Atheismus vs. Gottesbeweise Aus: Ludwig Feuerbach, Das Wesen der Religion Der Theismus, der Gottesglaube verneint die Natur, die Welt und Menschheit: vor Gott ist die Welt und der Mensch Nichts, Gott ist und war, ehe Welt und Menschen waren; er kann ohne sie sein, er ist das Nichts der Welt und des Menschen; Gott kann die Welt, so glaubt der strenge Gottesgläubige wenigstens, jeden Augenblick zu Nichts machen; für den wahren Theisten gibt es keine Macht und Schönheit der Natur, keine Tugend des Menschen; alles nimmt der gottesgläubige Mensch dem Menschen und der Natur, nur um damit seinen Gott zu schmücken und zu verherrlichen... Der Theismus opfert... das wirkliche Leben und Wesen der Dinge und Menschen einem bloßen Gedanken- und Phantasiewesen auf. Der Atheismus dagegen opfert das Gedanken- und Phantasiewesen dem wirklichen Leben und Wesen auf. Der Atheismus ist daher positiv, bejahend; er gibt der Natur und Menschheit die Bedeutung, die Würde wieder, die ihr der Theismus genommen; er belebt die Natur und Menschheit, welchen der Theismus die besten Kräfte ausgesogen. Gott ist eifersüchtig auf die Natur, auf den Menschen... er allein will verehrt, geliebt, bedient sein; er allein will Etwas, alles andere soll Nichts sein, d.h. der Theismus ist neidisch auf den Menschen und die Welt; er gönnt ihnen nichts Gutes. Aber Neid, Missgunst, Eifersucht sind zerstörende, verneinende Eigenschaften. Der Atheismus aber ist liberal, freigebig, freisinnig; er gönnt jedem Wesen seinen Willen und sein Talent; er erfreut sich von Herzen an der Schönheit der Natur und an der Tugend des Menschen. Aber die Freude, die Liebe zerstreuen nicht, sondern beleben, bejahen. Aber ebenso wie mit dem Atheismus, ist es mit der von ihm unzertrennlichen Aufhebung des Jenseits. Lassen wir die Toten und kümmern uns nur um die Lebendigen! Wenn wir nicht mehr ein besseres Leben glauben, sondern wollen, aber nicht vereinzelt, sondern mit vereinigten Kräften wollen, so werden wir auch ein besseres Leben schaffen, so werden wir wenigstens die krassen, himmelschreienden, herzzerreißenden Ungerechtigkeiten und Übelstände, an denen bisher die Menschheit litt, beseitigen. Aber um dieses zu wollen und zu bewirken, müssen wir an die Stelle der Gottesliebe die Menschliebe als die einzige, wahre Religion setzen, an die Stelle des Gottesglaubens den Glauben des Menschen an sich, an seine Kraft, den Glauben, dass das Schicksal der Menschheit nicht von einem Wesen außer oder über ihr, sondern von ihr selbst abhängt, dass der einzige Teufel des Menschen der Mensch, der rohe, abergläubische, selbstsüchtige, böse Mensch, aber auch der einzige Gott des Menschen der Mensch selbst ist. Mit diesen Worten schließe ich und wünsche nur, dass ich den Zweck dieser Vorlesung nicht verfehlt habe, den Zweck, Sie aus Gottesfreunden zu Menschenfreunden, aus Gläubigen zu Denkern, aus Betern zu Arbeitern und aus Kandidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus Christen, welche ihrem eigenen Geständnis zufolge halb Tier, halb Engel sind, zu Menschen, edlen, mit sich einigen Menschen zu machen.
