht, für die Bildung von Kohlendioxid und Wasser zuständig. 6 O(ads)+C 2 H 4 2CO 2 +2H 2 O (2.2) Weil diese Reaktionen gekoppelt sind, kann der Reaktionsverlauf durch folgende Summengleichung beschrieben werden. 7 C 2 H 4 +6O 2 (ads) 6 C 2 H 4 O +2CO 2 +2H 2 O+6 (2.3) Aus der Gleichung folgt, dass die maximale Selektivität entsprechend diesem Reaktionsmechanismus 6/7 (85,7 %) beträgt [21]. Sachtler und Kilty sind der Meinung, dass die Ethen-Epoxidation nach einem Eley-Rideal-Mechanismus statt eines Langmuir-Hinschelwood- Mechanismus verläuft. Hierbei reagiert molekular adsorbierter Sauerstoff mit Ethen aus der Gasphase. Dabei wird der Epoxidring gebildet, welcher bis zur Desorption von Ethenoxid über das zweite Sauerstoffatom an der Oberfläche gebunden ist (s. Abb 2.2). H H H H H 2 C=CH 2 H C C H H C C H \ / \ / O δ(+) O + O O δ(-) O O Ag Ag Ag Abbildung 2.2: Der Mechanismus der silberkatalysierten Oxidation von Ethen nach Sachtler und Kilty Cant und Hall [22] haben den kinetischen Effekt von Deuterium benutzt, um einen alternativen Epoxidationsmechanismus zu postulieren. Sie haben nachgewiesen, dass die Epoxidationsgeschwindigkeit von Ethen mit O 2 auf dem Silber signifikant höher für C 2 D 4 als für C 2 H 4 ist. Sie sind der Ansicht, dass der molekulare Sauerstoff O 2 (a) die aktive Spezies sowohl für die Epoxidation als auch für die totale Oxidation ist. Diese Meinung wird auch von Akimoto [23] unterstützt. Die Ag (110)- und Ag (111)-Einkristallflächen sind ein wichtiges Objekt der zahlreichen Studien bezüglich der Epoxidation geworden. Grant und Lambert [24] haben entdeckt,

2 Stand der Forschung 7 dass bei Raumtemperatur eine Koadsorption von Ethen und Sauerstoff auf einer Ag (111)- Einkristallfläche zur Totaloxidation führt. Für die Aktivierung der Ag (111)-Oberfläche war es notwendig, die Probe bei 10 Torr in einem Gemisch aus Sauerstoff und Ethen (6:1) bei 425 K für 1 Stunde zu belassen. Diese Behandlung führte zur Bildung des Subsurface-Sauerstoffs. Das war ein Hinweis dafür, dass diese Sauerstoffspezies für die Epoxidation notwendig ist. Die auf einer Ag (110)-Einkristallfläche, bei niedriger Temperatur adsorbierten Ethen- und Sauerstoff-Moleküle reagieren unter UHV Bedingungen nicht. Roberts und Madix [25] erklären diesen Fakt damit, dass die Desorption von Ethen bei einer Temperatur erfolgt, die niedriger als seine Aktivierungstemperatur ist. Folglich, um diese Einschränkungen zu übergehen, haben viele Studien eine Hochdruckzelle benutzt, um die Reaktion zwischen Ethen und Sauerstoff zu ermöglichen. Anschließend wurde die Probe für die Charakterisierung ins UHV überführt. Grant und Lambert [26] haben zur Untersuchung der Reaktion zwischen chemisorbiertem Ethen und atomarem Sauerstoff nach der Aktivierung des Ag (111)-Einkristalls mit Sauerstoff TPR-Messungen im UHV durchgeführt. Die wichtige Rolle des atomar adsorbierten Sauerstoffs sowohl bei der Epoxidation als auch bei der Totaloxidation wurde durch mehrere Beobachtungen bestätigt. Die Untersuchungen zeigten, dass die EO-Ausbeute unabhängig von der Bedeckung an molekularem und proportional der Bedeckung an atomarem Sauerstoff ist. Außerdem wurde bestätigt, dass atomarer Sauerstoff nicht nur an der selektiven Oxidation von Ethen sondern auch an der totalen Oxidation teilnimmt. In Abb. 2.3 ist eine vereinfachte Darstellung der Ethen-Oxidation nach Grant und Lambert wiedergegeben. Weitere Untersuchungen zeigten, dass nach dem Verbrauch des atomaren Sauerstoffs der Subsurface-Sauerstoff in die Silberoberfläche diffundiert. Folglich wird eine zusätzliche Bildung von Kohlendioxid beobachtet. Bereits vor 50 Jahren wurde vermutet, dass atomarer Sauerstoff die aktive Spezies an Silberkatalysatoren ist [27]. Jedoch konnte mit den damaligen Studien zwischen den Mechanismen mit atomaren und molekularen Sauerstoff nicht unterschieden werden. Grant und Lambert sind überzeugt, dass der Verlauf der Ethen-Oxidation durch die Ladung des atomar adsorbierten Sauerstoffs beeinflusst wird. In Anwesenheit des gelösten Sauerstoffs O(d) wird die C 2 H 4 O- Bildung durch elektrophilen Angriff des atomaren Sauerstoffs auf die Doppelbindung des Olefins bevorzugt. Andererseits, in Anwesenheit der Spezies, die die Ladung des Silbers und folg-

