Schäden durch chemisch lösenden Angriff Einleitung Ein chemisch lösender Angriff kann durch die Einwirkung von Säuren, austauschfähigen Salzen, weichem Wasser oder starken Basen stattfinden (Tab. 8.6.1). Der chemisch lösende Angriff erfolgt fortschreitend von der Betonoberfläche nach innen. Dabei werden Bestandteile des Zementsteins und ggf. der Gesteinskörnung durch die eindringenden Stoffe aufgelöst und anschliessend ausgelaugt (Abb. 8.6.1). In der Literatur wird für den chemisch lösenden Angriff häufig auch der Begriff Betonkorrosion verwendet. Abb. 8.6.1: Chemisch lösender Angriff auf den Beton. Der Angriffsgrad wird durch die Art, Konzentration und Menge der chemisch aggressiven Flüssigkeit und die Löslichkeit, d.h. Auswaschbarkeit der sich bildenden Salze im Beton bestimmt. Der Schadensfortschritt hängt deshalb auch von der Porosität des Betons ab, welche das Eindringen der aggressiven Flüssigkeiten und das Auswaschen des Zementsteins bestimmt. Daneben wird der Angriffsgrad auch von der Temperatur und der Fliessgeschwindigkeit der angreifenden Lösung beeinflusst. Erscheinungsformen Schäden durch einen chemisch lösenden Angriff sind in der Regel gekennzeichnet durch einen Abtrag (Erosion) der Betonoberfläche (Abb. 8.6.2 bis 8.6.3).
Abb. 8.6.2: Erosion der Betonoberfläche an Wand und Boden in einer Kläranlage.
Abb. 8.6.3: Oberflächenangriff in einem Klärbecken. (Quelle: Betonsuisse Marketing AG, Bern).
Tab. 8.6.1: Übersicht der chemisch lösenden Angriffsarten. Entstehung und Vermeidung Säuren Beim Angriff durch Säuren werden die Hydratphasen des Zementsteins unter Bildung von löslichen Ca-, Al- und Fe-Salzen sowie Kieselsäure aufgelöst. Für den Angriffsgrad ist ausser der Konzentration der Säure in erster Linie der ph-wert massgebend. Beim chemisch lösenden Angriff wird hauptsächlich der Zementstein geschädigt. Bei starkem
Säureangriff sind aber auch die säurelöslichen Gesteinskörner betroffen. Beim Kontakt mit Säure werden die Hydratphasen aus dem Zementstein des Betons gelöst und es bildet sich eine Auslaugzone, aus der die Lösungsprodukte (Ca-, Al- und Fe- Salze) ausgewaschen werden. Als unlöslicher Rückstand bleibt ein amorphes SiO2-Gel zurück. Diese unlöslichen Rückstände bilden eine Schutzhülle an der Betonoberfläche, weil die aggressive Flüssigkeit nicht mehr direkt in Kontakt mit dem noch intakten Beton kommt, sondern durch die Gelschicht diffundieren muss. Hinter der Gelschicht liegt der Auslaugbereich, der durch eine Verarmung an Calciumhydroxidionen gekennzeichnet ist, d. h. einen niedrigeren ph-wert der Porenlösung als im noch intakten Beton aufweist. Die eigentliche Reaktionsfront liegt in der Auslaugzone zwischen der Gelschicht und dem noch intakten Beton. Mit der Zeit verlangsamt sich die Reaktion, da die Gelschicht dicker wird. Wird diese hingegen zerstört oder durch Reinigen entfernt, dringt die Reaktionsfront tiefer in den Beton ein. Abb. 8.6.4: Aufbau einer Schutzhülle aus amorphen, unlöslichen Rückständen an der Betonoberfläche.
