Landesdirektion Sachsen Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellte/r vom 14. Oktober 2014 bis 17. Oktober 2014 4. Prüfungsaufgabe: Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahren Arbeitszeit: 120 Minuten Hinweis Bitte geben Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen den Bearbeitungsstand Ihrer VSV an! Beantworten Sie die Fragen und begründen Sie Ihre Antworten mit den einschlägigen Rechtsvorschriften! Diese Arbeit besteht aus 3 Seiten!
Die Beratungsgesellschaft Chancen durch Qualifikation mbh (im Nachfolgenden CdQ genannt) ist ein Bildungsinstitut mit Sitz in Chemnitz. Gesetzlich vertreten wird die Firma durch den Geschäftsführer Heinrich Müller. Anfang Januar 2014 erfährt Herr Müller auf einer Informationsveranstaltung der kreisfreien Stadt Chemnitz von einem Fördermittelprogramm der Stadt Chemnitz, welches vorsieht, Bildungsinstituten Gelder bereitzustellen, um ihre PC- Ausstattung zu erneuern. Da die Firma CdQ, aus Sicht des Herrn Müller, alle Voraussetzungen der entsprechenden Fördermittelrichtlinie erfüllt, beantragt Herr Müller im Februar 2014 im Namen der Firma (CdQ) Fördermittel in Höhe von 20.000 für die Anschaffung neuer Computeranlagen. (Auszug aus der Fördermittelrichtlinie ist nach der Aufgabenstellung unter Hinweise für den Bearbeiter abgedruckt) Mit Schreiben vom 17. Februar 2014 bewilligte die Stadt Chemnitz den Antrag der Firma CdQ und versah dieses Schreiben mit folgendem Zusatz: Die Bewilligung steht unter dem Vorbehalt, dass Sie die PC Anlagen bis zum 20. Juni 2014 bestellen und die Originalbelege / Quittungen über die Anschaffung oder der Bestellung der PC-Anlagen bis zum 1. Juli 2014 bei der Stadt Chemnitz als Nachweis einreichen. Wir behalten uns vor, bei Zweckentfremdung oder bei nicht zeitgerechtem Verbrauch der Fördermittel diese Bewilligung aufzuheben. Dieses Schreiben wurde am 21. März 2014 bestandskräftig. Als Herr Müller im April 2014 einen Liquiditätsengpass in der Firma feststellt, verwendet er kurzfristig die Fördermittelzuwendung, um eine Steuerschuld zu begleichen, hegt aber die Hoffnung, durch einen Geldeingang im Mai 2014 die PC-Anlagen dennoch bestellen zu können. Als der erhoffte Geldeingang im Mai und auch im Juni 2014 ausbleibt, kann Herr Müller die PC-Anlagen nicht bestellen und die Stadt Chemnitz hebt ohne weitere Nachfrage die Bewilligung vom 17. Februar 2014 auf. Dieses Schreiben wird am 25. Juli 2014 bei der Post als einfachen Brief aufgegeben und ist mit folgender Rechtsbehelfsbelehrung versehen: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides Klage beim Verwaltungsgericht Chemnitz, Zwickauer Straße 56, 09112 Chemnitz, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden. Weiterhin enthält das Schreiben eine ordnungsgemäße Begründung (insbesondere Ausführungen zum angewandten Ermessen).
Fragen: 1. Benennen und begründen Sie die Art der Nebenbestimmung im Schreiben vom 17. Februar 2014! Die Bewilligung steht unter dem Vorbehalt, dass Sie die PC-Anlagen bis zum 20. Juni 2014 bestellen und die Originalbelege / Quittungen über die Anschaffung oder die Bestellung der PC-Anlagen bis zum 1. Juli 2014 bei der Stadt Chemnitz als Nachweis einreichen. Wir behalten uns vor, bei Zweckentfremdung oder bei nicht zeitgerechtem Verbrauch der Fördermittel diese Bewilligung aufzuheben. (8 Punkte) 2. Prüfen Sie, bis zu welchem Zeitpunkt die Firma CdQ Widerspruch gegen die Aufhebung einlegen kann! (22 Punkte) 3.a) 3.b) Prüfen Sie, ob die Tatbestandvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Fördermittelbewilligung vorliegen! (35 Punkte) Prüfen Sie umfassend, ob das Ermessen pflichtgemäß ausgeübt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Aufhebung der Fördermittelbewilligung beachtet wurde! (30 Punkte) Hinweise für den Bearbeiter: 1. Auszug aus der Fördermittelrichtlinie der Stadt Chemnitz [.] 3 Wer als Firma die Ausbildung, oder Weiterbildung von Menschen betreibt und einen Firmensitz auf dem Gemeindegebiet der Stadt Chemnitz besitzt, kann für die Anschaffung neuer PC- Anlagen, Fördermittel in Höhe von bis zu 20.000 Euro bewilligt bekommen. [ ] 2. Bereiche des besonderen Verwaltungsrechts werden in diesem Sachverhalt nicht berührt.
