20. FIT Weltkongress, 04. 06. August 2014, Berlin Session 0.35: Seminar Dr. Isabelle Thormann (Braunschweig): Urkundenübersetzen häufige Fragen und nützliche Tipps 1
Was möchten Sie wissen? 2
1. Wie werde/bleibe ich UrkundenübersetzerIn? 2. Regeln und Tipps für die Praxis des Urkundenübersetzens 3. Kann man mit Urkundenübersetzungen Geld verdienen? 3
o.k.; 1. Frage: Wie werde und bleibe ich Urkundenübersetzer/ übersetzerin? Was muss ich nachweisen und einreichen? 4
Nachzuweisen sind (fachliche Eignung) 1. Sprachkenntnisse (Niveau C2) 2. sprachmittlerische Fähigkeiten 3. Kenntnisse der deutschen Rechtssprache 5
Exkurs Detail Wissen: Außerdem muss man beweisen, dass man nicht verschuldet und vorbestraft ist, und eine Gebühr bezahlen. Die entsprechenden Gesetze der meisten Bundesländer findet man im Internet auf den Seiten der jeweiligen zuständigen Landgerichte. Die Ermächtigung als Übersetzer in einem Bundesland gilt prinzipiell bundesweit. 6
o.k.; 2. Frage: Regeln und Tipps für die Praxis des Urkundenübersetzens 7
Die Top 3 Regeln für das Urkundenübersetzen: 1. dem Leser helfen 2. Fälschungen verhindern 3. sich selbst absichern 8
Exkurs Detail Wissen: Was ist eine Urkunde? Das einen Gedanken verkörpernde Dokument aus Schriftzeichen. Im Kontext der Urkundenfälschung gelten auch Zahlen und Symbole (Beweisanzeichen). Es wird unterschieden zwischen 'öffentlichen Urkunden' und 'Privaturkunden': Eine öffentliche Urkunde... wird ausgestellt von einer öffentlichen Behörde oder einer 'mit öffentlichem Glauben ausgestatteten' Person (z. B. Notar, Standesb., Gerichtsv.) innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form.... ist ein unter Beachtung bestimmter Formerfordernisse angefertigtes rechtswirksames Schriftstück mit rechtlich bedeutsamem Inhalt, das mit Angabe des Ausstellers zum Zweck des Beweises einen bestimmten Tatbestand bzw. Sachverhalt darstellt. Eine Privaturkunde (auch 'privatschriftliche Urkunde')... ist eine schriftliche, von Privatpersonen erstellte Bestimmung, Vereinbarung oder Bestätigung (z. B. Vertrag, Arbeitszeugnis) mit erkennbarem Aussteller und Unterschrift 9
Exkurs Detail Wissen: Was ist der Wert/die Rolle der Übersetzung einer Urkunde? 1. Sie wird (wie die Originalurkunde) im internationalen Rechtsverkehr als Dokument verwendet. 2. Sie gilt nicht als öffentliche Urkunde. 3. Sie soll nicht das Originaldokument ersetzen, sondern:... Der Urkundenübersetzer (UÜ) hat die Aufgabe, dem Leser der Übersetzung beim Verstehen und eventuellen Verwenden der Urkunde behilflich zu sein. Dazu ist der Inhalt und Sinn der Urkunde in der anderen Sprache so wiederzugeben, dass die Übersetzung auf den Leser dieselbe Wirkung hat wie das Original. 10
Leser / Zielgruppen von begl. Übers.: Behörden Personalabteilungen von Firmen Immatrikulationsämter von Hochschulen 11
Muss ich die Übersetzung unterschreiben? 12
Ja Und es ist empfehlenswert, zusätzlich folgende Hinweise aufzunehmen: 1. "Für die Richtigkeit des Inhalts wird keine Gewähr übernommen." 2. "Die beigefügte Kopie ist eine Kopie des mir vorgelegten Dokuments." 3. "Bemerkungen d. Übers. im Text stehen in eckigen Klammern." Warum? 13
Exkurs Detail Wissen: Es wird (als weitere Maßnahme zum Verhindern von Fälschungen) weiterhin empfohlen, ggf. am Ende der Übersetzung zu schreiben ENDE DER ÜBERSETZUNG. Die Übersetzung ist mit dem Stempel (Name + Sprache in zwei Sprachen + Ermächtigungswortlaut) des Übersetzers und seiner Unterschrift abzuschließen. Die Unterschrift soll in bzw. unter dem Bestätigungsvermerk stehen. Es wird empfohlen, mit einem dokumentenechten blauen Stift zu unterschreiben und ebenfalls mit diesem Stift ein Handzeichen auf der geknickten Ecke, auf der ebenfalls der Stempel aufgebracht wird, anzubringen, damit jegliches Verändern bzw. Fälschen erschwert wird. 14
