in vivo Das Magazin der Deutschen Krebshilfe Expertengespräch zum Thema Bauchspeicheldrüsenkrebs

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Transkript:

in vivo Das Magazin der Deutschen Krebshilfe 15.04.2008 Expertengespräch zum Thema Bauchspeicheldrüsenkrebs Und jetzt ist Professor Roland Schmid bei uns, der Direktor der zweiten medizinischen Klink und Poliklinik am Klinikum rechts der Isar in München. Schön, dass Sie zu uns gekommen sind. Ich grüße Sie. Professor Schmid, bei Herfellers, das ist ja ein enormer Familienzusammenhalt, nicht wahr? Also das ist was ganz Besonderes, das man selten sieht, und ich denke, dass die Familie und auch vor allem der Patient sehr davon profitiert und deshalb denke ich, dass es für ihn auch so gut läuft. Das heißt tatsächlich, ein Familienzusammenhalt, dass die ganze Familie daran beteiligt ist - was passiert mit einem Menschen, was kann man machen, welche Therapien sind möglich, in welche Klinik gehen wir? Das hat tatsächlich Auswirkungen nachher auf den Verlauf? Nun, wir wissen, dass die Vitalität des Patienten, wie der Patient sich fühlt, wie gut er beieinander ist, hat einen großen Einfluss auf die Prognose, ist ein wichtiger Prognosefaktor, und ich denke, dass die Familie da sehr unterstützt, wenngleich das jetzt nicht in Studien untersucht ist, aber ich denke, das ist was sehr, sehr Positives. Bei Herrn Herfeller war es ja so, er sollte in zwei Kliniken nicht operiert werden und die dritte hat es aber gemacht? Warum ist das so? Nun da gibt es Grenzfälle. Operation, was ist keine Operation? Das ist oft schwierig am Anfang zu entscheiden, und Zentren können das nicht sehr viel

besser. Die haben ja Erfahrung was die Diagnostik angeht, was die Beurteilung der Bilder angeht und letztlich profitiert der Patient nur, wenn der Tumor durch den Chirurgen komplett sichtbar entfernt wird. Und das ist für ihn jetzt glücklich so gelaufen. War es bei ihm so im Grunde, oder kann man sagen, bei dieser Operation ist es so, die Chance, den Krebs zu bekämpfen, die ist im Grunde geringer, als möglicherweise die Gefahr, dass der Patient verstirbt? Die Operation ist eine Standartoperation, die eigentlich sehr, sehr sicher durchgeführt werden kann. Das Risiko an der Operation zu versterben ist sicher sehr viel geringer. Entscheidend ist, ob der Patient von der Operation profitiert. Hat er was davon? Und das ist nur der Fall, wenn der Tumor komplett durch den Chirurgen sichtbar entfernt wird. Prof. Schmid, bevor wir weitersprechen, haben wir jetzt für unsere Zuschauer ein paar kurze Informationen, zusammengefasst im Film. Sprecherin: Der Bauchspeicheldrüsenkrebs: Eine Erkrankung, die den Betroffenen oft lange Zeit verborgen bleibt. Frühsymptome sind selten und uncharakteristisch. Ärzte gehen davon aus, dass Tabak, Alkohol oder Übergewicht das Krebsrisiko erhöhen können. Die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt, liegt im oberen Bauchraum direkt hinter dem Magen. Sie hat zwei wichtige Funktionen. Zum einen produziert das Organ Verdauungssäfte, zum anderen bildet es die Hormone Insulin und Glucagon, die den Blutzuckerspiegel konstant halten. Am häufigsten tritt das so genannte duktale Adenokarzinom auf, das in erster Linie im Kopf der Drüse entsteht. Das wichtigste Therapieverfahren beim Pankreaskarzinom ist die Operation, bei der der Tumor entfernt wird. Im fortgeschrittenen Stadium ist dies oft jedoch nicht mehr möglich. Die gängige Behandlungsmethode ist dann eine Chemo- oder Strahlentherapie. Jährlich erkranken in Deutschland mehr als 12.000 Menschen an dieser Krebsart. Die Heilungschancen sind leider nach wie vor sehr schlecht. Bauchspeichelsdrüsenkrebs ist ja eine sehr gefährliche Krebsart. Wie groß sind denn überhaupt die Überlebensraten?

Die Heilungsrate gibt es eigentlich nur theoretisch. Wir wissen, dass, auch wenn der Operateur den Tumor vollständig entfernt, dass Metastasen wieder auftreten nach einem Zeitintervall. Also eigentlich ist keine Heilung möglich. Warum ist das so? Das ist so, weil sobald der Tumor Beschwerden macht, und auch kleine Tumore haben bereits Metastasen gesetzt in die Umgebung, mikroskopisch, und das passiert sehr früh und wenn man den Tumor heilt, dann wäre es eigentlich ein reiner Zufall. Es sind nur wenige Einzelfälle. Das heißt, es haben sich in den meisten Fällen die Metastasen auch schon gebildet, bevor ich als Patient vielleicht irgendetwas bemerkt habe woraufhin ich dann zum Arzt gehe? Also wir gehen davon aus, dass wenn der Tumor wenige Millimeter groß ist bildet er bereits Metastasen. Und hat mir als Patient aber vielleicht noch gar keine Beschwerden gemacht? Und macht keinerlei Symptome zu diesem Zeitpunkt. Das heißt, die Früherkennung ist ganz besonders schwierig. Die Früherkennung ist extrem schwierig und Früherkennung macht für die gemeine Bevölkerung keinen Sinn. Man überlegt, Früherkennungsprogramme für Risikopersonen, das sind Verwandte mit Pankreaskarziom ersten Grades, Eltern mit Pankreaskarzinom oder Geschwister, dann macht es Sinn, aber da sind wir weit davon entfernt. Das wird in Studien überprüft, an wenigen Zentren, das wird erst in ein paar Jahren einsetzbar sein in der Routine. Gibt es trotzdem etwas, was Sie den Patienten sagen können? Wenn Sie folgende Beschwerden haben, sollten sie mal einen Arzt aufsuchen. Also ich

