Abschlussbericht. Verbesserung der Fruchtbarkeitssituation in hochleistenden. Forschungs-Nr.: 2/51. Laufzeit: 01/ /2013. verantw.

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Transkript:

Abschlussbericht Verbesserung der Fruchtbarkeitssituation in hochleistenden Milchviehherden Forschungs-Nr.: 2/51 Laufzeit: 01/2011 06/2013 verantw. Themenbearbeiter: Mitarbeiter: Dr. Anke Römer Jana Harms Nina Volkmann Ariane Boldt Elke Blum Jana Flor S. Dettmann, A. Beese, S. Schildt, S. Herrmann (Uni Rostock) F. Classen (HS Neubrandenburg) Beteiligte Einrichtungen: Gut Dummerstorf GmbH Rinderzucht Mecklenburg-Vorpommern GmbH AUF der Universität Rostock Hochschule Neubrandenburg Juli 2013 Themenbearbeiter Institutsleiter Institut für Tierproduktion Wilhelm-Stahl-Allee 2 18196 Dummerstorf www.lfamv.de

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Zielstellung... 5 2 Material und Methoden... 5 3 Ergebnisse und Diskussion... 6 3.1 Fruchtbarkeitssituation... 6 3.2 Milchleistung und Fruchtbarkeit... 8 3.3 Gesundheit und Fruchtbarkeit... 12 3.4 Kondition und Fruchtbarkeit... 18 3.5 Haltung und Fruchtbarkeit... 22 3.6 Analyse systemischer Einflussfaktoren... 23 3.7 Ökonomische Bewertung... 25 4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen... 28

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Mittlere Relativzuchtwerte Reproduktion (RZR) der KB-Bullen (DH sbt.) nach Geburtsjahrgang (VIT 2013)... 6 Anteil Merzungen von Milchkühen in Deutschland auf Grund von Sterilität (berechnet nach ADR-Jahresberichten)... 7 Zwischenkalbezeit in Abhängigkeit von der 305-Tage Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer)... 9 Besamungsaufwand in Abhängigkeit von der 305-Tage Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer)... 9 Zwischenkalbezeit in Abhängigkeit von der 100-Tage Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer)... 10 Besamungsaufwand in Abhängigkeit von der 100-Tage-Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer)... 10 Einfluss der 100-Tage-Leistung Milch auf die Wahrscheinlichkeit eines embryonalen Verlustes (p 0,05)... 11 Zwischenkalbezeit in Abhängigkeit von der Lebenstagsleistung je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer)... 11 Nutzungsdauer (Mon.) in Abhängigkeite von der Zwischenkalbezeit (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer)... 12 Abbildung 10: Anzahl Behandlungen aufgrund von Fertilitätsstörungen im Laktationsverlauf (n = 222.636)... 13 Abbildung 11: Anzahl Behandlungen von Endometritiden im Laktationsverlauf (n = 73.433)... 13 Abbildung 12: Abbildung 13: Anteil nicht trächtiger Kühe mit und ohne Endometritis nach Laktationstagen... 14 Beginn der lutealen Aktivität p.p. in Abhängigkeit von einer Endometritiserkrankung (p 0,05)... 15 Abbildung 14: Anteil nicht trächtiger Kühe mit Puerperalstörungen, Zyklusstörungen bzw. ohne Fertilitätsbefund nach Laktationstagen... 15 Abbildung 15: Häufigkeit der Klauenbefunde im Laktationsverlauf... 16 Abbildung 16: Fruchtbarkeitsparameter von Kühen mit und ohne Klauenerkrankung... 16 Abbildung 17: Zwischentragezeit nach Häufigkeit der Klauenbehandlungen je Kuh und Laktation... 18 Abbildung 18: Einfluss von Mortellaro auf die Rastzeit in Abhängigkeit von der Laktationsnummer... 18 Abbildung 19: Tägliche Körpermasseabnahme nach der Kalbung (n = 316)... 19 Abbildung 20: Abbildung 21: Zwischentragezeit in Abhängigkeit von der Körpermasseabnahme p.p. (fixe Effekte: Jahr, Laktation, Kalbeverlauf, Erstbesamungsalter, Milchmenge-Laktationsleistung)... 19 Einfluss der Rückenfettdickenveränderung von 1. MLP zur 2. MLP auf den Zyklusbeginn einer Kuh (p 0,01)... 20 Abbildung 22: Beziehung zwischen der Körpermasseabnahme p.p. und der 305- Tageleistung Milch je Kuh (Effekte: Jahr, Laktation, Kalbeverlauf, Gewicht zur Kalbung, Wechselwirkung zwischen Gewicht zur Kalbung und Gewichtsdifferenz)... 20

Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Körpermasseabnahme innerhalb der ersten 7 Tage p.p. in Abhängigkeit vom Ausgangsgewicht der Kuh (fixe Effekte: Laktationsnummer, Kalbejahr)... 21 Anzahl Behandlungen je Kuh und Laktation in Abhängigkeit von der Körpermasseentwicklung bis 7. Tag nach der Kalbung (fixe Effekte: Kalbejahr, Laktationsnummer)... 21 Einfluss des Kalbeverlaufs auf den Beginn der lutealen Aktivität (p 0,05)... 25

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Durchschnittliche Fruchtbarkeitsparameter der Testherden nach Jungund Altkühen (Schwankungen zwischen den Betriebsmittelwerten)... 6 Tabelle 2: Fruchtbarkeitsparameter von Kühen mit und ohne Klauenbefund... 17 Tabelle 3: Fruchtbarkeitsparameter von Kühen mit und ohne Sohlengeschwür... 17 Tabelle 4: Signifikanz von Einflussfaktoren auf den Besamungsaufwand... 22 Tabelle 5: Untersuchte Größen des Modells und ihre Stufen... 23 Tabelle 6: Signifikanz der untersuchten Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeit... 24 Tabelle 7: Auswirkungen von Totgeburten und Kalbeverlauf auf die Fruchtbarkeitskennzahlen... 24 Tabelle 8: Zusammenhang zwischen Geschlecht des Kalbes und Mehrlingen auf die Fruchtbarkeitskennzahlen (fixe Effekte: Kalbeverlauf, Totgeburt, Lakt, Sex/MKZ)... 25 Tabelle 9: Rentabilität in den Klassen Zwischenkalbezeit (n=26.212 Kühe)... 26 Tabelle 10: Veränderung des Deckungsbeitrages [ /Stallplatz]... 27

Abkürzungsverzeichnis ADR DH sbt. ECM EM EV KB kg LAK LKV MV MKZ MLP n p.p. RFD Sex VIT ZKZ ZTZ Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter e.v. Deutsche Holstein schwarzbunt Energie- und Proteinkorrigierte Milch in kg Endometritis embryonaler Verlust künstliche Besamung Kilogramm Laktationsnummer Landeskontrollverband für Leistungs- und Qualitätsprüfung Mecklenburg-Vorpommern e.v. Mehrlingskennzahl Milchleistungsprüfung Anzahl post partum Rückenfettdicke Geschlecht des Kalbes Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.v. Zwischenkalbezeit Zwischentragezeit

