Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe

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Transkript:

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Département fédéral de l Environnement, des Transports, de l Energie et de la Communication Dipartimento federale dell Ambiente, dei Trasporti, dell Energia e delle Comunicazioni Federal Department of the Environment, Transport, Energy and Communications U V E K E T E C A T E C E T E C Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe U U S Reg. Nr. 03091402 Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe über den Unfall Zusammenstoss Rangierbewegung-Kranwagen Dulliken Olten VL am Sonntag, 14. September 2003 Telephon Telefax E-mail Adresse +41 (0)31 32 5 70 90 +41 (0)31 323 0076 joseph.zeder@gs-uvek.admin.ch Schwarztorstr. 59 +41 (0)79 277 39 30 CH-3003 Bern

Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR 742.161). 0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Auf der zwecks Einbau einer Brücke gesperrten Gleisanlage Dulliken-Olten VL- Hauenstein kollidierte um ca. 06.05 Uhr eine Rangierbewegung (Am 841 und 12 Wagen) im Gleis 214 mit einem selbstfahrenden Kirow-Kran der Fa. Vanomag AG, Zug. Foto: SBB 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde um 08:06 Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Der nebenamtliche Untersuchungsleiter Joseph Zeder rückte unverzüglich an den Unfallort aus. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Die Strecke Dulliken-Olten VL Hauenstein wurden von Freitagnacht 12.9.03 bis Montagmorgen 15.9.03 durch die SBB Betriebsführung Olten (Anordnung I-BF-OL Syfa 11083 ) für jeglichen Zugsverkehr gesperrt, um eine neue Aarebrücke einzuschieben. Zu diesem Zweck erfolgten auf den gesperrten Gleisen Rangierbewegungen mit unterschiedlichen Schienenfahrzeugen. Für die Fahrten wurden jeweils vom Zentralstellwerk, Abschnitt Nord, auf Verlangen des Baudienstes Rangierfahrstrassen eingestellt; gesichert durch Zwergsignale (ZS). Die Arbeiten dauerten rund um die Uhr. 1.2 Verlauf der Fahrt Um ca 6.00h verlangte das Manöver mit der Lok Am 841 und 12 Schotterwagen (gezogen, 11 Wagen leer, 1 Wagen beladen eine Fahrstrasse, um von Gleis 285 über Gleis 601 zurück nach Gleis 276-267 (KEBAG) zu gelangen. 2/10

Beginn Gleis 601 Gleisabschnitt 214 Position Kran Rangierbewegung Am 841 (ausgeführte Fahrt, geplante Weiterfahrt) Foto: zej, UUS Der Fahrdienstleiter (Fdl) gab der Rangierbewegung freie Bahn mit der Bemerkung, dass das Gleis 601 besetzt sei. Der Lokführer nahm dies zur Kenntnis, war jedoch im Glauben, der Fdl meine mir besetzt" die Wagengruppe, die er selber vorher weit hinten im Gleis 601 abgestellt habe. Als sich die Rangierbewegung dem Gleis 601 näherte, bemerkte der Lf ein paar Mitarbeiter neben dem Gleis und gleich darauf den unmittelbar nach dem Zwergsignal abgestellte Kran. Sofort drückte er den Nothalt und warf sich zu Boden. Eine Kollision war jedoch nicht mehr zu vermeiden. Der Aufprall erfolgte mit ca 32 km/h. Es stellte sich dann heraus, dass sich dort ein selbstfahrender Kranwagen befand, welcher zum Zeitpunkt der Kollision nicht besetzt war (Mannschaft stand neben dem Kranwagen). Der Lokführer der Am 841 wurde leicht am Kopf verletzt. Er wurde aber zur genaueren Abklärung ins Spital überführt, welches er jedoch kurze Zeit später wieder verlassen konnte. Beschädigte Am 841 und Kranwagen Foto: zej.uus 3/10

1.3 Personenschäden Bahnpersonal Reisende Drittpersonen Leicht verletzt: 1 -- -- 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Die Am 841 wurde sehr stark durch den Ausleger des Krans in Mitleidenschaft gezogen. Der entstandene Schaden dürfte sich auf über Fr 100'000.- belaufen. Beschädigte Am 841 Foto: zej, UUS An den Infrastrukturanlagen entstand Schaden durch auslaufendes Öl. Der Bereich des von Oel kontaminierten Geländes musste ausgebaggert werden. 1.5 Sachschäden Dritter Der Kranwagen der Fa. VANOMAG wurde sehr stark beschädigt. Die beiden Drehgestelle wurden um ca. 1m zusammen geschoben und es liefen ca. 1000l Öl aus. Wie weit am Kranaufbau strukturelle Schäden entstanden sind und welches Schadensausmass angenommen werden muss, müssen die Fachdienste abklären. Der Schaden beläuft sich nach Angaben der Fa. Vanoli auf 1.3 MFr. Mittelteil zwischen den Drehgestellen des Kranwagens Fotos: zej, UUS 4/10

