Das Stechen zur Blutentnahme ist durch moderne Stechhilfen einfacher geworden. Stechhilfen: Wichtige Aspekte Für das regelmäßige Messen des Blutzuckers stellen Stechilfen eine große Hilfe dar. Auch wenn sie meist kaum beachtet werden: Sie haben, wie Blutzuckermessgeräte, Blutzuckerteststreifen, Insulinpens und Injektionskanülen, eine große Entwicklung hinter sich: von der mit eigener Kraft einzustechenden Lanzette zur modernen Stechhilfe. Autor: Dr. Andreas Thomas, Ein großer Teil der Diabetiker muss sich bei der Durchführung der Therapie selbst verletzen. Einerseits betrifft das alle Patienten mit Insulintherapie, nach aktuellen Daten in Deutschland etwa 2,0 bis 2,2 Millionen Patienten (auch in Kombination mit oralen Antidiabetika; Erhebungen AOK/ KV Hessen 2004, DIABCORE-Studie 2010 und Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2011 ). Andererseits ist eine Selbstverletzung notwendig, um Blut zu entnehmen für die Blutzuckerselbstkontrolle und um einen Glukosesensor für das kontinuierliche Glukosemonitoring (CGM) zu legen. Das betrifft über die genannten Patienten hinaus auch Typ-2-Diabetiker mit oralen Antidiabetika, die die Insulinsekretion anregen. Werden die Umsatzzahlen für In-vitro-Diagnostik zugrunde gelegt (671 Millionen / Jahr nach U. Schwabe, D. Paffrath: Arzneiverordnungsreport 2009), lässt sich abschätzen, dass unge- 11
Vergangen und modern im Vergleich Bilder aus einer vergangenen Zeit: Einsatz von Blutlanzetten (Haemostiletten) zur Blutentnahme bei der Blutzuckerselbstkontrolle. Stechhilfe zur schmerzarmen Blutentnahme für die Blutzuckerselbstkontrolle. fähr 3,5 Millionen Diabetiker pro Jahr insgesamt etwa 1,2 Milliarden Blutzuckertests durchführen und sich für jede Messung selbst verletzen. Selbstverletzung bleibt bisher alternativlos Nun ist die Blutzuckerselbstkontrolle, als eine vom Dia betiker leicht auszuführende und im Großen»» Das Stechen zur Blutentnahme wird als erheblich belastender angesehen als die Insulininjektion. und Ganzen bezahlbare Methode, eine der größten Errungenschaften in der Diabetesbehandlung der letzten 25 Jahre. Sie ist die Voraussetzung für die Durchführung einer flexiblen Insulintherapie mit Dosis anpassung bei Essen und Sport, mit der Möglichkeit, den Blutzucker zu korrigieren und damit für die Leistungsfähigkeit vieler Diabetiker in Beruf und Alltag. Die dazu notwendige Selbstverletzung bleibt also im Rahmen einer modernen Diabetestherapie alternativlos, solange keine nichtinvasive Methode für die Blutzuckermessung zur Verfügung steht. Das im Zusammenhang mit der Blutentnahme notwendige Stechen wird seitens der Patienten auch als erheblich belastender angesehen als die Insulininjektion, für die heute oberflächenbehandelte und mit einem scharfem Anschliff versehene Kanülen mit einem Durchmesser von 0,25 mm bereitstehen. Schmerzreduktion im Vordergrund Wissenschaft Lanzetten und Stechhilfen sind als wesentliche technologische Komponenten für die Durchführung der Blutzuckerselbstkontrolle anzusehen. Wie die Blutzuckermessgeräte und die Blutzuckertestkits (Blutzuckerteststreifen, -trommeln oder -spitzen) haben sie eine große Entwicklung hinter sich. Standen bei den Geräten und Testkits die einfache Handhabung und die Minimierung von Fehlern durch die Patienten im Vordergrund, so waren es bei Lanzetten und Stechhilfen zur Blutprobengewinnung die Reduktion der Barriere für die Selbstverletzung, was die Verminderung von Schmerzen explizit einbezieht. Ein Blick zurück belegt die Errungenschaften In früheren Zeiten war die Selbstverletzung bei der Blutentnahme teilweise erheblich, aber natürlich nicht nur dort. Auch das Insulinspritzen mit relativ dicken Insulinkanülen mit Durchmessern von 0,5 bis 0,8 