Wissenswert. Das Internationale Jahr der Wälder: (1) Totes Holz voller Leben. von Diemut Klärner

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Transkript:

Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Dr. Regina Oehler Wissenswert Das Internationale Jahr der Wälder: (1) Totes Holz voller Leben von Diemut Klärner 19. Mai 2011, 08.30 Uhr, hr2-kultur WH: Dienstag, 29.11.2011, 08.40 Uhr, hr2-kultur : O-Töne: Sabina Godec (P) Klärner Wald* 11-057 COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/ der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.

Seite 2 Atmo Meisen u.a. Ein Frühlingstag im Stadtwald von Bad Homburg. Dicke Buchenstämme ragen in die Höhe und verzweigen sich zu breiten Kronen, ein Tummelplatz nicht nur für Meisen. Doch ein Stamm ist anders. In einer Höhe von etwa acht Metern endet er abrupt, die Rinde ist an vielen Stellen abgeblättert. Wer das freigelegte Holz genauer betrachtet, der erkennt kleine, kreisrunde Löcher: Insekten sind dabei, sich durch den Baumstamm zu nagen. Günter Busch, der Förster von Bad Homburg, weiß, wie lange die alte Buche schon tot ist: O-Ton 01 (Günter Busch) Dieser Stamm ist vor 3-4 Jahren abgestorben, bzw. die Krone ist abgebrochen Ein paar Meter weiter liegt ein Stück Baumstamm auf dem Boden, braun verfärbt und schon ziemlich brüchio-ton 02 (Günter Busch) Das ist ein Teil dieser Krone. Aber dieses Stammteil hatte unmittelbaren Bodenkontakt, war also immer feucht. Und hier sehen wir schon eine spätere Form der Zerfallsphase, der Stamm ist schon intensiv besiedelt mit Moosen und Pilzen. Hauchdünne Pilzfäden wachsen durchs Holz und bauen dabei Zellulose ab. Viele Pilze zersetzen auch den Holzstoff Lignin, der dem Holz seine Festigkeit gibt. Das Holz zerfällt. Für den einzelnen Baum bedeutet das das Ende, für den gesamten Wald ist die destruktive Arbeit der Pilze dagegen segensreich. O-Ton 03 (Günter Busch) Der Wald düngt sich praktisch über diese Vorgänge selbst, also über die ständige Wiederzersetzung von Laub, Nadelstreu, aber auch von Ästen und Kronenmaterial. Übrig bleibt nur der Humus, organische Substanz, die Feuchtigkeit im Boden festhält und auch mineralische Nährstoffe. Beim Kreislauf der Nährstoffe kommt es hauptsächlich auf die Zweige an und auf die dünnen Äste. Mineralische Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor, Magnesium und Kalium und stecken nämlich vor allem in der Rinde der Bäume, in den Blättern und den Nadeln.

Seite 3 Wer dicke Stämme aus dem Wald holt, der nimmt viel Holz mit, aber nur wenig Rinde. Deshalb werden dabei nur wenig mineralische Nährstoffe aus dem Wald heraustransportiert. O-Ton 04 (Christian Ammer) Wenn Sie hingegen die kleinen Zweige einsammeln, führt das eben zu einem Nährstoffexport. Also Sie holen dauerhaft Nährstoffe raus. Und das hat man bei uns auf vielen, vielen Flächen ja gemacht, über Jahrhunderte gemacht, mit dem Effekt, dass die Böden immer mehr verarmt sind und die Wälder entsprechend schlecht gewachsen sind. Erklärt Professor Christian Ammer von der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Universität Göttingen. Holzsammler, die sich mühsam nach kleinen Zweigen bücken und ihr Reisigbündel auf dem Rücken nach Hause schleppen, kennen wir hierzulande nur noch aus alten Märchen. Brennholz ist allerdings wieder zunehmend gefragt. Atmo Axt, Motorsäge Da geht es nicht nur um handliche Buchenscheite für ein behagliches Kaminfeuer. Dass Öl und Gas immer teurer werden, macht Holz wieder zur begehrten Energiequelle, auch für größere Heizungsanlagen. Mit Brennholz lässt sich wieder gutes Geld verdienen. Christian Ammer plädiert jedoch eindringlich dafür, das Gezweig der Baumkronen trotzdem im Wald zu lassen. Wichtig sind aber auch die Stämme der Bäume. Viele Tiere des Waldes sind angewiesen auf alte, marode Baumstämme. Dazu gehören besonders seltene Tierarten wie der Eichen-Bockkäfer und die Bechstein-Fledermaus. O-Ton 05 (Christian Ammer) Also die Forstwirtschaft hat über viele Jahre gemeint, wenn sie das Kronenmaterial liegen lässt, ist alles gut. Und neuere Forschungen haben aber doch ziemlich klar gezeigt, dass viele Arten Sie haben welche genannt, auch viele Vogelarten eigentlich auf starke Bäume, auf dicke Bäume, auf dicke tote, auf dicke absterbende, auf dicke, noch eine Zeit stehende und dann umfallende Bäume angewiesen sind.

