Altersvorsorge statt Altersarmut? Tipps für Geringverdiener, Arbeitslosengeld II-Empfänger und Berufsanfänger
Altersarmut trotz Rentenreformen? Riester-Rente, Rürup-Rente, Zuschussrente oder doch nur Grundsicherung im Alter? Trotz zahlreicher Rentenreformen und der Einführung staatlich geförderter Altersvorsorgeprodukte ist das Thema Altersarmut für breite Bevölkerungsschichten immer noch ein ungelöstes Problem. Viele haben erkannt, dass der Aufbau einer eigenen zusätzlichen Altersvorsorge notwendig ist. Selbst Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) können als direkt förderberechtigte Personen mit nur wenig Eigenbeitrag von der Riester-Förderung profitieren. Doch was nutzt die beste staatliche Förderung mit Zulagen oder Steuervorteilen, wenn man im Alter trotzdem nur auf Grundsicherungsleistungen auf Hartz IV-Niveau ange wiesen ist und womöglich nur für den Staat gespart hat? Denn nach der derzeitigen Rechtslage werden alle Einkünfte auf die Grundsicherung angerechnet. Durch eigenes Sparen reduziert manch Bedürftiger damit lediglich seinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Inzwischen hat die Politik den Handlungsbedarf erkannt. Durch ein neues Rentenreformpaket soll es zukünftig eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Alterssicherung geben. Geplant war, bereits ab 2013 eine neue, sogenannte Zuschussrente einzuführen, mit der die Lebensleistung in der Rente gerecht belohnt werden soll. Mit den folgenden Information möchten wir allen Betroffenen Tipps und Hinweise geben zu zwei wichtigen Themenfeldern: 1. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und 2. Die (geplanten) Modelle zur Bekämpfung der Altersarmut. 3
1. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Fast jeder siebte Bundesbürger war im Jahr 2010 armutsgefährdet, wie aus einer im Dezember 2011 veröffentlichten Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtverbands hervorgeht. Hiernach gelten Personen als armutsgefährdet, die über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen. Bei Single-Haushalten liegt diese Einkommensschwelle bei 826 Euro. Bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren wird ein monatliches Einkommen von 1.735 Euro unterstellt. Schaut man auf die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund, so betrug im Jahre 2010 der durchschnittliche monatliche Rentenzahlbetrag der Alters rente bei Frauen 535 Euro, bei Männern 999 Euro. (Im Westen erhielten Frauen durchschnittlich nur 490 Euro, im Osten dagegen 705 Euro. Bei den Männern lag die Altersrente bei 985 Euro (West) und 1.060 Euro (Ost)). Eine geringe Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, von Altersarmut betroffen zu sein. Viele Rentnerhaushalte verfügen durch Sparguthaben und sonstige Einnahmequellen auch im Alter über ein ausreichendes Einkommen. Nach den offiziellen Zahlen haben heute rund 97,5 Prozent aller Bundesbürger ab 65 Jahren eine ausreichende Versorgung. Und von den rund 16,8 Millionen Senioren ab 65 sind nur etwas mehr als 400.000 (oder knapp 2,5 Prozent) auf staatliche Grundsicherungsleistungen im Alter angewiesen. Was bedeutet eigentlich Grundsicherung? Wer im Rentenalter bzw. auch im Falle der vollen Erwerbsminderung über kein ausreichendes Einkommen verfügt, bekommt nach der derzeitigen Rechtslage eine steuerfinanzierte Grundsicherung. Konkret bedeutet dies, dass eine geringe Rente oder sonstige Einnahmen vom Sozialamt aufgestockt werden in etwa Hartz IV-Niveau. Die Grundsicherung im Alter ist also eine Leistung der Sozialhilfe, die den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherstellt. Sie ist damit weder