Martin Bienlein, H+ Die Spitäler der Schweiz Michael Waldner Dr. Andreas C. Albrecht

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Memorandum An: Von: Martin Bienlein, H+ Die Spitäler der Schweiz Michael Waldner Dr. Andreas C. Albrecht Datum: 18. Juli 2017 131777/[ ] Betrifft: Geltendmachung von Mehrforderungen durch Spitäler aus TARMED- Leistungen ab 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2016 I. THEMA DIESES MEMORANDUMS 1 Ein Urteil des Luzerner Kantonsgerichts zur Tarifstruktur TARMED könnte den Schweizer Spitälern die Möglichkeit eröffnen, nachträglich gegenüber Versicherern Mehrforderungen aus ambulanten Leistungen geltend zu machen. Um die Verjährung oder Verwirkung solcher Mehrforderungen zu vermeiden, sollten diese in nächster Zeit beziffert und geltend gemacht werden. II. ÜBERBLICK 2 Am 20. Juni 2014 erliess der Bundesrat eine Verordnung zur Anpassung der Tarifstruktur TARMED ("Anpassungsverordnung"). Gegenstand dieses Eingriffs in die Tarifstruktur war unter anderem eine Reduktion der Taxpunktzahl um jeweils 8,5% der technischen Leistungen (TL) diverser TARMED-Tarifpositionen. Die Verordnung trat am 1. Oktober 2014 in Kraft. Die technische Bezeichnung der entsprechenden Tarifversion ist "TARMED Version 1.08.00_BR". 3 Für die Spitäler hatte dieser Eingriff erhebliche Mindereinnahmen im ambulanten Bereich zur Folge. 4 Der Schweizer Spitalverband H+ stellte sich von Anfang an auf den Standpunkt, dass die Anpassungsverordnung widerrechtlich ist, weil der Bundesrat zu einem derartigen Eingriff ohne jede betriebswirtschaftliche Grundlage nicht berechtigt ist. In einem Pilotprozess zwischen der St. Anna-Klinik in Luzern und der Assura bestätigte das Kantonsgericht Luzern erstinstanzlich diese Position und erklärte die Anpassungsverordnung für gesetzwidrig und nicht anwendbar. Gegen dieses Urteil hat die Assura Beschwerde beim Bundesgericht eingelegt; diese Beschwerde ist zurzeit hängig. 5 Falls das Bundesgericht das Urteil des Kantonsgerichts Luzern bestätigen sollte, würde dies im Ergebnis bedeuten, dass die Anpassungsverordnung rückwirkend unanwendbar wäre. Formell hätte ein solches Urteil nur im Verhältnis zwischen der St. Anna-Klinik und der Assura Rechtskraft. Aber materiell würde die Präjudizwirkung eines solchen

