Verwendung von Deuterium und Sauerstoff-18 als natürliche Umweltisotope und als künstliche Markierungsmittel

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Transkript:

Verwendung von Deuterium und Sauerstoff-18 als natürliche Umweltisotope und als künstliche Markierungsmittel Allgemeine Grundlagen Ermittlung der Herkunft von Wässern Datierung junger Grundwässer Aufspüren eiszeitlich gebildeter Grundwässser Infiltration von Flußwasser Infiltration von Seewasser Deuterium als künstlicher Markierungsstoff bei Grundwassermarkierungsversuchen www.hydroisotop.de 0

Allgemeine Grundlagen Alle chemischen Elemente besitzen Isotope. Wasserstoff z. B. besitzt zwei stabile Isotope. Protium ( 1 H), mit der Massenzahl 1, ist mit 99,985 % das Majoritätsisotop, während das Deuterium ( 2 H) mit der Massenzahl 2 nur zu ca. 0,015 % vorliegt. Daneben existiert noch ein radioaktives Wasserstoffisotop, das Tritium ( 3 H), dem eine große Bedeutung bei der Grundwasseraltersdatierung zukommt. Beim Sauerstoff existieren neben dem Majoritätsisotop 16 O noch die stabilen Isotope 17 O und 18 O, wobei in der hydrologischen Anwendung lediglich das Isotop 18 O eine Rolle spielt. In natürlichen Wässern befinden sich unter 10 6 Wassermolekülen mit der normalen Isotopenzusammensetzung 1 H 16 2 O etwa 2000 Moleküle 1 H 18 2 O mit dem schweren Sauerstoffisotop 18 O und etwa 160 Moleküle 2 H 1 H 16 O, bei denen eines der beiden Wasserstoffatome 1 H durch das schwere Wasserstoffisotop 2 H (Deuterium) ersetzt ist. Das Isotopenverhältnis der Wassermoleküle in der Natur ist jedoch nicht konstant. Durch physikalische, chemische und biologische Prozesse können Isotopenverhältnisse geändert werden (Isotopeneffekte). Systematische Untersuchungen im gesamten globalen Wasserkreislauf ergaben, daß die Anteile von 1 H 18 2 O bzw. 2 H 1 H 16 O unter 10 6 Wassermolekülen zwischen 1880 und 2010 Molekülen bzw. 90 und 170 Molekülen schwanken. Die hydrologische Anwendung von Messungen des Gehaltes an den stabilen Isotopen 2 H und 18 O am Wassermolekül beruht im wesentlichen auf diesen in natürlichen Wässern auftretenden unterschiedlichen Konzentrationen. Die verschiedenen Isotopeneffekte führen zu einer örtlich und zeitlich charakteristischen Markierung der Niederschläge und damit auch zu einer örtlich und zeitlich charakteristischen Markierung der verschiedenen Wasserkörper des Wasserkreislaufes (siehe Schemabild). Schwankung des 18 O-Gehaltes im Wasserkreislauf, Schematische Darstellung 1

Meßtechnik und Meßwertgrößen Bei der Deuterium- und Sauerstoff-18- Isotopenanalytik wird in der Regel nicht wie bei der Bestimmung der chemischen Inhaltsstoffe der absolute Gehalt bestimmt. Probenpräparation Überführung der Probe in ein Meßgas (CO 2 ) Bei stabilen Isotopen wird ein Isotopenhäufigkeitsverhältnis ( 18 O/ 16 O bzw. 2 H/ 1 H) gemessen und mit einem internationalen Standard verglichen. Die Abweichung des Isotopenhäufigkeitsverhältnisses der Probe gegen-über dem des Standards wird als δ -Wert in Promille ( ) angegeben. δ 2 H- und δ 18 O-Werte beziehen sich auf den internationalen Standard V-SMOW (Vienna-Standard-Mean-Ocean-Water). Da die Mehrzahl der natürlichen Wässer weniger schwere Isotope enthalten als der Bezugsstandard, sind die δ-werte häufig negativ. Für die Bestimmung der stabilen Isotope Deuterium und Sauerstoff-18 sind nur geringe Probenmengen (wenige ml) erforderlich. Die Messung erfolgt nach einer Probenpräparation (Überführung der Wasserprobe in ein geeignetes Meßgas (Abb. 1)) im Messung im Massenspektrometer Massenspektrometer (Abb.2). angereichert gegenüber dem Standard abgereichert gegenüber dem Standard 18O Probe A (z.b. Obstsaft) 18O Probe > Standard 16O 16O + Meßwert Standard (V-SMOW) 18O Standard 16O definiert=0 18O Probe B (z.b. Grundwasser) 18O Probe < Standard 16O 16O - Meßwert 2

