Rechtliche Anforderungen an Gründungen ärztlicher Ausbildungs und Forschungsstätten Frankfurt, 20. Juni 2014 Prof. Dr. Max-Emanuel Geis Institut für Staats- und Verwaltungsrecht Lehrstuhl für Öffentliches Recht Forschungsstelle für Wissenschafts- und Hochschulrecht Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Zum Begriff Franchising Modell im Bildungsbereich Durchführung eines Studienprogramms oder eines Teils davon durch einen Hochschulpartner oder einen außerhochschulischen Partner, während der wissenschaftliche Grad von der Hochschule selbst verliehen wird (Academic Franchising). HRK, Franchising von Studiengängen. Empfehlung der 15. Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz Karlsruhe, 19.11.2013, S. 2. Reichert/Winde/Meyer Guckel, Jenseits der Fakultäten, 2012, S. 70 ff. Leusing, McUniversity : Innerstaatliches Academic Franchising (AF) deutscher Hochschulen. Eine public private Perspektive, Diss.Univ. Flensburg, 2012 (im Internet) Sandberger, Kooperationen von staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen im deutschen und internationalen Bildungsmarkt; in: Ordnung der Wissenschaft 3/2014, S. 129 ff. Geis, Franchising Modelle im Recht der Medizinerausbildung, in: Ordnung der Wissenschaft 2/2014, S. 55 ff. Abzugrenzen vom reinen Niederlassungsmodell: Ausländische Hochschulen oder ähnliche Einrichtungen führen ihre Bildungsprogramme in selbständigen oder unselbständigen Niederlassungen in Deutschland durch. Prüfungen und die Verleihung von Zertifikaten bzw. akademischen Graden/Titeln erfolgen entweder an der ausländischen Hochschule oder an der deutschen Niederlassung nach ausländischem Recht (vgl. Wissenschaftsrat Drs. 4419/00 v. 21.01.2000)
Franchising Modell im Sinne des Art. 50 Abs. 3 RL 2005/36/EG Beziehen sich Ausbildungsnachweise nach Artikel 3 Absatz Buchstabe c, die von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates ausgestellt wurden, auf eine Ausbildung, die ganz oder teilweise in einer rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates niedergelassenen Einrichtung absolviert wurde, so kann der Aufnahmemitgliedstaat bei berechtigten Zweifeln bei der zuständigen Stelle des Ausstellungsmitgliedstaats überprüfen, a) ob der Ausbildungsgang in der betreffenden Einrichtung von der Ausbildungseinrichtung des Ausstellungsmitgliedsstaats offiziell bescheinigt worden ist; b) ob der ausgestellte Ausbildungsnachweis dem entspricht, der verliehen worden wäre, wenn der Ausbildungsgang vollständig im Ausstellungsmitgliedstaat absolviert worden wäre, und c) ob mit dem Ausbildungsnachweis im Hoheitsgebiet des Ausstellungsmitgliedstaats dieselben beruflichen Rechte verliehen werden.
Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG): Grundsatz der automatischen Anerkennung Art. 21 Abs. 1 RL (i.v m. Anhang V): keine inhaltliche Überprüfung durch Aufnahmestaat hinsichtlich der in Anlage V (sub V.1.1) aufgeführten Ausbildungsnachweise anderer Mitgliedsstaaten (anders bei dort nicht aufgeführten Zeugnissen) nur Möglichkeit eines Verfahren nach Art. 50 Abs. 2, 3 RL entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des EuGH, etwa: Urt. v.19.6.2003, Rs. C 110/01 Tennah Durez Urt.v. 13.11.2003, Rs. C 153/02 Valentina Neri Grenze: Rechtsmissbrauch (bewusstes Unterlaufen der RL Vorgaben), eng auszulegen, Beweisproblem! Folge dann => Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 260 AEUV
Mindestvoraussetzungen eines Medizinischen Studiums (Grundausbildung) Art. 24 Abs. 2 RL 2005/36/EG: sechs Jahre oder 5500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität Art. 24 Abs. 2 RL 2013/55/EU: fünf Jahre und 5500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität umgesetzt in 3 Satz 1 Nr. 4 BÄO: Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule => Erfordernis einer wissenschaftlichen Lehre WR: muss hinreichend forschungsbasiert sein; erfordert im Schwerpunkt hauptberufliche, ordentlich berufene Professoren (Deputate Forschungsfreisemester); ausschließlicher oder überwiegender Betrieb mit apl. Professoren bzw. extramuralem Lehrpersonal reicht nicht! => Studium von mindestens 6 Jahren, davon mindestens acht, höchstens 12 Monate in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung => Krankenhaus ist nach dem Gesetz nicht per se der Ort forschungsbasierter Lehre
unter Aufsicht einer Universität Aufsicht als Rechtsbegriff: Informationsrechte Kontrollrechte Einwirkungsrechte Kann bei Franchising Modellen nur durch umfangreiche vertragliche Regelungen hergestellt werden, da kein hierarchisches Verhältnis im öffentlich rechtlichen Sinn besteht! (Principal Agent Verhältnis) so jetzt auch HRK, Empfehlung v.19.11.2013, S. 6: Qualitätssicherung Konfliktlösungsmechanismen institutionelle Vertretung von Studierendeninteressen Kommunikation über Marketing
Problem der Interessenkollision ausländische Hochschule als aufsichtsführende Stelle muss die Interessen von Forschung und Lehre gegenüber den Interessen der Krankenversorgung vertreten Inländischer Krankenhausträger muss die Interessen der Krankenversorgung vertreten => Kooperationsvertrag muss für entstehende Interessenkollisionen entsprechende Schlichtungsmechanismen vorsehen (z.b. Schlichtungskommissionen/Schiedsabreden) Interessenlage ähnlich Fall UK Gießen/Marburg
Problem der Gesetzesbindung Rechtsträgerschaft kooperierender Krankenhäuser öffentliche Träger + öffentlich rechtliche Form => unmittelbare Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG öffentliche Träger + Privatrechtsform => unmittelbare Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG (keine Flucht ins Privatrecht ) Private Träger + Privatrechtsform => Gesetzesbindung kraft Beleihung (im LandesHG zu regeln) (vgl. Konstruktion des privaten UK Gießen Marburg)
Gesetzesbindung und Aufsicht Für kooperierende Krankenhäuser entsteht durch die Beteiligung an Franchising Modell nicht etwa eine Art rechtsfreien Raums. Bindung an inländisches Recht (BÄO, ÄApprO) An Franchising Studienangeboten beteiligtes Lehrpersonal muss dieselben wissenschaftlichen Qualifikationsanforderungen erfüllen wie das Lehrpersonal der beteiligten Hochschule. (HRK, Empfehlung vom 19.11.2013) Staatliche Aufsichtsbehörden haben darauf zu achten, dass keine Kooperationsverträge abgeschlossen werden, die Erfordernisse einer wissenschaftlichen Ausbildung unterlaufen. Im Zweifel muss sich die staatliche Aufsicht durchsetzen. Notwendig: Konkretisierung der Anforderungen an wissenschaftliche Lehre im europäischen Kontext eventuell Selbstverpflichtungskodex?
Kontaktdaten: Prof. Dr. jur. Max Emanuel Geis Institut für Staats und Verwaltungsrecht Lehrstuhl für Öffentliches Recht Direktor der Forschungsstelle für Wissenschafts und Hochschulrecht Friedrich Alexander Universität Erlangen Nürnberg Juridicum Schillerstraße 1 91054 Erlangen Tel. 09131/85 29373 Fax 26382 Email: max emanuel.geis@fau.de