2 Stand der Forschung 8 CO 2 + H 2 O O(a) + C 2 H 4 C 2 H 4 O(a) C 2 H 4 O(g) C 2 H 4 O(a) + O(a) CO 2 + H 2 O Abbildung 2.3: Die Darstellung der Ethen-Oxidation nach Grant und Lambert [26] lich des atomaren Sauerstoffs beeinflusst, wird von Sauerstoff eine C-H-Bindung in Ethen angegriffen, welche zur totalen Oxidation führt. Campbell und Koel [28] schlagen vor, dass die beiden Reaktionsprodukte Ethenoxid und Kohlendioxid aus einem Ethen-Sauerstoff-Edukt gebildet werden. Ihre Argumentation basiert auf Ähnlichkeiten in den beobachteten kinetischen Parametern für die EO- und CO 2 -Bildung. Sie sind der Meinung, dass der reaktionsbestimmende langsame Schritt zur Bildung der Intermediate führt, die schnell entweder zu Kohlendioxid und Wasser oder zu Ethenoxid umgesetzt werden. Van Santen und Kuipers [9] haben eine Zusammenfassung der katalytischen Studien bis 1987 veröffentlicht, die sich auf den Mechanismus der Ethen-Epoxidation beziehen. Sie haben die Epoxidation von Ethen mit Hilfe der Isotopen-Austausch-Methode charakterisiert. Sie behaupten: Wenn das Verhältniss zwischen O ads /Ag s 1 ist, reagiert der auf der Silberoberfläche voradsorbierte atomare Sauerstoff mit Ethen schneller als der molekular adsorbierte Sauerstoff [29]. Ethen kann mit atomarem Sauerstoff das Epoxid direkt oder indirekt nach der Rekombination der Sauerstoffatome bilden. Diese Arbeitsgruppe hat auch die Rolle von Subsurface-Sauerstoff untersucht. Sie fanden heraus, dass in Abwesenheit von Subsurface- Sauerstoff der atomar adsorbierte Sauerstoff unter Bildung von Kohlendioxid und Wasser [30] reagiert. In Anwesenheit des Subsurface-Sauerstoffs wird die Natur des atomaren Sauerstoffs

2 Stand der Forschung 9 so verändert, dass die Epoxidbildung stattfindet [29]. Force und Bell [31,32] unterstützen diese Hypothesen anhand der Untersuchungen an geträgerten Silberkatalysatoren. Sie sind der Meinung, dass der atomar adsorbierte Sauerstoff O(a) sowohl an der selektiven Ethen-Epoxidation als auch an der Totaloxidation beteiligt ist. In einer neuen Studie wurden die temperaturprogrammierte Desorption (TPD), die Höchstaufgelöste Elektronenenergieverlustspektroskopie (HREELS) und die Dichtefunktionaltheorie (DFT) verwendet, um die Adsorption und die Reaktion von Ethenoxid an Ag (111)-Einkristallfläche zu untersuchen [33 35]. Es wurde festgestellt, dass auf eine (111)- Silbereinkristallfläche bei 140 K Ethenoxid molekular adsorbiert und ohne Reaktion bei 200 K wieder desorbiert. Andererseits wird bei der Dosierung von Ethen bei 250 K die Ringöffnung von Ethenoxid aktiviert. Dabei wird die Bildung von stabilen Oberflächen-Intermediaten beobachtet. Diese Intermediate reagieren bei 300 K unter Bildung von Ethenoxid und anderen Produkten. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass dieses stabile Intermediat eine Oberflächen-Oxametallacyclus ist. Die Aktivierungsenergie, die bei der Reaktion von Oxametallacyclen zu Ethenoxid beobachtet wird, ist in guter Übereinstimmung mit den während der Ethen-Epoxidation erhaltenen Werten. Der Vergleich der spektroskopischen Ergebnisse von Silbereinkristall- und geträgerten Katalysator-Daten zeigte, dass Oxametallacyclen wichtige Intermediatspezies für die silberkatalysierte Ethen-Epoxidation sind. Diese Ergebnisse können mit Hilfe einer Reaktionsgleichung dargestellt werden: C 2 H 4 +1/2O 2 Oxametallacyclen C 2 H 4 O (2.4) Außerdem haben Linic et al. [36] die Reaktionskoordinaten bestimmt und ein mikrokinetisches Model für die Ethen-Epoxidation entwickelt, das auf Oxametallacyclus-Spezies basiert. 2.1.2.1 Die Rolle von Promotoren und Inhibitoren Die Rolle von Promotoren und Inhibitoren ist auch intensiv untersucht worden. Campbell et al. haben die Kinetik und den Mechanismus der Ethen-Epoxidation an reinen Ag(110) und Ag(111)-Einkristallflächen im UHV mit Hilfe von AES, LEED, XPS und TDS untersucht [37 40]. Sie haben gezeigt, dass die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit und der Selektivität von der Temperatur und dem Druck für Ag(110), Ag(111) und den unpromotierten geträgerten Silberkatalysator identisch ist [37,38,41]. Damit rechtfertigen sie, dass die Ein-

