1 Überblick zur Entwicklung der Leiterplattentechnologie



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Transkript:

Überblick zur Entwicklung der Leiterplattentechnologie Leiterplatten sind Bauelemente, die als Schaltungsträger und Verbindungselement für die Bauelemente von elektronischen Schaltungen dienen. Bezüglich der elektrischen Eigenschaften hat die Leiterplatte folgende Funktionen: Übertragungsbauelement Versorgungsbauelement In der Leiterplatte werden (noch) keine elektrischen Signale durch aktive elektrische Schaltkreise verarbeitet. Bei den ersten elektronischen Schaltungen, die mit Elektronenröhren betrieben wurden, erfolgten die elektrischen Verbindungen durch Freiluftverdrahtungen. Die Verdrahtung erfolgte direkt über die Anschlussdrähte der Bauelemente oder über Einzeldrähte, die an die Befestigungselemente der Elektronenröhren angeschlossen wurden. Zur Vermeidung von Kurzschlüssen wurden die Verbindungsdrähte mittels Isolierdrähte oder Isolierhülsen abgeschirmt. Bild : Röhrenradio aus dem Jahre 954 mit Freiluftverdrahtung zwischen den Bauelementen

Bild zeigt die Verdrahtung eines Röhrenradios aus dem Jahre 954. Große Bauelemente wie Röhren und Transformatoren wurden auf Blechträgern mit isolierenden Sockeln befestigt. Die Verbindungen zwischen diesen Bauelementen erfolgten über Freiluftverdrahtung durch die Anschlussdrähte von kleineren Bauelementen (Widerständen, Kondensatoren) oder Drahtleitern. Zusätzlich erfolgte eine Isolierung durch Isolierhülsen. Das Gerät besitzt vier Elektronenröhren und circa 50 passive Bauelemente, die auf einer Fläche von circa 3 cm x 28 cm verdrahtet sind. Bild veranschaulicht sehr deutlich, dass eine Steigerung der Verdrahtungsdichte durch zusätzliche Bauelemente nicht möglich gewesen wäre. Durch die Entwicklung von leistungsfähigen Halbleiterbauelementen und integrierten Schaltkreisen konnten Schaltungen mit höherer elektrischer Komplexität und vor allem höherer Verdrahtungsdichte realisiert werden. Diese Entwicklungen Ende der 50er Jahre erforderten eine neue Verbindungstechnologie für die Bauelemente. Mit Freiluftverdrahtungen konnten komplexe elektrische Schaltungen nicht mehr realisiert werden. Eine Verdrahtungsebene Bauelemente Planarer Schaltungsträger Bild 2: Planarer Schaltungsträger mit einer Verdrahtungsebene Es wurden erste planare Schaltungsträger entwickelt, die als Verbindungselement für die Bauelemente dienten (Bild 2). Dabei handelte es sich um Schaltungsträger die auf einer Verdrahtungsebene die Bauelemente mittels miteinander verbunden haben. Dadurch wurde schon eine deutlich höhere Verdrahtungsdichte, als bei der Freiluftverdrahtung erzielt. Allerdings reichte dieser Technologiesprung noch nicht aus, um die Anforderungen an höherer Verdrahtungsdicht zu erfüllen. Mitte der 60er Jahre wurden Mehrlagenleiterplatten (Multilayer) mit mehr als zwei Verdrahtungsebenen entwickelt. Damit konnten die Forderungen nach Flächen- und Volumenintegration von Leiterstrukturen erfüllt werden. Das Problem bestand allerdings darin, die übereinanderliegenden Verdrahtungsebenen elektrisch miteinander zu verbinden. Der gravierende Durchbruch für die Mehrlagenleiterplatten erfolgte, als Anfang der 60er Jahre die chemische Lochmetallisierung bei Kunststoffen gelang. Damit konnten die übereinanderliegenden planaren Verdrahtungsebenen mittels Durchkontaktierungen elektrisch miteinander verbunden werden. 2