1.6 Beteiligte Personen Lokpersonal Lokführer MEV, Am 841 SBB-Lokführer Kranwagen, Division Infrastruktur SBB Fahrdienstleiter Fahrdienstleiter BF Olten, Infrastrukur 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: SBB Zugskomposition: Am 841, 11 Wagen leer, 1 Wagen beladen 8085 986 2440-7, leer (Xas) 8085 986 2154-4, leer (Xas) 4085 956 1116-6, leer (Xs) 4085 956 1409-5, leer (Xs) 4085 956 1404-6, leer (Xs) 4085 956 1117-7, leer (Xs) 4085 956 1134-9, leer (Xs) 4085 956 1105-9, leer (Xs) 4085 956 1109-1, leer (Xs) 4085 956 1103-4, leer (Xs) 4085 956 1107-5, leer (Xs) 4085 956 1108-3, beladen mit 25 t (Xs) Triebfahrzeug: Am 841 009-4 (Diesellokomotive) Zugsgewicht: 337 t Ausgeschaltete Bremsapparate: keine Eigentümer: VANOMAG, Metallstr. 9a, 6304 Zug Zugskomposition: Kirow Kranwagen 80 85 958 1406-8 (Vtmaas) Zugsgewicht: 116 t Ausgeschaltete Bremsapparate: keine 1.8 Wetter, Schienenzustand Nacht. Schienen trocken 1.9 Bahnsicherungssysteme Der Bahnhof Olten ist mit einer Sicherungsanlage des Typs Siemens Simis C (mit gesicherten Rangierfahrstrassen und Zwergsignalen) ausgerüstet Die Bahnsicherungssysteme haben normal funktioniert. Sie sind für den Verlauf des Ereignisses nicht relevant. 1.10 Zug- und Rangierfunk Das Anfordern der Fahrstrasse durch den Baudienst sowie die Freigabe der eingestellten Fahrstrasse durch den Fahrdienstleiter erfolgten via Natel. Die Gespräche wurden nicht aufgezeichnet. 5/10

1.11 Bahnanlagen Totalsperrung für Zugsverkehr früher abgestellte Wagen Kollisionsstelle Der rot eingefärbte Teil war bauseitig mittels Anordnung I-BF-OL Syfa 11083 vom Samstag, 13.9.03 bis Montag, 15.9.03 für den Zugsverkehr total gesperrt. 1.12 Fahrdatenschreiber Die Lok Am Nr. 841 ist mit einer elektronischen Geschwindigkeitsmessanlage Hasler TELOC-AS V 2.21 ausgerüstet. Die Fahrdaten werden elektronisch aufgezeichnet. Sie wurden durch die Verkehrsunternehmung ausgelesen und durch die UUS ausgewertet. Die Auswertung der Fahrdaten ergibt, dass der Lokführer mit einer Geschwindigkeit von 38 km/h gefahren ist und sich somit, für den Streckenteil vor dem schräg stehenden Zwergsignal an die vorgeschriebene Geschwindigkeit gehalten hat. Bei diesem Zwergsignal hätte er jedoch seine Fahrt verlangsamen müssen. Dazu die Vorschrift (FDV, R 300.2, Zif. 2.4.5): Unmittelbar nach dem Zwergsignal muss mit einem Hindernis.. ist mit dem Begriff Fahrt auf Sicht gleich zu setzen. Dieser wird in den Vorschriften wie folgt umschrieben (FDV, R 300.1, Zif. 3.2): FDV, R 300.4, Zif. 3.2 Nach Erkennen des Hindernisses hat der Lokführer die Schnellbremsung korrekt ein- 6/10