1 Einleitung und Zielstellung Die Fruchtbarkeit ist eines der entscheidendsten Kriterien sowohl in der Physiologie als auch in der Ökonomie der Milchkuh. Nur durch die Abkalbung wird die Sekretion von Milch ausgelöst, auf deren Grundlage die essentiellen Erlöse in der Milchproduktion erwirtschaftet werden. Jedoch steht die Trächtigkeit als Basis einer jeden Laktation physiologisch an letzter Stelle. Erst wenn alle anderen Versorgungsbedingungen der Milchkuh erfüllt sind, ist sie für eine erneute Trächtigkeit bereit. Die Bedingungen dafür sind multifaktoriell. In den zurückliegenden Jahren hat sich die Milchleistung der Kühe in Deutschland deutlich erhöht. Genetisch besteht eine negative Korrelation zwischen Leistung und Fruchtbarkeit. Dass sich einige Fruchtbarkeitsparameter in den letzten Jahren verschlechtert haben, wäre daher nicht verwunderlich. Aber die Züchtung reagiert in Deutschland bereits seit über 10 Jahren darauf, indem der Anteil der Reproduktion am Gesamtzuchtwert zu Ungunsten der Milchleistung steigt. Bleibt die Frage, warum sich die Fruchtbarkeitsparameter nicht verbessern. Und hier kommt ein anderer Gedanke zum Ansatz, wenn man einen Blick auf die Ökonomie der Milchproduktion wirft. Vom früheren Slogan: Pro Kuh und Jahr ein Kalb ist man bereits abgerückt. Aber wie sieht es mit der Zwischentragezeit, dem Besamungsaufwand usw. aus, wenn Kühe über 10.000 kg Milch je Laktation geben? Ist dann evtl. eine längere Rastzeit sogar sinnvoll? Um dieser und weiteren Fragen nachzugehen, wurde das vorliegende Forschungsthema bearbeitet. 2 Material und Methoden Material Datengrundlage bilden die funktionalen Merkmale der Testherden aus dem Programm ProFit der Rinderzucht Mecklenburg-Vorpommern GmbH. Seit 2005 wurden in diesen mittlerweile 30 Betrieben, die ein Zehntel des Kuhbestandes von MV bewirtschaften, zusätzlich zu Brunst- und Besamungsdaten sämtliche Behandlungen (sowohl durch einen Tierarzt als auch vom Stallpersonal) im Herdenmanagement dokumentiert. Es wurden nicht nur die Erstbehandlungen, sondern auch alle Folgebehandlungen mit Datum und Diagnose computergestützt erfasst. Dabei wurde ein einheitlicher Diagnoseschlüssel (Zentraler Diagnoseschlüssel Rind) hinterlegt. Die Daten aus allen Testherden wurden am Institut für Tierproduktion der Landesforschungsanstalt MV auf Plausibilitäten geprüft, zusammengeführt und mit sekundären individuellen Tierdaten wie Milchleistung, Fruchtbarkeit, Kalbe- und Abgangsdaten kombiniert. Insgesamt wurden 1,5 Millionen Behandlungen von 55.384 Kühen in 189.867 Laktationen der Rasse Deutsche Holstein (DH sbt.) ausgewertet. Spezielle Untersuchungen fanden in einem der Testherdenbetriebe statt. Hier wurden im Versuchszeitraum vom 18.11.2009 bis zum 28.12.2011 Milchproben von insgesamt 513 DH-Kühen zur Progesteronanalyse entnommen. Die Probenahme fand einmal wöchentlich aus dem Vorgemelk von allen Kühen der ersten bis dritten Laktation während des 15. bis 98. Laktationstages statt. Da innerhalb des Versuchszeitraumes einige Kühe auch zwei Laktationen absolvierten, beläuft sich der Stichprobenumfang auf 678 Laktationen. Die Analyse erfolgte mittels des on-farm -Gerätes eprocheck der Firma Minitüb. Parallel wurden die Milchproben mittels RIA im Labor des Leibniz-Institutes für Nutztierbiologie analysiert. Insgesamt wurden 7.668 Milchproben ausgewertet. Das ist derzeit der weltweit größte Umfang solcher Analysen. Methoden Die Auswertungen erfolgten mit dem Programmpaket SAS 9.2 (SAS Institute Inc. 2008). Varianzanalysen wurden mit der Prozedur GLM durchgeführt. Unter Nutzung des Tukey-Kramer- Tests (modifizierter Tukey-Test für unbalancierte Stichproben) wurden multiple paarweise Vergleiche hinsichtlich des nominellen multiplen Niveaus α durchgeführt. Die unterstellte Irrtumswahrscheinlichkeit betrug p 0,05. 5

Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von Erkrankungen wurden als Odds Ratios mit 95 %- igen Konfidenzintervallen berechnet. Die Berechnung des Abgangsrisikos infolge bestimmter Erkrankungen erfolgte mit der Prozedur GLIMMIX. Die Auswertungen wurden teilweilweise mit Unterstützung studentischer Arbeiten zur Erlangung eines akademischen Grades (Bachelor bzw. Master) durchgeführt. 3 Ergebnisse und Diskussion 3.1 Fruchtbarkeitssituation Die kontinuierlich steigenden Milchleistungen in den Milchviehbetrieben erfordern ein angepasstes Fruchtbarkeitsmanagement. Dazu gehört insbesondere die Brunstbeobachtung, denn Kühe mit hoher Milchleistung haben eine deutlich verringerte Brunstdauer (Wiltbank et al., 2006). Aber auch die Gesundheit der Kühe in der Frühlaktation sowie die Dauer der freiwilligen Wartezeit sind bei steigenden Leistungen von zunehmender Bedeutung. In diesem Forschungsthema wurden u. a. diese beiden Punkte näher untersucht. Die Fruchtbarkeitssituation in den Testherden des ProFit-Programms stellt einerseits im Durchschnitt das Niveau aller Herden in MV dar, zeigt aber auf der anderen Seite die große Variation zwischen den Betrieben (Tabelle 1). Tabelle 1: Durchschnittliche Fruchtbarkeitsparameter der Testherden nach Jung- und Altkühen (Schwankungen zwischen den Betriebsmittelwerten) Laktation Rastzeit (d) Verzögerungszeit (d) Besamungsaufwand Zwischenkalbezeit (d) 1. 76 (58-153) 47 (34-87) 2,1 (1,6-3,3) 401 ab 2. 81 (63-147) 53 (41-92) 2,4 (1,7-3,2) 410 gesamt 80 51 2,3 408 (385-460) Die Zuchtverbände in Deutschland reagierten bereits relativ früh auf die negative genetische Korrelation zwischen Milchleistung und Fruchtbarkeit. Bereits vor mehr als 10 Jahren wurden Indikatoren der Fertilität in den Gesamtzuchtwert integriert. Abbildung 1 zeigt deutlich, dass sich der Zuchtwert für Reproduktion von Bullen, die nach 2000 geboren wurden, nicht mehr verschlechtert hat. RZR 115 110 105 100 95 90 85 80 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 Bullenjahrgang 6 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Abbildung 1: Mittlere Relativzuchtwerte Reproduktion (RZR) der KB-Bullen (DH sbt.) nach Geburtsjahrgang (VIT 2013)

Neben dem Leistungsniveau der Kühe sind Erkrankungen und hormonelle Störungen beim Rind die prädisponierenden Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeit. Etwa ein Drittel aller Kühe muss jedes Jahr in den deutschen Milchviehbetrieben gemerzt werden. Dabei stehen Fertilitätsstörungen als Abgangsursache an oberster Stelle. Daran hat sich in den zurückliegenden 10 Jahren kaum etwas geändert (Abbildung 2). Im Jahr 2012 wurden 23,3 % aller Milchkühe aufgrund von Sterilität ersetzt. Die Natur hat Unfruchtbarkeit im Grunde genommen nicht vorgesehen. Gute Reproduktionsleistungen sind jedoch mehr denn je Voraussetzung für eine rentable und erfolgreiche Milchproduktion. 30 Anteil an allen Merzungen (%) 25 20 15 10 5 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Jahr Abbildung 2: Anteil Merzungen von Milchkühen in Deutschland auf Grund von Sterilität (berechnet nach ADR-Jahresberichten) Probleme in Bezug auf die Fruchtbarkeit der Kühe nehmen in vielen Betrieben sogar zu. Aufgrund steigender Arbeitsbelastungen gehört dazu unter anderem die genaue und termingerechte Brunsterkennung. Oft werden die Brunsten eines Milchrindes nicht rechtzeitig oder gar nicht erkannt, so dass einerseits die Kosten je Trächtigkeit durch die nötigen Mehrfachbesamungen steigen, zum anderen sich aber vor allem die Zwischentragezeiten erhöhen. Die visuelle Brunstbeobachtung jedoch nimmt viel Zeit und Erfahrung in Anspruch. Dazu kommt, dass die Herden größer werden und die Arbeitsbelastung steigt. Darunter leidet oft die Kontrollintensität. Für effiziente Reproduktionsergebnisse ist eine gute Brunsterkennung allerdings eine wesentliche Grundlage. Es reicht nicht aus, die Kühe lediglich während der Melkund Fütterungszeiten zu beobachten. Um Verhaltens- und Körpermerkmale richtig zu erkennen, ist eine genaue Brunstbeobachtung von 3x 30 min am Tag von großer Bedeutung. Eine visuelle Brunsterkennungsrate von 60 bis 80 % wird als Zielgröße angesehen, jedoch wird in der Praxis oft nur eine Rate von weniger als 60 % erreicht. 7

