10. Weimarer Immobilienrechtstage Die Prof. Dr. Florian Jacoby, Universität Bielefeld
I. Überblick 1. Kündigungssperre bei Umwandlung nach Münchener Modell, 577a Ia BGB 2. Bauherreneigenschaft der einzelnen Wohnungseigentümer, 559 I BGB 3. Bauausführung unter Nutzung des Minderungsausschlusses, 536 Ia BGB 4. Terminologie der baulichen Veränderungen, 22 II WEG Folie 2
BGH zum Münchener Modell BGH NJW 2009, 2738: Auf eine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters findet die Kündigungsbeschränkung des 577a BGB keine Anwendung, wenn nach der Kündigung Wohnungseigentum der Gesellschafter begründet wird. BGH ZMR 2012, 264 I: Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann sich auf einen in der Person eines Gesellschafters bestehenden Eigenbedarf auch dann berufen, wenn dieser der Gesellschaft bei Abschluss des Mietvertrags oder bei Eintritt der Gesellschaft in einen bestehenden Mietvertrag noch nicht angehörte. BGH ZMR 2012, 264 II: Wird eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses und Vermieterin der Wohnungen dieses Anwesens ist, unter Bildung von Wohnungseigentum und Eintragung der einzelnen Gesellschafter als Eigentümer der jeweils zugewiesenen Wohnungen auseinandergesetzt, tritt der neue Eigentümer in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Folie 3
Kündigungssperre, 577a BGB-neu (1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen. (1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter 1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder 2. zu Gunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Folie 4
2. Mieterhöhung und Modernisierung durch Gemeinschaft der Wohnungseigentümer 559 Abs. 1 BGB: Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 11 vom Hundert der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Auch wenn formal die rechtsfähige Gemeinschaft Bauherr ist, ist Voraussetzung des 559 BGB erfüllt, weil die Gemeinschaft nur rechtstechnischen Mittel für die Vielzahl der Eigentümer ist, so dass Vermieter durch die rechtsfähige Gemeinschaft Bauherr ist. Folie 5
3. Bauausführung unter Nutzung des Minderungsausschlusses, 536 Ia BGB Der Dreimonatszeitraum beginnt mit der ersten Beeinträchtigung, die aus dem umzusetzenden Modernisierungsvorhaben resultiert und die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert (vgl. Hinz NZM 2013, 209, 217). Auswirkungen in Wohnungseigentumsanlage: - Entlastung des einzelnen vermietenden Eigentümers, wegen 14 Nr. 4 WEG auch der Gemeinschaft, - Anhaltspunkt für ordnungsmäßige Verwaltung, - Haftungsgefahren für Verwalter bei verschuldeten Verzögerungen. Folie 6
4. Terminologie baulicher Veränderungen a) Terminologie aus Sicht des Mietrechts - Erhaltungsmaßnahmen, 555a BGB - Modernisierungsmaßnahmen, 555b Nr. 1-7 BGB Minderungsausschluss des 536a Ia BGB beschränkt sich auf energetische Modernisierung nach Nr. 1 Modernisierungsmieterhöhung beschränkt sich auf Nr 1, 3, 4, 5 oder 6 Problemfall: modernisierende Instandhaltung 559 II BGB: Kosten fiktiver Erhaltungsmaßnahmen werden rausgerechnet. Sonst ( 536 Ia BGB) Fall der Modernisierung (str.) Folie 7
b) Terminologie aus Sicht des WEG Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung - Instandhaltung und Instandsetzung, 21 V Nr. 2 WEG - modernisierender Instandhaltung, 22 III WEG - Modernisierung isv 555b Nr. 6 BGB ( bauliche Maßnahmen, die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach 555a sind ) Modernisierung nach 22 II WEG - Modernisierung isv 555b Nr. 1-5 BGB - wenn sie die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen Sonstige bauliche Maßnahme nach 22 I WEG - Auffangtatbestand - Insbesondere auch Modernisierung isv 555b Nr. 7 BGB Folie 8
II. Schwerpunkt: Modernisierung in einer (vermieteten) WEG-Anlage 1. Tatbestand einer Modernisierung nach 22 II WEG 2. Duldungspflichten 3. Beschlussfassung über Modernisierungsmaßnahmen 4. Kostenverteilung unter den Eigentümern Folie 9
22 Abs. 2 WEG-neu 1 Maßnahmen gemäß Absatz 1 Satz 1, die der Modernisierung entsprechend 555b Nummer 1 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen, können abweichend von Absatz 1 durch eine Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des 25 Abs. 2 und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. 2 Die Befugnis im Sinne des Satzes 1 kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Folie 10
