Vorlesung 2 vom 19. März 2015 VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 1
VWA Ostbrandenburg Technische Universität Berlin Frühjahr/Sommer2015 Vorlesung Mikroökonomie VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 1
[Erster Teil: Vorab einige Probleme zur Einstimmung und Anregung ] VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 3
Zweiter Teil Definitionen, Abgrenzungen, Grundprobleme VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 4
Mikroökonomie: Die Mikroökonomie ist ein Teil der theoretischen Volkswirtschaftslehre, der sich mit den Wirtschaftseinheiten Haushalte Unternehmen Staat ihren Zielen und ihren Problemen beschäftigt. VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 5
Volkswirtschaftslehre Mikroökonomie Makroökonomie VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 6
Diese Einteilung ist nach dem Zweiten Weltkrieg von us-amerikanischen Volkswirten eingeführt worden und heute weltweit verbreitet. Im Mittelpunkt der mikroökonomischen Lehre und Forschung stehen dabei a) die Haushalte b) die Unternehmen c) der Staat als Betreiber von Wirtschaftspolitik (ohne Fiskalpolitik) VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 7
Mikroökonomie im Rahmen einer üblichen Einführung in die Volkswirtschaftslehre: 1. Güternachfrage und Faktorangebot des privaten Haushalts Grundzüge der Haushaltstheorie 2. Güterangebot und Faktornachfrage der Unternehmung Grundzüge der Unternehmenstheorie 3. Marktformen und Produktpreisbildung Grundzüge der Preistheorie 4. Preisbildung auf Faktormärkten 5. Markt und Staat Wohlfahrtsökonomik, Allokationstheorie und die Rolle des Staates in der Marktwirtschaft Nach Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 7. Auflage 2001) VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 8
Faktormärkte Gemeint sind die Märkte für Produktionsfaktoren: Produktionsfaktoren sind knappe Güter, die einer Unternehmung zugeführt werden ( Beschaffung, input ), um im Leistungserstellungsprozess ( Produktion ) so verändert zu werden, dass sie anderen Wirtschaftseinheiten zugeführt werden können ( Absatz, output ) VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 9
Produktionsfaktoren und Produktionselemente Produktionsfaktoren, die nicht produziert worden sind und nicht produziert werden können, sind Produktionselemente VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 10
Sowohl Produktionselemente als auch Produktionsfaktoren werden in der Literatur in drei Gruppen eingeteilt: 1. Boden ( Natur, Umwelt ) 2. Arbeit ( menschliche Arbeitskraft ) und 3. Kapital ( Ersparnisse ) Besonders beim Produktionsfaktor Kapital herrscht extreme terminologische Unordnung, die Kapitalmarktanalysen extrem fehleranfällig machen VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 11
Anmerkungen zum Verhältnis Mikroökonomie und Betriebswirtschaftslehre VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 12
Die Mikroökonomie unterscheidet sich von der Betriebswirtschaftslehre vor allem durch die unterschiedliche Fragestellung der Forschungsarbeit: Der Betriebswirt will die Zielerreichung der Unternehmen optimieren Der Volkswirt prüft, ob die Ziele der Unternehmen mit den Zielen der Volkswirtschaft, insbesondere der Wirtschaftspolitik, harmonieren oder nicht. VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 13
Inhalt der VWA Vorlesung Mikroökonomie: Teil 1 Teil 2 Grundbegriffe: Definitionen, Inhalte, elementare Problemfelder Chancen und Grenzen des Wirtschaftswachstums: 2.1 Produktionsfaktoren und Produktionselemente 2.2 Die Produktionselemente Arbeit, Natur, Kapital 2.3 Das Ertragsgesetz 2.4 Die Arbeitsteilung und das Lenkungsproblem 2.5 Die Wirtschaftsordnungen Teil 3 Grundlagen der Preistheorie Teil 4 Grundlagen der Monetären Stabilität : Die Aufgaben des Geldes und der Geldpolitik in der Marktwirtschaft VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 14
Teil 2.1 Elementare Problemfelder der Volkswirtschaftslehre VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 15
Problemfelder a) Das Arbeiten mit Modellen b) Der Trugschluss der Verallgemeinerung c) Die Schwierigkeiten der Unterscheidung von Ursache und Wirkung (der post hoc ergo propter hoc Trugschluss) d) Die Überschätzung der Beiträge der Politik (Größenwahn als Berufskrankheit der Ökonomen) e) Wirtschaftspolitik im Hörsaal und Wirtschaftspolitik in der Praxis f) Vulgärökonomie des Augenscheins VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 16