Ermittlung der Herkunft von Wässern Die durch die Isotopeneffekte hervorgerufenen Schwankungen der Gehalte an den stabilen Isotopen 2 H und 18 O im Wasserkreislauf sind hauptsächlich durch Isotopenfraktionierungen bei allen Phasenumwandlungen (Verdampfung, Kondensation u.ä.) bedingt. Wesentlich ist dabei, daß die Isotopenfraktionierung temperaturabhängig ist. Aus der Bestimmung der stabilen Isotope des Wassermoleküls Sauerstoff-18 und Deuterium in einer Grundwasserprobe lassen sich somit in erster Linie Rückschlüsse auf die klimatischen Bildungsbedingungen bei der Grundwasserneubildung ziehen. Die Niederschlagsgerade (Global Meteoric Water Line) Das Verhältnis des 2 H- zum 18 O-Gehalt im Niederschlag wird durch thermodynamische Vorgänge bei der Phasenänderung beeinflußt. Prinzipiell ist bei Niederschlägen eine lineare Korrelation zwischen dem 2 H und dem 18 O-Gehalt zu verzeichnen. In folgender Abbildung sind die gewichteten Mittelwerte der 2 H und 18 O-Gehalte von 74 Niederschlagsstationen (IAEA-Meßstationen) im δ 2 H-δ 18 O-Diagramm aufgetragen, die diesen linearen Zusammenhang verdeutlichen. weltweites Niederschlagsmeßstellennetz der IAEA (Internationale Atomenergiebehörde Wien) V-SMOW: Vienna-Standard Mean Ocean Water GMWL: Global Meteoric Water Line Für die Niederschläge in Mitteleuropa kann dieser lineare Zusammenhang durch die Gleichung δ 2 H = 8 x δ 18 O + 10 ausgedrückt werden (sog. mittlere Niederschlagsgerade). 3

Liegen die δ 2 H-δ 18 O -Meßwertpaare von Grundwasserproben im Bereich dieser Niederschlagsgeraden, so kann daraus geschlossen werden, daß die Grundwässer aus lokalen Niederschlägen gebildet wurden und somit meteorischer Herkunft sind. Spielen Verdunstungsprozesse bei der Grundwasserneubildung eine Rolle (z.b. Infiltration von Seewasser) oder ist ein Sauerstoffisotopenaustausch mit dem Gestein zu verzeichnen (z.b. bei hochtemperierten Thermalwässern), so drückt sich dies in einer charakteristischen, abweichenden Lage des Meßwertpaares von der mittleren Niederschlagsgeraden aus. Bei dem folgenden Beispiel aus dem Tunnelbauwesen sollte die Herkunft von Wässern im Sohlbereich ermittelt werden. Es galt zu klären, ob die Wässer aus dem verwendeten Betriebswasser herzuleiten sind (Leckagen im Zuleitungssystem) oder ob hier ein Zutritt von autochthonen Bergwässern vorliegt. Durch die Untersuchungsergebnisse konnte eine Herkunft der Tunnelwässer aus dem verwendeten Betriebswasser ausgeschlossen werden. Diese Schlußfolgerung konnte zudem durch andere Parameter (z.b. Tritium) bestätigt werden. Tunnelwässer Betriebswasser 4