Lösungsanleitung: 1. Gemäß 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG darf ein VA nach pflichtgemäßen Ermessen mit dem Vorbehalt eines Widerrufes versehen werden. Gemäß des Sachverhaltes wurde der Firma CdQ bei der Bewilligung der Fördermittel zusätzlich aufgegeben, die Originalbelege / Quittungen über die Anschaffung der PC-Anlagen bis zum 1. Juli 2014 bei der Stadt Chemnitz als Nachweis einreichen, andernfalls behält sich die Stadt Chemnitz vor, diese Bewilligung aufzuheben. Somit wurde dem Begünstigten eine Nebenbestimmung i. S. d. 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG (Widerrufsvorbehalt) aufgegeben. (8 Punkte) Hinweis: Wenn der Prüfling zu dem Ergebnis kommen sollte, dass es sich hierbei um eine Nebenbestimmung in Form einer Bedingung i. S. d. 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG handelt, sollte ihm auch ein adäquates Punkteniveau zukommen, da der Widerrufsvorbehalt eine Unterform der Bedingung ist und die Unterscheidung im Sachverhalt sehr schwer herauszulesen ist. Für die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit ist dies ohne Belang, da hier nicht der 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG (Widerruf eines VA mit Wirkung für die Zukunft aufgrund Widerrufsvorbehalt), sondern 49 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG Anwendung findet.(widerruf für Vergangenheit) 2. Die Widerspruchsfrist ist in 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO geregelt und beträgt einen Monat. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu laufen, 43 Abs. 1 VwVfG. Die Bekanntgabe der Aufhebung erfolgte per einfachen Briefs. Gemäß 4 Abs. 1 Sächs VwVfZG i. V. m. 41 Abs. 2 VwVfG gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Da im Sachverhalt keine Verzögerungen angegeben sind und das Dokument am 25. Juli 2014 zur Post aufgegeben wurde, erfolgte die Bekanntgabe also am 28. Juli 2014. Die Widerspruchsfrist beginnt somit am 29. Juli 2014 zu laufen, 79 2. Hs. 31 Abs. 1 VwVfG, 187 Abs. 1 BGB und endet grundsätzlich mit Ablauf des 28. August 2014 gem. 31 Abs. 1 VwVfG, 188 Abs. 2 Var. 1 BGB. Jedoch erfolgte hier die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft, da gem. 58 Abs. 1 VwGO oder 37 Abs. 6 VwVfG dem Betroffenen das falsche Rechtsmittel (nicht Klage, sondern Widerspruch) mitgeteilt wurde. Gem. 58 Abs. 2 beträgt nunmehr die Frist ein Jahr und endet somit am 28. Juli 2015. (22 Punkte) 3a). Gemäß 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Dass es sich bei der Bewilligung um einen Verwaltungsakt handelt ist unstreitig. Gemäß 35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Die Bewilligung ist eine hoheitliche Maßnahme, da öffentliche Gelder in einem Obrigkeitsverhältnis durch die Behörde der Stadt Chemnitz i. S. d. 1 Abs.4 VwVfG vergeben wurde. Das ein Regelungsinhalt (Fa. CdQ bekommt das Geld) vorliegt ist ebenso unstreitig, wie die Tatsache dass die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln das öffentliche Recht berührt. Die Einzelfallregelung ist gleichwohl gegeben, da dies ein individueller Antrag der Fa. CdQ war und die Bewilligung auch ausschließlich für diese Fa. bestimmt war. Mit der Zustellung per Einschreiben entfaltete dieser Bescheid Außenwirkung. Folglich handelt es sich um einen VA. Bei der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes i.s.d. 49 Abs. 3 VwVfG ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlass des VA, hier des