Seite 4 Während ein Baumstamm allmählich vermodert, finden sich viele neue Bewohner ein. Pilze zum Beispiel; häufig sind der Zottige Schichtpilz und der Austern-Seitling, ein beliebter Speisepilz. Den Ästigen Stachelbart findet man dagegen nur selten, dabei ist dieser schneeweiße Pilz unübersehbar. Wie ein filigraner Korallenstock sprießt er aus halb vermoderten Buchenstämmen. O-Ton 06 (Christian Ammer) Es ist dann auch meistens so, dass das immer so Artengemeinschaften sind, die aufeinander folgen. Also einer fängt an, zersetzt das Holz vor, dann ist es damit für den nächsten überhaupt erst sozusagen aufbereitet. Auch bei den Vögeln gibt es diesen Effekt. Also ein Specht fängt an, ein Loch zu machen, und irgendwann kommt dann ein, was weiß ich, ein Halsbandschnäpper z.b. ist eine Art, die diese Spechtlöcher nutzt, und dann sozusagen als Nachmieter drin wohnt. Und wenn die wieder lange genug drin gewohnt hat, kommen wieder andere Arten, so dass das immer so Ketten sind, die sich da aufbauen, auch so häufige Vögel wie Kohlmeisen und Blaumeisen nisten sich gern in Baumhöhlen ein. Wo sie solche Quartiere finden, brauchen sie keine Nistkästen. Atmo Meisen u.a. Diverse Fledermäuse beziehen ebenfalls Baumhöhlen und bringen dort auch ihre Jungen zur Welt. Die allermeisten Tiere, die in und an totem Holz leben, sind allerdings Insekten. Atmo Hummeln Die Baumhummel quartiert sich in Baumhöhlen ein, um dort ihren Nachwuchs großzuziehen. Den Holzwespen dient das Holz dagegen als Nahrung. Ihre Larven fressen sich regelrecht in einen Baumstamm hinein. Völlig sicher sind sie dort freilich nicht: Von bestimmten Schlupfwespen werden sie selbst dort aufgespürt. Weibliche Schlupfwespen treiben ihren langen Legebohrer so weit ins Holz, bis sie auf die Larve einer Holzwespe stoßen, und in die Larve hinein legen sie ihr Ei. Aus diesem Ei entwickelt sich dann ein Parasit: Der Nachwuchs der Schlupfwespe