würde meinen, wenn ich immer Bauchschmerzen habe, kann das ein Anzeichen sein. Nun die Bauchschmerzen wären natürlich die Mehrzahl der Symptome oder sind unspezifisch Bauchschmerzen, Rückenschmerzen aufgetreten, neu aufgetreten, Zuckerkrankheit. Aber in der Regel sind echte Uraschen nicht das Pankreaskarzinom, der Bauchspeicheldrüsenkrebs, sondern andere Dinge. Das heißt, das macht es schwierig. Wir können einfach nicht irgendwie aufgrund von irgendwelchen Symptomen auf diesen Tumor schließen. Dann kommen wir gleich zur Therapie. Wie sieht die aus, welche Möglichkeiten haben Sie mittlerweile? Nun die Therapie hat zwei Säulen. Wenn operiert werden kann, das heißt wenn der Chirurg den Tumor entfernen kann, das heißt wenn der Tumor nicht in Gefäße einwächst oder wenn keine Tochtermetastasen da sind, dann sollte man operieren. Und zwar in einem Zentrum. Ist es nicht mehr der Fall, kann nicht mehr operiert werden, dann empfehlen wir eine Chemotherapie. Und diese sollte möglichst in Zentren beim Spezialisten und auch am besten in Form von Studien durchgeführt werden. Und die Kombination von beidem? Natürlich, ist der Patient operiert, ist der Tumor entfernt, folgt nach der Operation eine Chemotherapie. Weil wir wissen, dass der Tumor wieder kommt, sollte man diese Therapie anschließen. Es ist auch gut gezeigt, gute Daten, dass es wirklich Sinn macht für den Patienten und Zeit dadurch gewonnen wird. Und beim Bauchspeicheldrüsenkrebs ist ganz besonders wichtig der Operateur, nicht wahr? Warum gerade bei Bauchspeicheldrüsenkrebs? Ich meine Bauchspeicheldrüsenchirurgie ist große Chirurgie, da gibt es andere Entität natürlich auch und für große Chirurgie braucht man Zentren. Und in Zentren gib es Teams die gut diagnostizieren, die eingespielt sind, die gute Operationsvorbereitung haben. Die Operation wird anders durchgeführt beim Operateur, der das 50 Mal im Jahr macht wie jemand, der das zwei-,

dreimal macht. Und auch der positive Verlauf, das ganze Setting, ist einfach wesentlich besser in einem Zentrum. Der Patient profitiert auch mit dem Ergebnis davon. Gibt es denn mittlerweile hoffnungversprechende Medikamente auch? Es gibt Neuansätze, zahlreiche Neumedikamente, die gerade getestet werden. Da gibt es hoffnungsvolle Ansätze, aber kleine Schritte. Wir haben nicht den ganz großen Durchbruch. Auch lernen wir, dass nicht jeder Patient auf jedes Medikament gleich reagiert. Das heißt, es gibt da Unterschiede, das weiß man leider erst in der Therapie, man kann das nicht vorhersagen. Ja, ja. Leben kann man doch aber auch ohne Bauchspeicheldrüse, oder? Aber wahrscheinlich auch unterschiedlich gut. Ich denke da beispielsweise an Menschen, die das Insulin natürlich brauchen, das die Bauchspeicheldrüse produziert. Die Bauchspeicheldrüse hat zwei Funktionen. Die macht die Verdauungsfermente um die Nahrung aufzuschlüsseln und produziert Insulin. Man kann das Insulin geben wie man den Diabetes behandelt mit Insulin und man kann diese Enzyme auch mit der Nahrung zu den Mahlzeiten zu sich nehmen. Man kann ohne Bauchspeicheldrüse leben. Das ist nicht das Hauptproblem. Das ist nicht das Hauptproblem, sagen Sie, da würde ich nachfragen: Was ist das Hauptproblem? Das Hauptproblem sind die Metastasen, die auftreten in anderen Organen, lokal wo der Tumor gewachsen ist und das macht dann die Beschwerden. Was hätten Sie noch als abschließenden Rat für die Patienten, worauf sollte man achten? Nun man sollte einfach wachsam sein. Wenn neue Symptome auftreten, die nicht erklärbar sind, sollte man frühzeitig zum Arzt gehen. Man muss

versuchen, diesen Tumor, wenn auch schwierig, früh zu diagnostizieren und dann werden die Ergebnisse besser. Professor Schmid, Ihnen ganz herzlichen Dank für das Gespräch, für die Informationen. Liebe Zuschauer, Sie finden natürlich weitere Informationen zu diesem Thema und zu den anderen Themen der Sendung auch im Internet und zwar unter www.krebshilfe.de.