mm und aus heutiger Sicht mit recht stumpfem Anschliff war eine Tortur, wobei diese Injektion nicht zu umgehen, höchstens zu minimieren war. Anders verhielt und verhält es sich mit der Blutzuckermessung, die mit dem Aufkommen der intensivierten Insulintherapie immer notwendiger wurde. Ein hoher Grad der Ablehnung führte einfach dazu, diese ganz zu unterlassen. Schließlich war es nicht gerade einfach, mit den Lanzetten einen Stich zu setzen, der flach genug war, um unnötige Schmerzen zu vermeiden, aber trotzdem die ausreichende Menge an Blut lieferte. Erschwerend kam hinzu, dass für Blutzuckermessgeräte der ersten Generation noch Blutmengen von 10 μl notwendig waren, was eine gewisse Stechtiefe unumgänglich machte. Folglich wurde der Entwicklung von Lanzetten und Stechhilfen die entsprechende Aufmerksam- 12
keit gewidmet, um nicht durch die Hürde der Blutentnahme die Blutzuckermessung und folglich auch den Zugang zu modernen Formen der Insulintherapie zu erschweren. Die Aspekte im Kasten links zeigen, dass in der modernen Weise der Blutentnahme mit Lanzetten und Stechhilfen ein hohes Maß an Facettenschliff moderner Lanzetten. Technologie stecken muss, um eine nahezu barrierelose und sichere Durchführung der Blutzuckerselbstkontrolle zu gewährleisten. Moderne Technologie bei der Blutentnahme Die Angst vor der notwendigen Selbstverletzung wird unmittelbar vermindert, wenn die Lanzette geführt und nicht sichtbar ist. Dieser Gedanke steckt hinter den Stechhilfen. Diese enthalten einen Federmechanismus, der vor dem Einstich gespannt wird. Per Knopfdruck wird der Mechanismus ausgelöst, wodurch die Lanzette in die Haut eindringen kann. Selbstverständlich ist der ganze Vorgang nicht sichtbar, weil die Lanzette innerhalb der Stechhilfe verdeckt ist. Bei allen Modellen Wissenschaft»» Die Angst vor der notwendigen Selbstverletzung wird unmittelbar vermindert, wenn die Lanzette geführt und nicht sichtbar ist. lässt sich die Einstichtiefe einstellen (bei manchen Geräten bis zu 11 Stufen) und damit auf die Dicke der Haut anpassen. Durch diese Einstellung und durch das sehr schnelle Eindringen lässt sich der Einstichschmerz stark vermindern oder ganz verhindern. Dafür sorgt auch die Einstellung der Federspannung, weil damit die Härte des Eindringens der Lanzette in das Hautareal optimiert werden kann. Schließlich vermindert auch noch das schnelle Rückschnellen der Lanzette nach dem Eindringen den Kraftstoß auf das Haut Anzeige 1/2 13
Stechhilfen: Wichtige Aspekte Kritische Punkte bei der Selbstverletzung zur Blutentnahme Die Blutentnahme ist problematisch durch Überwindung der psychologischen Barriere, Schmerzempfinden, mögliche Infektionsgefahr. Psychologische Barriere Die psychologische Barriere ist hoch, wenn die Spitze der Lanzette sichtbar ist, das Einstechen mit eigener Kraft erfolgen muss, der Einstichprozess nicht zielgerichtet (geführt) ist. Schmerzempfinden Das Schmerzempfinden hängt ab von der Dicke, der Schärfe und dem Anschliff der Lanzette, von der Eindringtiefe der Lanzette in der Haut, von der Kraft, mit welcher der Einstich erfolgt, von dem Kraftstoß (der Wucht) auf die Einstichstelle, d. h. der zeitlichen Einwirkung der Kraft. Infektionsgefahr Die Infektionsgefahr ist bedingt durch Unsterilität, Mehrfachbenutzung. areal und damit das Schmerzempfinden. Entscheidend: Anschliff Wichtig für ein möglichst schmerzarmes Eindringen der Lanzette in die Haut ist deren Anschliff. Die Stärke der Lanzette, Standard sind Durchmesser von 30 Gauge (0,315 mm), verfügbar sind sogar welche mit 33 Gauge (0,254 mm), ist dabei nicht das entscheidende Kriterium, weil nur die Lanzettenspitze in die Haut eindringen muss. Der Anschliff ist jedoch mitverantwortlich für die