18. Juli 2017 2 Urteils auch alle anderen Spitäler erfassen. Alle Spitäler könnten demnach für jede betroffene Rechnung gegenüber dem jeweiligen Kostenträger (Rechnungsadressaten) eine entsprechende Mehrforderung geltend machen. 6 Der Umstand, dass nun ein Urteil vorliegt, welches grundsätzlich entsprechende Mehrforderungen zulässt, muss für die Spitäler Anlass sein, die konkrete Berechnung und Geltendmachung solcher Mehrforderungen an die Hand zu nehmen. Andernfalls besteht die Möglichkeit, dass Mehrforderungen verjähren oder verwirken. III. BEZIFFERUNG DER MEHRFORDERUNGEN 7 Konkret betroffen von einem bestätigenden Bundesgerichtsurteil wären gegebenenfalls alle TARMED-Rechnungen, welche die folgenden zwei Voraussetzungen erfüllen: a) Die Rechnung betrifft Leistungen, die zwischen dem 01.10.2014 und dem 31.12.2016 erbracht wurden. 1 b) Die Rechnung beinhaltet mindestens eine der von der Anpassungsverordnung betroffenen Positionen (d.h. zumindest eine Tarifposition, deren TL-Taxpunktzahl aufgrund der Anpassungsverordnung um 8.5% gekürzt wurde). 8 Für jede einzelne dieser Rechnungen (bzw. für jede einzelne betroffene Leistung) stünde dem Spital gegenüber dem Kostenträger (Rechnungsadressaten) eine entsprechende Mehrforderung zu. 9 Die gegebenenfalls anfallende Mehrforderung kann ermittelt werden, indem bei jeder betroffenen Tarifposition die Reduktion der TL- Taxpunktzahl um 8.5% wieder rückgängig gemacht wird (d.h. indem die TL-Taxpunktzahl gemäss TARMED-Version 1.08 ohne Anwendung der Anpassungsverordnung eingesetzt wird) und die resultierende Erhöhung der Taxpunktzahl mit dem anwendbaren Taxpunktwert multipliziert wird. Beispiel: a) Preis gemäss TARMED 1.08.00_BR: Tarifposition: 04.0590 Exzision von Hautprozessen... Taxpunkte AL: 83.34 Taxpunkte TL: 59.17 (gemäss Version 1.08.00_BR) Taxpunkte total: 142.51 Taxpunktwert: CHF 0.91 Betrag total: CHF 129.68 1 Seit dem 1. Januar 2017 ist die Anpassungsverordnung formell nicht mehr in Kraft, weil H+ und FMH sich auf dieses Datum mit den Versicherern über die vorläufige weitere Anwendung der TARMED-Version 1.08_BR in einer Vereinbarung einigten. Formelle Rechtsgrundlage für die Anwendung der TARMED-Version 1.08_BR ist daher seit dem 1. Januar 2017 nicht mehr die Anpassungsverordnung, sondern die erwähnte Vereinbarung.

18. Juli 2017 3 b) Preis gemäss TARMED 1.08.00: Tarifposition: 04.0590 Exzision von Hautprozessen... Taxpunkte AL: 83.34 Taxpunkte TL: 64.67 (gemäss Version 1.08.00) Taxpunkte total: 148.01 Taxpunktwert: CHF 0.91 Betrag total: CHF 134.69 Mehrforderung Variante b gegenüber Variante a: CHF 5.01 Die Taxpunktzahl TL ist in Variante b um 5.50 höher als in Variante a. Diese Differenz von 5.50 multipliziert mit dem Taxpunktwert von CHF 0.91 ergibt die Mehrforderung von CHF 5.01. 10 In praktischer Hinsicht kann der neue (höhere) Rechnungsbetrag ermittelt werden, indem die betreffenden Leistungen in den (bis zum 30. September 2014 im Einsatz gewesenen) TARMED-Tarifbrowser Version 1.08.00 eingegeben werden. Die Differenz zwischen dem sich so ergebenden Rechnungsbetrag und dem tatsächlich fakturierten Betrag (gemäss Version 1.08.00_BR) entspricht der Mehrforderung. IV. EMPFEHLUNG A. Allgemeines 11 Mit Blick auf die Wahrung ihrer Ansprüche sollten die Spitäler gewisse, im Folgenden beschriebene Massnahmen zeitnah einleiten. 12 Die vorliegenden Empfehlungen und Erläuterungen basieren auf allgemeinen rechtlichen Überlegungen. Spitalindividuelle Besonderheiten werden nicht adressiert. Insbesondere liegen den Verfassern die separat durch jedes Spital zu prüfenden vertraglichen Vereinbarungen mit den Krankenversicherungen nicht vor. 13 Grundsätzlich wird jedes Spital zunächst entscheiden müssen, gegenüber welchen Kostenträgern überhaupt Mehrforderungen geltend gemacht werden sollen. Gewisse Kostenträger (insbesondere selbstzahlende Privatpersonen mit Rechnungen im Bereich von Kleinstbeträgen) werden von Anfang an ausscheiden. Mit Blick auf das Verhältnis von Aufwand und Nutzen werden vielleicht auch gewisse Krankenversicherer, gegenüber welchen im relevanten Zeitraum nur geringe Volumen verrechnet wurden, ausscheiden. Im Verhältnis zu denjenigen Kostenträgern, gegenüber denen ein Spital Mehrforderungen grundsätzlich geltend machen will, wird das nachstehend beschriebene Vorgehen empfohlen. B. Berechnung der Mehrforderungen 14 In einem ersten Schritt müssen die für den relevanten Zeitraum (01.10.2014-31.12.2016) bestehenden Mehrforderungen spitalintern für jeden Honorarschuldner separat berechnet werden.