Foto 1: Klarer, fadenziehender Vaginalschleim ist ein deutliches Brunstzeichen Hinzu kommt, dass sich mit steigender Milchleistung häufig die visuellen Brunstsymptome abschwächen und die Brunstdauer verringert. Hochleistungskühe sind demnach nicht so einfach in der Brunst erkennbar. 3.2 Milchleistung und Fruchtbarkeit Genetisch sollte, wie oben erwähnt, der nötige Vorlauf für gute Fruchtbarkeiten trotz hoher Milchleistung geschaffen worden sein. Wie sieht es mit dem Management aus? In die Ställe gelangt mehr Licht (brunststimulierend), Laufstallhaltung bietet den Kühen ein deutlicheres Ausleben der Vorbrunst, technische Hilfsmittel erleichtern die Brunsterkennung. Dennoch ist keine generelle Verbesserung der Fertilitätsleistungen zu erkennen. Nach Auswertung des LKV MV haben jedoch die Kühe in Hochleistungsbetrieben eine geringere Zwischenkalbezeit als Kühe in Betrieben mit geringer Milchleistung also das ganze Gegenteil zur genetischen Beziehung. Dies weist auf ein deutlich angepassteres Herdenmanagement, bessere Gesundheit der Kühe und/oder ein optimales Fruchtbarkeitsmanagement in den hochleistenden Betrieben hin. Insgesamt hat der Landwirt demnach viel mehr Möglichkeiten zur Optimierung der Fruchtbarkeit als der Züchter. Und das nutzt er auch. Aber innerhalb jeder Herde wird dennoch der Trend der schlechteren Fruchtbarkeitsergebnisse bei Hochleistungskühen sichtbar (Abbildungen 3 und 4). Diese und weitere interessante Ergebnisse gehen aus den Untersuchungen der Landesforschungsanstalt MV anhand der ProFit-Testherden des Rinderzuchtverbandes in Mecklenburg- Vorpommern hervor. Sowohl die quantitativen Fruchtbarkeitsparameter wie die Zwischenkalbezeit als auch die qualitativen wie z. B. der Besamungsaufwand erhöhen sich mit zunehmender 305-Tageleistung. Dass die 305-Tageleistung als Indikator des genetischen Leistungsniveaus eine negative Beziehung zur Fertilität hat, ist allgemein bekannt und konnte anhand dieser Untersuchungen noch einmal unterstrichen werden. Wie sieht es jedoch mit dem Leistungsniveau vor bzw. um die Besamungszeit aus? 8

Abbildung 3: Zwischenkalbezeit in Abhängigkeit von der 305-Tage Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer) 3,0 Anzahl Besamungen 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000 11.000 12.000 13.000 305-Tageleistung Milch (kg) Abbildung 4: Besamungsaufwand in Abhängigkeit von der 305-Tage Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer) Dazu wurde die 100-Tageleistung berechnet und in Bezug zur Fruchtbarkeit gesetzt. Die Ergebnisse sind vom Verlauf her nahezu identisch (Abbildungen 5 und 6), haben aber eine noch stärkere Korrelation. Während die Beziehung zwischen der 305-Tageleistung und der Zwischenkalbezeit einen Korrelationskoeffizienten von r = 0,21 aufweist, beträgt dieser in Bezug auf die 100-Tageleistung r = 0,39. Bezogen auf den Besamungsaufwand wurden Koeffizienten von r = 0,18 bzw. r = 0,25 berechnet. 9

Abbildung 5: Zwischenkalbezeit in Abhängigkeit von der 100-Tage Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer) 3,0 Anzahl Besamungen 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500 5.000 100-Tageleistung Milch (kg) Abbildung 6: Besamungsaufwand in Abhängigkeit von der 100-Tage-Leistung Milch je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer) Weiterhin wurde anhand von Progesteronkonzentrationsmessungen in der Milch in einem der ProFit-Testherdenbetriebe geprüft, ob die Milchleistung einer Kuh einen Einfluss auf die Prävalenz eines embryonalen Verlustes (EV) hat. Die 100-Tage-Leistung Milch stellte sich als signifikanter Einflussfaktor (p 0,05) dar, d.h. Hochleistungskühe haben tatsächlich ein höheres Risiko für Frühaborte (Abbildung 7). Kühe mit einer Milchleistung von 3.000 bis 4.000 kg innerhalb der ersten 100 Laktationstage verzeichneten mit 2,9 % eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit eines EV als Kühe mit einer Milchleistung von 4.000 bis 5.000 kg (9,6 %; p 0,05). Zwischen den Milchleistungsklassen < 3.000 kg Milch und 5.000 kg Milch ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. 10

Abbildung 7: Einfluss der 100-Tage-Leistung Milch auf die Wahrscheinlichkeit eines embryonalen Verlustes (p 0,05) Meistens gönnt man den Hochleistungskühen die eine oder andere Besamung mehr, um sie tragend zu bekommen. Da sind auch 4 oder 7, ja sogar 12 und mehr Besamungen für besondere Kühe möglich. Damit erhöht sich nicht nur der Besamungsaufwand, sondern auch die Verzögerungszeit, die Zwischentragezeit, die Zwischenkalbezeit. Aber ist das negativ? Die Hochleistungskuh ist dadurch wieder tragend geworden und hat die nächste Laktation erreicht. Wird die Lebenstagsleistung als Kriterium der Leistungsfähigkeit einer Milchkuh unterstellt, zeigt sich auch hier, dass Kühe mit einer höheren Milchleistung im Durchschnitt längere Zwischenkalbezeiten und höhere Besamungsaufwände haben (Abbildung 8). 420 410 400 ZKZ (d) 390 380 370 360 350 5 10 15 20 Klassen Leistung je Lebenstag (kg/d) Abbildung 8: Zwischenkalbezeit in Abhängigkeit von der Lebenstagsleistung je Kuh (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer) 11

