FOSUMOS Arbeits-Diner: Sucht im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Ähnliche Dokumente
Merkblatt Erwachsenenschutzrecht für im Gesundheitswesen tätige Fachpersonen

Von den aufgabenbezogenen Rollen der Hauptakteure im Kindes-/Erwachsenenschutz

Mitwirkungsbedürftige und höchstpersönliche Geschäfte nach neuem Recht

Das Erwachsenenschutzrecht erhöht die Anforderungen an die Heime

NEUES ERWACHSENENSCHUTZRECHT

Die Revision des Kindesund

November aktuell. Neuerungen im Erwachsenenschutzrecht

Das neue Erwachsenenschutzrecht für die Gerichte nützliches Wissen Tagung vom 16. Mai 2013

Soziale Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz

Das neue Erwachsenenschutzrecht und Aspekte der Vermögensverwaltung

Gratwanderung zwischen Selbstbestimmung und Verantwortung Rechtliche Aspekte. 1. Fallbeispiel mit Bezug auf das Erwachsenenschutzrecht

Kindes- und Erwachsenenschutz-

Donnerstag, 7. Mai 2015

wägelwiesen Erwachsenenschutzrecht Ein Leitfaden wohnen leben pflegen

Dringliche Anmeldung

Schweizerisches Zivilgesetzbuch

WOHNEN UND LEBEN IN EINER ALTERSINSTITUTION

Merkblatt. Beistandschaften (Art ZGB)

KESB-Kennzahlen Kanton Zürich. Bericht Verabschiedet am 21. August KPV KESB-Präsidien- Vereinigung Kanton Zürich

Strategisches Management in der Sozialhilfe

Patrick Zobrist, M.A. Sozialarbeiter, Dozent und Projektleiter Hochschule Luzern Soziale Arbeit

18 Fragenkatalog. 1. Durch welche Begriffe wurde Mündigkeit, Unmündigkeit und Vormundschaftsbehörde abgelöst?

Kinder ohne Kontakt zur alleinigen Inhaberin der elterlichen Sorge

Juli 2013 Empfehlungen der SBVg und der KOKES zur Vermögensverwaltung gemäss Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Die wichtigsten Neuerungen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts

EFM. Erfassungsinstrument Freiheitsbeschränkende Massnahmen / Version 3

Zusammenarbeit insieme Freiamt mit der KESB

Informationen zum Heimeintritt

Arbeitsrechtliche Herausforderungen. Gesundheitswesen. 4-tägiges Seminar. Für Praktikerinnen und Praktiker

Kostengutsprache und Eintrittsformular

Autonomie stärken Zwang eindämmen!

Das neue Erwachsenenschutzrecht stärkt das Selbstbestimmungsrecht

Vorsorgevollmacht. Ich,... (Vollmachtgeber/in) (bevollmächtigte Person)

Vertrag über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kreis Liestal

Neues Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Juli 2013 Empfehlungen der SBVg und der KOKES zur Vermögensverwaltung gemäss Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Wie mache ich mein Haus fit fürs Alter? Steuer-, güter- und erbrechtliche Aspekte. Martin Keller

Rechenschaftsberichte im Kindes- und Erwachsenenschutz

HAUS ZUR STAUFFACHERIN

Gemeinsame elterliche Sorge (GES)

Von den juristischen Grundlagen zu den konkreten Anforderungen an die Einrichtungen

ELTERNFRAGEBOGEN. Name: Vorname: Tel: Ausgefüllt am:

Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich

Besetzung Präsident: Jérôme Delabays Roland Henninger, Michel Favre Gerichtsschreiberin: Laura Granito

Schnelle und unkomplizierte Hilfe auf Abruf

Die behördlichen Massnahmen. Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Herbsttagung vom 28. November 2012

Das neue Gesetz zur Zwangsbehandlung von psychisch Kranken

15. Vierwaldstätter- Psychiatrietag. Donnerstag, 22. Januar 2015, Grand Casino Luzern

Palliative Care und Psychische Erkrankungen Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit

REGIONALER SOZIALDIENST BÜREN AN DER AARE. BEIRATSCHAFT (Art. 395 ZGB)

Verfahren zur Übertragung bzw. Übernahme einer Massnahme

Kumulative Kausalität. Beispiel. Problemstellung

Soziale Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz

Name/Vorname: geboren am: Geburtsname: Geburtsort: Anschrift/Tel.: Name/Vorname: geboren am: Geburtsname: Geburtsort: Anschrift/Tel.

Diese Massnahmen hat die Schweizerische Alzheimervereinigung in einem Forderungskatalog festgehalten.