18. Juli 2017 4 C. Klärung der vertraglichen Regelungen 15 Für jeden Honorarschuldner muss abgeklärt werden, ob bestimmte vertragliche Vereinbarungen (z.b. Fristen, Fälligkeit, Mahnungen, Verzugszinsen etc.) für die Geltendmachung von Mehrforderungen (oder Rechnungskorrekturen etc.) bestehen. Sollten solche speziellen Vereinbarungen bestehen, so wären diese ergänzend zu beachten. D. Rechnungstellung und Mahnung 16 Jedem Honorarschuldner muss die geltend gemachte Mehrforderung individuell in Rechnung gestellt werden (Einschreiben). Ein dazu geeigneter Musterbrief ist diesem Memorandum als Beilage beigefügt. Mit diesem Brief muss dem Schuldner eine Dokumentation zugestellt werden, aus der sich die Herleitung des Betrags der geltend gemachten Mehrforderung ergibt. Sinnvoll ist beispielsweise eine Hardcopy einer Excel-Tabelle, in der die einzelnen Rechnungen (mit Rechnungsnummer) und für jede Rechnung die darauf entfallende Mehrforderung aufgeführt sind. 17 Im beigefügten Musterbrief ist eine Zahlungsfrist von 30 Tagen vorgesehen (gemäss dem nationalen Rahmenvertrag TARMED). Sofern der Schuldner nach Ablauf dieser Frist die Mehrforderung nicht beglichen hat (was aufgrund des Umstands, dass ein abschliessendes Urteil des Bundesgerichts noch aussteht, zu erwarten ist), muss die Forderung nach Ablauf dieser Frist mit einem üblichen Mahnschreiben angemahnt werden mit dem Hinweis, dass ab dem Zeitpunkt der Mahnung Verzugszins zu 5% pro Jahr zu laufen beginnt. E. Dokumentation 18 Im Hinblick auf allfällige spätere gerichtliche Auseinandersetzungen sollten Kopien der an die Schuldner versendeten Schreiben und Beilagen (Forderungsgeltendmachung und Mahnung) sorgfältig aufbewahrt werden. Es ist zu empfehlen, eine zentrale Liste für die gesamte unter diesem Titel mit allen Schuldnern geführte Korrespondenz zu führen und in diese Liste die versendeten und empfangenen Mitteilungen (mit Datum und Stichwort), die ausstehenden Forderungen und allenfalls eingegangene Zahlungen einzutragen und laufend zu aktualisieren. F. Verjährungsunterbrechung und weitere Schritte 19 Nach Ablauf eines Jahres ab dem Vorliegen des vorerwähnten Urteils des Kantonsgerichts Luzern (d.h. ab dem 29. Mai 2018) droht (je nach Interpretation der einigermassen unklaren Rechtslage) die Verjährung oder Verwirkung der Mehrforderung. Rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt werden die Unterzeichneten gegenüber dem Schweizer Spitalverband H+ eine Empfehlung für das weitere Vorgehen (zwecks Unterbrechung der Verjährung bzw. Durchsetzung der Mehrforderung) formulieren. Wie diese Empfehlung genau aussehen wird, hängt noch von verschiedenen Entwicklungen ab (u.a. insbesondere davon, ob bis dann bereits ein Urteil des Bundesgerichts vorliegt).