Wenn die Fütterung darauf eingestellt ist und Kühe mit langer Zwischentragezeit zum Laktationsende nicht verfetten, ist das sogar eine elegante Lösung, die Nutzungsdauer (Abbildung 9) zu verlängern, die Lebensleistung zu erhöhen und die Remontierungsraten zu verringern (vorausgesetzt, es wird nicht jede aufgezogene Färse in den eigenen Bestand integriert). Nutzungsdauer [Monate] 60 50 40 30 20 10 0 53,0 47,3 49,8 44,1 40,7 <=370 371-400 401-430 431-460 >461 Zwischenkalbezeit [d] Abbildung 9: Nutzungsdauer (Mon.) in Abhängigkeite von der Zwischenkalbezeit (fixe Effekte: Betrieb, Kalbejahr, Laktationsnummer) Sicherlich erhöhen längere Zwischenkalbezeiten den ökonomischen Druck. Eine ältere und leistungsstarke Herde stünde dem aber gegenüber. Eine detaillierte ökonomische Bewertung dazu ist im Abschnitt 3.7 beschrieben. 3.3 Gesundheit und Fruchtbarkeit Gesundheit ist eine Grundvoraussetzung für gute Fertilitätsergebnisse. Bei den im Folgenden beschriebenen Ergebnissen wurden Kühe mit bzw. ohne explizite Diagnosen in Bezug auf die Fruchtbarkeit untersucht. Dabei wurden insbesondere Erkrankungen bis zum 100. Laktationstag verifiziert. Fruchtbarkeitsstörungen Behandlungen aufgrund von Fertilitätsstörungen erfolgen vorrangig zu Laktationsbeginn (Abbildung 10). 12

Abbildung 10: Anzahl Behandlungen aufgrund von Fertilitätsstörungen im Laktationsverlauf (n = 222.636) In den ersten 30 Tagen nach der Kalbung wurden 42 % aller Fertilitätsbehandlungen je Laktation durchgeführt. In diesem Zeitraum wurden vor allem Endometritiden und Nachgeburtsverhaltungen diagnostiziert. Der Verlauf der Grafik macht jedoch sehr deutlich, dass sich die in der internationalen Literatur beschriebenen kritischen 30 Tage p.p. insbesondere auf die ersten 7 Laktationstage reduzieren lassen. Dies ist die Hauptrisikophase. In der ersten Woche nach der Kalbung erfolgen durchschnittlich 20 % aller Behandlungen aufgrund von Fruchtbarkeitsstörungen. Die Hälfte aller Behandlungen innerhalb der ersten 30 Tage werden bereits in den ersten 7 Tagen p.p. durchgeführt. Endometritiden treten am häufigsten zwischen dem 18. und 32. Laktationstag auf, mit einem Behandlungspeak am 24. Tag p.p. (Abbildung 11). Abbildung 11: Anzahl Behandlungen von Endometritiden im Laktationsverlauf (n = 73.433) 13

Gebärmutterentzündungen verlängern nach den vorliegenden Ergebnissen die Zwischentragezeit im Durchschnitt um knapp 2 Zyklen (156 vs. 118 Tage). Die Pregnancyrate (=Brunstnutzungsrate * Anteil tragender Kühe aus Erstbesamung / 100) verringert sich um 12 %-Punkte (5 % vs. 17 %). Während die Hälfte der gesunden Kühe von den insgesamt 386.669 ausgewerteten Laktationen (behandelte und unbehandelte Kühe) am 100. Tag p.p. bereits wieder tragend war, waren zu diesem Zeitpunkt noch 80 % der Kühe mit Endometritis nicht tragend (Abbildung 12). Abbildung 12: Anteil nicht trächtiger Kühe mit und ohne Endometritis nach Laktationstagen Dies ist nicht verwunderlich, denn nach unseren Untersuchungen zur lutealen Aktivität beginnt der Zyklus von Kühen mit Endometritis (EM) signifikant später im Vergleich zu Kühen ohne EM (Abbildung 13). 14

Abbildung 13: Beginn der lutealen Aktivität p.p. in Abhängigkeit von einer Endometritiserkrankung (p 0,05) Generell beeinflussen jedoch Puerperalstörungen die Fruchtbarkeit nicht so stark wie Zyklusstörungen (Abbildung 14). Abbildung 14: Anteil nicht trächtiger Kühe mit Puerperalstörungen, Zyklusstörungen bzw. ohne Fertilitätsbefund nach Laktationstagen Klauenerkrankungen Aber nicht nur Fertilitätsstörungen, auch Klauenerkrankungen, Stoffwechselstörungen oder Euterentzündungen wirken sich negativ auf die Fruchtbarkeit aus. Auch Klauenerkrankungen weisen zu Laktationsbeginn die höchsten Prävalenzen auf. Zwar ist die Anzahl der Befunde um die Rastzeit am geringsten (Abbildung 15), das bedeutet aber nicht, dass Klauenläsionen kaum einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben. 15

Abbildung 15: Häufigkeit der Klauenbefunde im Laktationsverlauf Klauenkranke Kühe weisen im Durchschnitt eine um 10 Tage verlängerte Zwischenkalbezeit im Vergleich zu klauengesunden Kühen auf (Abbildung 16). Die Klauenbefunde wurden nicht nur von den tierärztlichen und betriebsinternen Behandlungen erfasst, sondern auch im Zuge der Klauenpflegeschnitte. Abbildung 16: Fruchtbarkeitsparameter von Kühen mit und ohne Klauenerkrankung Besamungsaufwand und Besamungsindex von Kühen mit Klauenläsionen waren zwar erhöht, die Differenzen zu klauengesunden Kühen konnten aber nicht statistisch gesichert werden (Tabelle 2). 16

Tabelle 2: Fruchtbarkeitsparameter von Kühen mit und ohne Klauenbefund Parameter Gruppe mit Klauenbefund Gruppe ohne Klauenbefund Rastzeit (Tage) 88,4 a 84,3 b Verzögerungszeit (Tage) 62,0 a 55,9 b Zwischentragezeit (Tage) 147 a 138 b Zwischenkalbezeit (Tage) 422 a 414 b Besamungsaufwand 2,49 a 2,42 a Besamungsindex 2,80 a 2,74 a a, b unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Differenzen bei p 0,05 Die Differenziertheit der Einzeldiagnosen bei Klauenläsionen macht sich hier besonders stark bemerkbar. So ist die Zwischenkalbezeit z. B. bei Kühen mit Klauenrehe sogar um 22 Tage verlängert. Dagegen wirkte sich Limax kaum auf die Fruchtbarkeit aus. Die häufigste Diagnose bei den Klauenläsionen waren Sohlengeschwüre (38 % aller Befunde; Tabelle 3). Tabelle 3: Parameter Fruchtbarkeitsparameter von Kühen mit und ohne Sohlengeschwür Gruppe mit Sohlengeschwür Gruppe ohne Sohlengeschwür Differenz Rastzeit (Tage) 93,4 a 84,3 b 9,1 Verzögerungszeit (Tage) 70,6 a 55,9 b 14,7 Zwischentragezeit (Tage) 163 a 138 b 25 Zwischenkalbezeit (Tage) 436 a 414 b 22 Besamungsaufwand 2,58 a 2,42 a 0,16 Besamungsindex 2,88 a 2,74 a 0,14 a, b unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Differenzen bei p 0,05 Wir wollten wissen, ob ein oder zwei Behandlungen je Kuh möglicherweise unbedeutend sind in Bezug auf die Fruchtbarkeit und wenn ja, ab wann mit Einbußen zu rechnen ist. Am Beispiel der Klauenbefunde wurde die Zwischentragezeit (ZTZ) in Beziehung zur Behandlungshäufigkeit gesetzt. Das Ergebnis ist frappierend. Obwohl wie erwartet jede weitere Therapienotwendigkeit (als Index für den Schweregrad) die ZTZ verlängert, ist die Zwischentragezeit bereits bei nur einer geringfügigen Erkrankung (1 Behandlung) um durchschnittlich 12 Tage erhöht (Abbildung 17). Ab 10 Behandlungen beträgt die Differenz 42 Tage. 17