eine Ersatz- noch eine Mindestrente. Im Unterschied zur normalen Sozialhilfe gibt es bei der Grundsicherung in der Regel keinen Rückgriff auf das Einkommen der Kinder (Ausnahme: hohes Jahreseinkommen über 100.000 Euro). Wer Grundsicherungsleistungen beantragt, muss also nicht befürchten, dass Kinder oder Eltern in Regress genommen werden. Die Gewährung von Grundsicherungsleistungen ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: l Leistungsberechtigt sind in Deutschland wohnende Personen, die entweder die für sie geltende Altersgrenze erreicht haben oder die dauerhaft voll erwerbsgemindert und mindestens 18 Jahre alt sind. l Leistungsberechtigt sind auf Antrag nur hilfebedürftige Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht bzw. nicht ausreichend aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten können. l Grundsicherungsleistungen sind stets abhängig von der Bedürftigkeit. l Vorhandenes Einkommen und Vermögen werden mit Ausnahme eines kleinen Schonvermögens von 2.600 Euro grundsätzlich im vollen Umfang angerechnet. Für den Ehe- oder Lebenspartner bleiben zusätzlich 614 Euro anrechnungsfrei. Bezogen auf die eigene private, betriebliche und/oder sonstige Altersvorsorge bedeuten diese Regelungen: Das gesamte verwertbare Vermögen (wie z. B. Bargeld, Wertpapiere, Sparguthaben, Haus- und Grundvermögen, Pkw) muss erst verbraucht sein, bevor Grundsicherung beansprucht werden kann. Und da fast alle monatlich zufließenden Einkünfte auf die Grundsicherung anzurechnen sind, bedeutet dies, dass Renten und Pensionen jeder Art voll zum Einkommen zählen, also auch die Riester- oder Rürup- Rente in der Auszahlungsphase. Wer beispielsweise im Rentenalter eine Auszahlung oder Rentenleistung aus einem Riester-Banksparplan oder einer Riester-Rentenversicherung in Höhe von monatlich 50 Euro bezieht, reduziert im Falle der Bedürftigkeit dadurch nur seinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen. 4 5
Empfehlungen: l Auch wenn im Einzelfall die Unsicherheit besteht, dass tatsächlich ohne eigenen finanziellen Vorteil für das Alter gespart wird, empfehlen die Verbraucherzentralen gleichwohl allen, sich frühzeitig mit der eigenen Rentensituation näher zu beschäftigen und entsprechend vorzusorgen. l Gerade Geringverdiener und Empfänger von Arbeitslosengeld II sind von Altersarmut bedroht. Wer im Alter nicht allein auf unterstützende Sozialleistungen angewiesen sein will, sollte versuchen Eigenvorsorge zu betreiben. l Geringverdienern, ALG II-Empfängern oder Berufsanfängern kann im Einzelfall die Ausnutzung der staatlichen Riester-Förderung empfohlen werden. Riester-Verträge sind durchaus flexibel und können auch mit niedrigen Eigenbeiträgen bespart werden. Ganz wichtig ist hierbei aber die richtige Produkt- und Anbieterauswahl, bei der insbesondere auf die Produktkosten geachtet werden sollte. l Und sollte sicher absehbar sein, dass im Rentenalter der Bezug von Grundsicherungsleistungen droht, bleibt Vorsorgewilligen immer noch die Möglichkeit, vorhandene Altersvorsorgeverträge wieder zu kündigen. (Kündigungsreglungen sind hierbei zu beachten, wobei nicht jeder Vertrag z. B. die Rürup-Rente überhaupt zur Kapitalauszahlung kündbar ist.) l Aber: Wichtig zu wissen ist hierbei, dass die Sozialhilfebedürftigkeit in den vergangenen zehn Jahren vor Antragstellung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist. Wer angespartes Kapital oder vorhandenes Vermögen erst kurz vor dem Renteneintrittsalter leichtfertig verschenkt oder verschleudert, statt beispielsweise notwendige Anschaffungen zu tätigen, wird keine Grundsicherung erhalten können. Durch diese gesetzliche Regelung soll verständlicherweise Leistungsmissbrauch verhindert werden. 