Seite 5 Atmo Schwarzspecht 2 wächst auf Kosten der Holzwespen-Larve heran. Es sei denn, beide werden kurzerhand von einem Specht gefressen. Viel häufiger erbeuten die Spechte allerdings Käferlarven. Christian Ammer O-Ton 07 (Christian Ammer) Also es gibt in Deutschland, ich weiß gar nicht genau, aber sagen wir ein paar tausend Arten an Käfern. Und etwa ein Viertel dieser Käferarten lebt von und an totem Holz. Kein Mensch sieht die groß, die leben im Verborgenen, viele eben in Löchern und Mulm, also in vermodertem Holz, das ist weich, locker und immer schön feucht. Totes Holz bietet den Larven Unterschlupf und Nahrung. Die Käfer, die schließlich ans Tageslicht kommen, sind meistens unscheinbar. Zu den Ausnahmen gehört der Rosenkäfer mit seinen Metallic-Farben, der Rücken goldgrün, die Bauchseite kupfern. Als erwachsener Käfer etwa so groß wie ein Daumennagel knabbert der Rosenkäfer gern an Heckenrosen. Als Larve lebt er von morschem Holz, ebenso wie der Hirschkäfer. Der bizarre Kopfschmuck der männlichen Hirschkäfer entwickelt sich aus scherenartigen Mundwerkzeugen, mit denen die Larven das Holz zerkleinern. Die Männchen kämpfen dann mit dieser Art von Geweih ähnlich wie Hirsche. Günter Busch hat auch beobachtet, wie ein Hirschkäfer seine Flügel ausbreitet O-Ton 08 (Günter Busch) und dann mit einem intensiven Brummen fast wie so ein kleiner Hubschrauber durch die Luft schwärmt. Und wenn er sich dann irgendwo niederlässt mit seinen großen Scheren, ist das auch eine sehr imposante Erscheinung für ein Insekt. Das Fluggeräusch, das eben im Hintergrund zu hören war, stammt allerdings von einem viel größeren Objekt. Anders als Flugzeuge fliegen Hirschkäfer nur wenige Tage im Jahr, Ende Mai oder erst im Juni, je nach Wetterlage.

Seite 6 O-Ton 09 (Günter Busch) Ja, es sollte warmes und schönes Wetter sein, und die größten Chancen in Bad Homburg hat man im Bereich des Hardtwaldes, denn dort wachsen besonders viele alte Eichen, von denen einige schon morsche Stellen haben. In morschem Eichenholz legt der Hirschkäfer mit Vorliebe seine Eier ab. O-Ton 10 (Günter Busch) Die Larve braucht einige Jahre, in eben abgestorbenem Holz frisst sie sich ja erwachsen könnte man sagen, verpuppt sich dann. Und dieses Stadium, was wir dann als Hirschkäfer sehen, ist ja die kürzeste Phase im Leben des Hirschkäfers, weil er eben Jahre völlig verborgen in moderndem Holz verbringt. Oft sind es fünf Jahre und mehr. O-Ton 11 (Günter Busch) Durch diese lange Entwicklungsphase, die auch abhängig ist von der Güte des Holzes, aber auch von den klimatischen Verhältnissen, können es eben auch 3-5 Jahre sein. Und deswegen ist es durchaus möglich, dass eben auch mal ein Jahr der Hirschkäfer zumindest nicht sichtbar schwärmt, dafür im nächsten Jahr vielleicht aber wieder umso intensiver. Wenn sich also mal keiner blicken lässt, dann klappt es vielleicht ein Jahr später, Hirschkäfer einmal life zu sehen. Damit sich immer wieder neue Generationen entwickeln können, müssen die Hirschkäfer immer wieder passende Baumstämme oder Baumstümpfe finden. Für all die anderen Bewohner von totem Holz gilt das ebenso. Mit den Details beschäftigt sich die Arbeitsgruppe von Christian Ammer. O-Ton 12 (Christian Ammer) Wie schnell zersetzt sich Totholz, untersuchen wir eben. Und wie viel müsste man nachliefern, damit dauerhaft auch genügend da ist, um diesen ganzen Arten eben auch ein Überleben zu sichern. Also es hilft denen nichts, wenn sozusagen jetzt mal ein dicker Stamm da ist, und nach 20 Jahren ist er zersetzt, und dann ist erst mal 100 Jahre gar nichts. Dann haben viele dieser Arten eben ein Problem mit ihrer