18. Juli 2017 5 V. ERGÄNZENDE HINWEISE A. Spitäler, die keinen Vorbehalt der Mehrforderung gemacht haben 20 H+ hat nach Erlass der Anpassungsverordnung im Jahr 2014 den Mitgliedspitälern empfohlen, alle TARMED-Rechnungen mit einem ausdrücklichen Mehrforderungsvorbehalt zu versehen. Ein solcher Mehrforderungsvorbehalt erfolgte idealerweise zusammen mit jeder einzelnen Rechnung, oder alternativ in Form eines generellen (einmaligen) Schreibens. 21 Aufgrund von Rückmeldungen einzelner Spitäler ist davon auszugehen, dass nicht alle Spitäler lückenlos entsprechende Vorbehalte angemeldet haben bzw. dass sich gemachte Vorbehalte nicht in allen Fällen belegen lassen. 22 Diesen Spitälern empfehlen wir ungeachtet dieses fehlenden Vorbehalts in der gleichen Weise vorzugehen, wie sie oben dargelegt wurde. 23 Ein fehlender Vorbehalt mag den betroffenen Krankenversicherern allenfalls das Argument eröffnen, das Spitäler habe vorbehaltlos Rechnung gestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass auf allfällige Mehrforderungen verzichtet würde. Ob dieses Argument genügen wird, um die betreffenden Krankenversicherer von der Mehrforderung zu befreien, ist aber sehr offen. B. Leistungen seit 1. Januar 2017 24 Das vorliegende Urteil des Kantonsgerichts Luzern i.s. Klinik St. Anna bezieht sich lediglich auf die Anpassungsverordnung des Bundesrats. Es hat daher keine direkte Aussagekraft in Bezug auf die Leistungen ab 1. Januar 2017, da die Anpassungsverordnung nur bis zum 31. Dezember 2016 in Kraft war (vgl. oben Fussnote 1). 25 Zwar könnte im Licht des Luzerner Entscheids argumentiert werden, auch die ab 1. Januar 2017 geltende Vereinbarung sei gesetzwidrig, weil die TARMED-Version 1.08.00_BR insgesamt derart unsachgerecht sei, dass sie nie hätte genehmigt werden dürfen. Die Unterzeichneten erachten aber die Chance, dass diese Sichtweise erfolgreich vor Gericht durchgesetzt werden könnte, als sehr gering, und empfehlen daher nicht, weitere Anstrengungen darauf zu verwenden. 26 Stattdessen ist zu empfehlen, den generellen Mehrforderungsvorbehalt, mit dem gemäss früherer Empfehlung seit dem 1. Oktober 2014 nach wie vor alle TARMED-Rechnungen versehen sein sollten (vgl. oben Ziffer 20), ab sofort wegzulassen. Der Grund für diese Empfehlung liegt darin, dass dieser Vorbehalt zurzeit keinen Sinn mehr ergibt, weil ja nicht mehr auf der Basis der Anpassungsverordnung (sondern auf der Basis eines Verbandsvertrags) abgerechnet wird. Der Vorbehalt sollte nicht zur inhaltslosen Floskel verkommen, deren Ernsthaftigkeit von der Gegenseite nach Treu und Glauben bezweifelt werden dürfte. Je nach künftiger Entwicklung (nächster bundesrätlicher Eingriff in die

18. Juli 2017 6 Tarifstruktur TARMED?) müsste ein solcher Vorbehalt nämlich vielleicht im Jahr 2018 wieder empfohlen werden; dazu werden sich die Unterzeichneten rechtzeitig vernehmen lassen. * * * * * Beilagen: Musterbrief für Geltendmachung Mehrforderung Musterbeilage