2. Die (geplanten) Modelle zur Bekämpfung der Altersarmut Wie sich Bedürftigkeit im Alter zukünftig entwickeln wird, kann heute niemand verlässlich voraussagen. Nach dem Willen der Bundesregierung sollte jedoch bereits ab 2013 die sogenannte Zuschussrente eingeführt werden. Mit der ursprünglich geplanten, beitragsfinanzierten Zuschussrente sollte die Lebensleistung in der Rentenversicherung honoriert werden. Denn bislang macht es keinen Unterschied, ob Menschen ihr Leben lang mit nur niedrigem Einkommen gearbeitet und vorgesorgt haben. Im Alter stehen sie nicht bzw. kaum besser da als diejenigen, die wenig oder gar nicht gearbeitet und sich nicht um ihre Altersvorsorge gekümmert haben. Vorgesehen war, dass zukünftig die Menschen bessergestellt werden sollen, die wenig verdient, aber lange gearbeitet und zusätzlich vorgesorgt haben. Unter ganz bestimmten Voraussetzungen sollte ihre eigentliche (originäre) Rente auf rund 850 Euro bei Alleinstehenden aufgestockt werden. Die Zuschussrente sollte mit dazu beitragen, dass gerade geringverdienende, aber vorsorgewillige Personen im Rentenalter nicht nur auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. Auch angesparte Renten aus einer zusätzlichen Altersvorsorge (gemeint ist nur die betriebliche Altersversorgung, Riester- und Rürup-Rente) sollten nicht auf die Zuschussrente angerechnet werden und den Vorsorgewilligen voll zur Verfügung stehen. Nachdem die Pläne zur beitragsfinanzierten Zuschussrente in der Koalition endgültig gescheitert sind, hat sich die Bundesregierung Anfang November 2012 darauf verständigt, im Kalenderjahr 2013 eine aus Steuermitteln finanzierte Lebensleistungsrente einzuführen. Wer als Geringverdiener mindestens 40 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht und Altersvorsorge betrieben hat, soll im Alter mehr bekommen als die Grundsicherung. Das Grundsicherungsniveau im Alter liegt derzeit durchschnittlich bei etwa 688 Euro, in Großstädten wegen der höheren Mieten bei bis zu 830 Euro. Durch die neue 6 7
Lebensleistungsrente soll der Rentenwert auf jeden Fall so aufgestockt werden, dass die Höhe der Grundsicherung im Alter übertroffen wird. Wer die Voraussetzungen erfüllt, soll zukünftig eine eigene Rente aus der Rentenversicherung haben und nicht zum Sozialamt müssen. Und obendrauf soll die private Altersvorsorge nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden, sodass sich die Eigenvorsorge zusätzlich noch lohnt. Inkrafttreten soll die Lebensleistungsrente im Spätsommer 2013, wobei die Einzelheiten in dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Altersarmut derzeit noch verhandelt werden. Auch in der Opposition hat man sich dem Thema Altersarmut verstärkt angenommen mit unterschiedlichen Rentenkonzepten, die zur Bekämpfung der Altersarmut beitragen sollen. Diskutiert werden derzeit beispielsweise Forderungen zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne und Modelle zur Einführung einer neuen, steuerfinanzierten Solidar-Rente, die für langjährig Versicherte (40 Versicherungsjahre und 30 Beitragsjahre) auch ohne zusätzliche Eigenvorsorge unter bestimmten Voraussetzungen zu einer monatlichen Rente von mindestens 850 Euro führen soll. Ein anderes Modell fordert eine Solidarische Rentenversicherung, bei der alle Erwerbstätigen, also auch Selbstständige, Beamte und Politiker, einbezogen werden sollen. Dieses Modell soll eine Solidarische Mindestrente von 900 Euro sicherstellen. Und weiter steht die Forderung nach Einführung einer steuerfinanzierten Grünen Garantierente im Raum. Wer auf