Abbildung 17: Zwischentragezeit nach Häufigkeit der Klauenbehandlungen je Kuh und Laktation Besonderes Augenmerk gilt hierbei den Jungkühen. Sie reagieren auf Klauenläsionen noch viel sensibler als Altkühe (Abbildung 18). Da bei Jungkühen die häufigste Diagnose Mortellaro ist, muss hier unbedingt Prophylaxe betrieben werden. Dazu gehört auch eine Klauenpflege bereits vor der ersten Kalbung. Kühe, die als Jungrind eine Pediküre erfahren durften, wiesen in der 1. Laktation deutlich weniger Klauenläsionen auf (24 % vs. 41 %). Abbildung 18: Einfluss von Mortellaro auf die Rastzeit in Abhängigkeit von der Laktationsnummer 3.4 Kondition und Fruchtbarkeit Die Kondition zur Kalbung ist nicht nur für die Fruchtbarkeit von entscheidender Bedeutung, sondern wirkt sich primär auf den Kalbeverlauf und die Negative Energiebilanz aus. Dies ist einer der entscheidendsten Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeit von Kühen. Über einen Zeitraum von 6 Jahren wurde die tägliche Körpermasseentwicklung von Kühen einer 430-er Milchviehanlage in den ersten 7 Tagen nach der Kalbung ausgewertet. Dabei wurden nur vollständige Merkmalsbesetzungen integriert. Die Untersuchungen ergaben, dass Milchkühe durchschnittlich 35 kg Körpermasse innerhalb der ersten Woche p.p. mobilisieren (Abbildung 19). 18

690 686 Körpermasse (kg) 680 670 660 650 640 630 0 1 2 3 4 5 Tage nach der Kalbung 651 Abbildung 19: Tägliche Körpermasseabnahme nach der Kalbung (n = 316) Die Variabilität zwischen den Einzeltieren ist jedoch enorm. Einige Kühe nehmen von Anfang an zu. Dies sind nicht nur Jungkühe. In jeder Laktation gibt es etwa 10 % der Tiere, die vom ersten Tag an Körpermasse aufbauen. Die Untersuchungen ergaben, dass Körpermasseverluste von 5 kg, 15 kg oder 25 kg innerhalb der 1. Laktationswoche keine negativen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit und Gesundheit der Tiere (Rasse DH sbt.) haben. Dies ist also alles physiologisch normal. Geht der Körpermasseverlust aber über 25 kg hinaus, erhöht sich die Zwischentragezeit signifikant (Abbildung 20). Bei Kühen, die mehr als 40 kg innerhalb einer Woche abnehmen, ist die Rastzeit um 10 Tage, die ZTZ sogar um 24 Tage verlängert. Um diesen Parameter auch auf besonders große oder kleine Kühe anwenden zu können, wurde die relative Köpermasseabnahme berechnet. Ab einem Verlust von 5 % des Gewichtes gleich nach der Kalbung ist Vorsicht geboten. Abbildung 20: Zwischentragezeit in Abhängigkeit von der Körpermasseabnahme p.p. (fixe Effekte: Jahr, Laktation, Kalbeverlauf, Erstbesamungsalter, Milchmenge-Laktationsleistung) Des Weiteren konnte anhand von Progesteronkonzentrationsmessungen in der Milch nachgewiesen werden, dass die Körpermasseentwicklung p.p. ebenfalls Auswirkungen auf den Zyklusbeginn einer Kuh hat. Die Abnahme der Rückenfettdicke (RFD) von der 1. zur 2. Milchleis- 19

tungsprüfung (MLP) zeigte einen signifikanten Einfluss auf den Beginn der lutealen Aktivität (Abbildung 21). Kühe, die im Zeitraum von der 1. MLP zur 2. MLP deutlich an Rückenfett ( -7 mm) abnahmen, verzeichneten durchschnittlich 1,1 Wochen später die erste luteale Aktivität im Vergleich zu Kühen, die an Rückenfett ( 0 mm) zunahmen (6,1 Wochen zu 4,9 Wochen). Kühe, die eine geringe RFD-Abnahme (>-7 mm bis <0 mm) aufwiesen, unterschieden sich nicht signifikant zu den anderen Klassen. a ab b Abbildung 21: Einfluss der Rückenfettdickenveränderung von 1. MLP zur 2. MLP auf den Zyklusbeginn einer Kuh (p 0,01) Von der Höhe der Milchleistung hing die Körpermasseabnahme aber nicht ab, wie Abbildung 22 anschaulich belegt. 18.000 305 Tageleistung Milch (kg) 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 40 20 0-20 -40-60 -80-100 Gewichtsverlust (kg) Abbildung 22: Beziehung zwischen der Körpermasseabnahme p.p. und der 305- Tageleistung Milch je Kuh (Effekte: Jahr, Laktation, Kalbeverlauf, Gewicht zur Kalbung, Wechselwirkung zwischen Gewicht zur Kalbung und Gewichtsdifferenz) 20

Jedoch ist das Ausgangsgewicht der Kuh von entscheidender Bedeutung. Je schwerer eine Milchkuh (nach der Kalbung) ist, umso größer ist ihr Gewichtsverlust (Abbildung 23). 45 Gewichtsverlust (kg) 40 35 30 25 20 15 10 <600 600-699 700-799 ab 800 Körpermasse p.p. (kg) Abbildung 23: Körpermasseabnahme innerhalb der ersten 7 Tage p.p. in Abhängigkeit vom Ausgangsgewicht der Kuh (fixe Effekte: Laktationsnummer, Kalbejahr) Zu gleichen Ergebnissen kam Drackley (2005) bei Untersuchungen zur Energiebilanz in Woche 3 post partum. Auch hier zeigte sich, dass die Höhe der Milchleistung nicht in Beziehung zur negativen Energiebilanz stand, wohl aber die Höhe der Trockenmasseaufnahme. Wenn in der ersten Woche p.p. mehr als 25 kg Gewichtsverlust registriert werden, nimmt die Anzahl notwendiger Behandlungen in den ersten 30 Tagen der Laktation deutlich zu (Abbildung 24). 7 Anzahl Behandlungen bis 30. d p.p. 6 5 4 3 2 1 0 Zunahm. -5-15 -25-35 -45-55 ab -60 KM - Entwicklung d 0-7 p.p. (kg) Abbildung 24: Anzahl Behandlungen je Kuh und Laktation in Abhängigkeit von der Körpermasseentwicklung bis 7. Tag nach der Kalbung (fixe Effekte: Kalbejahr, Laktationsnummer) 21

3.5 Haltung und Fruchtbarkeit Neben den vielen bereits genannten Einflussfaktoren, die alle in stärkerem oder geringerem Maße die Fruchtbarkeit einer Kuh profilieren, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Haltungsbedingungen von entscheidender Bedeutung sind. In einem Betrieb in MV wurde die Fruchtbarkeitssituation der Herde vor, während und nach umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen analysiert. Die Neu- und Umbaumaßnahmen brachten gleichzeitig Veränderungen der Haltungs-, aber auch der Managementbedingungen mit sich. Der veraltete L203 Gruppenlaufstall mit acht Boxen á 25-30 Tiere wurde durch einen sechsreihigen Liegeboxenlaufstall mit 5 Gruppen abgelöst. Foto 2: Laufstall vor dem Umbau (Beese) Foto 3: Laufstall nach dem Umbau Der Abkalbebereich wurde durch eine zusätzliche Gruppenlaufbox erweitert. Dadurch konnte die Belegungsdichte deutlich reduziert werden. Die Besamungsfärsen erhielten einen Auslauf. Verbesserte hygienische Standards und eine optimierte Fütterung sind die Resultate der veränderten Gruppengestaltung. Die vorher aus Beton beschaffenen Laufflächen, welche täglich entmistet und mit Stroh eingestreut werden mussten, wurden durch Gussasphalt mit Schleppschieber-Entmistung ersetzt. Die Liegemöglichkeiten, eingestreut mit einem Stroh-Kalk- Gemisch, in Form von Tiefboxen sind tiergerecht und entsprechen den hygienischen Anforderungen. Die veraltete Fütterungstechnik mittels Futterband (über Kopf) wurde durch einen sich in der Mitte befindlichen Futtertisch ausgetauscht. Bei schlechten Haltungsbedingungen haben sowohl die Milchleistung als auch die Laktationsnummer der Kuh keinen signifikanten Einfluss mehr auf Fruchtbarkeitsparameter wie hier z. B. den Besamungsaufwand (Tabelle 4). In erster Linie sollten die Haltungsbedingungen den Bedürfnissen der Kuh weitestgehend angepasst werden. Erst dann lohnt es sich, weitere Maßnahmen wie z. B. Aktivitätsmessung zu integrieren. Tabelle 4: Signifikanz von Einflussfaktoren auf den Besamungsaufwand Parameter Freiheitsgrade F-Wert Prüfgröße Umbau 2 59,0 < 0,0001 100-Tageleistung Milch 1 0,02 0,9014 Laktationsnummer 1 1,02 0,3142 Besamer 3 0,76 0,5179 Erkrankung 2 0,61 0,5433 22

