Eine Studie zur Lebensqualität im Pflegeheim - warum? Die Studie

Ähnliche Dokumente
Die Würde des Menschen ist unantastbar Eine Herausforderung moderner Palliativmedizin

Auf gute Nachbarschaft

Kindergarten St. Pankratius. Gemeindestraße Waldshut-Eschbach

Lebensqualität im Alter Kriterien für eine zielgruppengerechte Verbraucherinformation

KOMPETENZZENTRUM FÜR LEBENSQUALITÄT WOHNEN SELBSTBESTIMMT DAS LEBEN GENIESSEN

Gesund Altern Förderung und Erhalt von Mobilität

Das Hospiz im Haus Hörn. Leben bis zuletzt. Informationen für unsere Gäste und ihre Angehörigen

Wohnen im Alter in Euskirchen. Ergebnisse einer Umfrage im Seniorenkino

Ferrero Stand: Juli 2013 Quelle: kinderstudie 2013 Seite 0

Haus CERES 1. Wachkomawohngemeinschaft in BaWÜ

Die Karriere pflegender Angehöriger von Menschen im Wachkoma

Konzeption für das Ambulant Betreute Wohnen psychisch Kranker

Die wichtigsten Punkte in der Behinderten-Hilfe im Deutschen Roten Kreuz

INKLUSION Gemeinsam in die Zukunft! Für eine inklusive Gesellschaft!

PFLEGEAGENTUR PETRAS. Liebevoll und Fürsorglich. 24-Stunden-Pflege im eigenen Zuhause. Eine anerkannte Alternative zum Pflegeheim

Berufsspezifische Kompetenzfeststellung für: Kompetenzfeststellung durchgeführt durch:... Name: Vorname: NIQ-Chiffre : Geburtsdatum: Geschlecht: m

Ein Zuhause wie ich es brauche.

Erfassung von Lebensqualität bei Demenz Die Perspektive des MDK

fördern initiativ werden teilhaben

Ehrenamtliches Engagement in Ahnatal

Marie-Schmalenbach-Haus. Wohlbefinden und Sicherheit in Gemeinschaft

Nachbarschaftshilfe mit dem Zeitvorsorgemodell KISS

Teil haben. Teil sein. mit Bildern. BruderhausDiakonie. Leitbild der. Leichte Sprache. Leitbild BruderhausDiakonie.

Unser Leitbild. Betreuung und Pflege durch Menschen, denen Sie vertrauen können!

(Psycho)soziale Diagnosen der Sozialen Arbeit im Gesundheitswesen am Beispiel MBOR

Beratungsstellen für ältere Menschen und ihre Angehörigen in München

Pflegeleitbild. Gedanken zur Pflege

IDeA Individuelle Entwicklung und Lernförderung

Gemeinsam Schönes schaffen.

Belastung in der Pflege Selbsthilfe entlastet

Wohnen und Unterstützung im Alter

Thema. Demenz Wenn das Vergessen zur Krankheit wird

Mit der Deutschen unesco-kommission und kulturweit. Mehrwert für Unternehmen. Corporate Volunteering

Monitor Gesellschaft und Behinderung Die wichtigsten Resultate

Stiftung der Deutschen Wirtschaft

Meine Rechte. Vinzenz-Heim Aachen

Empfehlungen zur Begleitung von Demenzkranken in der Sterbephase. Empfehlungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft

Gesundheitsförderung im Alter

Wie geht es weiter mit den Pflege-Qualitätsprüfungen? Alternative Bewertungskriterien: Ergebnisqualität

Wohngemeinschaft im Kirschentäle

Wünsche und Bedarfe von Familien

Pflegezentrum Maichingen

Handwerkszeug für Kinder

Impuls beim Nachmittag der Begegnung am Bernhard Feige

Stadt Luzern. Leitsätze. Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Stadtrat

Spielend sprechen lernen

Konzept Freiwilligenarbeit. Alterswohnheim Bodenmatt Malters

Wohnliche Atmosphäre viele fröhliche Gesichter

Wohn-Projekt Domagk-Park. Konzeption. Allgemeines

Herzlich willkommen. Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises gemeinnützige GmbH

Doppelt diskriminiert oder gut integriert? Zur Lebenssituation von Lesben und Schwulen mit Migrationshintergrund

Freiwillig engagiert.