Seite 7 Regeneration weiterzukommen und sterben eben unter Umständen aus. Wie oft die Bewohner von vermodernden Baumstämmen ein neues Quartier brauchen, das hängt davon ab, wie lange die Zersetzungsprozesse dauern. O-Ton 13 (Christian Ammer) Bei der Buche ist das nach 10, 20 Jahren eigentlich - je nach Durchmesser, den sie hat - durchlaufen, bei der Eiche dauert das sehr, sehr viel länger. Denn im Gegensatz zur Buche, mit der die Pilze ein leichtes Spiel haben, kann sich die Eiche wirkungsvoll wehren. Sie imprägniert ihr Holz mit natürlichen Holzschutzmittel, den Gerbstoffen. Damit erschwert die Eiche destruktiven Pilzen den Angriff. Dass Eichenholz so außergewöhnlich haltbar ist, macht es ja auch zu begehrtem Bauholz. Man denke nur an das jahrhundertealte Gebälk mancher Fachwerkhäuser. Wie schnell sich totes Holz zersetzt, hängt aber auch von äußeren Bedingungen ab. Ein warmes, feuchtes Ambiente spornt destruktive Pilze zu Höchstleistungen an. Atmo Kuhglocken Wo die Winter lang sind und die Sommer eher kühl, vermodern Baumstämme dagegen nur langsam. Für den Bergwald ist das günstig, denn totes Holz spielt dort eine wichtige Rolle. Wenn sich Baumstämme an einem Berghang querlegen, verhindern sie, dass der Schnee dort allzu leicht abrutscht und junge Bäume mitreißt. Außerdem ist vermoderndes Holz ein optimales Saatbeet für Sämlinge, vor allem für Fichten-Sämlinge. Wenn sie auf einem Baumstumpf oder Wurzelstock herangewachsen sind, lässt sich das auch später noch erkennen. O-Ton 14 (Christian Ammer) Wenn dieser Wurzelstock dann vermodert ist und verschwunden ist, dann fehlt sozusagen was, und das sieht eben aus, wie wenn ein Baum auf Stelzen steht. Was aber zeigt, wo er gekeimt ist und wo er die ersten 10, 20 Jahre gewachsen ist.

Seite 8 Doch zurück in tiefere Lagen, in den Stadtwald von Bad Homburg. Wenn Günter Busch dort abgestorbene Bäume stehen lässt, dann geht es um rare Pilze und Tiere, die totes Holz bewohnen. Um diesen Spezialisten gute Lebensbedingungen zu bieten, müssen die so genannten Habitatbäume möglichst gleichmäßig im Wald verteilt sein. O-Ton 15 (Günter Busch) Ja, wir haben als groben Richtwert etwa 3 Bäume pro ha, also pro 10.000 Quadratmeter. Wobei wir hier in der Situation sind im Stadtwald Bad Homburg, dass dieser Wald intensivst genutzt wird von Menschen, für die Freizeitnutzung. Wir haben eine Vielzahl von Waldkindergärten, die ständig sich im Wald bewegen. Deswegen können wir das nicht pauschal machen mit den 3 Bäumen pro ha, sondern wir müssen in diesen intensiv genutzten Bereichen, wo wir oft auch Waldspielplätze mitten im Wald haben, gegebenenfalls darauf verzichten oder eben nur Stammstümpfe gerade wie dieser, der hier abgebrochen ist stehen lassen, also die keine Gefahr für die Waldbesucher darstellen, während in anderen Bereichen lassen wir dafür durchaus auch etwas mehr Bäume stehen. Gerade hat hier der Wind mit altem Laub geraschelt und Baumkronen zum Schwanken gebracht. Bei stärkerem Wind kann schon mal ein abgestorbener Ast aus der Krone herausbrechen. Ein Orkan kann auch gesunde Äste abreißen oder sogar den ganzen Baum zu Fall bringen. Förster Günter Busch rät deshalb dringend, eine Sturmwarnung ernst zu nehmen. Atmo Singdrossel Freundliches Frühlingswetter taugt ohnehin besser für einen Waldspaziergang. Dann lohnt es sich auch, nach Spechten Ausschau zu halten. An toten und absterbenden Bäumen suchen sie nicht nur nach Nahrung. Totes Holz dient auch der Kommunikation. Wenn ein Specht seine charakteristischen Trommelwirbel schlägt, dient ihm ein abgestorbener Ast als Resonanzkörper. Atmo Schwarzspecht 1

Seite 9 Beim Schwarzspecht sind die Trommelsignale besonders laut und lang. Der Große Buntspecht fasst sich dagegen auffallend kurz. Atmo Buntspecht Die Bruthöhlen von Buntspechten lassen sich am besten im Mai entdecken, wenn der Nachwuchs längst aus dem Ei geschlüpft ist. O-Ton 16 (Günter Busch) Die Jungen beginnen dann auch schon etwas übermütig zu werden und strecken dann schon mal die Hälse raus. Also der Mai ist natürlich eine wunderbare Zeit, um den Wald in all seiner Vielfalt und Intensität zu erleben. Atmo Singdrossel