Auch ein besseres Besamungsmanagement hatte einen positiven Effekt auf die Fruchtbarkeitsergebnisse. In diesen Untersuchungen führte ein Wechsel des Besamungsverantwortlichen zu einer Reduzierung des Besamungsaufwandes um durchschnittlich 1,1 Besamungen je Kuh (3,7 vs. 2,6). 3.6 Analyse systemischer Einflussfaktoren Um den direkten Einfluss von Totgeburten und eines schweren Geburtsverlaufes auf die Fruchtbarkeitsmerkmale Rastzeit, Verzögerungszeit und Besamungsaufwand zu untersuchen, wurden anhand der ProFit-Testherdendaten die sekundären Parameter Geschlecht des Kalbes (Sex Kalb), Geburtsgewicht des Kalbes (Gewicht Kalb), Laktation der Mutter (Lakt), Milchleistung der ersten 100 Tage (Milch100Tage) sowie Mehrlingskalbung (MKZ) berücksichtigt. Darüber hinaus wurden auch die Wechselwirkungen von Kalbeverlauf*Totgeburt, Totgeburt*Lak, Totgeburt*Masse Kalb, Betrieb*Kalbejahr und Milch100Tage*Lak untersucht. In Tabelle 5 sind die Klassifizierungen dargestellt. Tabelle 5: Untersuchte Größen des Modells und ihre Stufen Einflussgröße Stufen Werte Laktation 6 1. 2. 3. 4. 5. 6. Kalbeverlauf 3 unbeobachtet, leicht mittel schwer, Operation Totgeburten 2 lebend tot Geschlecht Kalb 2 männlich weiblich Gewicht Kalb (kg) 6 19 20-31 32-37 38-43 44-49 50 Mehrlingskalbung (MKZ) 2 Einling Mehrling Betrieb 22 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22 Die Varianzanalyse ergab hohe Signifikanzen auf alle untersuchten Fertilitätsmerkmale für den Kalbeverlauf, die Laktationsnummer, den Anteil von Mehrlingskalbungen, den Betrieb sowie für die Wechselwirkungen Kalbejahr*Betrieb und Milch100 Tage*Lak (Tabelle 6). Die Kombinationsfaktoren Totgeburt*Lak, Kalbejahr*Betrieb und Milch100Tage*Lak haben einen statistisch gesicherten Einfluss auf die Rastzeit, Verzögerungszeit und den Besamungsaufwand. In Tabelle 7 sind die mit den signifikanten Einflussfaktoren berücksichtigten Mittelwerte (Ismeans) dargestellt. Kühe mit Totgeburten zeigen im Vergleich zu Kühen mit lebend geborenen Kälbern eine um 33 Tage längere Verzögerungszeit und einen um 0,6 erhöhten Besamungsaufwand bei gleicher Rastzeit. 23

Tabelle 6: Signifikanz der untersuchten Einflussfaktoren auf die Fruchtbarkeit Einflussfaktoren Rastzeit Verzögerungszeit Besamungsaufwand Kalbeverlauf *** *** *** Totgeburt * * n.s. Sex Kalb n.s. *** *** Laktation der Mutter (Lakt) *** *** *** Kalbejahr * *** *** Milch100 Tage n.s. *** *** Gewicht Kalb *** *** n.s. Mehrlingskennzahl (MKZ) *** *** *** Betrieb *** *** *** Kalbeverlauf*Totgeburt n.s. * n.s. Totgeburt*Lak ** ** ** Totgeburt*Masse Kalb n.s. n.s. n.s. Kalbejahr*Betrieb *** *** *** Milch100 Tage*Lak *** *** *** * = p 0,05; ** = p 0,01; *** = p 0,001; n.s. = nicht signifikant Tabelle 7: Auswirkungen von Totgeburten und Kalbeverlauf auf die Fruchtbarkeitskennzahlen Ismeans für Fruchtbarkeitsmerkmale Einflussfaktoren Rastzeit (Tage) Verzögerungszeit (Tage) Besamungsaufwand Lebendgeburt 92 89 a 3,1 a Totgeburt 89 122 b 3,7 b leichte Kalbung 89 a 95 3,2 mittlere Kalbung 91 b 103 3,3 schwere Kalbung 92 b 118 3,7 a, b unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Differenzen (p 0,05) Die Auswertungen zum Kalbeverlauf zeigen mit zunehmender Schwere in allen Fertilitätsparametern einen Anstieg. Statistisch gesichert werden konnte dieser aber nur in Bezug auf die Rastzeit. Jedoch wird ersichtlich, dass bereits mittlere Kalbeverläufe längere Rast- und Verzögerungszeiten sowie einen erhöhten Besamungsaufwand nach sich ziehen. Schwergeburten bewirken im Durchschnitt eine um 23 Tage längere Verzögerungszeit, also etwa 1 Zyklus, und einen um 0,5 höheren Besamungsaufwand. Des Weiteren zeigten leichtkalbige Kühe signifikant früher eine erste Gelbkörperaktivität als Kühe mit einem mittleren bis schweren Geburtsverlauf zur letzten Kalbung (5,2 zu 5,8 Wochen; Abbildung 25). 24

Abbildung 25: Einfluss des Kalbeverlaufs auf den Beginn der lutealen Aktivität (p 0,05) Interessant ist auch, dass die Geburt männlicher Kälber zu größeren Problemen in Bezug auf die Fruchtbarkeit der Mutter führt als die Geburt weiblicher Kälber. Dies ist an sich nicht ungewöhnlich, da männliche Kälber meist eine höhere Geburtsmasse haben. Die Geburtsmasse wurde jedoch in diesen Untersuchungen in das Modell einbezogen, sodass man bei allen Kälbern das gleiche Gewicht voraussetzen kann. Dennoch ist die Verzögerungszeit durch die Geburt von Bullenkälbern um 7 Tage verlängert und der Besamungsindex um 0,2 erhöht (Tabelle 8). Tabelle 8: Zusammenhang zwischen Geschlecht des Kalbes und Mehrlingen auf die Fruchtbarkeitskennzahlen (fixe Effekte: Kalbeverlauf, Totgeburt, Lakt, Sex/MKZ) Ismeans für Fruchtbarkeitsmerkmale Einflussfaktoren Rastzeit (Tage) Verzögerungszeit (Tage) Besamungsaufwand 91 104 a 3,4 a 90 97 b 3,2 b Einling 93 a 87 a 3,2 a Mehrling 108 b 94 b 3,4 b a, b unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Differenzen (p 0,05) Unabhängig vom Geburtsgewicht führen auch Mehrlingsgeburten zu Verzögerungen in der Fruchtbarkeit. Hier ist bereits die Rastzeit signifikant erhöht (+ 15 Tage). 3.7 Ökonomische Bewertung Für die betriebswirtschaftliche Bewertung wurden die lsmeans auf die Rohwerte zurückgerechnet, wobei 26.212 bereits abgegangene Kühe mit wenigstens drei Kalbungen einbezogen wurden. Grundlage der monetären Bewertung bildeten die Ergebnisse der Betriebszweigauswertungen von Referenzbetrieben der LFA aus den Jahren 2009 bis 2011. Eine Ausnahme bildete der Milchpreis, der über einen Zeitraum von 7 Jahren (2005 bis 2011) gemittelt wurde. Folgende Verrechnungsgrößen kamen zum Einsatz: Milchpreis 30,71 Ct/kg ECM Kälberpreis (51% [68 ] 49% [115 ] = 91,03 /Kalb) 25

