Geschichte Maria Moeßner Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar (1739-1807) Reflexionen zum Mythos einer Regentin Examensarbeit
Universität Leipzig Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften Historisches Seminar Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar (1739 1807) Reflexionen zum Mythos einer Regentin Wissenschaftliche Arbeit im Rahmen des Ersten Staatsexamens Eingereicht von: Maria Enderlein Leipzig, 18.03.2008
Gliederung 1. Einleitung 3 2. Die Person Anna Amalia von Sachsen-Weimar 7 2.1 Herkunft Das Haus Braunschweig-Wolfenbüttel 7 2.2 Hochzeit mit Ernst August II. Constantin zu Sachsen-Weimar-Eisenach 13 im Jahr 1756 2.2.1 Das Haus Sachsen-Weimar 17 2.3 Erwartungen an Anna Amalia als neue Landesmutter 19 3. Die Regierungszeit Anna Amalias (1759-1775) 22 3.1 Selbstregentin und Mitregentschaft 24 3.1.1 Geheimes Consilium und Landesstände 26 3.1.2 Unterstützung des Braunschweiger Hofes 29 3.2 Außenpolitische Maßnahmen und Erfolge 30 3.3 Landespolitik und Administration 31 3.4 Das Ende der Regentschaft Anna Amalias 32 4. Erhabenes verehrend, Schönes genießend, Gutes wirkend Die 37 Bedeutung Anna Amalias für das klassische Weimar 4.1 Die Weimarer Bibliothek 39 4.1.1 Die Wolfenbütteler Bibliothek als Vorbild 42 4.1.2 Die Schriften Anna Amalias 43 4.2 Die Bedeutung der Italienreise für Anna Amalia und Weimar 45 4.3 Anna Amalia und Johann Wolfgang von Goethe 47 5. Der Mythos Anna Amalias 48 5.1 Die Bedeutung für die thüringische Residenz 49 5.1.1 Anna Amalia als ewige Legende 49 5.2 Weimar als ästhetische Marke 51 6. Zusammenfassung 53 Abkürzungsverzeichnis 56 Quellen- und Literaturverzeichnis 57 Quellen 57 Literatur 59 2
1. Einleitung Anna Amalia zählt heute wohl zu den bedeutendsten Frauen in der Geschichte des Herzogtums Sachsen-Weimar und des Landes Thüringen, und wird als eine herausragende Vertreterin der geistesgeschichtlich bedeutenden Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert bezeichnet 1. Joachim BERGER kritisiert, dass das Leben der Regentin oftmals einseitig nachgezeichnet wird, bei dem vieles verbessert und verschönert wird 2. So zeigt sich häufig ein Bild der Herzogin, welches durch Künste, Literatur und Kultur charakterisiert wird. Doch Anna Amalia war nicht nur Wegbereiterin der Weimarer Klassik 3, sondern nach ihrer Hochzeit mit Ernst August Constantin von Sachsen-Weimar im Jahr 1756 und dessen Tod kurze Zeit später auch vormundschaftliche Regentin für ihren minderjährigen Sohn und Thronnachfolger Carl August. Diese politische Phase im Leben der Anna Amalia soll nachfolgend erläutert und analysiert werden. Dabei soll die These im Vordergrund stehen werden, dass Anna Amalia mit ihrer Regentschaft den Weimarer Staat sowohl außen- als auch landespolitisch konsolidieren konnte, um diese anschließend zu verifizieren beziehungsweise zu falsifizieren. Um die Person Anna Amalia von Sachsen-Weimar vor allem als aufgeklärte Regentin zu beschreiben, wird im hinführenden Kapitel die Herkunft und Erziehung der Herzogin erläutert. Dabei wird insbesondere auf den sie prägenden Erzieher, Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem eingegangen und das Verhältnis zu ihrem Vater, Herzog Karl I. von Braunschweig-Lüneburg, bewertet. Die Hochzeit mit Ernst August II. Constantin zu Sachsen-Weimar bedeutete einerseits einen tiefen Einschnitt im bis dahin beschaulichen Leben der zukünftigen Herzogin, andererseits bot sie auch Aufstiegsmöglichkeiten und Repräsentation. Doch Anna Amalias Aufgabe als neue Landesmutter war es zunächst nur, einen Sohn zu gebären und damit die dynastische Erbfolge zu sichern. 