Deutsche Umwelthilfe e.v. Hackescher Markt 4 10178 Berlin Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Herrn Dr. Frank Petersen Postfach 12 06 29 53048 Bonn BÜRO BERLIN Hackescher Markt 4/ Neue Promenade 3 (Eingang) 10178 Berlin Dipl.-Ing. Maria Elander Leiterin Kreislaufwirtschaft Telefon 030 2400867-41 Fax 030 2400867-19 E-Mail elander@duh.de Internet www.duh.de Berlin, 15. September 2010 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts Sehr geehrter Herr Dr. Petersen, sehr geehrte damen und Herren, vielen Dank für die Übersendung des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts. Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetztes dient in erster Linie der Umsetzung der neuen europäischen Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG vom 19.11.2008). Mit Schreiben vom 31.03.2010 haben wir bereits zu einigen Punkten im Arbeitsentwurf Stellung genommen. Wir stellen fest, dass unsere Anregungen zum Arbeitsentwurf keinen Eingang in den Referentenentwurf gefunden haben. Wir verweisen deshalb erneut auf unsere Stellungnahme vom 31.03.2010 und bitten um eine entsprechende Berücksichtigung. Zusätzlich nehmen wir hiermit zu ausgewählten Inhalten des Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts Stellung. Wie bereits der Arbeitsentwurf lässt auch der Referentenentwurf grundsätzlich zu viele Fragen offen. In vielen Fällen fehlen verbindliche Verpflichtungen, Verantwortlichkeiten und klare Fristen für die Umsetzung. Dies ist für die konkrete Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften ins nationale Recht nicht ausreichend. Deutsche Umwelthilfe e.v. BGF: Jürgen Resch, Rainer Baake Vorstand: Prof. Dr. Harald Kächele, Burkhard Jäkel, Michael Spielmann Vereinsregister Frankfurt/M Nr. 6771 Bundesgeschäftsstelle: Deutsche Umwelthilfe e.v. Fritz-Reichle-Ring 4 78315 Radolfzell Ehrenvorsitzende: Hermut Ruland Kuratorium: Dr. Henning Friege Albert Lippert Konten: Volksbank Konstanz-Radolfzell (BLZ 692 910 00) 210 677 216 Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00) 81 90 002 Sparkasse Singen-Radolfzell (BLZ 692 500 35) 47 38 886 Postbank Stuttgart (BLZ 600 100 70) 255 88-700
Seite 2 des Schreibens vom 15. September 2010 Fünfstufige Abfallhierarchie ( 6), Rangfolge und Hochwertigkeit der Verwertungsmaßnahmen ( 8) Das geltende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) schreibt eine dreistufige Abfallhierarchie (Vermeiden, Verwerten, Beseitigen) vor. Der Referentenentwurf setzt die fünfstufige Abfallhierarchie der neuen europäischen Abfallrahmenrichtlinie (Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung (z.b. energetische Verwertung), Beseitigung) einerseits zwar formal um. Anderseits werden aber im Referentenentwurf pauschale Ausnahmeregelungen von der fünfstufigen Abfallhierarchie getroffen, die in der Praxis zu einer Weiterführung der dreistufigen Abfallhierarchie führen. Nach der Abfallrahmenrichtlinie können nach Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 für bestimmte Abfallströme Ausnahmen von der fünfstufigen Abfallhierarchie getroffen werden. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn dies durch Lebenszyklusdenken dieser Abfälle gerechtfertigt ist. 8 Absatz 3 des Referentenentwurfes legt die Gleichwertigkeit der energetischen Verwertung (Verbrennung) und der beiden stofflichen Verwertungsverfahren (Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling) von Abfällen fest, die ohne Vermischung mit anderen Stoffen einen Heizwert von mindestens 11.000 kj/kg betragen. Soweit die Abfälle also die Anforderungen an den Heizwert erfüllen, wäre die energetische Verwertung im Vergleich zu den stofflichen Verwertungsverfahren als generell gleichrangig anzusehen und dürfte vom Erzeuger oder Besitzer durchgeführt werden. In der Begründung des Referentenentwurfes wird die Ausnahmeregelung als gesetzliche Vermutung für eine nicht zeitlich befristete Übergangsfrist dargestellt. Angeblich sei die Regelung unter den nach Artikel 4 der Abfallrahmenrichtlinie vorgegebenen ökologischen, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten getroffen worden. Das impliziert, dass der Gesetzgeber die allgemeinen Umweltschutzgrundsätze der Vorsorge und der Nachhaltigkeit berücksichtigt hat und u.a. damit auch eine Maßnahme getroffen hat, durch welche die Gesamtauswirkung der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert wird. Dies ist aus Sicht der DUH hinsichtlich der vorgeschlagenen Pauschalausnahme von der Abfallhierarchie für hochkalorische Abfälle nicht ersichtlich. Die Abfallrahmenrichtlinie lässt Abweichungen von der Abfallhierarchie nur für bestimmte Abfallströme zu. Diese Abweichungen müssen durch Lebenszyklusdenken hinsichtlich der gesamten Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung dieser Abfälle gerechtfertigt werden. Des Weiteren müssen die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 2 Satz 3 sicherstellen, dass die Entwicklung von Abfallrecht und Abfallpolitik vollkommen transparent durchgeführt wird. Aus Sicht der DUH können alle Abfälle, die einen Heizwert über 11.000 kj/kg haben, nicht als ein bestimmter Abfallstrom betrachtet werden; vielmehr