2 Stand der Forschung 10 kristallstudien repräsentativ für die realen geträgerten Katalysatoren sind. Campbell und Paffet [42] erklären den Effekt der Chlor-Promotoren mit einem Mechanismus, wobei molekular adsorbierter Sauerstoff und adsorbiertes Ethen unter Bildung einer Intermediatspezies reagieren. Zunächst erfolgt eine schnelle Zersetzung dieser Intermediate entweder in Ethen-Epoxid oder in Fragmente, die weiter zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert werden. Das Zufügen von Chlor sinkt die Wahrscheinlichkeit dieser Fragmentation (Gl. 2.9) durch die Blockierung der notwendigen freien Silber-Plätze. Dadurch erfolgt die Steigerung der Selektivität zu Ethenoxid. C 2 H 4 C 2 H 4,a (2.5) O 2 O 2,a 2 O a (2.6) C 2 H 4,a + O 2,a I a (2.7) I a C 2 H 4 O + O a (2.8) I a F ragments + O a CO 2 + H 2 O (2.9) Die adsorbierten Intermediate werden im reaktionsbestimmenden Schritt gebildet. Der Effekt von Chlor, die Steigerung der Selektivität zu Ethenoxid, wird nach der Zersetzung dieser Intermediate beobachtet. Ähnliche Ergebnisse wurden für die Ag(111)-Einkristallfläche beobachtet [40]. Auf einer Ag(111)-Einkristallfläche geht die O a -Bedeckung durch ein Maximum, wenn die Chlor-Bedeckung ungefähr 0,5 ist. Das bedeutet, dass die Reaktivität von adsorbiertem Sauerstoff auf Ag(111) in Anwesenheit von Chlor sehr niedrig ist. Durch chemisorbiertes Chlor, das bei der Umsetzung chlorierter Kohlenwasserstoffe an Silberkatalysatoren gebildet wird, wird die Selektivität zu Ethenoxid verbessert [40,43 45]. Die Belegung des Katalysators mit chemisorbiertem Chlor ist unter Reaktionsbedingungen der Ethen-Epoxidation reversibel [46]. Während der Reaktion wird chemisorbiertes Chlor von der Silberoberfläche entfernt, wobei eine Chlor-Anreicherung in Silber [43,47 49] stattfindet. Deswegen muss kontinuierlich eine chlorierte Verbindung im Reaktionsgemisch zugeführt werden. Bowker und Waugh [44] vermuten, dass es sich bei der Anreicherung von Chlor in Silber um einen Diffusionsmechanismus handelt und berechnen eine Aktivierungsenergie für die Diffusion von 90 kj/mol. Sesselmann und Chuang [50] finden, dass bei hohen Chlor-Mengen auf der Silberoberfläche Silberchloridschichten gebildet werden. Nach Rovida und Pratesi [49] können auch Silberchloridkristalle an der Silberoberfläche wachsen. Van Santen et al. [51] berichten,

2 Stand der Forschung 11 dass durch ein Ethen-Sauerstoff-Gemisch die Chlor-Belegung der Silberoberfläche erniedrigt wird. Bei Anwesenheit von Ethan im Reaktionsgemisch findet eine weitere Verbrauchsreaktion statt, nämlich eine Oxichlorierungsreaktion. Es wird die Bildung von Chlorethan beobachtet [52]. In der Patentliteratur wird berichtet, dass durch Ethanzufuhr im Vol.-%-Bereich die Chlor-Anreicherung im Silber um einen Faktor 16 reduziert werden konnte [53]. Nach Reiß und Luft [45] ist die Voraussetzung für einen stationären Ablauf der Ethen- Epoxidation ein stationärer Bedeckungsgrad der Katalysatoroberfläche mit chemisorbiertem Chlor. Dieser liegt dann vor, wenn sich die Reaktionsgeschwindigkeiten der Bildungs- und Verbrauchsreaktionen von chemisorbiertem Chlor gleich sind [54]. Sie behaupten, dass bei Abwesenheit von Ethan im Reaktionsgas am Silberkatalysator die Vinylchlorid-Bildung (Verbrauchsreaktion) und die Chlor-Aufnahme des Silbers stattfindet. Während die Verbrauchsreaktion einen erwünschten Effekt auf die Katalysatoraktivität hat, führt die Bildung einer Silber-Chlor-Phase mit steigender Laufzeit zur Desaktivierung des Katalysators. Im Idealfall sollte die Regelung der Ethen-Epoxidation durch den Inhibitor nur über die Variation der Silberoberflächenkonzentration von chemisorbiertem Chlor erfolgen, ohne dass eine Chlor- Anreicherung im Silber stattfindet. Eine Anreicherung wird offenbar durch den Zusatz von Ethan erreicht [53]. Cäsium ist ein Promoter, der dem Katalysator zugefügt wird, um die Selektivität in die Epoxidationsrichtung zu verbessern [9,55,56,52,57]. Lambert et al. [58,59] und Campbell [60,61] haben den Einfluss von Cäsium auf eine Ag(111)-Einkristallfläche untersucht. Sie haben festgestellt, dass es sich um einen elektronischen Effekt von Cäsium auf Silber handelt. Campbell [60] hat die CsO 3 -Oberflächenspezies identifiziert. Cäsiumoxid ist in einer Inselform auf der Silberoberfläche verteilt und wird bei 610 K in Gasphasen-Cäsium und Sauerstoff zersetzt. Während des Reaktionsablaufs dringen manche Cäsiumatome in das Silber-Volumen ein und desorbieren bei ungefähr 700 K. Obwohl dieses Modelsystem sich von den aktuellen industriellen Katalysatoren unterscheidet, kann angenommen werden, dass die Anwesenheit von Cäsium die elektronischen Eigenschaften von Silber auch in realen Katalysatoren beeinflusst. Moderne Studien beschreiben den Effekt von Re [12] und Cs [62] auf Ag/α-Al 2 O 3. Sie nehmen an, dass diese Promotoren die Selektivität zu Ethenoxid durch die Abschwächung der Ag-O-Bindung oder durch die Stabilisierung der Defektstellen erhöhen. Über einen anderen Grund zur Verbesserung der Selektivität durch Zusatz von Cs berich-