Der Höheneffekt Mit zunehmender orographischer Höhe tritt eine Abnahme des Gehaltes an schweren Isotopen auf. Grund hierfür ist vor allem die mit der Höhe abnehmende Temperatur. In morphologisch stärker geprägten Gebieten kann mit Hilfe von 2 H- und 18 O-Messungen die mittlere Höhenlage des Einzugsgebietes eines unterirdischen Grundwasservorkommens abgeschätzt werden. Das dargestellte Beispiel zeigt eine Anwendung der Methode im Bereich der Nördlichen Kalkalpen (Oberösterreich). Für eine neu errichtete 60 m tiefe Aufschlußbohrung (TB 1) sollte aufgrund einer geplanten Trinkwassernutzung das Einzugsgebiet für die notwendige Schutzgebietsausweisung ermittelt werden. Die Bohrung erschließt das tiefe Grundwasser eines großflächigen Hangschuttkegels. Es galt zu klären, ob das Grundwasser im Bereich des Hangschuttkegels neugebildet wird, oder ob das Grundwasser aus einem höher gelegenen Einzugsgebiet im Bereich des östlich angrenzenden Gebirgszuges (Traunstein-Katzenstein) stammt. 5

Die Entnahmestelle Br. Forsthaus repräsentiert das oberflächennahe Grundwasser des Hangschuttkegels. Dieses Grundwasser wird im unmittelbaren Nahbereich neugebildet, was einer Einzugsgebietshöhe von ca. 420 m NN entspricht. Die Entnahmestellen Quelle Laudachsee, Alm Laudachsee, Siebenbründl repräsentieren das Grundwasser, das im Bereich des Höhenzuges Traunstein-Katzstein neugebildet wird. Für diese Entnahmestellen kann eine Einzugsgebietshöhe von ca. 900-1200 m NN veranschlagt werden. Aus diesen Daten läßt sich im Untersuchungsgebiet eine Abnahme des 18 O-Gehaltes von ca. 0.2 pro 100 m ermitteln, was im typischen Bereich für den Höheneffekt liegt. Das mit dem Tiefbrunnen erschlossene Grundwasser weist δ-werte auf, die zwischen diesen beiden Regionen liegen. Aus der Lage der Wertepaare im δ 2 H-δ 18 O-Diagramm läßt sich für den Brunnen TB 1 ein Einzugsgebiet mit einer mittleren Höhenlage von ca. 700-800 m ermitteln. Folgerung für die Schutzgebietsausweisung: Ein bedeutender Anteil des Grundwassers, das durch die Aufschlußbohrung TB 1 erschlossen wird, wird in den höheren Regionen des Untersuchungsgebietes neugebildet. Dieser Bereich ist somit bei der Bearbeitung der Schutzgebietsfragestellung mit einzubeziehen. 6

Datierung junger Grundwässer Grundwasseralter und Mittlere Verweilzeit Beim Grundwasser versteht man unter dem Alter die Zeitspanne, die es im Untergrund verweilte seit es als Niederschlag im Untergrund versickert ist. Da in einem Grundwasservorkommen im Regelfall eine Vermischung mehrerer Niederschlagsjahrgänge vorliegt, läßt sich kein exaktes Grundwasseralter angeben, man spricht daher vielmehr von einer Mittleren Verweilzeit (MVZ) des Grundwassers. Die Mittlere Verweilzeit eines Grundwassers kann als Indikator für die natürliche Geschütztheit eines Grundwasservorkommens herangezogen werden. Bei flachgründigen Grundwassersystemen, bei denen von geringen Grundwasserverweilzeiten im Bereich von wenigen Jahren auszugehen ist, stellt die Sauerstoff-18-Methode neben der Tritium- und Krypton-85-Gehaltsbestimmung eine ideale Methode zur Ermittlung des Grundwasseralters dar. Um detaillierte Aussagen zur Grundwasseraltersstruktur treffen zu können sind hierzu jedoch Zeitreihenaufzeichnungen des Sauerstoff-18-Gehaltes im Niederschlag und im Grundwasser von mindestens einem hydrologischen Jahr notwendig. Die Sauerstoff-18-Methode zur Altersbestimmung junger Grundwässer Bedingt durch die Temperaturabhängigkeit der Isotopenfraktionierung tritt im Isotopengehalt der Niederschläge ein Maximum im Sommer und ein Minimum im Winter auf, wobei dieser allgemeine Trend überlagert wird durch kurzzeitige Variationen der Isotopengehalte (siehe Abbildung). Dies führt zu einem charakteristischen saisonalen Verlauf des 18 O-Gehaltes im Niederschlag. Die Grundwasserdatierung mit 18 O beruht auf der quasiperiodischen, jahreszeitlichen Schwankung dieser Isotopengehalte im Niederschlag und damit im neugebildeten Grundwasser. Soweit diese Schwankungen im Grundwasser noch meßbar sind, lassen sich damit modellabhängige Grundwasserverweilzeiten im Bereich von Monaten bis zu einigen Jahren angeben. Das hier dargestellte Beispiel aus einem flachgründigen Porengrundwasserleiter (Süddeutschland) zeigt exemplarisch die Ermittlung der Mittleren Verweilzeit eines Grundwassers durch Modellrechnung (Best-Fit-Methode). 7