Seite 3 des Schreibens vom 15. September 2010 geht es hier um eine pauschale Ausnahme. Des Weiteren ist nicht erkennbar, wie diese Ausnahme durch Lebenszyklusdenken gerechtfertigt sein sollte. Die im 8 Absatz 3 des Referentenentwurfes vorgesehene Gleichstellung von einer energetischen Verwertung mit Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling für Abfälle mit einem Heizwert über 11.000 kj/kg ist aus Sicht der DUH nicht gerechtfertigt und nicht mit der europäischen Gesetzgebung vereinbar. Wir fordern die ersatzlose Streichung dieses Absatzes. Bei einer Umsetzung der im 8 Absatz 3 des Referentenentwurfes vorgesehenen Regelung werden wir ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Europäischen Kommission anregen. Förderung des Recyclings und der stofflichen Verwertung ( 14) Die Einführung von konkreten Quoten für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen ( 14 Absatz 2) sowie für die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige stoffliche Verwertung von nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfällen ( 14 Absatz 3) bis zum Jahr 2020 ist grundsätzlich zu begrüßen. Die im Referentenentwurf vorgesehenen Quoten sind aber in Anbetracht der bereits vorhandenen Situation in Deutschland eindeutig zu niedrig. In Deutschland wurden bereits 2008 64 Prozent der Siedlungsabfälle recycelt und 89 Prozent der Bau- und Abbruchabfälle recycelt und stofflich verwertet. Die vorgeschlagenen Recyclingquoten in Höhe von jeweils 65 Prozent bzw. 80 Prozent bis 2020 würden entsprechend keine weiteren Impulse für den Einstieg in die Recyclinggesellschaft in Deutschland geben. Damit würden sie ihr Ziel verfehlen. Die DUH fordert deshalb bis 2020 eine rechtsverbindliche Quote für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen in Höhe von 85 Prozent und eine ebenso rechtsverbindliche Quote für die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige stoffliche Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen in Höhe von 95 Prozent. Die Recyclingquoten sind sowohl für die jeweils insgesamt anfallenden Abfallmengen als auch für die einzelnen nach 14 Absatz 1 getrennt zu sammelnden Materialfraktionen (Papier, Metall, Kunststoffe und Glas) zu erfüllen. Um die Erreichung der Ziele zu fördern, sollten konkrete Zwischenziele jeweils zu 2014 und 2017 eingeführt werden. Des Weiteren müssen auf Bundesebene Mindestqualitätskriterien fest definiert werden, welche Abfallbehandlungsmaßnahmen zur Erfüllung der Quoten beitragen (z.b. Recyclingart, Recyclingqualität). In diesem Rahmen sollte auch festgelegt werden, dass bestimmte Formen eines niederwertigen Recyclings (eines Pseudorecyclings ) nicht oder nur anteilig (z.b. zu 25 Prozent oder 50 Prozent) in die Quoten eingehen.
Seite 4 des Schreibens vom 15. September 2010 Schließlich sollten im Sinne einer hohen Transparenz und um Missbrauch zu vermeiden eine Prüfung sämtlicher Recyclingquoten durch unabhängige Sachverständige gesetzlich vorgeschrieben werden. Monitoring der Recyclingquoten durch die Bundesländer Wir sehen in vielen Bereichen des Umweltschutzes v.a. auch im Bereich der Abfallwirtschaft erhebliche Probleme mit Missbrauch, Nichterfüllung und Nichtkontrolle gesetzlicher Regelungen. Im Sinne einer dringend erforderlichen Transparenz halten wir die Streichung der im Arbeitsentwurf vorgesehenen Dokumentation der Erfüllung der Recyclingquoten durch die für die Abfallwirtschaft zuständigen obersten Landesbehörden für ein komplett falscher Signal sowohl an die zuständigen Vollzugsbehörden als auch an die in der Abfallwirtschaft tätigen Unternehmen. Wir fordern deshalb die Wiederaufnahme des im Arbeitsentwurf ( 13 Absatz 4) vorgesehenen Monitorings der Bundesländer. Abgrenzung zwischen energetischer Verwertung und Beseitigung Das geltende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) schreibt im 6 als grundlegende Voraussetzung für die energetische Verwertung neben dem Mindestheizwert von 11.000 kj/kg auch einen Feuerungswirkungsgrad von mindestens 75 Prozent und eine Nutzung der entstehende Wärme vor, ebenso dass die im Rahmen der energetischen Verwertung anfallenden weiteren Abfälle möglichst ohne weitere Behandlung abgelagert werden können. Es ist nicht ersichtlich, warum diese zusätzlichen Anforderungen auf die energetische Verwertung gestrichen wurden. Die in der Anlage 2 so genannten R1-Formel als anlagenbezogenes Energieeffizienzkriterium für Abfallverbrennungsanlagen reicht aus Sicht der DUH nicht aus, um in Deutschland weitere Energieeffizienzsteigerungen bei der Abfallverbrennung zu sichern. Ziel der Abfallrahmenrichtlinie war es, durch die Einführung eines derartigen Mindesteffizienzkriteriums, die Energieeffizienz in Abfallbehandlungsanlagen durch die Einstufung als energetische Verwertung statt Beseitigung zu fördern. Nach unseren Informationen ist der Anteil der Abfallverbrennungsanlagen, die die im Anhang 2 aufgeführten Energieeffizienzkriterien nicht erfüllen, gering. Es bestehen entsprechend für Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen in Deutschland praktisch keine gesetzlichen Anreize, weitere Effizienzsteigerungen zu erzielen. Die DUH fordert deshalb deutlich höhere und ambitioniertere Effizienz- und Qualitätskriterien für die energetische Verwertung.