Aktives und gesundes Leben im Alter: Die Bedeutung des Wohnortes

Leseprobe aus: Bleeksma, Mit geistiger Behinderung alt werden, ISBN Beltz Verlag, Weinheim Basel

Die Gottesmänner: Levit und Priester

Besondere Familien - Welche Hilfen brauchen Eltern mit Lern - Schwierigkeiten und ihre Kinder?

Wohngemeinschaften für Menschen mit demenzieller Erkrankung

Das Inklusionsverständnis der Lebenshilfe Trier

FAQs zum Wertebündnis Bayern

Palliative Basisversorgung

Senioren Wohngemeinschaft. Aktiv am Leben teilnehmen

Pro Senectute die Fachstelle für Altersfragen Beratung für Seniorinnen und Senioren in St.Gallen

Ihre Checkliste für die Pflegeheimauswahl. weisse-liste.de

Eröffnung Sommer 2013

Seniorenzentrum St. Josefshaus Köln. Herzlich Willkommen

EIN GUTES JAHR MEHR. Zukunftsprojekt für ein lebenswertes, gesundes Gaggenau. Ziele und Kommunikation ein Leitfaden (Entwurf

Wer sind wir? Worum geht es?

Jacobi-Haus. Selbstbestimmt leben im Alter

Januar Elternumfrage zum Thema Frühgeborene an der Lebensgrenze - Informationsschreiben -

NaWi - geht das? NaWi plus

Ein Programm für Studentinnen, Doktorandinnen und promovierte Nachwuchswissenschaftlerinnen

Für Ihre Freiräume im Alltag!

Senioren. Hausgemeinschaft. Löhne-Mennighüffen

mitten im leben Gemeinsam Freude erleben

Familie als psychologisches System

Studie: Optimierung von M&A-Prozessen im Mittelstand durch innovative IT

Zu Hause, das ist eine ganz andere Sicherheit Sichtweisen von beatmeten Patienten in der häuslichen Versorgung

Beratung von Menschen mit Behinderungen im Kreis Olpe

Pfarrei Liebfrauen Trier. Leitbild. der Kindertagesstätten der katholischen Kirchengemeinde Liebfrauen Trier

Ambulante Pflege Tagespflege Betreutes Wohnen Stationäre Pflege

Loslassen müssen tut weh Trauerarbeit im Altenheim

Der Tod gehört zum Leben Sinnvoll leben bis zuletzt

Gelingende Kommunikation als Voraussetzung für Partizipation in Schule und Arbeit

Psychologische Begleitung bei chronischen und onkologischen Erkrankungen

CASA HOGAR DE JESÚS PADRES ESCOLAPIOS ORDEN DE LAS ESCUELAS PÍAS Diócesis de Santo Domingo en Ecuador Santo Domingo de los Tsáchilas - Ecuador

Integratives KBZO Kinderhaus bietet Plätze ab dem ersten Lebensjahr

Tagung zum Thema: Gewalt behindert Frauen!

Haus Spielberg. Wohnhaus für Menschen mit Behinderung

4 Großartige Motivationstricks

Schaffen Sie sich Ihr eigenes Netzwerk. 4 Selbstsorge

Service Learning an Hochschulen in Deutschland Ein Zwischenfazit. Prof. Dr. Anne Sliwka Universität Heidelberg

Modellprojekt. Gemeinsames Wohnen alter und junger Menschen mit geistiger und mehrfachen Behinderungen. Bad Blankenburg

Ist 60 heute die neue 40? Gesundheit im Kohortenvergleich

Nachbarschaftshilfe mit dem Zeitvorsorgemodell KISS

So vielseitig wie das Leben.