1 HENKEL, Gabriele; OTTE, Wulf, Herzogin Anna Amalia Braunschweig und Weimar. Stationen eines Frauenlebens im 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums 79, hg. von Gerd BIEGEL), Braunschweig 1995, S.7 [Im Folgenden kurz: HENKEL, Stationen]. 2 BERGER, Leonie und Joachim, Anna Amalia von Weimar. Eine Biographie, München 2006, S.7f. [Im Folgenden kurz: BERGER, Biographie]. 3 Vergleiche dazu im Titel: SALENTIN, Ursula, Anna Amalia. Wegbereiterin der Weimarer Klassik, Köln Weimar Wien 3 2001 [Im Folgenden kurz: SALENTIN, Anna Amalia]. 3
Nach dem Tod ihres Mannes Ernst August II. Constantin musste Anna Amalia als Herzogin von Sachsen-Weimar schließlich ihrer Bezeichnung regierende Herzogin 4 gerecht werden und für ihren ältesten Sohn Carl August die obervormundschaftliche Regierung übernehmen. In ihren autobiographischen Aufzeichnungen schreibt Anna Amalia über diese Zeit: In meinem 18ten Jahr fing die größte Epoche meines Lebens an. Ich wurde zum zweytenmahl Mutter, wurde Wittib (Witwe, d.a.), Obervormünderin und Regentin. 5. Die junge Herzogin war anfangs kaum in der Lage, ihre neue verantwortungsvolle Aufgabe auszuführen und hatte in den Landesständen und dem Geheimen Consilium, aber auch in ihrer Braunschweiger Familie, hilfreiche Unterstützer und Mitregenten. Fortführend werden Anna Amalias außenpolitische Maßnahmen und Erfolge, welche sich insbesondere auf den Siebenjährigen Krieg, welcher von 1756 bis 1763 andauerte, beziehen, untersucht und bewertet, um schließlich die eigene Landespolitik und Administration in Weimar zu evaluieren. Das Ende der vormundschaftlichen Regentschaft der Weimarer Herzogin war ein freiwilliger Rückzug Anna Amalias aus den Regierungsgeschäften zugunsten ihres Sohnes und Thronnachfolgers Carl August. Im vierten Kapitel soll die Bedeutung der Herzogin Anna Amalia für das klassische Weimar in der Neuzeit anhand ihres eigenen Wirkens, dem Aufbau der Bibliothek und der Förderung gelehrter Persönlichkeiten herausgearbeitet werden. Abschließend wird untersucht, ob und inwieweit die Person Anna Amalias einer Legende zugesprochen werden kann beziehungsweise soll die Frage geklärt werden, ob es sich bei der Herzogin um einen Mythos einer Regentin handeln kann. Ihre Erfahrungen als braunschweigische Tochter, als Ehefrau und Witwe, als obervormundschaftliche Landesregentin und als Vorsteherin eines Hofes verarbeitet die Herzogin Anna Amalia in einem autobiographischen Fragment 6, welches auf 1772 datiert wird 7. Diese Quelle bietet neben den erhaltenen Briefen von und an die Herzogin Anna Amalia sowie ihren sonstigen Selbstzeugnissen einen authentischen Einblick in 4 Die Eisenacher Regierung versprach Anna Amalia, man werde sie als unsere theuerste mit allen fürstlichen Tugenden und hohen Eigenschaften begabte Landes Mutter verehren., Regierung Eisenach an Anna Amalia, Eisenach 23.3.1756, in: ThHStAW A 146 (o.s.). 5 Anna Amalia, Autobiographisches Fragment, GSA 36/VII, 18, zitiert nach: WAHL, Volker, Meine Gedanken. Autobiographische Aufzeichnung der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar. Andenken und Grabinschrift, in: RAABE, Paul (Hg.), Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek, Band 9, Wiesbaden 1994, S.99-122, hier: S.108 [Im Folgenden kurz: WAHL, Meine Gedanken]. 6 Anna Amalia, Autobiographisches Fragment, GSA 36/VII, 18, abgedruckt bei: WAHL, Meine Gedanken, S.101-117. 7 HENKEL, Stationen, S.21. 4