Kalklösende Kohlensäure Kohlensäure ist eine schwache Säure und tritt vor allem in Gebirgswässern und in Grundwässern auf. Die Aggressivität von kohlensäurehaltigen Wässern hängt nicht nur vom ph-wert, sondern vor allem von ihrer Zusammensetzung ab. Im Wasser stellt sich ein Gleichgewicht zwischen dem gelösten Calciumhydrogencarbonat und der freien, zugehörigen Kohlensäure ein. Der Anteil an freier Kohlensäure, der nicht für das Gleichgewicht mit dem vorhandenen Calciumhydrogencarbonat benötigt wird, ist imstande, neuen Kalk zu lösen und wird daher kalklösende Kohlensäure genannt. Das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht wird vom Gehalt an freier Kohlensäure im Wasser, der Wassertemperatur, der Härte und der Wasserstoff- und Fremdionenkonzentration beeinflusst. Hartes Wasser benötigt einen höheren Gehalt an freier Kohlensäure, damit ein Teil davon kalklösend wirken kann. Deshalb ist das Risiko eines Kohlensäureangriffes bei weichen Wässern in der Regel grösser als bei harten Wässern. Biogene Säuren Mikroorganismen benötigen zum Leben organische und anorganische Verbindungen unterschiedlicher Zusammensetzungen und je nach Art bestimmte ph-wert-bedingungen. Die zum Leben notwendige Energie wird aus Sonnenlicht, organischem Material oder oxidierbaren bzw. reduzierbaren anorganischen Verbindungen gewonnen. Die meisten Mikroorganismen scheiden beim Stoffwechsel organische oder anorganische Säuren aus, welche den Zementstein angreifen können. Bei der biologischen Abwasserreinigung in kommunalen Kläranlagen bildet sich auf den Betonwänden der Belebungsbecken eine gelatinöse Bakterienschicht (Biofilm) aus. Je nach Sauerstoffgehalt der Luft, Abwasserzusammensetzung und Denitrifikationsprozesse können durch Nitrifikation in diesem Biofilm sehr tiefe ph-werte entstehen, die einen Säureangriff der Betonoberfläche verursachen. Biogene Schwefelsäure Schwefelwasserstoff (H2S) kann sich z. B. über Abwässern in Kanalisationen oder im Gasraum von Biogasanlagen durch bakterielle Zersetzung von Eiweiss in Abwesenheit von Sauerstoff bilden. Wird er nicht durch Entlüftung abgeführt, schlägt er sich auf kalten Oberflächen nieder und kann unter Mitwirkung von Mikroorganismen
Schwefelsäure bilden, die den Beton stark angreift. Abb. 8.6.5: Biogene Schwefelsäurekorrosion in einem Betonkanalisationsrohr. Austauschfähige Salze Wässrige Lösungen von Magnesium- und Ammoniumsalzen (mit Ausnahme von Magnesium- und Ammoniumhydrogencarbonaten, -oxalaten und -fluoriden) wirken lösend auf den Beton. Dabei wird das Calcium des Calciumhydroxids im Zementstein mit Magnesium, bzw. Ammonium ausgetauscht, so dass sich ein leichtlösliches Calciumsalz
bildet, welches ausgewaschen werden kann. Gl. 8.6.1 Magnesiumhydroxid ist eine weiche, gallertartige Masse, die eine Schutzhülle gegen einen weiteren Angriff darstellt, sofern sie nicht durch strömendes Waser abgetragen wird. Gl. 8.6.2 Die Ammoniumsalze zersetzen sich im alkalischen Milieu zu Ammoniak und entweichen, so dass keine Schutzhülle aufgebaut wird und der Angriff unverändert weitergehen kann. Weiches Wasser Schmelzwasser, Regen, Oberflächenwasser und selten Quellwasser enthalten nur wenig gelöste Calcium- und Magnesiumsalze. Diese nicht oder nur schwach mineralisierten, sogenannten weichen Wässer, mit einem Härtegrad < 7 französische Härte (fh) können Calciumhydroxid und Alkalien aus dem Zementstein lösen. Weitere im Wasser vorhandene Ionen können die Lösungsgeschwindigkeit des Calciumhydroxids
beeinflussen. Die alkalischen Bestandteile des Zementsteins sind nur bei einem ph-wert von > 12.5 beständig und können schon im ph-wert Bereich 7 12 zersetzt werden. Calciumhydroxid, das im Beton als Hydratationsprodukt des Zementsteins sowohl in fester als auch in gelöster Form vorkommt, wird von weichem Wasser gelöst und ausgewaschen. Gleichzeitig schreitet die Hydratation des Zementes weiter fort, so dass erneut Calciumhydroxid gebildet wird. Sobald der Zement vollständig hydratisiert ist und kein Calciumhydroxid mehr gebildet werden kann, sinkt der ph-wert unter 12.5, so dass die Hydratphasen des Zementsteins instabil werden und zerfallen. Bei andauernder Einwirkung wird der Zementstein ausgelaugt. Starke Basen Der Zementstein wird von basischen Flüssigkeiten geringer Konzentration nicht angegriffen. Konzentrierte Lösungen starker Basen, wie z. B. Natronlauge (> 10 %) oder Kalilauge (> 20 %), lösen dagegen die Aluminatverbindungen des Zementsteins. Konzentrierte Lösungen starker Basen können auch kieselsäurehaltige Gesteinskörnungen anlösen. Vorbeugende Massnahmen Schäden infolge chemischen Angriffs können mit Hilfe von betontechnologischen Massnahmen und ggf. zusätzlichen Massnahmen vermieden werden (siehe Chemisch beständiger Beton).
Abb. 8.6.6: Geologische Härtekarte der Schweiz. Skala: weiss 0 15 fh, gelb: 15 25 fh, rot: > 25 fh. (Quelle: www.trinkwasser.ch).
Abb. 8.6.7: Trinkwasserreservoir (Innenansicht).