Entnahme von Niederschlagsproben: wöchentliche oder monatliche Sammelprobe mit Aufzeichnung der Niederschlagsmenge Entnahme von Grundwasserproben: wöchentliche oder 14-tägige Beprobung Sauerstoff-18-Zeitreihe im Niederschlag Sauerstoff-18-Zeitreihe im Grundwasser δ 18 O (%o) Ergebnis der Modellrechnung Aquifermodell: Dispersionsmodell Mittlere Verweilzeit ca. 4 Jahre 8

Präzisierung der Neubildungsbedingungen Bei einer hohen zeitlichen Auflösung der 18 O-Ganglinie des Niederschlages und des Grundwassers (mind. wöchentliche Beprobung) können durch einen direkten Vergleich der beiden Ganglinien Anteile und Verweilzeiten von sehr rasch abfließenden Niederschlagskomponenten erfaßt werden. In dem dargestellten Beispiel (Muschelkalkbrunnen in Franken) kann das Grundwasser bezüglich der Altersstruktur folgendermaßen charakterisiert werden. Aufgrund der starken Amplitudendämpfung der 18 O-Eintragskurve im Grundwasser kann auf eine Mittlere Verweilzeit des Grundwassers von mehreren Jahren geschlossen werden. Aus dem direkten Ganglinienvergleich läßt sich jedoch ein Anteil einer sehr jungen Grundwasserkomponente (Verweilzeit: wenige Monate) mit ca. 5-10 % erkennen. An diesem Beispiel wird darüber hinaus ersichtlich, daß sich die Herbst- Winterniederschläge deutlicher in der Grundwasserganglinie durchpausen als die Sommerniederschläge. Bei einer entsprechend langen Beobachtungszeit können deshalb auch grundlegende Aussagen über die Grundwasserneubildungsperiode im Einzugsgebiet eines Grundwasservorkommens getroffen werden. Sauerstoff-18-Zeitreihe des Niederschlag Sauerstoff-18-Zeitreihe im Grundwasser Ergebnisse des Ganglinienvergleiches Mittlere Verweilzeit (aus Dämpfung): ca. 4-5 Jahre Anteil einer sehr jungen Komponente: ca. 5-10 % Verweilzeit der sehr jungen Komponente: ca. 2-3 Monate 9

Aufspüren eiszeitlich gebildeter Grundwässer In Kaltzeiten des Pleistozän gebildete Grundwässer weisen aufgrund des damals deutlich kühleren Klimas niedrige 2 H- und 18 O-Gehalte auf. Der Zusammenhang zwischen dem 18 O- Gehalt des Niederschlages und der globalen Klimageschichte geht eindrucksvoll aus Untersuchungen an Bohrungen im Grönlandeis hervor. Grundwässer, die niedrige 2 H und 18 O-Gehalte aufweisen und auch aufgrund der Altersstruktur (z.b. Kohlenstoff-14) als sehr alt anzusprechen sind, besitzen zumindest Anteile einer im Pleistozän gebildeten Grundwasserkomponente (> 10.000 Jahre). Für mehrere großräumige Grundwassersysteme konnte anhand der Bestimmung der stabilen Isotope 2 H und 18 O in Zusammenhang mit anderen isotopenhydrologischen Untersuchungen die Tiefenlage der pleistozänen Grundwasserkomponente bestimmt werden und daraus u.a. Rückschlüsse auf die Grundwasserneubildungrate gezogen werden. Darüber hinaus stellt bei diesen Grundwasservorkommen das hohe Grundwasseralter prinzipiell einen hohen Grad der natürlichen Geschütztheit dar. Ein Gedanke, der auch bereits Einzug in der Werbung von verschiedenen Mineralwasserbetreibern gefunden hat. Tiefenlage der pleistozänen Grundwasserkomponente im Aquifer der Oberen Süßwassermolasse im Raum München junges, tritiumhaltiges Grundwasser (Jahre bis Jahrzehnte) altes, tritiumfreies Grundwasser (Jahrhunderte bis Jahrtausende - Holozän) altes, tritiumfreies Grundwasser (Anteile einer pleistozänen Komponente) 10