Das Persönliche Budget

Demografischer Wandel Chancen und Möglichkeiten für kleinere Städte und Gemeinden

Öffentliche Beteiligung und freiwilliges Engagement in Deutschland im Trend

Die neue F.A.S. kommt bestens an. Ergebnisse des F.A.S. Copytests vom 5. Juli 2015

Gewalt im behinderten Alltag

Transkript:

Eine Studie zur Lebensqualität im Pflegeheim - warum? Bis zum Ende des Lebens eine gute Lebensqualität haben: Das wünscht sich wohl jeder. In der Gesellschaft des langen Lebens ist die Frage aber noch lange nicht beantwortet, was Menschen insbesondere in den letzten Lebensjahren brauchen - insbesondere dann, wenn sie im Alltag umfassende Hilfe benötigen, so dass ein Umzug ins Pflegeheim notwendig wird. In der gesellschaftlichen Diskussion über die Versorgung im Pflegeheim kommen alte Menschen selbst häufig gar nicht zu Wort. Aber wie will man wissen, was für gute Lebensqualität in dieser Lebensphase wichtig ist, ohne diejenigen Personen einzubeziehen, die es unmittelbar erleben? Hier setzte die Studie an. Sie wurde durchgeführt in Einrichtungen der Alten- und Pflegezentren des Main Kinzig-Kreises. Konzipiert und begleitet wurde sie durch concept.alter - Dr. Marion Bär. Die Daten wurden am Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg ausgewertet. Finanziert wurde die Studie von procuratio GmbH. Die Studie Ziel der Studie war es, einen fundierten Einblick in die Alltagserfahrungen von Menschen zu bekommen, die im Pflegeheim leben. Dabei standen folgende Fragen im Mittelpunkt: Was macht, in der jetzigen Lebenssituation, einen Tag zu einem guten Tag? Was führt dazu, dass Tage nicht gut sind? Was ist wichtig, um eine gute Lebensqualität zu haben, und was hat sich hier im Vergleich zu früher verändert? Wie beeinflusst die Einrichtung die eigene Lebensqualität? 55 Personen (33 Frauen, 22 Männer) haben an der Studie teilgenommen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei 80,3 Jahren. Es gab aber auch Personen, die deutlich jünger oder älter waren. Personen, die im Alltag noch wenig Hilfe brauchen, waren ebenso vertreten wie Personen, die auf umfassende Unterstützung angewiesen sind. Die meisten Befragten lebten schon längere Zeit in der Einrichtung.

Zentrale Ergebnisse In den Interviews ist eine große Vielfalt an Alltagsschilderungen zusammengekommen. Der Grundtenor reicht dabei von alles sind hier gute Tage" bis hin zu gute Tage - das kann man nicht sagen". Viele Teilnehmer berichten von einem überwiegend positiven Grundgefühl, das allerdings durch verschiedene Einschränkungen getrübt wird. Andere Teilnehmer sagen: Es gibt schon gute Momente. Aber insgesamt ist mein Leben nicht so, wie ich es mir für mein Alter vorgestellt habe. Gut mit anderen auskommen, freundlich behandelt werden, sei es von Mitarbeitern oder von Mitbewohnern: Das ist entscheidend für das eigene Wohlbefinden. Unfreundlichkeit und Streit ist für viele Teilnehmer schwer zu ertragen, selbst dann, wenn man selbst nicht betroffen, sondern nur Zeuge ist. Und mehrere Teilnehmer vermissen eine Person, mit der sie sich aussprechen können. Den Tag aktiv verbringen: Das ist auch im Pflegeheim ein wichtiges Thema. Viele Befragte haben eigene Aktivitäten, denen sie nachgehen. Die Aktivitäten werden einzeln oder zusammen mit anderen ausgeübt (Beispiel: mit Mitbewohnern Gesellschaftsspiele spielen). Auch die von der Einrichtung angebotenen Gruppenaktivitäten werden von vielen Befragten sehr geschätzt. Ein erstaunlich großer Anteil der berichteten Aktivitäten spielt sich außerhalb der Einrichtung ab: Spaziergänge, in die Stadt gehen usw. Wenn es nichts zu tun gibt, oder wenn die Durchführung gewünschter Aktivitäten verhindert ist, beispielsweise weil die nötige Unterstützung fehlt, wird dies als Beeinträchtigung der Lebensqualität erlebt. Soziale Aspekte spielen für die eigene Lebensqualität eine zentrale Rolle. Dazu gehört, Personen zu haben, zu denen man Vertrauen bzw. eine tiefere Bindung hat. Oder einfach Personen, mit denen man im Alltag etwas gemeinsam tut. Ganz häufig wird die Qualität des Miteinander hervorgehoben.