Bewilligungsbescheides (vom 17. Februar 2014) abzustellen Da die Firma CdQ alle Voraussetzungen der Fördermittelrichtlinie erfüllte und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Bewilligung gegeben sind, erging der Bewilligungsbescheid rechtmäßig. (Hier ist eine kurze Subsumtion zum Auszug aus der Fördermittelrichtlinie erforderlich) 1. Firma (gegeben) 2. Auf dem Gemeindegebiet der Stadt Chemnitz den einen Firmensitz (gegeben) 3. Mit der Weiterbildung oder Fortbildung von Menschen (gegeben) 4. Bis zu 20.000 EURO (gegeben) Gemäß des Sachverhaltes wurde mit Bewilligungsbescheid vom 17. Februar 2014 eine einmalige Geldleistung in Höhe von 20.000 für die Anschaffung neuer PC- Anlagen gezahlt. Diese Bewilligung entfaltete am 21. März 2014 Bestandskraft und wurde somit unanfechtbar. Hinweis: 49 Abs. 2 Nr. 1 (Widerruf aufgrund eines Widerrufvorbehaltes, kommt hier als Eingriffsgrundlage nicht in Betracht, da hier nur VA mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden können. Da die Fa. CdQ die Geldmittel nicht für die Anschaffung neuer PC-Anlagen, sondern zum Begleichen einer Steuerschuld verwendete, kann die Leistung nicht mehr für den in dem VA bestimmten Zweck verwendet werden. Außerdem wurde die Leistung nicht alsbald (angemessene Frist zur Beschaffung neuer PC-Anlagen vgl. Kopp / Ramsauer VwVfG Rn. 69 zum 49 VwVfG) und gleichwohl nicht, in der von der Stadt Chemnitz auferlegten Frist (20. Juni 2014) erbracht. Ergebnis (35 Punkte) Somit liegen die Voraussetzungen des 49 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 vor. 3b) Bei der Rücknahme hat die Behörde das Ermessen i. S. d. 40 VwVfG und auch in diesem Bereich die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Anhaltspunkte für Ermessensfehlgebrauch, oder
Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensüberschreitung sind im Sachverhalt nicht erkennbar. Darüber hinaus muss die Aufhebung der Bewilligung auch verhältnismäßig sein. Voraussetzung ist zunächst, dass die getroffene Maßnahme überhaupt geeignet ist, dem Missbrauch von Fördermitteln zu begegnen. Dies ist unproblematisch: Der Widerruf ist zweifelsohne geeignet zumindest rückwirkend diesem Problem Einhalt zu gebieten, da i.d.r. der Widerruf mit einer Rückforderung als gesonderten VA einhergeht. Weiterhin muss der Widerruf der Bewilligung auch erforderlich sein, also das mildeste Mittel darstellen. Auch dies ist unproblematisch. Eine andere tunliche Maßnahme eröffnet sich nicht. Und auch nur so kann sichergestellt werden, dass die Fördermittel in diesem Fall und auch in zukünftigen Fällen so verwendet werden, wie es die öffentliche Hand als Steuerungsmittel vorsieht. Die Maßnahme war somit erforderlich. Die Maßnahme ist angemessen, wenn sie bei Abwägung der Rechte Einzelner mit den Rechten der Allgemeinheit, die schutzwürdigen Güter der Allgemeinheit überwiegen. Durch den Widerruf der Bewilligung wird das Recht auf Fördermittel der Fa. CdQ zwar eingeschränkt, jedoch insbesondere die zweckentfremdete Verwendung dieser Mittel, lässt die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit (unter Umständen auch Mitbewerber für die Fördermittel) in den Hintergrund treten. Beim Widerruf der Bewilligung blieb der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Ergebnis (30 Punkte) Nach den im Sachverhalt erkennbaren Fakten erging der Widerruf der Bewilligung ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig. 5 Punkte Formalien Gesamt 100 Punkte