Flußwasserinfiltration Flußwasser weist bedingt durch sein i.d.r. hoch gelegenes Einzugsgebiet niedrigere 2 H- und 18 O-Gehalte auf, als das begleitende lokal gebildete Grundwasser in den Flußniederungen. Infiltrierendes Flußwasser läßt sich im flußnahen Grundwasser somit anhand der Messung des 18 O- bzw. des 2 H-Gehaltes eindeutig nachweisen. Lokalisation von Infiltrationsbereichen Am Beispiel des Oberrheintales ist exemplarisch dargestellt, wie über die Bestimmung der 18 O- und der 2 H- Signatur des oberflächennahen Grundwassers die Regionen mit Flußwasserinfiltration lokalisiert werden können. oberflächennahe, junge Grundwässer im Oberrheintal Grundwässer gebildet aus lokalem Niederschlag Grundwässer mit Verdunstungseffekt (Zustrom von Seewasser) Grundwässer mit Anteil an Rheinuferfiltrat Grundwässer mit Anteil an Rheinuferfiltrat Grundwässer gebildet aus lokalem Niederschlag Grundwässer mit mit Verdunstungseffekt 11

Quantifizierung des Uferfiltratanteiles Ist die Isotopensignatur ( 2 H, 18 O) des Flußwassers und des landseitigen Grundwassers bekannt, so läßt sich über eine einfache Mischwasserberechnung der Flußwasseranteil im flußnahen Grundwasser quantifizieren. Für manche Bereiche des Untersuchungsgebietes (Oberrheintal) konnte bereits durch wenige Einzelmessungen der Zusammenhang des Uferfiltratanteiles im Grundwasser und der Entnahmeleistung der rheinnahen Brunnen geklärt werden. Dies wird in folgender Abbildung für einen Trinkwasserbrunnen im Raum Freiburg exemplarisch dargestellt. Im Gegensatz zum Brunnen ist bei diesem Fallbeispiel in einer wenige 100 m flußaufwärts gelegenen rheinnahen Grundwassermeßstelle kein Zustrom von Rheinwasser zu verzeichnen. Dies deutet darauf hin, daß die Uferfiltration durch eine hohe Grundwasserabsenkung im unmittelbaren Nahbereich des Brunnen verursacht wird und lokal sehr eng begrenzt ist. δ 2 H (%o) Grundwassermeßstelle Herbst 93 und Herbst 94 Brunnen Herbst 1993 Brunnen Herbst 1994 δ 18 O (%o) 12

