Rumänischer Pharmamarkt steht unter Preisdruck 09.05.2017 Hersteller und Händler befürchten weitere Preissenkungen / Parallelexporte verknappen Medikamente / Von Michael Marks Bukarest (GTAI) - Rumäniens Arzneimittelmarkt ist 2016 gewachsen. Allerdings nur dank der gestiegenen Behandlungszahlen von Hepatitis C. Aktuell sorgen bei Herstellern und Händlern mögliche neuerliche Preissenkungen für Unruhe. Weil Pharmaunternehmen ihre Ware zunehmend im Ausland verkaufen, könnten Medikamente zudem im Land knapp werden. Nicht-verschreibungspflichtige Produkte etablieren sich als wirtschaftliches Standbein für die Apotheken. Der Verkauf von Pharmazeutika in Rumänien stieg 2016 zu Großhandelspreisen um 10,6% auf rund 12,95 Mrd. Lei (rund 2,88 Mrd. Euro; EZB-Wechselkurs Jahresdurchschnitt 2016: 4,4904 Lei = 1 Euro). Insgesamt wurden 542,8 Mio. Verpackungen (+2,1%) ausgeliefert. Der Umsatz mit rezeptpflichtigen Medikamenten im Einzelhandel wuchs um 12,0% auf über 8,8 Mrd. Lei. Allerdings ist dieser Umsatzzuwachs zu relativieren: Ohne Berücksichtigung der zwischen Herstellern und Krankenkasse geschlossenen Lieferverträge ergibt sich für verschreibungspflichtige Medikamente ein Rückgang um 3,0% auf 7,64 Mrd. Lei. Bei den "Vertragsmedikamenten" handelt es sich um wenige, meist hochpreisige Produkte aus den ATC1-Gruppen L (antineoplastische und immunmodulierende Mittel) und B (Blut und blutbildende Organe). Das ist auf die zum 1.7.2015 in Kraft getretenen Preissenkungen für verschreibungspflichtige Medikamente zurückzuführen, berichtet das Marktforschungsunternehmen für den Pharma- und Gesundheitsbereich Cegedim. Die Preissenkungen haben den Druck auf die Versorgungskette (Groß- und Einzelhandel) und die Hersteller im Jahr 2016 erhöht. Auch die Sortimentsbreite und -tiefe und damit die Behandlungsoptionen für die Patienten leiden. So verschwinden Medikamente, deren Patent abgelaufen ist, vom rumänischen Markt und werden zum Teil nicht oder nicht adäquat ersetzt. Arzneimittel zur Behandlung von Infektionskrankheiten (Antiinfektiva, ATC1-J) waren 2016 die einzige therapeutische Gruppe, deren Wertzuwachs mit 78,9% deutlich über dem Marktdurchschnitt lag. Dies war auf den erheblichen Einfluss von Medikamenten zur Behandlung von Hepatitis C ohne Interferon zurückzuführen. Apotheken bauen Verkauf im OTC-Segment aus Das Krankenhaussegment spielt mit einem wertmäßigen Anteil von 11,7% beziehungsweise mengenmäßigen Anteil von 5,1% am rumänischen Gesamtmarkt nur eine untergeordnete Rolle. Der Großteil der Medikamente wird in Apotheken verkauft. Weil die Preise auf verschreibungspflichtige Medikamente gesenkt wurden, wollen die Apotheker den Verkauf von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (OTC-Segment) ausbauen. Einen Teil der exportierbaren verschreibungspflichtigen Medikamente führt der Handel im Bemühen um wirtschaftliches Überleben ins Ausland aus. Die rumänischen Patienten zahlen rezeptfreie Arzneimittel komplett, außerdem durchschnittlich 19% der verschreibungspflichtigen Medikamente. Sie sehen sich jedoch mit Problemen bei einer ausreichenden Versorgung mit Medikamenten konfrontiert. Hierzu tragen auch die Parallelexporte bei, die auf eine Größenordnung von 300 Mio. bis 400 Mio. Euro geschätzt werden. 1 www.gtai.de
Pharma-Hersteller sehen sich starkem Preisdruck ausgesetzt Die Hersteller haben durch Preisreduzierungen und Parallelexporte bereits erhebliche Verluste hingenommen und können nicht noch weitere Einschnitte bei den Preisen verkraften, berichtet Cegedim. Hinzu kommt, dass etwa zwei Drittel der Präparate, für die das Patent abgelaufen ist, aufgrund von Preisreduktionen und sogenannter Clawback-Steuer nicht mehr kommerzialisierbar sind. Diese schränkt den finanziellen Spielraum der Pharmaunternehmen massiv ein. Die Sonderabgabe müssen Produzenten an den Staat für den Vertrieb jener Medikamente entrichten, die mit dem nationalen Krankenversicherungsfonds abgerechnet werden. Mit ihr soll die staatliche Unterfinanzierung des Systems teilweise kompensiert werden. Die derzeitige Unterstützungsquote für Arzneimittel von 64% aus Mitteln der nationalen Krankenkasse und des Gesundheitsministeriums ist im westeuropäischen Vergleich niedrig. Als notwendig gelten Modifizierungen bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten, so etwa bei Clawback-Steuer und Preissetzungssystem, um den Markt wieder in die Normalität zu führen. Preise für Medikamente mit auslaufendem Patent sollen um 35% sinken