D a t e n s c h u t z i m K i n d e s - und E r w a c h s e n e n s c h u t z r e c h t

Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG)

Neuer Standort in Burgdorf ab. 1. Sept Sucht tut weh. Suchtmedizinische Abklärung und Behandlung

«Die Rolle und Funktionsweise der KESB im Kontext des zivilrechtlichen Kindesschutzes»

Care Management. UPP und südhang. Thomas Krebs Stv. Chefarzt Kompetenzzentrum für Mensch und Sucht. Seite 1 03/09/15

Hinweis zur Ergänzung im Fall schwerer Erkrankung. Anpassung der PATIENTENVERFÜGUNG für den Fall schwerer Krankheit

Die Aufwertung der Selbstbestimmung im neuen Erwachsenenschutzrecht

Zusammenarbeit zwischen KESB und Berufsbeistandschaft: Anspruch, Hoffnung und Wirklichkeit

Sterbehilfe oder wieviel Autonomie ist am Lebensende sinnvoll und wichtig?

Gemeinsame elterliche Sorge.

Reglement über Hilfeleistungen an Opfer von Gewalt

Strafrechtliche Verantwortlichkeit von SozialarbeiterInnen bei Kindeswohlgefährdung. Prof. Dr. Brigitta Goldberg

Stiftung St.Wolfgang. Alfons-Aeby-Strasse Düdingen Tel Fax

Merkblatt. Führung von Beistandschaften

VORSORGE IST BESSER ALS NACHSORGE

Freiheitsbeschränkung durch Medikation. C. Miller

AMT DER KÄRNTNER LANDESREGIERUNG. A b t e i l u n g 4 (Kompetenzzentrum für Soziales) RICHTLINIEN

Konkubinat Ehe Eingetragene Partnerschaft. Art. 62 ff. ZStV) Wahl. - Zeugen bei Trauung. - Begründung der Ehe durch Ja-Wort

Private Sicherheitsdienste

Bundesamt für Justiz Bundesrain Bern (per Mail an Luzern, 31. März 2014

Meine Rechte. Patientendossier

Ja Nein Welche Medikamente? Welche Allergien?

RECHTSGÜLTIGE GESETZE UND VERORDNUNGEN

Lösungsskizze der Bachelorprüfung im Kindes- und Erwachsenenschutz vom 5. Januar 2011

Aufnahmevereinbarungen WOHNHEIM KONTIKI

Alterszentren mit spezieller Ausrichtung. Ein Zuhause für ältere Menschen mit psychischen oder sozialen Beeinträchtigungen

Häufig gestellte Fragen. Die wichtigsten Fragen und Antworten von A bis Z.

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Revisorat. Seite 1/5

Merkblatt für unverheiratete Eltern Betreuungs- und Unterhaltsvertrag

Zielsicher. Konzentriert. Individuell.

Zwei Jahre Kindesschutzrecht eine Zwischenbilanz

Anregung zur Bestellung eines Betreuers (Vordruck aus 7 Seiten, Internetversion Betreuungsstelle Stadt Würzburg)

Anmeldung. Bei Dauer-, Ferien-, und Rehaaufenthalte ist die Eintrittszeit um Uhr

P e n s i o n s v e r t r a g

Jahresbericht 2015 zu Händen des Bezirksrats

In Äthiopien leben unzählige Kinder in einfachsten Verhältnissen auf der Straße. Adoption.

Dieser Brief ist für Sie nur von Bedeutung, falls Sie sich unfreiwillig in der Klinik befinden und entlassen werden wollen.

Inhaltsübersicht. Inhaltsverzeichnis 9 Abkürzungsverzeichnis 15 Zusammenfassung 21

KINDESSCHUTZ. Referat am kantonalen Austauschtreffen «Kinder aus suchtbelasteten Familien» Jacqueline Büttner, Vizepräsidentin KESB Mittelland Süd

Das Psychiatriezentrum Münsingen Sven Andersson, Berufsschullehrer Praxis / MAS Mental Health. Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern

Ich bevollmächtige widerruflich und über meinen Tod hinaus

Heimreglement der Gemeinde Degersheim

Name Institution: Alters- und Pflegeheim Johanniter, Mülhauserstrasse 35, 4056 Basel

Fixierung und freiheitsentziehende Maßnahmen unter juristischen Aspekten. BvPP-Fachtagung zum Thema Fixierung , Augsburg

Zukünftige Finanzierung der Sonderpädagogik

Transkript:

(Medizinische) Zwangsmassnahmen und neues Kindes- und Erwachsenenschutzrecht Daniel Rosch lic. iur./dipl. Sozialarbeiter FH/ MAS in Nonprofit-Management Prof. (FH) Hochschule Luzern Soziale Arbeit Kompetenzzentrum für Kindes- und Erwachsenenschutz Institut Sozialarbeit und Recht FOSUMOS Arbeits-Diner: Sucht im neuen (Medizinische) Zwangsmassnahmen? - Gegen den Willen? - Einwilligung und wirklicher Wille freier Wille? - Ohne den Willen? Medizinische Massnahmen ohne Zustimmung und Notfälle nart. 426 Abs. 1 ZGB Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. 1