Futterkosten 23,53 Ct/10 MJ NEL (energetische Bewertung der Milchleistung, Trächtigkeit und Erhaltung zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Leistungs- und Erhaltungsbedarfes) Personalkosten Melken 0,68 Ct/Tag (18 AKh/Kuh, Jahr x 13,87 /AKh) Personalkosten Pflege 1,03 Ct/Tag ( 27 AKh/Kuh, Jahr x 13,87 /AKh) Besamungsaufwand 16,49 /Besamung bereinigte Reproduktionskosten 979 /Kuh (Aufzucht [1.446 ]-Schlachterlös [467 /Kuh]) variable Arbeitserledigungskosten 1,60 je Haltungstag Es wurden sowohl ein Leistungs-Kostenvergleich [ /Stallplatz und /dt ECM] in den Klassen Zwischenkalbezeit, Leistung je Lebenstag und 305-Tageleistung als auch eine Investitionsrechnung [ /Kuhleben] durchgeführt. Auch bei dieser Stichprobe zeigten sich mit steigenden Zwischenkalbeintervallen höhere Lebensleistungen und eine längere Nutzungsdauer (Tabelle 9). Die Milchleistung je Lebenstag steigt innerhalb der ZKZ-Klassen von 13,6 kg je LT ( 340 d ZKZ) auf 16,7 kg (>430-460 Tage). Diese Leistungssteigerung beruht im Wesentlichen auf einer längeren Nutzungsdauer und zum Teil auf einer höheren Leistungsfähigkeit der Tiere. Diese ist innerhalb der ZKZ-Klassen mit 27 bis 28 kg Milch je Melktag relativ ausgeglichen. Der steigende Besamungsaufwand ist teilweise die Folge von Managemententscheidungen (hohe Leistungen=längere freiwillige Wartezeit), auch Fehler im Fruchtbarkeitsmanagement können dazu beitragen. Dadurch verlängert sich die Zwischenkalbezeit, die jedoch nicht zwangsläufig zu wirtschaftlichen Einbußen führen muss. Tabelle 9: Rentabilität in den Klassen Zwischenkalbezeit (n=26.212 Kühe) Kennzahlen Einheit Zwischenkalbezeit [d] 340 >340-370 >370-400 >400-430 >430-460 >460 Lebensleistung kg ECM 24.935 31.409 36.465 38.660 39.164 38.324 Nutzungsdauer Tage 1.040 1.284 1.462 1.536 1.536 1.503 Besamungsaufwand n/lakt. 1,5 1,6 1,9 2,1 2,4 2,8 Totgeburtenrate [%] % 6,1 3,8 4,5 4,1 4,6 6,2 /Kuhleben -14 393 658 791 901 732 Deckungsbeitrag /Stallplatz 280 396 449 473 499 463 /dt ECM -0,06 1,25 1,81 2,05 2,30 1,91 Leistung/Lebenstag kg ECM 13,6 15,0 16,1 16,5 16,7 16,6 Leistung/Melktag kg ECM 26,9 28,1 28,2 28,3 28,6 27,6 Im Gegenteil: mit höheren Lebenstagsleistungen ist eine Verbesserung des Gewinnbeitrages (Deckungsbeitrag) zu erkennen, selbst wenn die Kühe mehr Zeit benötigen, um wieder tragend zu werden. Ohne die Extreme (<340 d ZKZ bzw. >460 d) einzubeziehen, führte eine um 0,02 kg ECM höhere Lebenstagsleistung bezogen auf einen Tag verlängerter ZKZ zu diesem finanziellen Vorteil. Das entspricht 87 kg ECM Lebensleistung und 2,9 Tage längere Nutzungsdauer je Tag verlängerter ZKZ. Auffallend ist der ökonomische Nachteil der Tiere mit ZKZ <340 Tagen. Rund 5 % des untersuchten Bestandes fallen in diese Gruppe. Diese Kühe weisen mit 6,1 % nicht nur leicht erhöhte Totgeburtenraten auf, sondern gehen auch deutlich früher aus dem Bestand. Die Vermeidung dieser ZKZ-Klasse würde den Deckungsbeitrag um knapp 6 je Kuh des Bestandes und Jahr verbessern. Die Ergebnisse zeigen, dass die Leistungsfähigkeit der Kühe in Verbindung mit der Nutzungsdauer die Wirtschaftlichkeit einer Herde viel stärker beeinflusst als die Zwischenkalbezeit oder eine geringere Anzahl zu vermarktender Kälber und ein höherer Besamungsaufwand. Die Frage ist, ob es ein ökonomisch begründetes Optimum für die Zwischenkalbezeit in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit des Bestandes gibt. Die Klassierung des Bestandes nach dem Merkmal 305-Tageleistung bildete die Grundlage für die betriebswirtschaftlichen Berechnungen. 26