Muss ich eine Kopie des mir vorgelegten Dokuments anheften? Ja, und zwar... a) zum eigenen Schutz (falls jemand später Ihre Übersetzung verändert), b) zur Verhinderung von Fälschungen. 15
Muss ich alles übersetzen? Ja... bzw. erwähnen alle Zusätze (auch handschriftliche Zusätze, Anschriften, Wasserzeichen, Stempel u. Prägestempel, Siegel, Gebührenmarken, Unterschriften, Verwischungen, verblichene Stellen, Flecken etc.), u. a....... um nachträgliches (Ver )Fälschen einer Urkunde oder der Übersetzung zu erschweren! Anschriften nicht übersetzen. Bei Verwendung nicht lateinischer Schriftzeichen sind sie zu transliterieren bzw. zu transkribieren, sodass sie zum Adressieren bei Schriftwechsel verwendet werden können. 16
Muss ich Layout und Schriftbild nachempfinden? 17
>> Abstände, Spalten, mittiger Text, Schriftgrößenunterschiede, Kursivschrift, Text in GROSSBUCHSTABEN etc. nach basteln >> ansonsten auf Besonderheiten des Schriftbilds hinweisen bzw. bei fehlenden Angaben, Leerspalten, Leerzeilen in Formularen/ Tabellen (z. B. in Steuerbescheinigungen, Zeugnissen)... >> k. E. + am Ende der Übersetzung erklären: Anm. des Übers.: k. E. = keine Eintragung 18
Auf Unleserliches bzw. Handschriftliches in einer Anmerkung hinweisen ["Anmerkg. d. Übers.: unleserlich ]. Bei durchgestrichenem Text den Text ebenfalls in der Übersetzung (mit dem Hinweis "sic" in eckigen Klammern) durchgestrichen wiedergegeben. 19
Muss die Übersetzung eine Kopfzeile bzw. Überschrift haben? Wenn ja, was muss/soll/darf da drin stehen? 20
Ja; muss: die Ausgangssprache (in der Zielsprache!) (also z. B. 'Translation from German', 'Übersetzung aus dem Polnischen'; nicht 'Übersetzung ins Deutsche', denn das kann der Leser selbst feststellen). kann: Briefkopf d. Übers. 21
Was tun, wenn der Kunde eine Teilübersetzung wünscht? Ist das zulässig? 22
möglich bei bestimmten Dokumentenarten und unter bestimmten Voraussetzungen: 1. in der angehefteten Kopie des Originaldokuments deutlich kennzeichnen, was übersetzt wurde und was nicht, also Auslassungen kenntlich machen 2. in der Übersetzung (in der Zielsprache!) stichwortartig angeben, was nicht übersetzt wurde 23
Muss ich Eigennamen und akademische Abschlüsse übersetzen? 24
Nein und Ja Namen von Institutionen (Behörden, Universitäten, Banken etc.) und (akademische und Berufs ) Abschlüsse so lassen und in eckigen Klammern eine Übersetzung bzw. einen Übersetzungsversuch und/oder eine Erklärung hinzufügen 25
Exkurs Detail Wissen: Namen von Institutionen (Behörden, Universitäten, Banken etc.) und (akademische und Berufs ) Abschlüsse dürfen dem Leser nicht vorenthalten werden, indem sie durch eine (vermeintliche) Übersetzung ersetzt werden. Es ist jeweils in eckigen Klammern eine Übersetzung bzw. ein Übersetzungsversuch und/oder eine Erklärung hinzuzufügen, um dem Leser das Verständnis bzw. die Identifikation der Art der Institution und des Abschlusses zu ermöglichen. Der Leser muss den Aussteller bzw. die Bezeichnung eines Abschlusses klar identifizieren können, ggf. weitere Informationen in anderen Quellen wie z. B. dem Internet finden können, und es muss ihm möglich sein, ggf. Kontakt mit dem Aussteller des Dokuments bzw. mit der jeweiligen Institution aufzunehmen. Beispiel: Wenn in der Originalurkunde die 'Commerzbank' genannt wird oder diese Bank der Aussteller der Urkunde, etwa einer Arbeitsbescheinigung oder Kontostandsbescheinigung, ist, so darf ein solcher Eigenname nicht etwa bei einer Übersetzung ins Englische mit 'Commercial Bank' übersetzt werden. Eventuell möchte der Leser der Übersetzung diese Bank kontaktieren. 26