2 Stand der Forschung 12 ten Hoflund et al. [63 65]. Sie behaupten, dass Silber in Anwesenheit von Cäsium den Träger komplett bedeckt [63]. Die Ergebnisse der Oberflächencharakterisierung zeigen, dass sich Cs offenbar nicht in den nahen Oberflächenregionen befindet, bevor der Katalysator unter Reaktionsbedingungen desaktiviert [64]. Cäsium wird erfasst, wenn Silber in grosse Kristalle agglomeriert. Es wird angenommen, dass sich Cäsium als Bindemittel zwischen dem Silber und dem Träger verhält [65]. Das wird möglicherweise durch die Bildung oder Stabilisierung der Bindung zwischen diesen zwei Phasen erreicht. Um die Struktur von Epoxidationskatalysatoren und die Rolle von Cäsium besser zu verstehen, haben Epling et al. [66] mit Hilfe der Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie (XPS) Alund Ag-Folien untersucht. Es wurde festgestellt, dass Cäsium fast nur auf der Al 2 O 3 -Oberfläche adsorbiert. Eine sehr kleine Cs-Menge adsorbierte auf der Ag-Folie als ein dünner Oxid-Film. Es wird vermutet, dass die Wechselwirkung zwischen Cs und der Al-Folie durch Sauerstoffatome stattfindet. Zusätzliche Untersuchungen zeigen, dass Silber auf der Aluminiumoberfläche in Abwesenheit von CsOH nicht chemisorbiert. Nach der Vorbehandlung der Al-Folie in einer CsOH-Lösung, wird eine grosse Menge an Silber adsorbiert. Silber bedeckt die Al-Oberfläche komplett. Dieses Resultat unterstützt die Hypothese, dass Cs als Bindemittel zwischen Silber und den α-al 2 O 3 -Träger dient. Die Tatsache, dass Silber die Al 2 O 3 -Oberfläche und damit die sauren Stellen durch die Anwesenheit des Cs bedeckt, vermindert die Wahrscheinlichkeit, dass Ethen oder Ethenoxid zu Kohlendioxid und Wasser umgesetzt werden. Die XPS-Daten zeigen, dass es eine chemische Wechselwirkung zwischen Al, Cs und Silber gibt, welche für eine Veränderung der elektronischen Eigenschaften von Silber zuständig sein könnte. 2.2 Die Oxidation von Propen zu Propenoxid 2.2.1 Die Darstellung von Propenoxid Propenoxid ist eine wichtige chemische Verbindungen. Wegen seiner Reaktionsfähigkeit ist es zu vielen Produkten umsetzbar, wie z. B. Polymeren (Polyurethanen, Polyestern), oxygenierten Lösungsmitteln (Propylenglykolether) und weiteren wichtigen Stoffen (Polyglykolen, Glycerin, Isopropanolaminen). Die weltweite Herstellungskapazität für Propenoxid beträgt 4 Millionen Tonnen pro Jahr (1993) [4]. Propenoxid wird industriell ausschließlich durch indirekte Oxidation von Propen hergestellt. Zur Zeit gibt es im wesentlichen zwei industriell genutzte

2 Stand der Forschung 13 Verfahren, das Chlorhydrinverfahren und das Hydroperoxidverfahren [4,67]. Das Chlorhydrinverfahren verläuft in zwei Schritten: Die Produktion von Propenchlorhydrin (PCH) und die Dehydrochlorierung von PCH zu Propenoxid. Diese Reaktionsschritten folgt die Produktreinigung und Abwasserbehandlung. In dem ersten Schritt wird das Propen bei 308-323 K und 2-3 bar mit einer wässrigen Lösung von Chlor umgesetzt. Dabei entsteht ein Gemisch von Chlorhydrinen. 2CH 2 CH CH 3 + 2HOCl CH 2 CH CH 3 Cl OH + CH 2 CH CH 3 OH Cl Propen 1-Chlor-2-Propanol 2-Chlor-1-Propanol (Propenchlorhydrine) Im zweiten Schritt wird das Gemisch mit einem Überschuss an Alkali, üblicherweise eine wässrige Lösung von Calciumhydroxid oder Natriumhydroxid, bei 298 K zu Propenoxid dehydrochloriert. Als Nebenprodukte bilden sich die Chlorierungsprodukte 1,2-Dichlorpropan und Bis-chlordiisopropylether. Das Chlor bzw. Chloridion wird in Form wertloser CaCl 2 - bzw. NaCl-Lösungen zum Abfallprodukt, welches die Wirtschaftlichkeit dieses Prozesses sehr belastet. Außerdem verursachen während dieses Prozesses entstandene Abfallprodukte ernsthafte Probleme für die Umwelt. 2CH 2 CH CH 3 Cl OH + Ca(OH) 2 (2 NaOH) 2 CH 2 CH CH 3 + CaCl 2 + (2 NaCl) O 2H 2 O Propenchlorhydrin Propenoxid Das Hydroperoxidverfahren basiert auf der Übertragung von Peroxidsauerstoff eines organischen Peroxids auf Propen unter Bildung von Propenoxid und einem Alkohol als zwangläufiges Koppelprodukt. Das Verfahren umfasst mehrere Schritte. Zuerst wird ein Kohlenwasserstoff, z. B. iso-butan oder Ethylbenzol in der Flüssigphase bei 368-423 K und unter Druck zum entsprechenden Hydroperoxid oxidiert, wobei als Nebenprodukte t-butanol bzw. Acetophenon gebildet werden.