Seite 5 des Schreibens vom 15. September 2010 Abfallvermeidungsprogramme ( 33) Die Einführung eines Bundesprogramms zur Abfallvermeidung ist zu begrüßen. Allerdings ist aus Sicht der DUH im Sinne einer hohen Transparenz und Vergleichbarkeit eine zwingende Beteiligung der Bundesländer an dem Bundesprogramm zur Abfallvermeidung notwendig. Wir stellen auch fest, dass nach wie vor konkrete Ziele und Vorgaben für die Abfallvermeidungspläne fehlen. Ohne klare Zielsetzungen, welche Abfälle in welchem Umfang reduziert (vermieden) werden sollen, und ohne Sanktionen bei Nichterfüllung der Ziele, wird das Bundesprogram zur Abfallvermeidung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein zahnloser Papiertiger. Aus Sicht der DUH muss auch eine Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung des Bundesprograms zur Abfallvermeidung eingeführt werden. Sonstige Punkte Im Folgenden sind weitere, in unserer Stellungnahme zum Arbeitsentwurf beanstandete aber im Referentenentwurf nicht berücksichtigte Punkte schematisch aufgelistet. Für weitere Informationen verweisen wir auf unsere Stellungnahme vom 31.03.2010. Im Sinne des Einstiegs in eine Recyclinggesellschaft sollte statt der im Referentenentwurf vorgesehenen Verordnungsermächtigung der Bundesregierung ( 10 Absatz 1 Nummer 3) eine verbindliche Pflicht zur Einführung einer erweiterten Wertstoffsammlung bis spätestens 01.01.2014 eingeführt werden. Die Getrenntsammlung von Bioabfällen sollte verpflichtend und bis spätestens 01.01.2014 (statt nach 11 Absatz 1 im Referentenentwurf bis spätestens 01.01.2015) bundesweit umgesetzt werden. Im Sinne einer Qualitätssicherung und Förderung der Verwertung von Bioabfällen besteht die dringende Notwendigkeit, bereits im Vorfeld die im 11 Absatz 2 Nummer 1-5 erwähnten Kriterien, Definitionen und Anforderungen in rechtsverbindlichen Vorschriften festzulegen. Die im 14 Absatz 1 vorgesehene Verpflichtung, Papier, Metall, Kunststoff und Glas getrennt zu sammeln, sollte auf Verbundmaterialien, Textilien, Holz und Altöle ausgeweitet und bundesweit bis spätestens 01.01.2014 vorgezogen werden. Der Gesetzgeber müsste (im Referentenentwurf noch fehlende) konkrete, verbildliche Ziele (z.b. jährliche, prozentuale Reduktion des Pro-Kopf- Abfallaufkommens) und verpflichtende Maßnahmen zur Abfallvermeidung festlegen.
Seite 6 des Schreibens vom 15. September 2010 Die Verpflichtung aus der Abfallrahmenrichtlinie, Maßnahmen zur Förderung der Wiederverwendung von Produkten und der Vorbereitung zur Wiederverwendung, insbesondere durch Förderung der Errichtung und Unterstützung von Wiederverwendungs- und Reparaturnetzen sowie durch Einsatz von wirtschaftlichen Instrumenten, Beschaffungskriterien oder quantitativen Zielen oder durch andere Schritte zu ergreifen, muss vom Gesetzgeber konkreter berücksichtigt werden. Die Aufzählung von Abfallvermeidungsmaßnahmen im Anhang 4 ist völlig unverbindlich und reicht als Impuls für Abfallvermeidung und Wiederverwendung in der Praxis nicht aus. Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Jürgen Resch Bundesgeschäftsführer Maria Elander Leiterin Kreislaufwirtschaft