Die empfundene Lebensqualität hängt auch vom eigenen Blickwinkel ab. Teilnehmer, die um Vergangenes trauerten, erlebten die Gegenwart trister als Personen, die sich mehr auf die gegenwärtigen Möglichkeiten konzentrierten. So berichtete eine Teilnehmerin: Ich bin froh, dass ich keine Pflichten mehr habe und tun kann, was ich will!" Eine andere Teilnehmerin bedauerte es dagegen, ihre Aufgaben im Haushalt nicht mehr zu haben. Das Pflegeheim ist mehr als ein Dienstleister. Die Einrichtung ist Lebensumfeld und beeinflusst die Lebensqualität der Bewohner teilweise subtil und auf vielen Ebenen. Im Mittelpunkt steht dabei wiederum der direkte Umgang. Das Verhalten der Mitarbeiter wurde vielfach als sehr hilfsbereit, engagiert und freundlich geschildert. Ein sensibler Bereich ist die Wahrung der Selbstbestimmung. Mehrfach wurde positiv hervorgehoben, dass diese hier nicht beeinträchtigt sei. Aber mehrere Teilnehmer haben auch erlebt, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wurde. Ein weiterer sensibler Bereich ist die Art und Weise, wie Mitarbeiter mit der Hilfsbedürftigkeit der Bewohner umgehen. Wenn man auf dringend benötigte Hilfe warten muss, wenn man unprofessionelles bzw. unfreundliches Verhalten erfährt, so wird dies als bedrückend und entwürdigend erlebt. Ein umgekehrtes Beispiel war die Schilderung einer Teilnehmerin, zu der die Mitarbeiter gesagt haben: Klingeln Sie bitte, wenn Sie Hilfe brauchen. Wir sind doch gerne für Sie da!" Die Teilnehmerin sagte dazu: Das hat mir gut getan".

Das Fazit Der Alltag im Pflegeheim ist keineswegs einförmig und homogen. Personen verbringen ihn sehr unterschiedlich. Er weist viele Facetten positiver wie negativer Erfahrung auf. Ein aktives Leben ist auch 1m Pflegeheim möglich und wird von vielen Bewohnern realisiert. Allerdings gibt es hier auch noch Unterstützungsbedarf. Denn wer kein soziales Netzwerk hat, hat es schwer, beispielsweise zur Bank oder zum Cafe trinken in die Stadt zu kommen, wenn er nicht mehr selbst gehen kann. Die Bedeutung von guten sozialen Beziehungen und eines sorgenden Miteinanders für die Lebensqualität von Menschen im Pflegeheim ist sehr hoch. Dies sollten sich alle Menschen, die Bewohner im Pflegeheim begleiten, immer wieder bewusst machen. Aber soziale Teilhabe kann eine Pflegeeinrichtung nicht alleine gewährleisten: Hier ist auch ein größeres gesellschaftliches Engagement notwendig, damit Menschen im Pflegeheim weiterhin in die soziale Gemeinschaft eingebunden sind. Was geschieht mit den Studienergebnissen? Die Ergebnisse werden nun innerhalb der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises diskutiert. Im Zentrum steht die Frage, welche Konsequenzen sich aus den Ergebnissen für die Organisationsentwicklung ergeben, um die eigene Versorgung noch mehr an den Bedürfnissen der Bewohner auszurichten. Die Ergebnisse sollen aber auch öffentlich zugänglich gemacht werden, um gängige gesellschaftliche Bilder vom Leben im Pflegeheim kritisch zu hinterfragen, und um die Frage weiterzubringen, wie Lebensqualität für Menschen im Pflegeheim noch mehr gefördert werden kann.

Den vollständigen Bericht erhalten Sie bei Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises gemeinnützige GmbH Kristina Schneider Lortzingstraße 5 63452 Hanau Telefon 06181.802.841 E-Mail kristina.schneider@altenheime-mkk.de Projektträger Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises Alten & Pflegezentren Main-Kinzig-Kreis Wissenschaftliche Leitung Dr. Marion Bär, concept.alter concept.a lte r Dr. Marion Bär Wissenstransfer - Prozessberatung - Evaluation für Altenhilfe und Gesundheitswesen Datenmanagement und Ethik-Audit Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg Gefördert durch procuratio GmbH ~ - - prac:uratia ---