geleitet, der erforderliche Anhalteweg (Erkennen des Hindernisses ca 100 m vorher) bei einer Schnellbremsung betrug war jedoch länger als die noch zur Verfügung stehende Distanz zum Hindernis. 1.13 Befunde an den Bahnfahrzeugen Die optische Kontrolle der Fahrzeuge der SBB sowie der Fa. VANOMAG durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. Die Fahrzeuge entsprachen den Vorschriften des Bundesamtes für Verkehr (BAV). 1.14 Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Der Lokführer der Am 841 fühlte sich bei Dienstantritt fit, hatte jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 11 Stunden Arbeitszeit hinter sich. 1.15 Feuer Beim Ereignis trat kein Feuer auf. 1.16 Besondere Untersuchungen Die Schäden am Kran wie auch an der Am 841 sind durch die Fachstellen zu beurteilen, da allfällige strukturelle und im Fahrzeug sich befindende Schäden nicht beurteilt werden konnten (siehe Bilder Zif. 1.4 und 1.5). Die genaue Schadenshöhe an den in die Kollision verwickelten Schienenfahrzeuge wurde durch die entsprechenden Fachdienste ermittelt. 1.17 Informationen über Organisation und Verfahren Der zum Unfallbereich gehörende Bahnhofsteil war während mehreren Stunden für jeglichen Zugsverkehr gesperrt. Darauf konnten aber mit Unterstützung des Fernsteuerstellwerks (ZSW), Abschnitt Nord, durch die Baudienste Rangierbewegungen ausgeführt werden. Der Fahrdienstleiter im ZSW war nicht im Detail orientiert, wo welche Fahrzeuge abgestellt waren. Es war ihm aber möglich, aufgrund der Gleisbelegungsanzeige festzustellen, ob ein Gleisabschnitt belegt war oder nicht. Muss er eine Rangierfahrstrasse für eine Rangierbewegung in ein besetztes Gleis stellen, kann er dies nicht an der Bedienungskonsole machen sondern er muss diese Einstellung an der Panoramawand manuell eingeben. Der Baudienst organisierte sich selber inbezug auf Abstellorte innerhalb des gesperrten Bereichs für ihre Fahrzeuge. 1.18 Verschiedenes Der Fahrdienstleiter kann zwar nicht feststellen, wo Fahrzeuge abgestellt sind, er kann aber feststellen, ob in einem isolierten Gleisabschnitt solche stehen (Gleisbelegung). Gem. Vorschriften (FDV R 300.4, Zif. 2.4.1) muss er dem Rangierleiter melden, wenn sich ein Fahrzeug früher als normalerweise zu erwarten sich im eingestellten Fahrweg befindet. Auszug aus FDV R 300.4, Zif. 2.4.1 Im vorliegenden Fall informierte er den Lokführer der Am 841, dass das Gleis 601 besetzt sei. Diese Aussage interpretierte der Lokführer so, dass er glaubte, der Fahrdienstleiter meine die Wagen, die er selber zu Beginn seiner Dienstschicht im 7/10