Die Tabelle 10 zeigt die Veränderung des Deckungsbeitrages in je Stallplatz (entspricht /Kuh und Jahr). Die Berechnungen erfolgten in Abhängigkeit der durchschnittlichen 305-Tageleistung und der Klassen ZKZ. In den Leistungsbereichen bis 9.000 kg ist der wirtschaftliche Erfolg am höchsten, wenn die Kühe in einem Zeitraum von 340 bis 360 Tagen kalben. Kühe mit einer 305- Tageleistung bis 10.000 kg dürfen ein bis zwei Zyklen länger ausruhen. Diese sollten eine ZKZ zwischen 360 und 400 Tagen aufweisen. Einen deutlichen finanziellen Vorteil haben Kühe, wenn sie eine ZKZ zwischen 400 und 430 Tagen bei einem Leistungsniveau von bis 11.000 kg Milch zeigen. Die Tendenz steigender ZKZ mit höheren Leistungen ist in der Klasse bis 12.000 kg nicht mehr nachweisbar. Eine Erklärung wäre die geringe Besetzung der Klasse und damit die ungleichmäßige Verteilung. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass die Unterschiede der Deckungsbeiträge in den Klassen >340 bis 430 Tage sehr gering sind. Umgerechnet auf die EC-Milch beträgt die Differenz maximal 0,03 je dt. Allerdings sinken auch in diesem Leistungsbereich die Deckungsbeiträge, wenn die ZKZ >430 Tage ist. Tabelle 10: Veränderung des Deckungsbeitrages [ /Stallplatz] Klassen 305-Tageleistung [kg] Klassen Zwischenkalbezeit [Tage] <340 >340-370 >370-400 >400-430 >430-460 >460 <8.000 215 325 308 304 296 294 >8.000-9.000 336 500 463 463 466 398 >9.000-10.000 467 566 572 533 526 459 >10.000-11.000 601 649 674 688 673 569 >11.000-12.000 842 827 830 788 702 Die Extreme, sowohl die zu frühe Belegung als auch die zu späte Konzeption, sind unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Bestandes mit finanziellen Einbußen verbunden. Rund 14 % des Bestandes weisen eine ZKZ >460 Tage auf. In weiterführenden Berechnungen muss die Frage beantwortet werden, was ökonomisch sinnvoller ist: die wirtschaftlichen Verluste durch mehr Besamungen und tendenziell erhöhte Totgeburtenraten in Kauf zu nehmen oder über einen festgelegten Merzungszeitpunkt diesen Verlust zu minimieren. Es konnte festgestellt werden, dass es für jeden Leistungsbereich ein ZKZ-Optimum gibt. Darüber hinaus zeigte sich, dass mit steigender ZKZ die Lebenstagsleistung über die Verlängerung der Nutzungsdauer erhöht werden kann. Damit wird die Wirtschaftlichkeit der Milchviehhaltung optimiert. Das heißt für die Praxis, dass die Kühe im Fruchtbarkeitsmanagement individueller betreut werden sollten. Kühe, die deutlich leistungsfähiger sind als der Durchschnitt der Herde, können ab einer 305-Tageleistung von 9.500 kg eine längere freiwillige Wartezeit in Anspruch nehmen. Da zu Beginn der Laktation die 305-Tageleistung oder gar die Lebenstagsleistung unbekannt sind, sollte die Einsatzleistung als Entscheidungsgrundlage für das Kuh spezifische Fruchtbarkeitsmanagement dienen. Der vorliegende Bestand zeigte, dass Kühe mit einer 305- Tageleistung von 9.000 bis 10.000 kg bzw. 14 bis 16 kg Milch je Lebenstag Einsatzleistungen von 34,5 kg je Tag aufwiesen. Wenn eine Milchviehherde eine 305-Tageleistung von 9.000 kg erzielt, ist sie am wirtschaftlichsten mit Zwischenkalbezeiten von 350 bis 370 Tagen. Zeigen Kühe Einsatzleistungen von mehr als 34,5 kg je Melktag, sollte darüber nachgedacht werden, diesen Tieren bis zu zwei Zyklen mehr Ruhe zwischen den Kalbungen zu gönnen bei Beachtung dieser tierindividuellen Besonderheiten. Auch bei diesen und gerade bei diesen Kühen ist die erste erkannte Brunst die nächste geplante Trächtigkeit. Kühe, die Einsatzleistungen über 37,4 kg je Melktag erreichen, können mit ZKZ bis 430 Tagen und entsprechender Nutzungsdauer die wirtschaftliche Situation des Milchviehbestandes verbessern. Die geringere Anzahl der geborenen Kälber und auch die höhere Anzahl der Besamungen stehen in keinem Verhältnis zu der Möglichkeit einer langlebigen Hochleistungskuh. 27

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen In der vorliegenden Studie wurden die Testherden des ProFit Projektes der Rinderzucht Mecklenburg-Vorpommern GmbH und ausgewählte Milchviehbetriebe aus MV im Hinblick auf die Fruchtbarkeit der Kühe untersucht. Da es sich bei diesen Betrieben im bundesweiten Vergleich um hochleistende Herden handelt, die größtenteils in modernen Ställen mit hohem Kuhkomfort gehalten werden, wurde spezielles Augenmerk auf mögliche tierindividuelle Einflussfaktoren auf die Fertilität der Kühe gelegt. Die Datengrundlage bilden 55.384 Kühe und 189.867 Laktationen der Rasse Deutsche Holstein (sbt.) aus den Jahren 2005 bis 2012. Spezielle Analysen wurden teilweise in Einzelbetrieben durchgeführt. Die Berechnungen erfolgten mit dem Programm SAS 9.2. Mit einem gemischten linearen Modell wurden die Varianzkomponenten geschätzt. Für die Signifikanzprüfung kam der Tukey- Kramer-Test zum Ansatz, wobei eine Irrtumswahrscheinlichkeit von p 0,05 unterstellt wurde. Bei der Berechnung der LSMeans-Werte für Fruchtbarkeitsparameter wurden generell der Betrieb, die Laktationsnummer und das Kalbejahr einbezogen. Je nach Merkmal und Signifikanz wurden auch das Geburtsgewicht des Kalbes, Erkrankungen, Mehrlingsgeburten, der Kalbeverlauf bzw. die Milchleistung (Einsatzleistung, 100-Tageleistung, 305-Tageleistung) im Modell berücksichtigt. Wie erwartet erhöhen sich die Zwischenkalbe- und Zwischentragezeit wie auch der Besamungsaufwand sowohl mit steigender 305- als auch 100-Tageleistung signifikant. Der Einfluss des Managements stellte sich jedoch als wesentlich höher dar. So haben Betriebe mit einem hohen Leistungsniveau überwiegend bessere Fruchtbarkeitsergebnisse als Betriebe mit geringeren Leistungen. Ein gutes Fruchtbarkeitsmanagement, optimale Haltungsbedingungen und eine ausgewogene wiederkäuergerechte Fütterung sind Grundvoraussetzung für gute Fruchtbarkeitsergebnisse. Sie haben eine größere Wirkung als das Leistungsniveau der Kühe. Innerhalb jeder Herde wiesen jedoch die Kühe mit der höchsten Leistung längere Zwischenkalbezeiten und einen höheren Besamungsaufwand auf. Hier muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass diese Kühe oftmals aufgrund ihrer Leistung gesondert behandelt werden. Weiterhin konnte in einer der Testherden nachgewiesen werden, dass Kühe mit hohen Milchleistungen eine höhere Wahrscheinlichkeit eines embryonalen Verlustes aufweisen. Es zeigte sich auch, dass Kühe mit einer hohen Lebenstagseffizienz signifikant längere Zwischentragezeiten aufweisen, woraus sich die Hypothese ergab, dass längere freiwillige Wartezeiten bei hochleistenden Kühen ökonomisch nicht unbedingt negativ sind. Jeder Landwirt sollte tierindividuell die freiwilligen Wartezeiten festlegen. Dabei sollten die Milchleistung und die Konstitution ausschlaggebend sein. Erkrankungen wirken sich hingegen in jedem Fall negativ auf die Fruchtbarkeit aus. So verlängert bereits eine Klauenerkrankung die Zwischentragezeit um durchschnittlich 12 Tage. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen den speziellen Diagnosen. Kühe mit einem Sohlengeschwür wiesen die schlechtesten Fruchtbarkeitsparameter auf. Die Güstzeit verlängerte sich durchschnittlich um 25 Tage. Von allen Kühen, die an einer Gebärmutterentzündung erkrankten, sind am 100. Laktationstag 80 % noch nicht wieder tragend, bei Kühen mit Zyklusstörungen sind es sogar 90 %. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits die Hälfte aller Kühe tragend, die keine Fruchtbarkeitsstörungen erlitten. Erkrankungen treten hauptsächlich in den ersten Tagen der Laktation auf. Sie zu vermeiden bzw. früh zu erkennen, sofort zu behandeln und deren Ursachen nachzugehen, ist einer der größten Effekte auf die Fruchtbarkeitsleistung der Herde. Tägliche Tierbeobachtung, Temperaturmessungen sowie die Nutzung elektronischer Daten sind dafür die besten Hilfsmittel. Dass Kühe nach der Kalbung abnehmen, ist größtenteils normal. Verlieren sie aber mehr als 25 kg bzw. über 5 % der Körpermasse p.p., ist das Erkrankungsrisiko um fast das Doppelte erhöht. Damit verbunden sind schlechte Fruchtbarkeitsergebnisse. Dies betrifft insbesondere die Kühe, die bereits zu fett zur Abkalbung kommen. Dem kann nur dadurch entgegen gewirkt werden, dass die Fütterung schon vor dem Trockenstellen an die Kondition angepasst wird. In der Trockenstehperiode sollte ein Hungern der Kühe vermieden werden. Im Gegenteil, sie sollen das Fressen nicht verlernen und zum Ende der Trockenstehzeit die Futteraufnahme sogar wieder langsam steigern. 28