Musterbrief an Krankenversicherungen (inkl. Beilage) [Briefkopf Spital] Einschreiben [XY Krankenversicherung] [Ort/Datum] Mehrforderungen aus TARMED-Leistungen vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2016 Sehr geehrte Damen und Herren Am 20. Juni 2014 erliess der Bundesrat eine Verordnung zur Anpassung der Tarifstruktur TARMED (Verordnung über die Festlegung und die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung; SR 832.102.5). Im Folgenden bezeichnen wir diese Verordnung als "Anpassungsverordnung". Die Anpassungsverordnung trat am 1. Oktober 2014 in Kraft und war bis zum 31. Dezember 2016 eine Rechtsgrundlage für die Fakturierung ambulanter Leistungen nach TARMED. Die technische Bezeichnung der entsprechenden Tarifversion ist "TARMED Version 1.08.00_BR". Gegenstand der Anpassungsverordnung war unter anderem eine Reduktion der Taxpunktzahl um jeweils 8,5% der technischen Leistungen (TL) diverser TAR- MED-Tarifpositionen. Diese Regelung führte für unser Spital zu erheblichen Mindereinnahmen. Mit Urteil vom 29. Mai 2017 entschied das Kantonsgericht Luzern, dass Ziffer 2 der Anpassungsverordnung das KVG verletzt und daher nicht anwendbar ist. Konkret bedeutet das, dass die vorerwähnte Reduktion der Taxpunktzahl um jeweils 8,5% der technischen Leistungen (TL) diverser TARMED-Tarifpositionen im vorerwähnten Zeitraum (01.10.2014-31.12.2016) nicht zulässig war. Daraus ergibt sich eine Mehrforderung unseres Spitals gegenüber Ihrer Versicherungsgesellschaft. Das vorerwähnte Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig. Aber der Umstand, dass dieses Urteil ergangen ist, muss für uns bereits Anlass sein, unsere daraus resultierenden Mehrforderungen geltend zu machen. Konkret beträgt unsere Mehrforderung gegenüber Ihrer Versicherungsgesellschaft insgesamt CHF... Wir verweisen auf die beiliegende Übersicht, in der alle betroffenen Rechnungen mit dem damals fakturierten Betrag, dem neu resultierenden Betrag und der daraus sich ergebenden Mehrforderung (Differenz der beiden Beträge) aufgeführt sind. Der neu resultierende Betrag für jede Rechnung kann ermittelt werden, indem die in der betreffenden Rechnung enthalte-

nen Leistungen ohne Anwendung der Anpassungsverordnung bewertet werden (d.h. indem diese Leistungen gemäss der bis zum 30. September 2014 verwendeten TARMED-Version 1.08.00 bewertet werden). Für weitere Auskünfte zur Herleitung des Betrags stehen wir bei Bedarf zur Verfügung. Wir bitten Sie, den vorerwähnten Betrag innert 30 Tagen ab Erhalt dieser Rechnung an unser Spital zu überweisen. Zugleich machen wir Sie auf die Verzugszinsfolge gemäss Art. 9 Abs. 11 des TARMED-Rahmenvertrags zwischen santésuisse und H+ bei ausbleibender Zahlung aufmerksam. Mit freundlichen Grüssen [Spital] Beilage: Detaillierte Übersicht über die Zusammensetzung der Mehrforderung

Beilage zum Schreiben vom [_] Herleitung der Forderung des [Spitals] gegen die [Krankenversicherung] Rg. Nummer Rg. Datum Betrag (alt) Betrag (neu) Differenz (Mehrforderung) 0809890870 1.10.2014 91.25 95.80 4.55 0809890872 1.10.2014 145.85 155.70 9.85 0809890877 1.10.2014 297.45 308.50 11.05 0809890879 2.10.2014 188.50 192.80 4.30 " " " " " " " " " " " " " " " " " " " " 0809897987 31.12.2016 100.20 106.45 6.25 Total: 18'965.20