Exkurs Detail Wissen: Nicht voraussetzbares Wissen ist im Zieltext zu erklären (z. B. "Karlsruhe hat entschieden."; gemeint ist der Bundesgerichtshof/BGH). Das Auswärtige Amt stellt diverse, sehr nützliche Terminologielisten (z. B. Gerichtsbezeichnungen, Funktionsbezeichnungen, Behörden und Einrichtungen) zur Verfügung. Bei Zeugnissen ist eventuell eine Erklärung abweichender Notensysteme erforderlich (z. B. durch Angabe der ausländischen Notenskala, sofern in dem zu übersetzenden Schriftstück nicht bereits vorhanden). Die verbindliche Feststellung der deutschen Entsprechung ausländischer Abschlüsse obliegt den zuständigen Behörden, nämlich den Kultusministerien und der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland. 27
außerdem: >>kenntlich machen, ob in dem Schriftstück das Wort "Unterschrift" steht oder ob sich dort eine Unterschrift befindet >>Zahlen, Datumsangaben, Währungen, Abkürzungen: Monate als Wort schreiben Währungsangaben ohne Umrechnung übernehmen Abkürzungen möglichst auflösen und übersetzen 28
Was tun, wenn der Ausgangstext Fehler enthält? 29
nicht eigenmächtig Inhalte verändern, aber auf Besonderheiten hinweisen 30
Exkurs Detail Wissen: Bemerkt der UÜ falsche Schreibweisen oder 'Zahlendreher', so hat er in Form einer Anmerkung in eckigen Klammern darauf hinzuweisen und die korrekte Schreibweise anzugeben. Er darf nicht einfach ohne Kommentar einen im Ausgangstext falsch geschriebenen (Orts)Namen oder eine fehlerhafte Angabe in seiner Übersetzung korrekt schreiben; das wäre eine unzulässige Veränderung der Urkunde. (Beispiele: "Dusiburg" statt "Duisburg"; "73133 Friedland" [es handelt sich hier offensichtlich um einen Zahlendreher in der Postleitzahl; die korrekte Postleitzahl ist 37133]; "Jan. 2110" statt "Jan. 2011" bei einem Text, in dem es um Geschehnisse im Jan. 2011 [beispielsweise eine Geburt oder einen Zahlungseingang] geht; unterschiedliche Schreibweisen eines Namens in demselben Dokument, z. B. "der Zeuge Ernst Hermann Meyer", "der Zeuge Ernst Hermann Meier"). Bemerkt der UÜ solche Fehler bzw. Unterschiede im Ausgangstext, weist er in geeigneter Weise darauf hin, auch um dem eventuellen Eindruck des Lesers entgegenzuwirken, es handele sich um eine fehlerhafte Übersetzung. 31
Warum ist es sinnvoll, eine Kopie des Ausgangstexts und der Übersetzung aufzubewahren? 32
1. zum eigenen Schutz (Es könnten sich später Fragen ergeben; evtl. wird die Kopie als Beweis wichtig); 2. Es könnte sein, dass ein Kunde eine weitere Ausfertigung einer bereits angefertigten Übersetzung wünscht. 33
Exkurs: Zur Person Dr. Isabelle Thormann ermächt. Übersetzerin und allg. beeid. Dolmetscherin (seit 1979) Studium Germanistik + Anglistik + Wirtschaftswissenschaften (teilw. in Braunschweig, teilw. in USA; dort auch 2 Semester US Law) 3 Jahre USA Promotion in Wirtschaftsenglisch (>1992) Fa. Dr. Thormann Wirtschaftsenglisch (seit 1980/1992) öffentlich bestellte u. vereidigte Sachverständige f. d. Sachgebiet Beurteilung von sprachlichen Produkten und Wirtschaftskommunikation Deutsch und Englisch (seit 2010) Lehraufträge für Wirtschaftsenglisch, Rechtssprache, Translation German>English an der Techn. Universität Braunschweig 1. Vorsitzende des BDÜ Landesverbands Bremen/Niedersachsen (seit 1. April 2014) Exkurs ENDE 34
zur Anfangsfrage Nr. 3: Kann man mit Urkundenübersetzen Geld verdienen? 35