mindestens 30 Versicherungsjahre kommt, soll bei diesem Modell einen Anspruch auf eine Rente in Höhe von mindestens 850 Euro erwerben, und zwar innerhalb der gesetzlichen Rente und nicht als zusätzliche Grundsicherung oder bedürftigkeitsgeprüfte Lebensleistungsrente. Ausblick: Derzeit (Stand November 2012) ist noch nicht absehbar, welche Konzepte im nächsten Kalenderjahr zur um fassenden Bekämpfung des wichtigen Themas Altersarmut tatsächlich umgesetzt werden. Nähere Einzelheiten werden dem laufenden Abstimmungsprozess und Gesetzgebungsverfahren vorbehalten sein. Auch ist es nicht möglich und nicht beabsichtigt, mit diesem Faltblatt eine inhaltliche Bewertung einzelner geplanter Rentenmodelle vorzunehmen. Gleichwohl ist aber schon jetzt folgendes Fazit zu ziehen: l Zusätzliche Altersvorsorge ist auch für Geringverdiener, Arbeitslosengeld II-Empfänger und Berufsanfänger wichtiger denn je. l Je früher mit dem Aufbau einer Altersvorsorge begonnen werden kann, desto besser. l Vor einem überhasteten Vertragsabschluss wird jedoch gewarnt! Denn entscheidend ist immer die richtige Produkt- und Anbieterauswahl, wobei stets die individuelle finanzielle Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden muss. l Der Abschluss eines möglichst kostengünstigen Riester- Vertrages ist ein guter Baustein zur Eigenvorsorge. l Auch die Ausnutzung der betrieblichen Altersversorgung kann im Einzelfall zweckmäßig sein. l Vom Abschluss einer Rürup-Rente sollten Geringverdiener dagegen besser Abstand nehmen. 8 9
Und nun ein letzter Tipp: Mit diesem Faltblatt können wir nur einige Orientierungshilfen und Denkanstöße zur richtigen Weichenstellung geben. Wer weitere Hilfestellungen wie z. B. persönliche Beratung zur Riester-Rente, Altersvorsorge, Geldanlage oder Versicherungen sucht, sollte das neutrale Beratungs - angebot der Verbraucherzentralen nutzen. Zu Fragen rund um die gesetzliche Rentenversicherung und zur Klärung der persönlichen Rentensituation bieten insbesondere die Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung Bund Hilfe an. 10
Wir beraten Sie gern persönlich, telefonisch und per E-Mail zu ausgewählten Themen. Öffnungszeiten und Terminvereinbarungen unter (05 11) 9 11 96-0 oder www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de Verbrauchertelefon (1,50 pro Min. aus dem deutschen Festnetz Mobilfunkpreise abweichend) 0900 1 7979-01 Internetbetrug Mo von 10-16 Uhr 0900 1 7979-02 Verbraucherrecht Mo-Do von 10-16 Uhr 0900 1 7979-03 Versicherungen Di von 10-16 Uhr 0900 1 7979-04 Banken u. Baufinanzierung Di von 10-16 Uhr 0900 1 7979-06 Telefon und Internet Mo u. Do von 10-16 Uhr 0900 1 7979-07 Krankenversicherungen Mo von 10-12 Uhr 0900 1 7979-08 Energierecht Mo von 16-17 Uhr Di von 12-13 Uhr 26603 Aurich Hafenstraße 7 21614 Buxtehude Ziegelkamp 8 38100 Braunschweig Langer Hof 6 29221 Celle Schuhstr. 40 27749 Delmenhorst Lange Str. 1 26721 Emden An der Berufsschule 3/VHS 37073 Göttingen Papendiek 24-26 30159 Hannover Herrenstr. 14 21335 Lüneburg Wallstr. 4 49716 Meppen Kirchstr. 29 26122 Oldenburg Julius-Mosen-Platz 5 49074 Osnabrück Große Str. 67 37520 Osterode am Harz Rollberg 3 31224 Peine Woltorfer Str. 64 21682 Stade Bahnhofstr. 2 27283 Verden Holzmarkt 7 (Stadtbibliothek) 26382 Wilhelmshaven Grenzstr. 95 38440 Wolfsburg Schillerstr. 42-44 Gefördert durch: Verbraucherzentrale Niedersachsen e. V. Stand November 2012 aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Verbraucherzentrale Niedersachsen e.v. Herrenstr. 14 30159 Hannover Tel.: (05 11) 9 11 96-0 Fax.: (05 11) 9 11 96-10 info@vzniedersachsen.de www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de