2 Stand der Forschung 14 CH 3 CH 3 CH 3 CH 3 CH + O 2 CH 3 C OOH + CH 3 C OH CH 3 CH 3 CH 3 i-butan t-butylhydroperoxid t-butanol bzw. C 6 H 5 CH 2 + O 2 C 6 H 5 CH OOH + C 6 H 5 C O CH 3 CH 3 CH 3 Etylbenzol Ethylbenzolhydroperoxid Acetophenon Im nächsten Schritt wird das Propen in der Flüssigphase bei 365-403 K und 15-65 bar in Gegenwart eines Katalysators (Mo, V, Ti) unter Bildung von Propenoxid und einem Koppelprodukt (t-butanol, bzw. Methylphenylcarbinol) epoxidiert [4,68]. CH 2 CH CH 3 CH 3 Kat + CH 3 C OOH CH 2 CH CH 3 + CH 3 CH 3 C OH Propen CH 3 t-butylhydroperoxid O Propenoxid CH 3 t-butanol bzw. CH 2 CH CH 3 Kat + C 6 H 5 CH OOH CH 2 CH CH 3 + C 6 H 5 CH OH CH 3 O CH 3 Propen Ethylbenzolhydroperoxid Propenoxid Methylphenylcarbinol Der Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, dass grössere Mengen an Koppel- und Nebenprodukten als an Propenoxid entstehen.

2 Stand der Forschung 15 2.2.2 Mechanistische Vorstellungen Die Entdeckung der Titansilikalite TS-1 von Taramasso [69] zeigte einen neuen Weg zur Epoxidation der höheren Olefine. Als Oxidationsmittel wird in diesem Verfahren Wasserstoffperoxid (H 2 O 2 ) angewandt. Unter milden Reaktionsbedingungen von 313 K wurden Selektivitäten zu Propenoxid von bis zu 95 % erreicht [70,71]. Der potentielle Vorteil dieses Prozesses im Vergleich zum Chlorhydrin- und Hydroperoxidprozess liegt darin, dass während des Reaktionsablaufs nur das Wasser als weiterer Produktbestandteil mitgebildet wird. Aus diesem Grund wird diese Reaktion als umweltfreundlicher Katalyseprozess eingestuft. Aber wegen den relativ hohen Kosten an Wasserstoffperoxid wurde dieser Prozess bis jetzt noch nicht kommerzialisiert. Eine andere Alternative sind Pd- oder Pd/Pt geträgerte Titanosilikalite [72 75]. In diesem Fall wird Wasserstoffperoxid in situ aus einem Wasserstoff-Sauerstoff Gemisch gebildet. Aber der Umsatz zu Propen ist ziemlich niedrig (<2 %). Haruta et al. [76 78] haben gezeigt, dass Au/TiO 2 -Katalysatoren bei relativ niedrigen Temperaturen mit einem Reaktionsgemisch aus Propen, Sauerstoff und Wasserstoff eine hohe Selektivität zu Propenoxid (90 %) erreichen. Sie fanden, dass nur Goldpartikeln mit einem Durchmesser kleiner als 4 nm für die Epoxidationsreaktion effektiv sind. Aber der Katalysator desaktiviert sehr schnell durch die Oligomerisierung von Propenoxid und Propen [79,80]. Die direkte Epoxidation von Propen mit Sauerstoff oder Luft als Oxidationsmittel ist seit langem ein wichtiges Ziel der Katalyse. Nachdem die Epoxidation von Ethen mit Silberkatalysatoren erfolgreich durchgeführt wurde, haben viele Arbeitsgruppen versucht Propenoxid mit Silberkatalysatoren herzustellen. Aber die Selektivitäten zu Propenoxid waren gewöhnlich sehr niedrig (2-4 %) [22,23,81]. Der Hauptgrund der niedrigen Selektivität liegt an der Struktur des Propenmoleküls. Das Propenmolekül hat zwei reaktive Stellen, die in der Oxidationsreaktion bevorzugt angegriffen werden [82]. Eine davon ist die Doppelbindung in der Vinylposition mit einer hohen Elektronendichte, die zweite das Wasserstoffatom in der Allylposition mit einer partiellen positiven elektronischen Ladung. Die Dissoziationsenergie der Allylbindung in Propen ist 77 kcal/mol, während die Vinyl C-H Bindungsstärke in Ethen 112 kcal/mol ist. Der elektrophile Angriff von Sauerstoff und die Abstraktion einer der allylischen C-H-Bindungen in Propen ist energetisch bevorzugt im Vergleich zur elektrophilen Addition von Sauerstoff an die C=C-Doppelbindung. Das bedeutet, dass der allylische Wasserstoffatom leichter reagiert,