Bestimmung der Fließzeit von infiltrierendem Flußwasser Niederschlagsereignisse zeichnen sich i.d.r. relativ rasch in Fließgewässern ab, sowohl in der Schüttung als auch in der hydrochemischen und isotopischen Zusammensetzung. Die jahreszeitliche 18 O- bzw. 2 H-Ganglinie des Niederschlages ist somit in gedämpfter Form auch im Flußwasser erkennbar. Durch einen Vergleich der 18 O- bzw. der 2 H-Ganglinie des Flußwassers mit den Ganglinien von flußnahen Grundwassermeßstellen können wertvolle Erkenntnisse über die Beeinflussung des Grundwassers durch infiltrierendes Flußwasser gewonnen werden und die Fließzeiten des Uferfiltrates bestimmt werden. Vorteil der Sauerstoff-18-Methode bei der Erfassung der Uferfiltratproblematik ist, daß bei der Infiltration und der Untergrundpassage des infiltrierenden Flußwassers im Gegensatz zu den meisten hydrochemischen Parametern (z.b. Nitrat) keine Änderungen des Sauerstoff- 18-Gehaltes durch physikalische chemische und biologische Prozesse auftreten. Im dargestellten Beispiel wurden über einen ca. 3-monatigen Beobachtungszeitraum die 18 O-Ganglinie des Flußwassers und des Förderwassers der ca. 100 m vom Ufer entfernten Brunnen ermittelt (Stadtwasserversorgung im Großraum Nürnberg). Durch einen Ganglinienvergleich war es möglich, die Fließzeiten des Flußuferfiltrates zu den einzelnen Brunnen zu bestimmen. Sauerstoff-18-Ganglinie Flußwasser ausgeprägte Peakfolge Sauerstoff-18-Ganglinie Brunnen A aus Ganglinienvergleich: Fließzeit Fluß- Brunnen ca. 15 bis 25 Tage Sauerstoff-18-Ganglinie Brunnen B aus Ganglinienvergleich: Fließzeit Fluß- Brunnen ca. 35 bis 50 Tage 13

Seewasserinfiltration Bei Verdunstungsvorgängen (z.b. von Seeoberflächen) tritt stets eine Anreicherung von schweren Isotopen in der flüssigen Phase auf. Bei einer solchen Phasenumwandlung tritt dabei eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen δ 2 H- und δ 18 O-Wert, das meist durch die Relation δ 2 H = 8 x δ 18 O + 10 bestimmt wird (sog. mittlere Niederschlagsgerade), in der Weise auf, daß 18 O stärker als 2 H angereichert wird. Dies hat eine Änderung des Steigungsfaktors zu kleineren Werten hin zur Folge (sog. Verdunstungsgerade). Die Bestimmung der 2 H- und 18 O-Gehalte sind optimal geeignet, um Anteile von infiltrierendem Seewasser im Grundwasserleiter sowohl qualitativ als auch quantitativ nachzuweisen. Mit Hilfe von Sauerstoff-18 und Deuteriumgehaltsbestimmungen im Nahbereich eines Kies-Naßabbaues oberstromig zu einem Trinkwasserbrunnen konnten detaillierte Aussagen über den Einfluß von Baggersee-Filtrat auf das Grundwasser getroffen werden. Klärung der Beeinflussung des Trinkwasserbrunnen durch Baggersee-Filtrat. Untersuchungsumfang: Zeitreihen der 18 O- und 2 H-Gehalte in 14-tägigem Rhythmus an: Trinkwasserbrunnen Baggersee (drei Tiefen) Grundwassermeßstellen δ 2 H ( ) Baggerseewasser ist gegenüber dem Grundwasser deutlich angereichert (Verdunstungseffekt) Meßwerte der Grundwassermeßstellen ohne Baggersee-Filtrat streuen um sog. Mittlere Niederschlagsgerade δ 18 O ( ) Der Tiefbrunnen und bestimmte Grundwassermeßstellen enthalten Anteile von Baggersee-Filtrat. Meßwerte liegen auf einer Mischungsgeraden zwischen Grundwasser und isotopisch angereichertem Baggerseewasser 14