Die im Dezember 2016 neu gewählte Regierung hatte im Wahlkampf angekündigt, die Preise für Medikamente mit auslaufendem Patent um 35% zu senken. Ob dies auf einmal oder in mehreren Schritten erfolgen soll, ist noch unklar. Erwartet werden jedoch neue Knappheiten. So sollen laut Gesundheitsministerium 2016 insgesamt 1.628 medizinische Produkte vom rumänischen Markt verschwunden sein - nach der Preisaktualisierung im Jahr 2015. Zu den betroffenen Medikamenten zählen Präparate zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten und Epilepsie, Antibiotika zur Behandlung von bakteriellen Infektionen in Krankenhäusern und Präparate für die Chemotherapie. Das Gesetz Nr. 75/2009 sieht regelmäßige Preisaktualisierungen vor. Dies wurde jahrelang von der Politik ignoriert - bis 2015, als es zu erheblichen, für den Markt schädlichen Preissprüngen kam. Kürzlich wurde in der Wirtschaftspresse gemeldet, dass große internationale Pharmaproduzenten zahlreiche Medikamente und Impfstoffe vom Markt genommen haben, weil sie mit den von der rumänischen Regierung empfohlenen Preisen nicht einverstanden sind. 2 www.gtai.de
Pharmamarkt 2016 nach ATC1 *) Gruppe ATC1 Wert in Mio. Wert - Veränderung Anteil in Durchschnittspreis je Ver Lei 2016/2015 (in %) % packung in Lei Gesamt 12.946,4 +10,6 100,0 23,9.Topgruppe ATC1 11.025,5 +11,3 85,2 23,8..A - Alimentäres System und Stoffwechsel..C - Kardiovaskuläres System..J - Antiinfektiva zur systemischen Anwendung..L - Antineoplastische und immunmodulierende Mittel..M - Muskel- und Skelettsystem 2.203,1 +7,8 17,0 20,3 1.874,4-3,5 14,5 14,3 2.215,5 +78,9 17,1 59,5 1.847,5 +4,4 14,3 535,4 567,9 +3,7 4,4 13,1..N - Nervensystem 1.351,8-3,9 10,4 16,3..R - Respirationstrakt 965,3 +1,0 7,5 16,8.Andere Gruppen ATC1 1.920,9 +6,7 14,8 24,4 *) Anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation Rumänischer Pharmamarkt 2016 nach Abnehmern Kanal Wert *) in Mio. Lei Veränderung 2016/2015 (in %) Marktanteil (in %) Gesamtmarkt 12.946 +10,6 100,0.Einzelhandel 11.437 +11,9 88,3..Rezeptpflichtige Arzneimittel 8.838 +12,0 77,3..Rezeptfreie Arzneimittel (OTC) 2.598 +11,6 22,7.Krankenhäuser 1.510 +2,0 11,7 *) zu Apotheken-Beschaffungspreisen Pharmaproduktion steigt 2017 wieder Die nationale Prognosekommission erwartet für 2017 einen Zuwachs der Arzneimittelproduktion um 4,8% und für den Zeitraum 2018 bis 2020 eine Steigerung um durchschnittlich 5,2%. Dagegen ging die Produktion der 3 www.gtai.de
pharmazeutischen Industrie 2016 unbereinigt um 5,4% und inflationsbereinigt um 4,7% im Vergleich zum Vorjahr zurück. Die Umsätze verringerten sich 2016 um 11,7%, die Aufträge schrumpften um 11,3%. Die zehn führenden Arzneimittelproduzenten am rumänischen Markt vereinten 2016 einen Umsatz von 6,3 Mrd. Lei auf sich. Das entsprach einem Marktanteil von 48,6%. Für die größten 20 Hersteller waren es 69,5% bei 9,0 Mrd. Lei. Den höchsten Umsatz erzielte 2016 AbbVie, gefolgt von Sanofi, Novartis, Pfizer und Servier. Hoffmann La Roche rutschte im Vergleich zu 2015 vom dritten auf den achten Rang ab. AbbVie profitierte von der Erstattung des Arzneimittels Viekirax durch die Nationale Gesundheitskasse (National Health Insurance House). Viekirax wird zur Behandlung chronischer viraler Hepatitis, also in der interferonfreien Behandlung von Hepatitis C, eingesetzt. TOP-20 Pharma-Unternehmen im Jahr 2016 (Umsatz in Mio. Lei; Marktanteil in %) Unternehmen Umsatz Marktanteil Gesamtmarkt 12.946,4 100,0.AbbVie 1.441,9 11,1.Sanofi (inklusive Zentiva) 831,3 6,4.Novartis (inklusive Sandoz) 591,3 4,6.Pfizer 569,8 4,4.Servier (inklusive Egis) 561,7 4,3.Sun Pharma (inklusive Terapia) 540,6 4,2.GlaxoSmithKline 528,0 4,1.Hoffmann La Roche 474,2 3,7.AstraZeneca 410,5 3,2.Teva 340,2 2,6.Krka 320,3 2,5.Merck & Co 317,1 2,4.Johnson & Johnson 305,7 2,4.Bristol Myers Squibb 301,4 2,3.Menarini 300,4 2,3.Antibiotice 300,1 2,3.Bayer Healthcare AG 277,3 2,1.Alvogen (inklusive Labormed) 202,1 1,6.Mylan 199,2 1,5.Reckitt Benckiser 188,7 1,5 In der rumänischen Pharmabranche waren Ende 2016 rund 10.600 Personen beschäftigt (2015: 10.200 Personen). Die durchschnittlichen Bruttolöhne beliefen sich im Dezember 2016 auf 4.596 Lei, die Nettolöhne auf 3.283 Lei. 4 www.gtai.de
(M.M.) KONTAKT Christian Overhoff +49 (0)228 24 993-321 Ihre Frage an uns Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck auch teilweise nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt. 2017 Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. 5 www.gtai.de