zu a) Das Arbeiten mit Modellen Modelle sind vereinfachende Abstraktionen der Wirklichkeit, die eine Beschränkung auf das für die jeweilige Fragestellung Wesentliche enthalten. Warum mit Modellen arbeiten? Sie dienen der Reduktion von Komplexität, so dass die Forscher sich auf die Sachverhalte konzentrieren können, die zur Lösung der Probleme/Aufgaben relevant sind. VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 17
Beispiele für unproblematische Modelle anderer Wissenschaften: Medizinische Statistik Wetterkarte Aktuelle Kritik an Modellen der Wirtschaftswissenschaften: 1. Das Modell homo oeconomicus 2. Gleichgewichtsmodelle in der Volkswirtschaftslehre 3. Märkte der vollkommenen Konkurrenz oder vollkommenen Märkte Die Hauptursache für die gegenwärtige Kritik an den volkswirtschaftlichen Modellen ist ihre angebliche Unbrauchbarkeit für die wirtschaftspolitische Praxis VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 18
Warum besonderer Problembereich? Vor allem: In manchen Bereichen der Volkswirtschaftslehre und bei erfolgloser Wirtschaftspolitik ist die Kritik an bestimmten Modellen als Begründung für Weltfremdheit oder Unbarmherzigkeit oder Gefühllosigkeit ( lack of compassion ) beliebt. VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 19
Das Modell des sog. homo oeconomicus Es wird ein Menschentyp unterstellt, der voll auf seine wirtschaftliche Tätigkeit konzentriert ist. Dieser Menschentyp ist auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Dieser eigene Vorteil gereicht anderen zum Schaden (Wirtschaften als Nullsummenspiel) VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 20
Gegenkritik: Auch der homo oeconomicus ist ein Modell, dessen Brauchbarkeit allein von der Eignung bestimmt wird, bestimmte Probleme zu lösen. Das Modell ist zum Beispiel gut geeignet, bestimmten Politikern ( Merkantilisten ) klar zu machen, dass viele ihrer übernommenen Aufgaben von anderen Individuen oder Gruppen besser (schneller, kostenbewusster, friedlicher) erledigt würden. VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 21
Das Modell der Gleichgewichte VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 22
Ähnliche Kritik an volkswirtschaftlichen Modellen wird bei der Analyse von Gleichgewichten vorgetragen. Zu unterscheiden sind insbesondere zwei Gleichgewichte: normative und positive Gleichgewichte. Das sog. normative Gleichgewicht ist erreicht, wenn bestimmte gewünschte Zustände oder Entwicklungen eintreten, also z.b. Angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum Vollbeschäftigung Monetäre Stabilität und schließlich ein Außenwirtschaftliches Gleichgewicht erreicht worden ist (s. Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 23
Das positive oder Marktgleichgewicht Dieses Gleichgewicht dient als Modell eines Marktes, bei dem keiner der Teilnehmer seine Position verbessern kann, ohne die Position eines anderen Teilnehmers zu verschlechtern. Dieser Zustand eines Marktes ist durch einen eine Reihe von Merkmalen gekennzeichnet, welche die Analyse der Determinanten dieses Marktgleichgewichts sehr erleichtern. Natürlich gibt es solche Märkte in dieser Reinheit nirgends. VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 24
Solche Merkmale eines vollkommenen Marktes sind beispielsweise: Punktmärkte (keine Transportkosten) Vollkommene Information aller Teilnehmer Keine Präferenzen Zeitlosigkeit aller Prozesse Vollkommene Konkurrenz unter den Teilnehmern Keine wirtschaftspolitischen Diskriminierungen VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 25
zu b) der Trugschluss der Verallgemeinerung VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 26
Der Trugschluss der Verallgemeinerung besteht in der Volkswirtschaftslehre darin, dass man fehlerhaft vom Einzelfall auf die Gesamtheit schließt VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 27
Der Trugschluss der Verallgemeinerung besteht darin, dass man eine bestimmte Einzelerfahrung auf eine Gesamtheit überträgt, d. h. verallgemeinert. Beispiele: Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit what s good for General Motors is good for the USA Wer als einziger mit dem Auto zur Arbeitsstätte fährt VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 28