Ja... wie? Voraussetzungen: Direktkunden Kontakt können und mögen, Büroraum vorhalten Word können und mögen Strukturiert arbeiten können und mögen (Details s. u.) Zeitkiller kennen und vermeiden (Erstellen langwieriger KVs, zeitaufwändige Bring und Abholtermine mit Kunden) Spezifika des Urkundenübersetzens kennen (s. u.) Website haben, werben (s. u.), mit Kollegen netzwerken 36
Grundregeln für Preise: Privat /Endkunden wollen Festpreise (nicht Zeilenpreise) Verlangen Sie Zuschläge für: Beglaubigung (immer) + Layoutarbeit (ggf.) 37
Exkurs Detail Wissen: Berechnung nach JVEG (Justizvergütungs und entschädigungsgesetz): Zeilenpreis: 55 Zeichen pro Zeile der Zielsprache Stufe 1/Grundhonorar: 1,55 Stufe 2/erhöhtes Honorar: 1,75 Stufe 2/Grundhonorar: 1,85 Stufe 2/erhöhtes Honorar: 2,05 38
Exkurs Detail Wissen... fortges.: erhöhtes Honorar : wenn der Text nicht elektronisch zur Verfügung gestellt wird und nicht editierbar ist, auf Papier, PDF Stufe 2: wenn die Übersetzung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere wegen der häufigen Verwendung von Fachausdrücken, der schweren Lesbarkeit des Textes, einer besonderen Eilbedürftigkeit oder weil es sich um eine in Deutschland selten vorkommende Fremdsprache handelt, besonders erschwert ist 39
Die häufigsten Anfragen/Dokum.arten,... die wir mögen: Welche? Warum? 40
... die wir mögen: Zeugnis (u. a. Abitur) Scheidungsurteil Führungszeugnis eingeschränkt: Wirtschaft (Handelsreg.auszug), Achtung schwierig + Haftung! 41
... die wir nicht mögen: Welche? Warum nicht? 42
... die wir nicht mögen: Textzeugnis (v. Arbeitgeber) Testament Sterbeurkunde aus dem Ausland (Philippinen, Indien etc.) Gehaltsbescheinigung u. ä. (Tochter geht für einen Monat in die USA) 43
Exkurs Detail Wissen: die halbe Miete Dateimanagement, Fundus aufbauen: Archivierung: Führen Sie eine Liste mit allen Übersetzungen (mit Kundennamen so wie im Dateinamen und mit Datum), z. B. Heiratsurk.DE/Niemeyer/ 13Aug (13 steht für 2013), damit Sie die Datei auf jeden Fall wieder finden können, wenn etwas Ähnliches kommt (weitere Beispiele: Heiratsurk.ED/Gent/12Jan oder AbiturDE/Schmidt/13Dez/Bay [für Bayern]) Dateiname: Nachn.+evtl.Vorn.+Sprachrichtg.+Dokum.art(inAusgangsspr.)+evtl.Ort/Jahr, z. B. MeyerPaulEDEBirthCertHawaii, HabekStefDEDAbiturNieders2013, NanniniIDICertDiMatrim, SmithJohnDEEHeiratsurk Word: Tabellen mit unsichtbarem Rahmen 44
Exkurs: Achtung Falle Mutter Theresa Falle: Falls Sie eine zweite Mutter Theresa sein wollen, dann sollten Sie genau prüfen, ob sich eine Übersetzung wiederholt (z. B. ein Abitur), ob Sie Teile aus der/einer alten Übersetzung übernehmen können (evtl. nur Namen u. Punktezahlen ändern), das dem Kunden sagen und die Übersetzung für maximal 20 anbieten. 45
Achtung Falle: Keine Schnell Schuss KV (keine voreiligen Schätzungen des Umfangs und der benötigten Zeit), wenn der Kunde drängelt, es sei sehr eilig! Anfragen, die vom potenz. Kunden an zig Anbieter geschickt werden > keinen KV machen! Warum? Wie erkennt man die? 46
Grundsätzliches: nachprüfbare Angaben des Auftraggebers (vollständiger Name, Anschrift, Tel. Nummer(n)); ggf. Anzahlung oder Zahlung im Voraus nicht mit der Arbeit beginnen, bevor Sie einen schriftlichen Auftrag haben (formlos per E Mail genügt) Auftragsbedingungen schriftlich festhalten (Umfang, Sprachrichtung, Spezifika wie britisches oder US amerikanisches Englisch, gewünschter und zugesagter Liefertermin, Netto und Brutto Preis) ggf. "Wir behalten uns eine Preisanpassung und spätere Lieferung vor, falls aufwändige Rückfragen notwendig werden." eine Übersetzung ist beglaubigt, ein/e ÜbersetzerIn ist ermächtigt (beeidigt/vereidigt/öffentl. bestellt) 47
noch Fragen? ansonsten:... für Ihre Aufmerksamkeit 48