nart. 314 b ZGB Muss das Kind in einer geschlossenen Einrichtung oder in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden, so sind die Bestimmungen des Erwachsenenschutzes über die fürsorgerische Unterbringung sinngemäss anwendbar. Unterbringung & Einrichtung - Unterbringung i.w.s.: Bestimmung über den Aufenthalt gegen den (mutmasslichen/hypothetischen) Willen einer Person mit dem Ziel der Personensorge (fürsorgerische Unterbringung i.e.s.) sowie die mit dem Aufenthalt verbundenen Betreuung/Behandlung - Einrichtung: - Weite Auslegung - auch ohne geschlossene Abteilungen, wie betreute Wohngruppen, Seniorenresidenzen, Krankenhäuser, auch die eigene Wohnung oder Wohnung von Familienangehörigen Aufhebung/Relativierung bisheriger Anstaltsbegriff? Zuständigkeit - Grundsatz: Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) (nart. 428 ZGB) - Ergänzung: -(geeignete?) Ärzte/innen gemäss kant. Recht max. 6 Wochen & weiterer Verfahrensbestimmungen (nart. 429 f. ZGB) - ärztliche Leitung (Heimärzte?) für Zurückbehaltung von 3 Tagen bei Gefahr von Leib und Leben oder ernsthafte Gefährdung von Leben/körperlicher Integrität Dritter (nart. 427 ZGB) 2

Behandlungsplan bei FU I - Behandlungsplan als Standardinstrument qualitätsorientierter Betreuung in Institutionen - Für Personen nur mit psychischer Störung (Ausweitung auf geistig behinderte/schwer verwahrloste Personen?) - Eintritt Behandlungsplan laufend aktualisiert - Ärztliche Aufklärungspflicht (Informed Consent) - Berücksichtigung Patientenverfügung ( Selbstbestimmungsrecht) - Zustimmung urteilsfähiger Person unter FU erforderlich Behandlungsplan bei FU II - Verweigerung (SAMW: nicht leichthin) - Ohne Zustimmung kann Chefarzt (Stv./Belegarzt?) medizinische Massnahmen schriftlich mit Rechtsmittelbelehrung anordnen: - ernsthafter gesundheitlicher Schaden oder Leben/ körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet & - Urteilsunfähigkeit in Bezug auf Behandlungsbedürftigkeit & - keine weniger weit einschneidende, geeignete Massnahme - Notfälle unter Berücksichtigung des Willens Psychisch oder somatisch? - Behandlung einer psychischen Störung einer urteilsunfähigen Person in einer psychiatrischen Klinik ( Einrichtung) richtet sich nach Bestimmungen der FU (Rechtsgleichheit?) -Ansonsten Vertretungsrechte bei Urteilsunfähigen: - Patientenverfügung/Vorsorgeauftrag - Beistand mit entsprechender Vertretungsmacht - Ehegatte/eingetr. Partner/in mit gem. Haushalt oder regelmässiger pers. Beistand - Gemeinsamen Haushalt und regelmässig pers. Beistand - Nachkommen und regelmässig pers. Beistand - Eltern und regelmässig pers. Beistand - Geschwister und regelmässig pers. Beistand 3

Behandlungsplan und bewegungsbeschränkende Massnahmen - Mechanische oder elektronische bewegungsbeschränkende Massnahmen ( medizinische Massnahmen): Fixationen, Bettgitter etc. - Ernsthafte Gefahr für Leben/körperliche Integrität der betroffenen oder Dritten oder - Schwerwiegende Störung der Gemeinschaft - Protokollierung, Information vertretungsberechtigte Personen, Einschreitung Erwachsenenschutzbehörde -Sedierendes Medikament? - Botschaft: Abgrenzung der Bereiche - Wirkung dieselbe: beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Ambulante (Zwangs-) Massnahmen - Nachbetreuung: Delegation an Kantone - Keine zwangsweise Verabreichung von Medikamenten - Urteilsunfähige Vertretungsrechte - Minimalstandards bei FU/bewegungseinschränkenden Massnahmen sind zu beachten - Zuständig: Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Vertrauensperson - Schwächezustand verhindert i.d.r. Geltendmachung von zustehenden Rechten Vertrauensperson während Aufenthalt Klinikpersonal Aufgaben - Begleitende/beratende Tätigkeit - Akteneinsichts- und Auskunftsrecht - Besuche auch ausserhalb offizieller Zeiten - Miteinbezug bei Erarbeitung Behandlungsplanes 4

Austrittsgespräch -Bei Rückfallgefahr von Personen mit medizinischen Massnahmen (weite Auslegung; potentiell besteht in aller Regel Rückfallgefahr) - Ziel: Behandlungsgrundsätze für allfällige neue FU - Gesetzlich nur Entlassungsgespräch verpflichtend; nicht nur bei Entlassung, sondern auch bei Beendigung Medikation ohne Zustimmung, bewegungsbeschränkenden Massnahmen (siehe SAMW) Evaluations- und Qualitätssicherungsgespräch & Verhinderung von (Re-) Traumatisierungen Deshalb einmal mehr: Jedes Gesetz ist nur so gut wie seine Rechtsanwender/-innen! 5