Gleis 601 abgestellt habe. Diese wären aber wiederum weit ausserhalb des zu befahrenden Fahrweges gestanden. Zudem haben diese Wagen nur den Gleisabschnitt 601 belegt, nicht aber denjenigen von Gleis 214. Hier beginnen die Missverständnisse: o Die Gleisabschnitte 214 (ca 30m lang) und 601 (weite über 1000m lang) werden jeweils als Einheit betrachtet. o Der Kranfahrer verlangt die Fahrstrasse ins Gleis 601, bleibt aber im Gleis 214 stehen. Seine Begründung: die Gleisbegrenzung der Gleise 214 und 601 ist durch eine Signalbrücke gegeben, welche im vorliegenden Fall (im Sinne der Signalgebung) soweit keine Bedeutung hat. Ein Zug müsste bei geschlossenem Signal vor dieser Signalbrücke anhalten. Eine Rangierbewegung hingegen erhält den Fahrbefehl für eine Fahrt aus Gleis 601 erst beim Zwergsignal (ZS 214) im Gleis 214. o Der Fahrdienstleiter orientierte zwar den Lokführer der Am 841, dass das Gleis besetzt sei, erwähnte aber Gleis 214 nicht. Dass dieses belegt war, hätte er beim Einstellen der Fahrstrasse feststellen und an den Lokführer der Am 841 weiterleiten müssen. Der in Gleis 214 abgestellte Kran war trotz Dunkelheit unbeleuchtet. Die nächste Hochlampe war in 85 m Entfernung. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches Die Schienenfahrzeuge waren technisch in Ordnung und entsprachen den Vorschriften des Bundesamtes für Verkehr. 2.2 Betriebliches Es sind zwei Szenarien auseinander zu halten: Auf der einen Seite haben wir den Fahrdienstleiter im Zentralstellwerk, welcher für die Herstellung der Zugs- und Rangierfahrstrassen zuständig ist. Im steht ein elektronisches Stellwerk mit Bildschirmbedienung sowie eine Panoramatafel für weitere manuelle Eingriffe zur Verfügung. Im vorliegenden Fall musste er an dieser Panoramatafel einen manuellen Eingriff vornehmen, da die Gleise 214 und 601 belegt waren. Bei diesem Eingriff konnte er feststellen, dass auf Gleis 214 eine Belegung vorliegt. Er war jedoch nicht zuständig, für die vom Baudienst im gesperrten Bereich abgestellten Wagen und Fahrzeuge. Auf der andern Seite ist der Baudienst; dieser ist selber zuständig für das Abstellen und Verschieben von Fahrzeugen innerhalb des gesperrten Bereichs. Er verlangt das Stellen der Fahrstrasse (Weichen) beim Fahrdienstleiter und ist vor Aufhebung der Sperrung und Freigabe der Gleise für das Räumen der entsprechenden Gleise verantwortlich. Die Kommunikation und Verständigung zwischen diesen Beiden erfolgt mittels Funk oder Natel. Im vorliegenden Fall fand das entscheidende Gespräch zwischen dem Rangierlokführer (Am 841) und dem Fahrdienstleiter (ZSW, Abschnitt Nord) via Natel statt und wurde nicht aufgezeichnet. 3. SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde Der Fahrdienstleiter hat zwar dem Rangierlokführer gesagt, dass das Gleis 601 besetzt sei, hat ihn aber nicht darauf aufmerksam gemacht, dass auch Gleis 214 eine Belegung aufweise FDV R 300.4, Zif. 2.4.1 (siehe 1.18). 8/10

Der Lokführer hat aufgrund der Aussage, das Gleis sei belegt, gewusst, dass mit einem Hindernis zu rechnen ist. Er hat aber fälschlicherweise angenommen, es handle sich um die von ihm bei Dienstantritt im hintern Teil des Gleises 601 abgestellten Wagen. Durch diese Annahme hat er das schräg stehende Zwergsignal nicht im Sinne eines zu erwartenden Hindernisses wahrgenommen. Er hat dadurch keine Geschwindigkeitsreduktion vorgenommen. Der Gleisabschnitt 214 ist nur gerade ca 30m lang. Der Kran selber ist ca 11m lang. Selbst wenn der Kran den Gleisabschnitt nur noch mit einer Achse (Gleisbelegung) berührt hätte, hätte kaum mehr als noch eine Lok des Typs Am 841 (Länge ca 15m) profilfrei Platz gehabt. Gleis 214 Unfallort im Gleis 214 Foto: Kapo SO Der abgestellt Kran hatte Fahrt nach Gleis 601 verlangt. Er blieb aber im Gleis 214 stehen, da er für seine Weiterfahrt (Rückfahrt) sich auf das Zwergsignal X 214 abstellen musste, weil in Gleis 601 kein Signal für Rangierfahrten vorhanden ist. Die Kommunikation zwischen den beiden Ebenen Fahrstrassenherstellung und Baustellekoordination beschränkte sich auf das Verlangen der Fahrwege. Die Koordination zwischen der Fahrwegherstellung und der Situation der abgestellten Wagen und Fahrzeuge fehlte gänzlich. 3.2 Ursache Nicht Anpassen der Geschwindigkeit durch den Lokführer der Am 841 trotz schräg stehendem Zwergsignal. Nicht Beachten der Gleisbelegung in Gleis 214 und dadurch nicht Weitermelden an die Rangierbewegung durch den Fahrdienstleiter. 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Um Missverständnissen vorzubeugen sind nach Möglichkeit Zugsfahrstrassenbe- 9/10

grenzungen (Hauptsignale) und Rangierfahrstrassenbegrenzungen (Zwergsignale) zusammenzulegen. Abgestellte, selbstfahrende Fahrzeuge sind, sofern sie sich im Bereich von möglichen feindlichen Rangierbewegungen befinden, beleuchtet zu lassen. Die Untersuchung wurde von Joseph Zeder geführt. Bern, 12. November 2003 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Joseph Zeder nebenamtl. Untersuchungsleiter 10/10