2 Stand der Forschung 16 welche zur Bildung der Koppelprodukte und letztendlich zur Totaloxidation [23] führt. Jedoch können effizient modifizierte Silberkatalysatoren für die Propen-Epoxidation erfolgreich sein. Typische Propenepoxidationskatalysatoren besitzen höhere Anteile an Silber, Chlor, Alkaliund Erdalkalimetalle als die Ethenepoxidationskatalysatoren. Das Silber und die Promotoren sind einfach mit dem Träger (z.b. CaCO 3 ) vermischt. Die Selektivität zu Propenoxid mit üblichen Silberkatalysatoren ist weniger als 15 % [4], aber die der modifizierten Silberkatalysatoren erreichte Selektivitäten sind höher als 60 % [83]. Jedoch ist die Ausbeute zu niedrig, um diesen Prozess zu kommerzialisieren. Eine deutlich unterschiedliche Methode für die Propen-Epoxidation wurde von den Arbeitern der Olin Corporation [84,85] berichtet. Schmelzsalze wie LiNO 3, NaNO 3 und KNO 3 wurden für die Gasphasen-Epoxidation von Propen mit einem Reaktionsgemisch aus Propen, Sauerstoff und Stickstoff bei 453-673 K verwendet. Während dieses Verfahrens wird Propenoxid durch eine thermische Reaktion zwischen Propen und Sauerstoff gebildet. Als Nebenprodukte entstehen dabei Acrolein, Allylalkohol, Aceton, CO und CO 2. Die Selektivität zu Propenoxid beträgt 57 % und der Umsatz von Propen 9,7 %. 2.3 Die Wechselwirkung von Gaskomponenten mit Silber 2.3.1 Die Wechselwirkung von Sauerstoff mit Silber Die Wechselwirkung von Sauerstoff mit Silber spielt eine wichtige Rolle in den Epoxidationsreaktionen. In Abhängigkeit von der Katalysatortemperatur und den Bedingungen der Sauerstoffadsorption wurden unterschiedliche Sauerstoffspezies (molekulare, atomare, Subsurface und Volumen) beobachtet. Die Sauerstoff-Adsorption an verschiedenen Silbereinkristallflächen wurde von mehreren Arbeitsgruppen untersucht [41,49,86 89]. An der Ag(110)-Einkristallfläche wurden drei unterschiedliche Formen von adsorbiertem Sauerstoff mit Hilfe von TDS, HREELS, LEED, XPS, UPS und ISS nachgewiesen [39,88 95]. Bei 120 K wurde eine chemisorbierte molekulare Form O 2,a beobachtet. Diese Sauerstoffspezies ähnelt der Peroxo-Spezies, die eine O- O-Bindung parallel zur Silberoberfläche besitzt. Diese Spezies desorbiert entweder als O 2 oder dissoziiert in zwei Sauerstoffatome (O a ) ungefähr bei 180 K. Diese Sauerstoffatome können die Silberoberfläche durchdringen und dabei eine unreaktive Subsurface-Spezies (O β ) bilden.

2 Stand der Forschung 17 Die adsorbierten Sauerstoffatome rekombinieren assoziativ und desorbieren als O 2 bei 600 K. Die subsurface Spezies werden aktiviert und desorbieren bei 540 K [39,89,94]. Campbell und Paffet ordneten für molekular adsorbierten Sauerstoff O 2,a auf Ag(110) eine Bindungsenergie von 529,3 ev, für atomar adsorbierten Sauerstoff O a 528,1 ev und für unreaktiven subsurface Sauerstoff von 528,5 ev zu [39]. In einer zusätzlichen Untersuchung zum Mechanismus der Ethen-Epoxidation an Silber zeigten die Autoren, dass die molekulare Form nicht an der Reaktion beteiligt ist [24]. Atomar adsorbierter Sauerstoff ist deshalb sowohl an der Epoxidation als auch an der Konkurrenzreaktion, der Totaloxidation zu CO 2, beteiligt. Die Aktivität der Epoxidation wird durch im Volumen des Silbers gelösten Sauerstoff O(d) erhöht, was auf eine Verringerung der negativen Ladung an O(a) zurückgeführt wird. Die Sauerstoff-Adsorption an der Ag(111)-Einkristallfläche wurde ebenso untersucht. Es gibt Nachweise für atomar adsorbierten Sauerstoff, der einen sehr niedrigen Haftkoeffizient ( 10 4 ) hat [87,88,96,97]. Diese Spezies desorbiert assoziativ bei 579 K als Sauerstoff (O 2 ). Die molekular adsorbierte Form von Sauerstoff desorbiert bei 380 K. Diese Temperatur ist viel höher als die Desorptionstemperatur (180 K) von chemisorbiertem molekularem Sauerstoff an der Ag(110)-Einkristallfläche [39,89,90,92,93]. Grant und Lambert [97] fanden in TPD-Experimenten mit Hilfe von der Isotopenaustausch-Methode bei der Adsorption von Sauerstoff auf Ag(111) bei 300 K neben chemisorbiertem atomaren Sauerstoff O a, etwa 15 % chemisorbierte Sauerstoffmoleküle O 2,a. Die molekulare Sauerstoffspezies zeigte in XP-Spektren eine Bindungsenergie von 532,6 ev und eine Winkelabängigkeit der Signalintensität, die für Teilchen auf der Oberfläche charakteristisch ist. Die atomare Spezies zeigte eine Bindungsenergie von 529,8 ev und eine Winkelabängigkeit der Signalintensität für Festkörper in oberflächennahen Bereichen. Im Gegensatz zu Grant und Lambert beobachtete Campbell keine bei Raumtemperatur stabile Form von molekularem Sauerstoff auf Ag(111) [41]. Seine Ergebnisse ähnelten qualitativ denen an Ag(110). Für atomaren Sauerstoff O a berichtete er eine Bindungsenergie von 528,1 ev. Rovida et al. [87] beobachteten in Thermodesorptionsexperimenten nach der O 2 -Adsorption auf Ag(111)-Einkristallfläche bei hohen Temperaturen (>470 K) eine sehr stabile Sauerstoff-Form, die erst bei 780 K desorbiert. Sie war auch in Bereichen stabil, in denen Ag 2 O bereits zerfällt. Sie wurde als Subsurface-Sauerstoff bezeichnet. Boronin et al. [98] haben mit Hilfe von XPS- und UPS-Charakterisierungsmethoden die Sauerstoffzustände auf dem Silber untersucht. Sie ordnen O 1s-Bindungsenergien von 528,0-