Deuterium als künstlicher Markierungsstoff Die bisher besprochenen isotopenhydrologischen Methoden, beruhen auf der natürlichen Verteilung von Sauerstoff-18 und Deuterium im globalen Wasserkreislauf (Umweltisotop). Bei Grundwassermarkierungsversuchen werden dagegen künstliche Stoffe (Markierungsstoffe, Tracer) absichtlich in das zu untersuchende Wasserregime eingegeben und deren Verbreitung qualitativ und quantitativ verfolgt. Am häufigsten werden in der Hydrologie Fluoreszenzfarbstoffe als Markierungsstoffe eingesetzt (Uranin, Eosin, Pyranin, Sulforhodamine etc.). Neben dieser Markierungsstoffgruppe können prinzipiell auch isotopisch markierte Substanzen verwendet werden (stabile und radioaktive Substanzen). In der Praxis kommt aus dieser Stoffgruppe insbesondere mit Deuterium angereichertes Wasser bei der Gewässermarkierung zum Einsatz. Es handelt sich hierbei um Wasser, daß zu ca. 96 % aus den schweren 2 H 2 O-Molekülen (D 2 O; schweres Wasser ) besteht. Analog ist auch die Verwendung von mit Sauerstoff-18 angereichertem Wasser möglich. Dies scheidet jedoch aufgrund der extrem hohen Kosten (ca. 1000 DM pro 100 ml) bei Markierungen im Grundwasserbereich aus. Im folgenden werden kurz die Vor- und Nachteile von D 2 O als Markierungsmittel in der Hydrologie angeführt. Eine ausführliche Darstellung der breiten Anwendungspalette der Markierungsstofftechniken in der Hydrologie erfolgt in einem eigenständigen Informationsprospekt. Vorteile von Deuterium als Markierungsstoff D 2 O kann als idealer Tracer angesehen werden, da das Wassermolekül selbst markiert wird und sich der Markierungsstoff somit vom isotopisch normalen Wasser ( 1 H 2 O) chemisch nicht unterscheidet. Der Markierungstoff unterliegt somit keinen Änderungen durch physikalische, chemische und biologische Prozesse (Adsorbtion, mikrobieller Abbau etc.). Beim Einsatz von D 2 O besteht i.d.r. keine Notwendigkeit einer behördlichen Genehmigung. D 2 O ist humantoxikologisch völlig unbedenklich. Bei der Grundwasser-markierung mit D 2 O kommt es zu einer Erhöhung des natürlichen Deuteriumgehaltes des Grundwassers um ca. 10-100. Die bei Deuterium-markierungen erreichten Deuteriumgehalte liegen somit im Bereich von natürlich vorkommenden Wässern (z.b. Meerwasser mit ca. 0, Fruchtsäfte ca. +10 ). 15

D 2 O führt zu keiner wahrnehmbaren Veränderung des Wassers, was bei zahlreichen Markierungsversuchen von primärer Bedeutung ist (z.b. Markierung im Nahbereich von Mineralwasserbrunnen). Beim Einsatz von Fluoreszenzfarbstoffen als Markierungsmittel kann i.d.r. nicht ausgeschlossen werden, daß an den Entnahmestellen Markierungsstoffkonzentrationen über der Sichtbarkeitsgrenze erreicht werden. Nachteile von Deuterium als Markierungsstoff Vergleichsweise hohe Kosten sowohl für den Markierungsstoff als auch bei der Laboranalytik der Proben (ca. 90 DM pro Probe). Insbesondere die hohen Kosten des Markierungsstoffes (1 l D 2 O ca. 1000 DM) schränkt den Einsatz von D 2 O auf kleine Grundwasservorkommen beziehungsweise geringe Fließdistanzen ein. Als Faustformel muß für die Markierung von 500 bis 1000 m 3 Wasser eine Markierungsstoffmenge von 1 l D 2 O veranschlagt werden. Im Gegensatz zu den Fluoreszenzfarbstoffen ist bei Deuterium aufgrund der aufwendigen Laboranalytik nur ein geringer Probendurchsatz möglich (ca. 40 Proben pro Woche). Eine on-line Messung im Gelände ist nicht möglich. Bei zahlreichen Markierungsversuchen ist jedoch zur Anpassung des Probenahmeintervalles eine rasche Analytik notwendig. Eine derartige Rückkoppelung zwischen Laboranalytik und Beprobungsdichte ist bei der Verwendung von D 2 O als Markierungsstoff nicht möglich. Da der Deuteriumgehalt des Grundwassers natürliche Schwankungen aufweist, sollte bei Markierungsversuchen mit D 2 O soweit möglich eine Referenzmeßstelle im näheren Untersuchungsgebiet beprobt werden, um diese natürliche Schwankungen im Untersuchungszeitraum zu erfassen. Nur so lassen sich bei der Auswertung der Durchgangskurven auftretende Änderungen des Deuteriumgehaltes im beprobten Grundwasser zweifelsfrei auf das eingegebene Deuterium zurückführen. Beispiele für Markierungsversuche mit Deuterium sind in unserem Informationsprospekt über Markierungstechniken in der Hydrologie beschrieben. 16