Aus: Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewusstsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewusstsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur [d.h. Ehrenpunkt], ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist. Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist. Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt. Zu den Personen: Ludwig Feuerbach (1804-1872, Philosoph, Hauptwerk Das Wesen des Christentums ; ähnliche Ideen wie Marx im Sinne eines historischen Materialismus, d.h. dass menschliche Geschichte durch ökonomische Interessen(skonflikte) und Klassenkampf geprägt ist)
Karl Marx (1818-1883, Philosoph, Verfasser des kommunistischen Manifests und von Das Kapital, u.a. Aufdeckung sozialer Ungerechtigkeit und Ausbeutung der Arbeiterklasse )
Atheismus vs. Gottesbeweise Im Denken der Menschen hat es immer wieder den Versuch gegeben, die Existenz Gottes durch die Vernunft einsichtig zu machen. Auf diesem natürlichen Weg sollte der christliche Glaube mit seiner Rede von der Wirklichkeit Gottes auch gegenüber Zweiflern, Skeptikern und Ungläubigen überzeugend und verbindlich dargestellt werden. Der Zugang zu Gott sollte auf dem Weg des Erkennens ( credo ut intelligam ich glaube, um zu erkennen ) und des Beweises möglich werden. So besagt der ontologische Gottesbeweis ANSELM VON CANTERBURYs (1033-1109), dass sich Gottes Existenz durch folgendes Argument rational beweisen lässt: Gott ist das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann (aliquid quo maius nihil cogitari potest). Dieses Argument, so Anselm, versteht auch der Ungläubige und damit ist es in seiner Erkenntnis, seinem Verstand, verankert. Wenn aber dasjenige, über das nichts Höheres gedacht werden kann, in unseren Gedanken existiert, dann kann man sich vorstellen, dass es darüber hinaus auch in Wirklichkeit existiert. Damit wird deutlich, dass dasjenige, was in Gedanken und in Wirklichkeit existiert, größer ist als das, was nur in Gedanken existiert. Somit muss das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann sowohl in Gedanken als auch real existieren, denn würde es nur in Gedanken existieren, wäre es ja nicht das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, da sich noch etwas Größeres denken ließe, nämlich dass es auch noch real existiert. Gottes Nicht-Existenz zu denken, ist daher ausgeschlossen. Es ist das Hauptmerkmal der kosmologischen Gottesbeweise, wie sie von THOMAS VON AQUIN (1225-1274) aufgestellt wurden, dass die Existenz der Welt und alle Bewegung in ihr auf eine Ursache zurückgeführt wird, die selbst ohne weitere Verursachung ist, und das ist Gott. So kann Thomas von Aquin in seinen fünf Gottesbeweisen sagen: Der erste Beweger für alle Bewegungen und Veränderungen ist Gott. Die erste Ursache für alle Entstehungen und Wirkungen ist Gott. Alle Dinge, die aus sich heraus oder durch andere für die Existenz der Welt und des Lebens notwendig sind, werden getragen von einem ersten Notwendigen, nämlich Gott. Um beim Vergleich der Dinge in der Welt erkennen zu können, was in größerer oder kleinerer Menge, besserer oder schlechterer Qualität existiert, brauchen wir einen Maßstab für die Vollkommenheit, also für das Wahre, Gute und Schöne, und der ist Gott.
Auch unsere Erkenntnis, dass die Welt auf ein Ziel, d.h. eine Weltordnung zugeht, ist nur dadurch möglich, dass es ein geistig-erkennendes Wesen gibt, von dem die Zwecke für die Erreichung dieses Ziels gesetzt werden, nämlich Gott. Der teleologische Gottesbeweis sieht den Grund für die Schönheit, Harmonie und Zweckmäßigkeit der Welt in einer höchsten Intelligenz, durch die die Welt in vollkommener Weise geleitet wird, nämlich in Gott. Dieser Gedanke von der Ordnung und Zielgerichtetheit der Welt findet sich im fünften Gottesbeweis des THOMAS VON AQUIN sowie bei GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ (1646-1716) und seiner Idee, dass Gott die beste aller möglichen Welten geschaffen habe. Der moralische Gottesbeweis nach IMMANUEL KANT (1724-1804) schließt von dem Vorhandensein eines sittlichen Bewusstseins auf dessen Urheber und Begründer einer moralischen Weltordnung. Gott ist die Voraussetzung zur Erreichung des höchsten Gutes, insofern er Sittlichkeit und Glück des Menschen leitet. In seiner Kritik der praktischen Vernunft (1788) schreibt Kant:,,Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Gott ist der Urheber dieses moralischen Gesetzes im Menschen. Kritische Einwände Durch einen logischen Beweis kann die Existenz Gottes nicht bewiesen werden, da Gott nicht wie ein physikalisches Phänomen objektivierbar ist. Gott entzieht sich einer rationalen Demonstration und seine Beweisbarkeit erweist sich somit als nicht für jeden zwingend. Auch für den Verstand sind Gottesbeweise nicht erzwingbar, da die Denkmöglichkeit eines vollkommenen Wesens, entgegen Anselms Argumentation, noch nicht dessen Existenz erweist. Da unsere Vernunft an den menschlichen Erfahrungshorizont gebunden bleibt, ist es fraglich, ob wir jemals mit der Vernunft über die Erscheinungen der Dinge hinaus gelangen können. Denn erst wenn wir mit dieser Fähigkeit ausgestattet wären, könnten wir den Urgrund des Seins, den wir Gott nennen, erkennen. Solange wir jedoch eine direkte Erfahrung Gottes nicht machen können, ist seine Wirklichkeit in der uns zugänglichen Welt nicht beweisbar. Immanuel Kant wies die Möglichkeit rational-wissenschaftlich begründbarer Gottesbeweise zurück, denn im Metaphysischen Beweise führen zu wollen, ist nicht möglich, da wir mit unserer Vernunft auf die Erscheinungswelt eingeschränkt sind und daher nicht über den Bereich menschlicher Erfahrung hinausgelangen können: Gottes Existenz ist nicht beweisbar. Das schließt jedoch nicht aus, dass es ihn gibt. (entnommen: D.Werner, Glaube und Naturwissenschaft)