Verdrahtungsebenen im Multilayer Durchkontaktierungen 2 3 4 im Multilayer Metallisierung in der Bohrung Bild 3: Mehrlagenleiterplatte (Multilayer) mit vier Verdrahtungsebenen Die Forderung nach höherer Verdrahtungsdichte hat über die Jahre hinweg immer Druck auf die Leiterplattenhersteller ausgeübt. Zunächst konnten diese Anforderungen durch eine Erhöhung der Zahl der Verdrahtungsebenen in der Mehrlagenleiterplatte erfüllt werden. In den letzten Jahren kamen aber noch neue Gehäusetechnologien und neue Technologien der integrierten Schaltkreise auf den Markt, die völlig neue Leiterplattentechnologien erforderten. Diese Anforderungen führten zu den HDI-Multilayern (HDI: High Density Interconnection), die eine hohe Verdrahtungsdichte erlauben. Erreicht wird dies durch folgende Funktionen: Feinstrukturierungen in Leiterbahnen mit Leiterbreiten W < 00 µm µvias bzw. Durchkontaktierungen mit Bohrdurchmessern von D B ~ 00 µm Zu Beginn der Entwicklung wurde die Leiterplatte ausschließlich als Schaltungsträger und Verbindungselement für die Bauelemente ohne besondere Berücksichtigung der elektrischen Eigenschaften verwendet. Heute sind die Multilayer meist hochkomplexe elektrische Bauelemente, die folgende elektrische Basisfunktionen gewährleisten müssen: Übertragung von elektrischen Signalen zwischen den Bauelementen Versorgung der Bauelemente mit elektrischer Energie In der Elektrotechnik gibt es noch eine weitere Basisfunktion - die Verarbeitung von elektrischen Signalen. Zurzeit müssen die Multilayer diese Funktion noch nicht übernehmen. Die Verarbeitung elektrischer Signale erfolgt in diskreten Bausteinen mit integrierten Schaltkreisen. An der Integration von aktiven Schaltkreisen in die Leiterplatte wird noch gearbeitet. 3

Den elektrischen Eigenschaften der Mehrlagenleiterplatte kommt in vielen Anwendungen eine signifikante Bedeutung zu. Der Baugruppenentwickler muss unterschiedliche elektrische Anforderungen berücksichtigen, die sich teilweise konträr gegenüberstehen. Einige Beispiele hierzu sind: Energiezufuhr: auf kleinsten Flächen müssen Ströme von mehr als I > 00 A in den Multilayer gebracht werden. Energieabfuhr: bei elektronische Baugruppen mit Verlustleistungen P v > 250 Wsec muss die Wärme auf engem Raum abgeführt werden. Datenraten: es werden heute schon elektronische Systeme mit Datenraten f D > 0 Gbps in Serie gefertigt. Über Systeme mit Datenraten f D > 20 Gbps wird zurzeit nachgedacht. Spannungsversorgungen: auf den Baugruppen befinden sich immer mehr Spannungsversorgungen mit unterschiedlichen Spannungswerten bei kleinen Spannungspegeln. Baugruppen mit mehr als fünfzehn verschiedenen Spannungen sind keine Seltenheit. Strahlungsfelder: aufgrund sehr hoher Verdrahtungsdichte und der hohen Signalfrequenzen können die Baugruppen durch Einstrahlung elektromagnetischer Felder empfindlich gestört werden oder die Baugruppen können selbst störende elektromagnetische Felder aussenden. Der Baugruppenentwickler muss diese Störstrahlungen unterbinden. Übersprechen: augrund der hohen Verdrahtungsdichte und der hohen Signalfrequenzen kommt es im Multilayer zu störenden elektromagnetischen Verkopplungen der Signale, die unterdrückt werden müssen. Signalintegrität: aufgrund der immer schnelleren elektrischen Signale kommt es innerhalb des Multilayers zu empfindlichen Störungen der Signalintegrität. Der Baugruppenentwickler muss diese Signale in impedanzrichtigen Leiterbahnen führen. Signaldämpfung: Hochfrequenzsignale werden durch die Materialien bedämpft. Es müssen Materialien mit deutlich besseren elektrischen Eigenschaften eingesetzt werden. Signallaufzeiten: neue Prozessoren fordern die Einhaltung von engen Grenzen bei den Laufzeiten der elektrischen Signale. Die obenstehende Aufzählung lässt sich noch durch etliche weitere elektrische Anforderungen fortsetzen. 4

Für die Mehrlagenleiterplatten haben sich mittlerweile unterschiedliche Bezeichnungen eingebürgert. Folgende Bezeichnungen werden häufig verwendet: Multilayer; als englische Bezeichnung für Mehrlagenleiterplatte Leiterplatte; kennzeichnet alle Schaltungsträger unabhängig von der Lagenzahl Gedruckte Schaltung Leiterkarte Platine PCB: Printed Circuit Board; englische Bezeichnung für gedruckte Schaltungen EWB: Etched Wiring Board; englische Bezeichnung für geätzte Leiterplatte PWB: Printed Wiring Board; englische Bezeichnung für Gedruckte Schaltung Der Begriff Baugruppe kennzeichnet nicht die Leiterplatte, sondern die mit Bauelementen und Anschlusselementen bestückte Leiterplatte. 5