Zu c) Die Schwierigkeiten der Unterscheidung von Ursache und Wirkung bei zeitlicher Aufeinanderfolge zweier Ereignisse (der post hoc ergo propter hoc Trugschluss) Der Trugschluss: Aus der Tatsache, dass ein bestimmtes Ereignis zeitlich vor einem anderen Ereignis liegt, wird irrtümlich gefolgert, dass das frühere Ereignis die Ursache für das spätere Ereignis ist. Beispiel: Im Vergleich zum 19. Jahrhundert wird heute weniger Stunden pro Woche gearbeitet. Die Einkommen sind höher. Trugschluss: Arbeitszeitverkürzung führt zu höheren Einkommen VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 29
Zu d) Die Überschätzung der Beiträge der Politik (Größenwahn als Berufskrankheit der Ökonomen) Eine Mehrheit von Volkswirten und Wirtschaftspolitikern ist ernsthaft der Meinung, sie seien im alleinigen Besitz der Wahrheit und es gebe zu ihrer Politik keine bessere Alternative VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 30
Vor der Entwicklung des keynes schen Wirtschaftslehre wurden die fortgeschrittenen Industrievolkswirtschaften von periodischen Depressionen geplagt, die Unterbeschäftigung, Unternehmenszusammenbrüche und all die sie begleitenden menschlichen Tragödien mit sich brachten. Die Analyse der Determinanten des nationalen Produktions- und Einkommensniveaus, die eng mit dem Werk von John Maynard Keynes verbunden ist, hat die Volkswirtschaft weitgehend von der Furcht vor ernsthaften Depressionen befreit. Dieser Fortschritt des menschlichen Wissens ist gewiss eine der größten wissenschaftlichen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Er hat nicht alle unsere volkswirtschaftlichen Probleme gelöst, aber er hat eins der lästigsten verschwinden lassen Daniel Fusfeld, us-amerikanischer Ökonom (1972) VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 31
Zu e) Wirtschaftstheorie und politik im Hörsaal und Wirtschaftstheorie und politik in der Praxis VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 32
Die Schwierigkeiten der Umsetzung des als richtig Erkannten in der politischen Praxis: Überzeugungsarbeit, Kompromisse mit den Vertretern anderer Ansichten, Lernunwilligkeit als Folge von mangelndem Talent oder bestimmter Krankheiten, unterschiedliche Zeithorizonte Im Hörsaal können und müssen diese Schwierigkeiten ausgegrenzt werden. Insofern ist die analytische Arbeit mit und an wirtschaftlichen Problemen im Hörsaal im Vergleich zur Praxis leichter! VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 33
Zu f) Die Vulgärökonomie des Augenscheins Urteilen, prognostizieren und Handeln ohne seriöse theoretische Begründung; Unfähigkeit und Unwilligkeit, aus (eigenen oder fremden Erfahrungen zu lernen Folgen: Scheitern von Reformplänen, meist unter hohen Kosten für sich und andere VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 34
Zitat: Vom Geld versteht höchstens Einer unter Hunderttausend etwas. Aber wir begegnen dem Kerl jeden Tag ein Dutzend mal (Mark Twain ) Beispiele: (s. auch Trugschluss der Verallgemeinerung!) wir handeln erst und warten auf die Reaktion der Betroffenen. Hören wir nichts oder begegnen wir nur schwachem Widerstand, handeln wir weiter (Claude Juncker) Demonstrationen gegen die EZB im März 2015 Freiheit statt Kapitalismus (S. Wagenknecht) VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 35
Fortsetzung: Grundbegriffe und -probleme VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 36
Einige Übungs- und Wiederholungsfragen VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 37
1 Nehmen Sie kritisch Stellung zu folgender Aussage: Die moderne Maschine ersetzt immer mehr die menschliche Arbeit im Produktionsprozess. Daher sollte der Maschineneinsatz bis zur Wiedergewinnung von Vollbeschäftigung streng kontingentiert werden! 2 Definieren Sie kurz folgende Begriffe: Produktion Produktivität Faktorproduktivität Zurechnungsproblem Vulgärökonomie 3 Was ist Mikroökonomie? VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 38
4 Was versteht man unter dem Trugschluss der Verallgemeinerung? Nennen Sie einige Beispiele! 5 Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede weisen a) Produktionsfaktoren b) Produktionselemente auf? VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 39
Ende der VL vom 19. März 2015 VWA Ostbrandenburg TU Berlin Prof. Lechner Mikroökonomie 40