Prüfprogramm bei Modernisierung BGH NJW 2013, 1439: 1. Sanierungsarbeiten, die sich - wie die beschlossene Erneuerung der Balkonbrüstungen - nicht auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des bestehenden Zustands beschränken, können eine modernisierende Instandsetzung im Sinne von 22 III i.v.m. 21 V Nr. 2 WEG sein. 2. Ist das nicht der Fall, sind die Voraussetzungen einer Modernisierungsmaßnahme gemäß 22 II WEG zu prüfen. 3. Nur wenn beide Vorschriften nicht eingreifen, handelt es sich um eine bauliche Maßnahme im Sinne von 22 I WEG. Folie 11
a) Modernisierende Instandsetzung BGH NJW 2013, 1439 benennt zwei Aspekte: - Instandsetzungsbedarf, - Neuerung müsse eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellen. Stellungnahme - Instandsetzungsbedarf von Gewicht, Gepräge der Maßnahme (LG Saarbrücken (-), wenn zwei von zehn Glasbausteinen defekt, die allesamt durch Fenster ersetzt werden sollen.), - Modernisierung bestimmt sich über 22 II WEG nach 555b Nr. 1-5 BGB, - Amortisation (BGH: 10 Jahre) ist Frage allein der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses nach 22 III WEG. Folie 12
b) Weitere Anforderungen des 22 II WEG Merkmale - Veränderung der Eigenart der Wohnanlage, - Keine unbillige Beeinträchtigung von Wohnungseigentümern. Bedeutung - Nicht Abgrenzung der Maßnahme zu 22 I WEG, - sondern Frage der Ordnungsmäßigkeit. Auslegung der Eigenart - BGH recht weit: Schwimmbadvergrößerung zu Lasten Hausmeisterwohng Umgestaltung Balkone ungeachtet baugleicher Umgebung - Stellungnahme: eng (Jugendstil) Folie 13
2. Duldungspflichten Beschlussfassung der Wohnungseigentümer - (Modernisierende) Instandsetzung, 21 III Nr. 2, 22 III WEG - Modernisierung, 22 II WEG - Sonstige bauliche Maßnahme, 22 I WEG LG Hamburg v. 16.1.2013-318 S 55/12: Die Genehmigung einer baulichen Veränderung kann nur in Gestalt einer förmlichen Beschlussfassung erfolgen. (Revision beim BGH anhängig.) Duldungspflichten des Mieters: - Erhaltungsmaßnahmen, 555a BGB - Modernisierungsmaßnahmen, 555d BGB Folie 14
Wiederholung Weimar 2012: Durchsetzung durch Bauherr Gemeinschaft Keine eigenen Duldungsansprüche der Eigentümer (str) - Nach 1004 BGB muss Mieter im Verhältnis zu den Eigentümern nur den Rückbau rechtswidriger/störender Baumaßnahmen dulden. - Es besteht kein Anspruch auf Duldung von Veränderungen des Gemeinschaftseigentums aus Gesetz. Geltendmachung der Vermieteransprüche durch Gemeinschaft - Ansichziehen nach 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG ( Sie übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus ( ), ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind ) Ansprüche nur Einzelner von Beschlusskompetenz erfasst. Ausübung durch alle ist förderlich. - Ermächtigung (gewillkürte Prozessstandschaft), zur Zulässigkeit bei 554 BGB allgemein BGH v. 13.2.2008 - VIII ZR 105/07 Rn. 26 Folie 15
3. Beschlussfassung Ex-Ante: Versammlungsleiter (WEG-Verwalter) - Beschlussquorum Einfache Mehrheit (h.m. auch bei 22 I WEG) Doppelt qualifizierte Mehrheit nach 22 II WEG - Aufklärungspflichten Ordnungsmäßigkeitsanforderungen (Anfechtungsgefahr) Switchen (Möglichkeit, Modernisierung durch (anfechtbaren) Beschluss nach 22 I WEG zu fassen) Ex-Post: Gericht nach Anfechtung - Einschlägiger Tatbestand der 22 I III WEG - Formelle und materielle Anforderungen Folie 16
4. Kostenverteilung unter den Eigentümern Gemeinschaftsmaßnahme ( Einpacken ) - Verteilung nach Miteigentumsanteilen, 16 II WEG - Beschlussweise Abweichung im Einzelfall, 16 IV WEG Individuelle Maßnahme ( Klofenster ) - Kosten des Einbaus Durch Gemeinschaft nur mit Beschl. nach 16 IV WEG Gebräuchlich Kosten bei betroffenen Eigentümer wegen bloßer Einbauerlaubnis auf Selbstkosten - Folgekosten 16 IV WEG ( Einzelfall?) 16 VI WEG nach BGH nur bei 22 I WEG Folie 17
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr. 25 33615 Bielefeld florian.jacoby@uni-bielefeld.de www.jura.uni-bielefeld.de/fir/ Folie 18