Kraft und Fazit Wichtige Aspekte bei den Stechhilfen mit Lanzetten zur Blutentnahme sind: geführte und nicht sichtbare Lanzetten, eine einstellbare Einstichtiefe, das schnelle Rückschnellen der Lanzetten, ein geeigneter Anschliff und die Einmalanwendung der Lanzetten. hauptverantwortlich für die Läsion des Gewebes. Die modernen Lanzetten besitzen einen Facettenschliff. Dadurch wird das Gewebe mikroskopisch scharf geschnitten. Auch hinter diesem Vorzug steht eine große und kaum beachtete Entwicklung bei der Technologie für die Lanzettenherstellung. Die sehr dünnen Lanzettenspitzen gewährleisten die weitestgehend schmerzfreie Anwendung nur, wenn sie wie vorgesehen angewendet werden. Bereits nach einmaliger Benutzung lassen sich mit einem Mikroskop Abstumpfungen und Verwerfungen sichtbar machen, was bei einer weiteren Anwendung die Hautläsion und damit das Schmerzempfinden erhöht. Häufig wird das jedoch seitens der Patienten ignoriert, so dass sich neben Mikroläsionen auch die Gefahr für Infektionen der nach der Anwendung nicht mehr sterilen Lanzetten erhöht. Deshalb kommt auch dem leichten Wechsel der Lanzette in der Stechhilfe eine Bedeutung zu. Dafür sorgt zum Beispiel ein Lanzettenauswurf oder eine integrierte Lanzettentrommel. Das vermindert auch den Kontakt mit verbrauchten Produkten und sorgt für deren hygienische Entsorgung. Zusammenhang mit Blutzuckermessgeräten Die Entwicklung der Lanzetten und Stechhilfen ist nicht unabhängig von der Entwicklung von Blutzuckermessgeräten und -teststreifen zu sehen. Schließlich ist die Blutentnahme auch deshalb weniger problematisch als in der Anfangszeit der Blutzuckerselbstkontrolle, weil Blutmengen von weniger als 1 μl notwendig sind. Dadurch wurde es möglich, die Proben nicht nur aus der gut durchbluteten Fingerbeere zu entnehmen, an welcher durch den Tastsinn auch besonders viele sensible Nervenenden anzutreffen sind und damit ein hohes Schmerzempfinden gegeben ist. Als alternative Körperstellen zur Blutzuckermessung an der Fingerbeere bieten sich dadurch auch Unterarm und Handballen an, wo deutlich weniger Schmerzen empfunden werden können. Diese Möglichkeit ergibt sich bei allen namhaften Messgeräten, wobei beachtet werden muss, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme keine schnellen Blutzuckerveränderungen stattfinden dürfen. Denn 14
an alternativen Teststellen wird mitunter neben dem Blut ein gewisser Anteil interstitieller Flüssigkeit gewonnen; physiologisch unterscheiden sich aber Blut- und interstitielle Glukosekonzentration im Fall von raschen An- oder Abstiegen des Glukosespiegels. Vorbild für andere Produkte der Diabetestechnologie Die Entwicklung der Stechhilfen, speziell die Verdeckung und Führung der Lanzetten, hat sich auch auf die Entwicklung anderer Produkte für die Diabetesbehandlung ausgewirkt. So besitzt eine Vielzahl von Infusionssets für die Insulinpumpentherapie Einführhilfen, die den Stechhilfen für die Blutprobengewinnung ähnlich sind. Gleiches betrifft alle Sensoren für das kontinuierliche Glukosemonitoring. Diese Beispiele zeigen, dass Lanzetten und Stechhilfen als Hilfsmittel für die Blutzuckermessung nicht nur nebensächliche Produkte der Diabetesbehandlung sind. Die Entwicklung ist damit aber noch nicht als abgeschlossen zu betrachten. Beispielsweise betrifft das ein handliches und einfach zu bedienendes Gerät, bei welchem Blutprobengewinnung und Blutzuckermessung integriert sind. Und schließlich ist auch der Traum von der vollkommen nichtinvasiven, also unblutigen Messung nicht ausgeträumt, auch wenn nach wie vor kein praktisch relevantes Gerät in Sicht ist. Kontakt Dr. Andreas Thomas Earl-Bakken-Platz 1 40670 Meerbusch E-Mail: andreas.thomas @medtronic.com 15