2 Stand der Forschung 18 529,0 ev ionisch gebundenem atomarem Sauerstoff O at mit oxidartigen Strukturen zu. Daneben fanden sie höhere Bindungsenergien für die kovalent gebundene quasimolekulare Sauerstoffspezies mit epoxidartiger Struktur O epox, die an der Epoxidationsreaktion beteiligt ist. Für den im Volumen gelösten Sauerstoff O res ordneten sie eine Bindungsenergie von 532,0 ev. Diese Spezies war bis zur Verdampfung von Silber stabil. Bukhtiyarov et al. haben Sauerstoff-Adsorption an einer Ag(111)-Einkristalfäche im Temperaturbereich zwischen 300-500 K mit Hilfe von XPS, ADXPS und TPD untersucht [99]. Bei Raumtemperatur wurde für O1s eine Bindungsenergie von 530,0 ev beobachtet. Beim Aufheizen auf 420 K verschob sich dieses Signal zu 528,2 ev und das O 2 -Desorptionsmaximum lag bei 560 K. Der Vergleich von XPS und TPD-Spektren zeigte, dass beide Signale chemisorbiertem atomaren Sauerstoff zugeordnet werden können. Die Ergebnisse von ADXPS bestätigten, dass das Signal bei 530 ev für den auf der Oberfläche adsorbierten Sauerstoff charakteristisch ist. Das bei 528,2 ev liegende Signal wurde der O 2 -Spezies zugewiesen, die zwischen den beiden obersten Silberlagen lokalisiert ist. Dieses entspricht einem Oberflächenoxid (Ag 2 O), wie es bereits von Rovida et al. [87] beobachtet wurde. Ebenfalls wurde von dieser Gruppe [100] die O 2 -Adsorption an Silber-Cluster auf Graphit untersucht. Die XPS- und TPD- Studien zeigen, dass der elektrophile Sauerstoff mit einer BE von 530,5 ev und T des = 450 K an der Ethen-Epoxidation beteiligt ist. Auch der Subsurface-Sauerstoff mit E b = 531,2 ev und T des = 520 K begünstigt die Epoxidationsreaktion. Im Gegensatz dazu führt der nukleophile Sauerstoff mit E b = 528,5 ev und T des = 580 K zur Totaloxidation. Daneben lag zusätzlich im Volumen gelöster Sauerstoff vor. Für Cluster mit einer Grösse oberhalb von 500 Å wurden nur nukleophiler und im Volumen gelöster Sauerstoff beobachtet. Es wurde gezeigt, dass die Existenz der Sauerstoffspezies von der Größe der Silber-Cluster abhängig ist. Der nukleophile Sauerstoff existiert nur, wenn die Silberpartikel größer als 300 Å sind. Dieses Resultat erklärte die Abnahme der Reaktionsgeschwindigkeit der Ethen-Epoxidation am Ag/Al 2 O 3 mit abnehmender Partikelgröße. Die Sauerstoff-Adsorption an polykristallinem Silber wurde von Czanderna [101,102] untersucht. Hierbei wurde eine Abhängigkeit zwischen der Sauerstoffbedeckung und der Adsorptionsgeschwindigkeit beobachtet. Letztere verringerte sich deutlich mit zunehmendem Bedeckungsgrad. Die Aktivierungsenergie war hauptsächlich von der Temperatur der O 2 - Adsorption und geringfügig von der O 2 -Bedeckung abhängig. Es wurden drei verschiedene

2 Stand der Forschung 19 Bereiche der Aktivierungsenergie beobachtet. Bei 432 K und Θ > 0,5 wurde eine Aktivierungsenergie von 92-100 kj/mol berechnet. Eine niedrige Aktivierungsenergie von 0-40 kj/mol und 0-16 kj/mol wurde entsprechend bei 373 K und 298 K beobachtet. Molekularer Sauerstoff wurde auch an polykristallinem Silber mit Hilfe von UPS und XPS beobachtet. Die erhaltenen Ergebnisse sind in guter Übereinstimmung mit den Einkristalldaten [103]. Kilty et al. [17] vermuten, dass molekularer Sauerstoff die aktive Spezies für die Epoxid-Bildung ist, während atomarer Sauerstoff zur Totaloxidation führt. Dagegen behaupten andere Autoren, dass atomar adsorbierter Sauerstoff für die Epoxidation zuständig ist [9,27,104]. Der atomare Sauerstoff ist bis zu 600 K stabil. In der selektiven Methanol- Oxidation erschafft diese Spezies die aktive Zentren für die dissoziative Adsorption von Methanol. Infolgedessen werden Methoxy-Spezies produziert, die anschließend zu Formaldehyd zersetzt werden. Die Subsurface-Sauerstoffspezies sind für die selektive Oxidation, jedoch nicht für die totale Oxidation von Ethen notwendig. Ertl und Schlögl et al. [105,106] schlagen vor, dass der Subsurface-Sauerstoff an der selektiven Ethen-Oxidation und Methanol-Oxidation teilnimmt. Die Arbeitsgruppe von Schlögl hat einige Untersuchungen bezüglich der Wechselwirkung von Sauerstoff mit Silber durchgeführt [107 111]. Hierbei wurden unterschiedliche Charakterisierungstechniken verwendet. Im Unterschied zu den meisten anderen Untersuchungen wurden hohe Sauerstoffdrücke bis zu 1 bar und hohe Temperaturen bis zu 1020 K eingesetzt. In einer früheren Studie wurde die Wechselwirkung von Sauerstoff mit Silber unterhalb und oberhalb der Zersetzungstemperatur von Ag 2 O mit UPS, XPS, TDS und SEM untersucht [109]. Es wurde festgestellt, dass unter normalen Umgebungsbedingungen Silber zumindest mit atomar adsorbiertem Sauerstoff und koadsorbiertem Kohlendioxid bedeckt ist. Bei 300 K zeigte Silber nur eine geringe Neigung zur Oxidation. Als Grund dafür wurde die Existenz seiner Oberflächenschicht genannt. Bei höheren Temperaturen nahm die Aktivität des Silbers nicht zu, obwohl unter diesen Bedingungen die Oberflächenspezies bereits desorbierten. Das bedeutet, dass ein anderer Grund für die Hemmung der Silber-Korrosion bei höheren Temperaturen liegt. In weiteren Untersuchungen wurde die Änderung der Morphologie von Silber nach einer Sauerstoffbehandlung sowohl an polykristallinen Proben [109,112] mit SEM und RHEED, als auch an Ag(111)-Oberflächen [107] mit STM, SEM und RHEED genauer untersucht. Es wur-

2 Stand der Forschung 20 de herausgestellt, dass das Aufheizen des Silbers in Sauerstoff bei höheren Temperaturen zur Bildung einer neuen Oberflächenspezies führt, die in den zwei obersten Silberatomlagen lokalisiert sind. Die Bildungsgeschwindigkeit dieser O-Spezies an polykristallinem Silber nimmt mit steigender Temperatur zu und erreicht das Maximum ungefähr bei 820 K. Diese Spezies sind thermisch sehr stabil und lassen sich sogar beim Reduzieren in Wasserstoff schwer entfernen. In situ Ramanspektroskopische Untersuchungen zeigten, dass dieser Subsurface-Sauerstoff O γ bei der Reaktion mit Ethen verbraucht wird [105]. Außerdem wurde atomar adsorbierter Sauerstoff (O α ) beobachtet, der bei Temperaturen im Bereich von 600 K desorbierte. Der im Volumen gelöste Sauerstoff O β desorbierte im Temperaturbereich zwischen 600 und 900 K. Die Anwesenheit des Subsurface-Sauerstoffs wurde nach der Behandlung der Ag(110)- Einkristallflächen über längere Zeit bei hohem Sauerstoffdruck beobachtet. Mit Hilfe einer kombinierten Studie mit in situ Ramanspektroskopie, ISS und XPS wurde nachgewiesen, dass O γ an der katalytischen Oxidation von Methanol zu Formaldehyd beteiligt ist. [106]. Die spektroskopischen Untersuchungen einer sauerstoffbehandelten Ag(111)-Oberfläche bestätigten auch die Anwesenheit von O γ -Spezies [113]. Die Bildung dieser Spezies führt zur Restrukturierung der Ag(111)-Einkristallfläche. Während einer thermischen Behandlung, wobei Subsurface-Sauerstoff entfernt wird, konnte diese Spezies nachgewiesen werden [107]. Die Bildung erfolgt durch die Segregation von O β -Sauerstoff an die Silberoberfläche während einer Wärmebehandlung bei 680 K. Auf einer vollständig restrukturierten Oberfläche wurde keine Ausbildung der O α -Spezies beobachtet. Die O α - und O γ -Spezies können parallel auf der Silberoberfläche vorliegen, wenn durch eine anfängliche Inselbildung von restrukturierten Bereichen die O γ -Spezies gebildet werden. Die charakteristischen Daten der beobachteten Sauerstoffspezies an Silber nach [106] sind in Tabelle 2.1 gezeigt. O 2 -Spezies T des Bindungsenergie Ramanverschiebung Position (K) (ev) cm 1 O α 600 530,4 954 Oberfläche O β 600-900 530,3 630 Volumen O γ 900 529,0 803 Subsurface Tabelle 2.1: Sauerstoffspezies auf Silber nach [106]